Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-210183/10/Le/La

Linz, 14.03.1995

VwSen-210183/10/Le/La Linz, am 14. März 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 9. Kammer (Vorsitzender: Dr. Bleier, Beisitzer: Mag. Kisch, Berichter: Dr. Leitgeb) über die Berufung des M N , R , S , vertreten durch Rechtsanwalt Mag. W B , L , L , gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 10.8.1994, Ge-96/273/1993+1/Um, wegen Übertretung des Abfallwirtschaftsgesetzes, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens verfügt.

II. Der Berufungswerber hat keine Beiträge zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens zu leisten.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs. 4 des Allgmeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51 idgF iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z2, 51 Abs.1, 51b und 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis vom 10.8.1994 wurde der nunmehrige Berufungswerber (im folgenden kurz: Bw) wegen Übertretungen gemäß § 39 Abs.1 lit.a Z3 iVm § 29 Abs.1 Z3 Abfallwirtschaftsgesetz - AWG mit Geldstrafen in Höhe von 50.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: zehn Tage) bzw. in Höhe von 70.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: vierzehn Tage) bestraft.

Im einzelnen wurde ihm vorgeworfen, als verantwortlicher Beauftragter iSd § 9 Abs.2 VStG dafür verantwortlich zu sein, daß im Standort M , W , Gemeinde B , in der Zeit von zumindest Mai 1993 bis 25.8.1993 Bauarbeiten zum Zwecke des Umbaus der ehemaligen Ziegeleihalle in eine Abfallsortieranlage getätigt wurden.

Dazu wären die bestehenden Trockenkammern, die Tunnelöfen sowie der ehemalige Schlot der Ziegelei abgebrochen sowie die Herstellung einer ebenen Hallenfläche veranlaßt worden.

Außerdem wären in der ehemaligen Ziegeleihalle mehrere Betonwände im Abstand von 4 m zum Zwecke der Trennung und Lagerung verschiedener Abfälle errichtet und wären unter dem Vordach der früheren Ofenhalle eine Reihe von Abfällen, insbesonders Pappe, Plastikmaterial und Filzstoffabfälle gelagert worden; weiters wären 47 Stück neue Container zur Sammlung von Altpapier aufgestellt worden. Er habe damit eine Anlage zur sonstigen Behandlung von nicht gefährlichen Abfällen mit einer Jahreskapazität von mindestens 10.000 t ohne der gemäß § 29 Abs.1 Z3 AWG erforderlichen Genehmigung errichtet.

Weiters wurde ihm vorgeworfen, diese Anlage ohne der abfallrechtlichen Bewilligung in Betrieb genommen und zumindest in der Zeit von Mai 1993 bis 7. September 1993 ohne der erforderlichen abfallrechtlichen Genehmigung betrieben zu haben. Weiters wurde ihm ein konsensloser Betrieb dieser Anlage zu mehreren bestimmten Tagen durch Angabe der Tätigkeiten im einzelnen vorgeworfen.

Schließlich wurde der Beschuldigte auch zur Zahlung der Verfahrenskosten in Höhe von 12.000 S verpflichtet.

1.2. In der Begründung zu diesem Straferkenntnis wurde angeführt, daß die N Gesellschaft m.b.H. im Zeitraum von Mai 1993 bis 25. August 1993 Bauarbeiten zum Zweck des Umbaues der ehemaligen Ziegeleihalle in eine Abfallsortieranlage getätigt hätte sowie auf dem Betriebsgelände Abfälle gelagert und 47 Stück Container zur Sammlung von Altpapier aufgestellt hätte. Damit hätte die N Ges.m.b.H. im genannten Zeitraum eine Abfallbehandlungsanlage gemäß § 29 Abs.1 errichtet, ohne im Besitz der hiefür erforderlichen abfallrechtlichen Genehmigung zu sein.

Die Absicht der Ges.m.b.H., im Gemeindegebiet von B eine Abfallbehandlungsanlage mit einer Gesamtkapazität von 12.000 t pro Jahr zu errichten, sei auf Grund der Antragstellung der Ges.m.b.H. an den Landeshauptmann für Oberösterreich sowie auf Grund der eindeutigen Angaben in den Stellungnahmen im Zuge des durchgeführten Verwaltungsstrafverfahrens sowie der gleichlautenden Aussage an die Gemeinde B als erwiesen anzusehen. Die vorgebrachten Entschuldigungsgründe betreffend die Durchführung der Bauarbeiten wurden im einzelnen widerlegt.

Hinsichtlich des Betriebes wurde auf Erhebungsberichte der Gendarmerie an den bezeichneten Tagen im einzelnen verwiesen. Aus diesen Berichten gehe hervor, daß an den bezeichneten Tagen sowohl in der Halle als auch auf dem offenen Betriebsgelände Manipulationen mit Abfällen durchgeführt worden wären. Insbesonders wäre mittels Bagger Müll auf LKWs aufgelegt und wären mittels Radlader oder Förderband Papier- und Kartonabfälle sowie Plastikmaterial zu einer Presse transportiert und dort gepreßt und gebündelt worden.

Zur persönlichen Verantwortlichkeit des Beschuldigten führte die Erstbehörde aus, daß nach den durchgeführten Ermittlungen feststehe, daß die Firma Neuhauser Gesellschaft mbH ihn zum alleinigen Verantwortungsträger im Innen- und Außenverhältnis, insbesonders zum alleinverantwortlichen Geschäftsführer nach Handels- und Gewerberecht sowie zum verantwortlichen Beauftragten iSd § 9 Abs.2 VStG für den Aufgabenbereich "Abfallwirtschaft (Abfallbehandlung und -ablagerung/Projektierung und Errichtung von Abfallbehandlungsanlagen/Beteiligung an und Gründung von abfallwirtschaftlichen Unternehmungen)" bestellt habe.

Diesem Aufgabenbereich würden alle vom Beschuldigten durchgeführten Vorbereitungshandlungen unterliegen. Die vorgelegte Bestellungsurkunde vom 31.3.1993 würde den Voraussetzungen des § 9 Abs.2 VStG entsprechen, weshalb er für die im Spruch bezeichneten Verwaltungsübertretungen strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen sei.

Schließlich setzte sich die Behörde mit der Strafbemessung auseinander.

2. Mit der rechtzeitig eingebrachten Berufung vom 26.8.1994 wurde das gesamte Straferkenntnis angefochten und beantragt, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung der Berufung Folge zu geben und den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben und das Strafverfahren einzustellen, in eventu den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, daß von der Verhängung einer Strafe abgesehen wird, in eventu den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, daß auf Grund des Überwiegens der Milderungsgründe das Strafausmaß herabgesetzt werde.

In der Begründung brachte der Bw. im wesentlichen vor, daß es sich bei den durchgeführten Arbeiten (Abbrechen der bestehenden Trockenkammer, der Tunnelöfen sowie des ehemaligen Schlotes der Ziegelei) um bewilligungsfreie Sanierungs- und Erhaltungsmaßnahmen gehandelt hätte, die durch den Bescheid der Gemeinde Burgkirchen vom 10.11.1993 gemäß § 60 O.ö. Bauordnung gedeckt seien. In der Aufforderung zur Stellungnahme hätte die Bezirkshauptmannschaft selbst ausgeführt, daß die Abbrucharbeiten nicht unter den Begriff "Errichten" iSd AWG definiert werden könnten, da diesem ein konstruktives Element zugrundeliege. Dennoch werfe sie dem Bw. diese Maßnahmen nunmehr als Errichten vor.

Es wurde weiters der Rechtsansicht der Erstbehörde entgegengetreten, daß für die Qualifikation als Errichtung iSd § 29 Abs.1 AWG lediglich maßgeblich sei, ob mit der getroffenen Maßnahme nach der subjektiven Absicht der verantwortlichen Person die Herstellung einer Anlage iSd § 29 Abs.1 AWG erfolgen solle. Die subjektive Einstellung des Täters könne nämlich nicht über die Erfüllung oder Nichterfüllung eines objektiven Tatbildes entscheiden. Wenn daher die von der Erstbehörde inkriminierten Arbeiten für sich alleine nicht den objektiven Tatbestand des § 29 Abs.1 Z3 AWG herzustellen vermögen, verstoße die vorgenommene Bestrafung auf Grund der inneren Einstellung (Absicht, eine Abfallbehandlungsanlage zu errichten) gegen den Grundsatz des § 1 VStG.

Das Aufstellen von Containern stelle keine Errichtung einer Anlage zur Behandlung von nicht gefährlichen Abfällen iSd § 29 Abs.1 Z3 dar, weil diese nur der Lagerung, nicht aber der Behandlung bzw. Weiterverarbeitung von Altpapier dienten. Auch die Papier-, Pappe- und Plastikmaterialien seien am Standort nur kurzfristig zwischengelagert worden und bestehe daher dafür gemäß § 22 Abs.5 O.ö. AWG keine Genehmigungspflicht.

Ausdrücklich bestritten wurde die Abfallqualifikation von "in 18 Packen gebündelte und neuwertige Pappe".

Zum Tatvorwurf der Inbetriebnahme der Abfallbehandlungsanlage für den Zeitraum von Mai 1993 bis 7.

September 1993 vertrat der Bw. die Ansicht, daß seitens der Bezirkshauptmannschaft Braunau diesbezüglich keine entsprechenden Feststellungen getroffen worden seien, sondern dieser vielmehr auf Vermutungen beruhe, die jedoch mit den Feststellungen betreffend die Errichtung der Abfallbehandlungsanlage in Widerspruch stünden, da Errichtung und Inbetriebnahme nicht zum gleichen Zeitpunkt stattfinden könnten, sondern zeitlich aufeinander folgen müßten.

Für den späteren Zeitraum hin bis zum 17. November 1993 führte der Bw. an, daß bei den stichprobenartigen Ermittlungen der Gendarmeriebeamten zum einen die bei den Sanierungs- und Erhaltungsmaßnahmen angefallenen Materialien getrennt und gesondert entsorgt bzw. weiterverwendet wurden, zum anderen die am Standort gelagerte Presse einer kurzen Funktionsprobe unterzogen worden sei und dabei ein Überlager von Verpackungsmaterial beseitigt worden sei. Diese Tätigkeit sei rechtmäßig, was die Verfahrensanordnung der Bezirkshauptmannschaft Braunau vom 18.11.1993 bestätige, die die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes bei sonstiger Einleitung von Zwangs- und Sicherungsmaßnahmen forderte. In die gleiche Richtung wäre der behördliche Auftrag der Umweltrechtsabteilung des Amtes der o.ö. Landesregierung gegangen, welcher die Entfernung von Papiermaterial mittels Ballenpresse angeordnet hatte.

Der Bw. macht weiters entschuldigenden Notstand geltend, da er auf Grund der Zusagen der einschlägigen Stellen bereits ein Jahr zuvor eine kapitalintensive Umstrukturierung eingeleitet und entsprechende Vorinvestitionen getätigt habe. Wenn er auf die Genehmigung zugewartet und nicht die inkriminierten Vorbereitungsarbeiten vorgenommen hätte, so wäre die wirtschaftliche Existenz seiner Firma ernsthaft in Frage gestellt worden. Dieser unmittelbar drohende, bedeutende Nachteil für das Vermögen des Bw. wäre zumutbarerweise nicht in anderer Art als durch das inkriminierte Verhalten des Bw. zu beheben gewesen.

Bei der Strafbemessung rügt der Bw., daß die Behörde den Erschwernisgrund der Z1 des § 33 StGB angeführt habe mit der Begründung, daß der Berufungswerber die gegenständliche Übertretung fortgesetzt habe. Der Wortlaut "Inbetriebnahme" stelle aber auf ein einmaliges Beginnen mit dem Betrieb einer Anlage ab und könne dieses Verhalten daher nicht fortgesetzt begangen werden. Wenn die Bezirkshauptmannschaft Braunau dagegen von der Ansicht ausginge, daß das objektive Tatbestandsmerkmal des § 29 Abs.1 Z3 AWG "in Betrieb nehmen" auch den ständigen Betrieb der Anlage mitumfasse, liege ebensowenig der Erschwernisgrund des § 33 Z1 StGB vor, da ein Tatbestandsmerkmal bei der Strafbemessung weder als erschwerend noch als mildernd gewertet werden dürfe. Es liege daher kein Erschwernisgrund vor und sei die Strafbemessung rechtswidrig.

Weiters wurde gerügt, daß die Behörde bei der Strafbemessung keine Umstände als mildernd berücksichtigt habe. Dabei wäre das Projekt "Abfallsortieranlage" zu einem erheblichen Teil auch öffentlichen Interessen an einer geordneten Abfalltrennung und -entsorgung entgegengekommen. Es hätte ferner ein starkes Interesse des regionalen Abfallverbandes und mehrerer Entsorgungsunternehmen an der Schaffung einer Sortieranlage gegeben. Dies insbesonders deshalb, da der Vollzug der Verpackungsverordnung mangels Sortieranlage im Bezirk Braunau nur durch ein Provisorium mit einer Salzburger Anlage vorläufig gesichert werden konnte. Es war daher vorgesehen, daß die Sortierung ehestmöglich durch die Sortieranlage in M erfolgen solle. Auch die o.ö.

Umweltanwaltschaft hätte das Projekt unterstützt. Weitere Milderungsgründe wären die Schaffung neuer Arbeitsplätze sowie die Unbescholtenheit des Beschuldigten. Schließlich sei auch noch festzuhalten, daß die behauptete Verwaltungsübertretung keinen Schaden iSd § 34 Z13 StGB verursacht habe.

Da die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen, wären jedenfalls die Voraussetzungen für die Anwendung des § 20 VStG gegeben gewesen. Aber auch die Anwendbarkeit des § 21 VStG wäre gegeben gewesen.

Insgesamt seien die Voraussetzungen für eine Einstellung des Verfahrens gemäß § 45 VStG, jedenfalls aber für ein Absehen von der Strafe gemäß § 21 Abs.1 VStG gewesen.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat für 8. März 1995 eine öffentliche mündliche Verhandlung anberaumt und an diesem Tage durchgeführt. Dabei wurde Beweis aufgenommen durch Einvernahme des Berufungswerbers, des Zeugen J N sowie durch gutachtliche Beurteilung der Aussagen, Pläne und Fotos durch den Amtssachverständigen für Abfallchemie und Abfallbehandlungsanlagen, Herrn W.Hofrat Dipl.-Ing. H . Die Bezirkshauptmannschaft Braunau hätte trotz Ladung keinen Vertreter entsandt.

Aus diesem Beweisverfahren steht folgender Sachverhalt als erwiesen fest:

Die Firma N Ges.m.b.H., deren Gesellschafter und Geschäftsführer sowohl der Berufungswerber als auch der Zeuge J N sind, suchten gemeinsam mit dem Bezirksabfallverband Braunau nach einem Standort im Bezirk für eine Sortieranlage für Altpapier, Kartonagen und Verpackungsabfälle. Sie glaubten, diesen im Gebäude der ehemaligen Ziegelei R in der Gemeinde B nahe M gefunden zu haben. Nach monatelangen Verhandlungen mit dem Eigentümer, Herrn R , wurde zwischen dem Eigentümer und der Firma N Ges.m.b.H.

ein Mietvertrag abgeschlossen.

Etwa im Mai 1993 begann die N Ges.m.b.H., diese Ziegeleihalle auszuräumen. Zu diesem Zweck wurden der Tunnelofen, die Ziegelwände der Trockenkammern sowie Regallager für die Ziegelerzeugung abgebrochen und sodann der Hallenboden begradigt und betoniert. Überdies wurden mehrere betonierte Zwischenwände aufgestellt. Diese Betonwände hätten später die Aufgabe gehabt, als Zwischenlager für einzelne Abfallfraktionen zu dienen. An maschineller Ausrüstung wurde ein Steigband mit einer mobilen Ballenpresse eingerichtet. Bei dieser Ballenpresse handelte es sich um eine neue Maschine, die der Bw. bereits im Juli 1993 angeschafft hatte, weil es sich um einen Gelegenheitskauf gehandelt hatte. Die Presse war als mobile Anlage konstruiert; sie wurde nach Angabe des Bw. im Dezember 1993 oder Jänner 1994 wieder entfernt.

Das im Projekt vorgesehene Sortierband und die Sortierbühne wurden noch nicht eingerichtet. Ebensowenig war das zum Sortieren der Abfälle erforderliche Personal angestellt.

Zu den unter dem Vordach der früheren Ofenhalle gelagerten Kartonagen, Plastikballen, Packen mit Plastiksäcken und Filzstoffabfällen gab der Bw. glaubwürdig an, daß diese Abfälle von Unternehmen aus der Umgebung angeliefert und dort lediglich zwischengelagert wurden, bis ein Abtransport wirtschaftlich rentabel war.

Die 47 neuen Container waren für die Altpapiersammlung in den Gemeinden bestimmt und wurden unter dem Vordach der Ofenhalle lediglich kurzfristig abgestellt, bevor sie in den Gemeinden aufgestellt wurden.

Zum Betrieb der Anlage befragt gab der Bw. an, daß in der Halle lediglich nicht gefährliche Abfälle, insbesonders Kartonagen und Plastikabfälle, zwischengelagert wurden. Die Ballenpresse wurde im Probebetrieb betrieben bzw. wären dann später auf Grund behördlicher Aufträge zwischengelagerte Materialien verpreßt worden, um sie leichter transportieren zu können.

Zur Kapazität der Anlage gab der Bw. an, daß im Acht-Stunden-Betrieb ca. acht bis zehn Tonnen Kartonagen pro Tag verpreßt werden könnten, daß dabei aber die in § 29 Abs.1 Z3 AWG geforderte Kapazitätsgrenze von 10.000 Jahrestonnen bei weitem nicht erreicht würde. Die Antragstellung für eine Anlage mit 12.000 Jahrestonnenkapazität sei deshalb erfolgt, weil nicht nur geplant war, Abfälle zu verpressen, sondern vor allem, Abfälle zu sortieren. Bei dieser Kapazität wären daher auch alle jene Abfälle zu berücksichtigen, die mangels Verwertbarkeit auf die Deponie gebracht würden.

3.2. Die oben angeführten Angaben wurden im wesentlichen vom Zeugen J N bestätigt; sie sind überdies in sich widerspruchsfrei und plausibel. Die vorgelegten Pläne und Lichtbilder bestätigen ebenfalls diese Aussage.

3.3. Der abfalltechnische Amtssachverständige führte in seiner gutachtlichen Stellungnahme aus, daß es sich bei der gegenständlichen Anlage noch um keine Abfallsortieranlage iSd § 29 Abs.1 Z3 AWG gehandelt hat, weil wesentliche Elemente einer Sortieranlage, nämlich Sortierbühne, Sortierband und entsprechendes Personal noch nicht installiert bzw.

eingestellt waren.

Durch das errichtete Provisorium kann überdies eine Jahreskapazität von 10.000 t nicht erreicht werden. Das bloße Pressen von Abfällen kann noch nicht als Abfallbehandlung angesehen werden, sondern als bloßes "Transport-fähig-machen" dieser Materialien. Unter Heranziehung von entsprechenden Vergleichswerten gleichartiger Betriebe führte der Amtssachverständige aus, daß bei einer Negativsortierung von Papier und Pappe (dabei werden die Fremdstoffe eliminiert) pro Mann und Jahr mit einer Leistung von ca. 1.900 t zu rechnen ist.

Bei einer Positivsortierung (dabei werden die verschiedenen verwertbaren Abfallfraktionen auseinandersortiert) kann von einer Jahresleistung pro Mann von 180 t ausgegangen werden.

Mit der tatsächlich eingerichteten Anlage wurde aber den Mindesterfordernissen, die an eine Abfallsortieranlage gestellt werden, nicht entsprochen; daß mit dieser provisorischen Anlage eine Jahreskapazität von mindestens 10.000 t erreicht werden kann, ist auszuschließen.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Dem Beschuldigten steht das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat zu, in dessen Sprengel nach dem Ausspruch der Behörde erster Instanz die Tat begangen wurde (§ 51 Abs.1 VStG).

Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich.

Gemäß § 51c VStG entscheiden die unabhängigen Verwaltungssenate über Berufungen durch Kammern, die aus drei Mitgliedern bestehen, wenn aber im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch eines ihrer Mitglieder.

Da Strafen in der Höhe von jeweils mehr als 10.000 S verhängt wurden, ist zur Entscheidung über die eingebrachte Berufung die Kammer des unabhängigen Verwaltungssenates zuständig.

4.2. § 39 Abs.1 lit.a Z3 AWG in der anzuwendenden Fassung hatte folgenden Wortlaut:

"§ 39 (1) Sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist zu bestrafen a) mit Geldstrafe von 50.000 S bis 500.000 S, wer 3. eine Abfall- oder Altölbehandlungsanlage errichtet, betreibt oder ändert, ohne im Besitz der nach den §§ 28 und 29 erforderlichen Genehmigung zu sein;".

Nach § 29 Abs.1 Z3 AWG bedarf die Errichtung oder wesentliche Änderung sowie die Inbetriebnahme von 3. Anlagen zur thermischen Verwertung oder sonstigen Behandlung von nicht gefährlichen Abfällen oder Altölen, ausgenommen zur stofflichen Verwertung, mit einer Jahreskapazität von mindestens 10.000 t, einer Genehmigung des Landeshauptmannes.

Zunächst soll der erste Tatvorwurf des angefochtenen Straferkenntnisses, nämlich das konsenslose Errichten einer gemäß § 29 Abs.1 Z3 AWG bewilligungspflichtigen Abfallbehandlungsanlage näher beleuchtet werden.

Die verfahrensgegenständliche Anlage, die nach dem am 30.8.1993 - also nach dem inkriminierten Tatzeitraum! - beim Landeshauptmann eingereichten Projekt als Abfallsortieranlage geplant war, stellt als solche grundsätzlich eine "Anlage zur sonstigen Behandlung von nicht gefährlichen Abfällen" dar, da die "Sortierung" als "sonstige Behandlung" von Abfällen gilt. Nach dem eingereichten Projekt war eine Jahreskapazität von 12.000 t geplant, sodaß die Antragstellung zu Recht nach § 29 Abs.1 Z3 AWG erfolgte.

Lediglich der Vollständigkeit halber wird darauf verwiesen, daß eine Anlage zum Sortieren nicht gefährlicher Abfälle mit einer Jahreskapazität von weniger als 10.000 t eine Behandlungsanlage iSd § 20 Abs.1 Z1 O.ö.

Abfallwirtschaftsgesetz 1990 darstellen würde.

Der Bw. hat für den Standort seiner Abfallbehandlungsanlage die Räumlichkeiten der ehemaligen Ziegelei in B gewählt. Noch bevor seine Antragstellung für das Projekt bzw. bevor eine entsprechende behördliche Genehmigung erfolgte, begann er mit baulichen Veränderungen, größtenteils im Inneren dieser Halle. Dabei wurden verschiedene Arbeiten, nämlich der Abbruch des Tunnelofens, der Trockenkammern und der Setzgerüste sowie das Betonieren des gesamten Bodens in der Halle und das Errichten von Betonwänden vorgenommen. An maschinellen Einrichtungen wurde (lediglich) eine (mobile) Ballenpresse installiert, zu der ein Steigband (Förderband) führte.

In Anbetracht dieser Maßnahmen kann davon ausgegangen werden, daß begonnen wurde, eine Abfallbehandlungsanlage zu errichten, daß diese aber nicht fertig gestellt wurde. Zur werkgerechten Herstellung einer Abfallsortieranlage gehören zusätzlich unbedingt eine Sortierbühne, auf der die Abfälle in die einzelnen Fraktionen getrennt werden können, sowie die erforderlichen Förderbänder und getrennten Lager. (Zum Betrieb einer Abfallsortieranlage gehört zusätzlich das nötige Personal, das auf der Sortierbühne die Aussortierung der Abfälle in die einzelnen Fraktionen und deren getrennte Zwischenlagerung vornimmt.) Wenngleich es also der Bw. zu verantworten hat, daß mit der Errichtung einer Abfallbehandlungsanlage begonnen wurde, so kann der gegen ihn erhobene Tatvorwurf des § 39 Abs.1 lit.a Z3 iVm § 29 Abs.1 Z3 AWG nicht aufrechterhalten werden, weil ein wesentliches Tatbestandsmerkmal nicht nachgewiesen werden konnte. Eine Abfallsortieranlage für nicht gefährliche Abfälle ist nämlich erst dann nach § 29 Abs.1 Z3 AWG bewilligungspflichtig, wenn sie eine Jahreskapazität von mindestens 10.000 t erreicht. Mit den durchgeführten Maßnahmen sowie der installierten Geräteausstattung konnte eine Sortierung nicht durchgeführt werden, schon gar nicht mit einer Jahreskapazität von mindestens 10.000 t. (Bei der Pressung von - sortenreinen - Abfällen handelt es sich um keine Abfallbehandlung, weil dadurch diese Abfälle lediglich ökonomischer transportfähig gemacht wurden.) Es lagen auch nicht Umstände vor, die zwingend darauf schließen lassen, daß hier eine derartige Abfallbehandlungsanlage errichtet werden soll.

Anders als bei der konsenslosen Errichtung eines Gebäudes oder eines Betriebes, wo es nicht auf das Erreichen einer bestimmten Kapazitätsgrenze ankommt, muß beim Tatvorwurf des konsenslosen Errichtens einer Anlage gemäß § 29 Abs.1 Z3 AWG auch unbedingt das Tatbestandsmerkmal des Erreichens der Kapazitätsgrenze erfüllt sein! Dies möge anhand eines Beispiels verdeutlicht werden: § 29 Abs.1 Z6 AWG bestimmt eine Genehmigungspflicht für die Errichtung von Deponien für nicht gefährliche Abfälle mit einem Gesamtvolumen von mindestens 100.000 m3. Es ist einleuchtend, daß nicht jemand wegen der konsenslosen Errichtung einer solchen Großdeponie gemäß § 39 Abs.1 lit.a Z3 AWG bestraft werden kann, wenn er erst den ersten Spatenstich vollzogen hat. Dies auch dann, wenn er die Absicht kundgetan hat, tatsächlich eine derartige Deponie errichten zu wollen.

Solange nicht aus objektiv feststellbaren Anhaltspunkten feststeht, daß neben der Erfüllung der anderen erforderlichen Kriterien auch die Kapazitätsgrenze erreicht bzw. überschritten wird, ist der objektive Tatbestand des § 39 Abs.1 lit.a Z3 iVm § 29 Abs.1 Z3 bzw. Z6 AWG nicht erfüllt. Die bloße (subjektive) Absicht des Täters reicht nicht aus, dieses dem objektiven Tatbild zuzurechnende Tatbestandsmerkmal des Erreichens der Kapazitätsgrenze zu erfüllen.

Der unter Spruchabschnitt 1 des angefochtenen Straferkenntnisses erhobene Tatvorwurf der konsenslosen Errichtung einer gemäß § 29 Abs.1 Z3 AWG bewilligungspflichtigen "Anlage zur sonstigen Behandlung von nicht gefährlichen Abfällen mit einer Jahreskapazität von mindestens 10.000 t (Abfallsortieranlage)" konnte somit nicht erwiesen werden.

Der bloße Versuch, eine solche Anlage zu errichten, ist mangels gesetzlicher Anordnung im AWG nicht strafbar.

Im zitierten Spruchabschnitt 1. wurde dem Bw. weiter vorgeworfen, im selben Zeitraum auf dem Betriebsgelände unter dem Vordach der früheren Ofenhalle eine Reihe von näher bezeichneten Abfällen abgelagert zu haben.

Abgesehen davon, daß es sich hiebei offensichtlich um keine Ablagerung, sondern um eine bloße Lagerung handelte, konnte damit ein Zusammenhang mit dem Errichten einer Abfallbehandlungsanlage nicht aufgezeigt werden. Eine Zwischenlagerung von Abfällen bewirkt nicht, daß ein dazu verwendetes Objekt dadurch zu einer Abfallbehandlungsanlage würde.

Unverständlich ist im Hinblick auf die Bestimmung des § 2 Abs.2 Z1 AWG überdies, warum "18 Packen gebündelte und neuwertige Pappe" als "Abfälle" bezeichnet wurden.

Schließlich ist aus dem vom unabhängigen Verwaltungssenat durchgeführten Ermittlungsverfahren eindeutig hervorgekommen, daß die 47 neuen Container ebenfalls keinen Zusammenhang mit der inkriminierten Abfallsortieranlage hatten, sondern auf dem Betriebsgelände lediglich dazu bereit gestellt worden waren, damit sie zu den Altstoffsammelinseln in den einzelnen Gemeinden gebracht werden können. Damit ist offensichtlich, daß auch diese nicht Bestandteil der inkriminierten Abfallbehandlungsanlage wurden.

4.3. Aus den obigen Ausführungen ist daher zu resümieren, daß eine Abfallbehandlungsanlage iSd § 29 Abs.1 Z3 AWG tatsächlich nicht errichtet wurde.

Dies hat für den Tatvorwurf im zweiten Spruchabschnitt des angefochtenen Straferkenntnisses zur Folge, daß eine nicht existente Abfallbehandlungsanlage im Sinne des § 29 Abs.1 Z3 AWG auch nicht konsenslos betrieben werden konnte.

Auch hier erweist sich der auf § 39 Abs.1 lit.a Z3 iVm § 29 Abs.1 Z3 AWG gestützte Tatvorwurf als unzutreffend.

Überdies ist anzumerken, daß nach § 29 Abs.8 AWG für Anlagen gemäß Abs.1 Z1 bis Z3 im Genehmigungsbescheid angeordnet werden kann, daß die Behandlungsanlage erst auf Grund einer Betriebsbewilligung in Betrieb genommen werden darf.

Daraus ist abzuleiten, daß grundsätzlich eine Betriebsbewilligung für den Betrieb einer derartigen Anlage nicht erforderlich ist; erst dann, wenn dies im Genehmigungsbescheid angeordnet wurde, ist vor Aufnahme des Betriebes um eine gesonderte Betriebsbewilligung anzusuchen.

Wenn aber, wie im vorliegenden Fall, eine Errichtungsbewilligung gar nicht vorliegt, kann es auch keine - ausschließlich der Errichtungsbewilligung vorbehaltene - Anordnung geben, daß erst nach Vorliegen der Betriebsbewilligung der Betrieb aufgenommen werden darf.

Damit ist auch dieser Tatvorwurf unzutreffend, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

4.4. Der Ordnung halber soll darauf hingewiesen werden, daß es der belangten Behörde unbenommen geblieben wäre, die vom Bw. gesetzten Maßnahmen nach den jeweiligen Materienvorschriften (zB O.ö. Bauordnung, Gewerbeordnung, O.ö. Abfallwirtschaftsgesetz 1990 ...) zu überprüfen und allfällige Verwaltungsübertretungen aufzugreifen.

4.5. Bei dieser Sach- und Rechtslage war auf das übrige Vorbringen nicht mehr näher einzugehen, sondern spruchgemäß zu entscheiden.

Zu II.:

Wird ein Strafverfahren eingestellt oder eine verhängte Strafe infolge Berufung aufgehoben, so sind die Kosten des Verfahrens von der Behörde zu tragen (§ 66 Abs.1 VStG).

Da das Straferkenntnis behoben wurde, entfällt somit ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. B l e i e r

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