Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-210019/2/Ga/La

Linz, 28.05.1993

VwSen - 210019/2/Ga/La Linz, am 28. Mai 1993 DVR.0690392 - &

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des P, gegen das wegen Übertretung des Abfallwirtschaftsgesetzes erlassene Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 21. Februar 1992, Zl. Ge-96/163/1991/Pa, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Der Berufungswerber hat keinen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens zu leisten.

Rechtsgrundlage: Zu I.: § 66 Abs.4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51, iVm § 24 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52; § 31 Abs.1 und Abs.2, § 32, § 44a Z1, § 45 Abs.1 Z1 und Z3, § 51 Abs.1, § 51c und § 51e Abs.1 VStG. Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1.1. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat mit dem eingangs bezeichneten Straferkenntnis den Berufungswerber einer Verwaltungsübertretung schuldig gesprochen, weil er in der Zeit vom 12. September 1991 bis zumindest 3. Dezember 1991 auf dem Grundstück Nr. , gefährliche Abfälle, und zwar - ca. 30 Alt- und Unfallautos, ausrangierte Autos und Motorteile sowie - einen mit einem Bitumen-Altöl-Gemisch behandelten Holzzaun auf unbefestigtem Grund abgelagert habe, obwohl das Ablagern von gefährlichen Abfällen außerhalb genehmigter Abfallbehandlungsgrundlagen unzulässig ist und gefährliche Abfälle jedenfalls so zu lagern und zu behandeln sind, daß Beeinträchtigungen im Sinne des genannten Bundesgesetzes, vorliegend insbesondere "eine Verunreinigung der Umwelt sowie Brand- oder Explosionsgefahr", vermieden werden; deswegen wurde über ihn wegen Verletzung des § 17 Abs.1 des Abfallwirtschaftsgesetzes (AWG) gemäß § 39 Abs.1 lit.b Z10 AWG eine Geldstrafe in der Höhe von 5.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: fünf Tage) verhängt; außerdem wurde der Berufungswerber verpflichtet, einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von 500 S zu leisten.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die mit dem Vorwurf inhaltlicher Rechtswidrigkeit bei der Strafbehörde eingebrachte Berufung.

2.1. Die Strafbehörde hat keine Berufungsvorentscheidung erlassen, sondern - als nunmehr belangte Behörde - die Berufung samt Strafakt dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt. Von einer Gegenäußerung zum Berufungsvorbringen hat die belangte Behörde abgesehen.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat, nach Beweisaufnahme durch Einsicht in den Strafakt zu Zl. Ge-96/163/1991/Pa, über die - zulässige - Berufung erwogen:

3.1. Schon aus der Aktenlage war ersichtlich, daß das angefochtene Straferkenntnis - gemäß § 51e Abs.1 VStG ohne öffentliche mündliche Verhandlung - aufzuheben ist.

3.2. Gemäß § 66 Abs.4 AVG (iVm § 24 VStG) hat der unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Die Sache, auf deren Entscheidung der unabhängige Verwaltungssenat dabei beschränkt ist, ergibt sich zu allererst aus dem spruchgemäßen Tatvorwurf des bekämpften Straferkenntnisses. Dessen zwingenden Inhalt regelt § 44a VStG. Die Ziffer 1 dieser Bestimmung verlangt den Vorwurf der als erwiesen angenommenen Tat, die hinsichtlich des Täters und der Tatumstände (= alle wesentlichen Sachverhaltselemente) so genau umschrieben sein muß, daß zum einen die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird, und zum anderen die Identität der Tat unverwechselbar feststeht. Es muß daher dem Beschuldigten die Tat in derart konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, daß er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Strafverfahren (und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren) auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf widerlegen zu können; und schließlich muß der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

3.3. Gemäß § 39 Abs.1 lit.b Z10 AWG begeht - vorbehaltlich strafgerichtlicher Zuständigkeiten - eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 5.000 S bis 100.000 S zu bestrafen ist, wer gefährliche Abfälle und Altöle entgegen § 17 Abs.1 AWG lagert, behandelt oder ablagert.

Gemäß § 2 Abs.5 AWG sind gefährliche Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes solche Abfälle, deren ordnungsgemäße Behandlung besondere Umsicht und besondere Vorkehrungen im Hinblick auf die (im § 1 Abs.3 AWG näher umschriebenen) öffentlichen Interessen erfordert und deren ordnungsgemäße Behandlung jedenfalls weitergehender Vorkehrungen oder einer größeren Umsicht bedarf, als dies für die Behandlung von Hausmüll (wiederum entsprechend den Grundsätzen des § 1 Abs.3) erforderlich ist.

Gemäß § 2 Abs.1 AWG sind Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes nur bewegliche Sachen, 1. deren sich der Eigentümer oder Inhaber entledigen will oder entledigt hat, oder 2. deren Erfassung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse (§ 1 Abs.3) geboten ist.

Gemäß § 2 Abs.2 AWG ist die geordnete Erfassung und Behandlung einer Sache als Abfall im Sinne dieses Bundesgesetzes jedenfalls so lange nicht im öffentlichen Interesse (§ 1 Abs.3) geboten, 1. als eine Sache nach allgemeiner Verkehrsauffassung neu ist oder 2. solange sie in einer nach allgemeiner Verkehrsauffassung für sie bestimmungsgemäßen Verwendung steht oder 3. solange die Sache nach dem Ende ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung im unmittelbaren Bereich des Haushaltes bzw. der Betriebsstätte auf eine zulässige Weise verwendet oder verwertet wird.

§ 3 Abs.2 AWG stellt klar, daß (u.a.) § 17 Abs.1 dieses Bundesgesetzes für (sogenannte) nicht gefährliche Abfälle nicht gilt; sog. nicht gefährliche Abfälle unterliegen grundsätzlich der abfallwirtschaftsrechtlichen Gesetzesregelung des Landes (siehe O.ö. Abfallwirtschaftsgesetz 1990, LGBl.Nr. 28/1991).

3.4. Vor dem Hintergrund des hier anzuwendenden materiellen Normenbestandes entspricht den dargelegten Konkretisierungsanforderungen (Punkt 3.2.) weder die im Ermittlungsverfahren der belangten Behörde ergangene Aufforderung zur Rechtfertigung vom 19. Dezember 1991 noch der Schuldspruch des angefochtenen Straferkenntnisses. Es wäre nämlich erforderlich gewesen, daß schon in die (erste) Verfolgungshandlung bzw. in den Spruch des Straferkenntnisses nicht nur solche konkreten Umstände aufgenommen werden, die die Unterstellung der vorgefundenen beweglichen Sachen unter den in bestimmter Weise (§ 1 Abs.3 AWG) determinierten, vom öffentlichen Interesse getragenen, objektiven Abfallbegriff erlauben, sondern - jedenfalls - auch jene konkreten Umstände, die vorliegend maßgeblich dafür waren, die spruchgegenständlichen Sachen, und zwar: "ca. 30 Alt- und Unfallautos, ausrangierte Autos und Motorteile", in die Qualität 'gefährliche Abfälle' zu heben und damit überhaupt erst dem (Bundes-)Abfallwirtschaftsgesetz zu unterstellen. Immerhin ist zu bedenken, daß es in Fällen wie dem vorliegenden von den (nachzuweisenden) Kriterien der Gefährlichkeit als wesentliches Sachverhaltselement abhängt, unter welchem mat. Rechtsregime die Strafbehörde einzuschreiten hat: unter jenem des Bundes (AWG) oder jenem des Landes (O.ö. AWG 1990).

Daß im Berufungsfall die Maßgeblichkeit der die Gefährlichkeit eines Abfalls im dargelegten Sinn erst begründenden Kriterien als vorzuwerfende Tatumstände von Anfang an verkannt worden ist, geht schon daraus hervor, daß im vorgelegten Strafakt kein einziger auf die Ermittlung von Gefährlichkeitskriterien gerichteter Ermittlungsschritt dokumentiert ist; weder enthält der Aktenvermerk vom 3. Dezember 1991 noch das an die belangte Behörde gerichtete Schreiben des Amtes der O.ö. Landesregierung vom 11. Dezember 1991 irgendwelche näheren Sachverhaltsangaben, aus denen die Gefährlichkeit der vorgefundenen und als Abfälle eingestuften, größeren Anzahl von Alt- und Unfallautos, ausrangierten Autos und Motorteilen begründetermaßen hervorginge.

3.5. Die Hineinnahme des Holzzaunes in den Schuldspruch des bekämpften Straferkenntnisses bzw. dessen Unterstellung unter den Abfallbegriff ist rechtsirrig deswegen, weil das Abfallwirtschaftsgesetz als Abfälle von vornherein nur bewegliche Sachen erfaßt (§ 2 Abs.1 Einleitungssatz AWG). Aus dem Strafakt geht jedoch hervor, daß der Holzzaun zur fraglichen Zeit auf dem Grundstück Nr. 744 der KG Matzelsdorf aufgestellt war. Als aufgestellter, eben dadurch mit dem Boden verbundener Zaun war er für sich jedoch eine unbewegliche Sache im Sinne des hier maßgeblichen Begriffsbildes des § 293 ABGB. Davon abgesehen hätte der Holzzaun schon wegen § 2 Abs.2 AWG nicht in den Tatvorwurf hineingenommen werden dürfen, weil zufolge der Z2 dieser Bestimmung die Erfassung einer Sache als Abfall (aus öffentlichem Interesse) solange nicht zulässig ist, solange sie in einer nach allgemeiner Verkehrsauffassung für sie bestimmungsgemäßen Verwendung steht; daß der Holzzaun zur vorgeworfenen Tatzeit als Umzäunung, somit seiner Bestimmung entsprechend verwendet wurde, liegt nach dem Akteninhalt auf der Hand. Abschließend zu diesem Punkt wird bemerkt, daß nach den Umständen dieses Falles der mit einem Bitumen-Altöl-Gemisch angestrichene Holzzaun jedenfalls keine Frage des Rechtsvollzugs nach den Abfallwirtschaftsgesetzen ist.

4. Im Ergebnis ist die Berufung erfolgreich. Aus den dargelegten Gründen war das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben; die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens war zu verfügen, einerseits weil Umstände vorliegen, die die weitere Verfolgung des Berufungswerbers in dieser Sache ausschließen (die Verjährungsfrist des § 31 VStG ist jedenfalls hinsichtlich der ca. 30 Alt- und Unfallautos etc. nie unterbrochen worden), andererseits weil die hinsichtlich des Holzzauns vorgeworfene Tat keine Verwaltungsübertretung nach dem AWG bildet.

Zu II.:

Der Ausspruch über den Entfall von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens ist auf die angegebene Gesetzesbestimmung gegründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine schriftliche Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Gallnbrunner

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