Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-210189/2/Ga/La

Linz, 28.11.1994

VwSen-210189/2/Ga/La Linz, am 28. November 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des H G , vertreten durch Dr. P R , Rechtsanwalt in L , K , gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 19.

Oktober 1994, Zl. UR96-31-1994-Fr/Gut, wegen Übertretung des O.ö. Abfallwirtschaftsgesetzes 1990 - O.ö. AWG, zu Recht erkannt:

Aus Anlaß der Berufung wird das angefochtene Straferkenntnis mit der Feststellung, daß es von einer unzuständigen Behörde erlassen worden ist, aufgehoben.

Rechtsgrundlage:

AVG: § 66 Abs.4.

VStG: § 24; § 2 Abs.2, § 27 Abs.1, § 29a, § 51 Abs.1, § 51c, § 51e Abs.1; § 66 Abs.1.

Entscheidungsgründe:

1. Die gegen das eingangs bezeichnete Straferkenntnis, mit dem der Berufungswerber einer Übertretung des § 42 Abs.1 Z1 lit.b O.ö. AWG schuldig erkannt und kostenpflichtig mit einer Geldstrafe in der Höhe von 8.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: vier Tage) bestraft worden ist, rechtsfreundlich eingebrachte, die Aufhebung und Verfahrenseinstellung beantragende Berufung wurde von der belangten Behörde zugleich mit dem Strafakt, jedoch ohne Gegenäußerung vorgelegt.

2. Schon aus der Beweisaufnahme durch Einsicht in den Strafakt ging hervor, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben und keine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen ist.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

3.1. Als Tat iSd § 44a Z1 VStG wird dem Berufungswerber im Schuldspruch vorgeworfen, er habe "als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der 'P GmbH' im Sinne der Bestimmungen des § 9 VStG zu verantworten, daß von Mitarbeitern" dieser Gesellschaft in der Zeit "zwischen 1. und 12. April 1994" nicht gefährliche Abfälle, nämlich eine bestimmte Menge Klärschlamm aus einer näher beschriebenen Kläranlage "entgegen den Grundsätzen des § 8 O.ö. AWG" auf bestimmten, in der Gemeinde N , pol. Bezirk Rohrbach, gelegenen Grundflächen (Feld; Wald) abgelagert.

3.2. Im Berufungsfall trifft der Vorwurf einer schuldhaft begangenen Verwaltungsübertretung die Gesellschaft, für die nach Meinung der belangten Behörde der Beschuldigte als Außenvertretungsorgan (= handelsrechtlicher Geschäftsführer) verantwortlich einzustehen habe. Für den Tatort iSd § 2 Abs.2 VStG wurde zutreffend die im Sprengel der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach herbeigeführte Ablagerung zugrundegelegt. An die somit gemäß § 27 Abs.1 VStG zuständige Tatortbehörde hat das Gendarmeriepostenkommando S auch die Anzeige vom 4. Juni 1994 gerichtet.

3.3. Von dieser Anzeige hat das Gendarmeriepostenkommando der O.ö. Landesregierung "zur verwaltungsrechtlichen Beurteilung" Kenntnis gegeben. Dem Ansinnen entsprechend, hat sodann das Amt der O.ö. Landesregierung, Umweltrechtsabteilung, mit Schreiben vom 17. Juni 1994 der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach den Auftrag erteilt, gegen "die Verantwortlichen" ein Verwaltungsstrafverfahren (ua) gemäß § 42 Abs.1 Z1 lit.b O.ö. AWG einzuleiten.

Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach hat jedoch ein solches Verwaltungsstrafverfahren nicht iSd § 32 VStG eingeleitet, sondern lediglich den bis dahin angefallenen Akt "der Bezirkshauptmannschaft Perg gemäß § 29a VStG abgetreten".

3.4. Gemäß § 29a VStG kann die Tatortbehörde das Strafverfahren dann, wenn hiedurch das Verfahren wesentlich vereinfacht oder beschleunigt wird, an die sachlich zuständige Behörde übertragen, in deren Sprengel der Beschuldigte seinen Wohnsitz oder Aufenthalt hat.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat die in dieser Vorschrift vorgesehene Zuständigkeitsübertragung die Qualität einer Verfahrensanordnung; der Übertragungsakt muß nicht nur diesen Anordnungscharakter deutlich machen, sondern sich auch auf den Verdacht einer bestimmten Verwaltungsübertretung gegen einen bestimmten Beschuldigten beziehen.

3.5. Dahingestellt bleibt, ob dem nach Art eines Formulars vorformulierten Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 28. Juni 1994, Zl. UR96-14-1994-We, die Qualität einer Verfahrensanordnung überhaupt zugemessen werden kann. Abgesehen weiters davon, daß gemäß § 29a VStG nur schon eingeleitete (und durch Verfahrensanordnung somit regelbare) Verwaltungsstrafverfahren übertragbar sind, ist die im vorgelegten Fall geschehene "Abtretung" rechtswidrig deshalb, weil die Tatortbehörde zum Zeitpunkt der Übertragung keinesfalls erwarten durfte, daß, wie es § 29a VStG verlangt, hiedurch das Verfahren wesentlich vereinfacht oder beschleunigt werden würde (vgl. VwGH 28.5.1993, 93/02/0032; zit. in ZfVB 1994/4/1422).

3.6. So konnte die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach zum Zeitpunkt der "Abtretung" nach den Umständen des Falles schon nicht mit Gewißheit - amtswegige Ermittlungen dahin, ob nicht möglicherweise ein verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 Abs.2 und 4 VStG bestellt worden ist, hat sie nicht geführt - annehmen, daß der Berufungswerber überhaupt als Beschuldigter belangbar ist. Zudem hat die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach verkannt, daß schon in der sorgfältigen Darstellung der Anzeigeschrift des GPK S vom 4. Juni 1994 nur ein Zeuge mit Wohnsitz im Bezirk Perg angegeben ist; ein weiterer Zeuge ist mit Wohnsitz im Bezirk Grieskirchen, zwei weitere Zeugen sind mit Wohnsitz im Bezirk Linz-Land und fünf (!) weitere Zeugen mit Wohnsitz im Bezirk Rohrbach vermerkt.

Auf diese Aktenlage ließ sich die Erwartung einer wesentlichen Verfahrensvereinfachung oder -beschleunigung nicht stützen. Mit anderen Worten: Im Zeitpunkt ihres Vorgehens nach § 29a VStG konnte die Tatortbehörde nicht begründet der Auffassung sein, durch die Übertragung des Verfahrens an eine andere Behörde werde der angeführte Erfolg eintreten (vgl. VwGH 28.2.1989, 88/07/0115; zit. in Hauer-Leukauf, Verwaltungsverfahren, 4. A, 1990, 860, 11.b.).

3.7. Aus all dem folgt, daß die im Berufungsfall von der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach als Tatortbehörde vorgenommene Übertragung ihrer örtlichen Zuständigkeit zur Führung eines Verwaltungsstrafverfahrens wegen Übertretung des O.ö. AWG auf die Bezirkshauptmannschaft Perg mit Rechtswidrigkeit belastet ist. Dies bedeutet jedoch, daß das angefochtene Straferkenntnis von einer örtlich unzuständigen Behörde erlassen wurde.

3.8. Wenngleich die örtliche Unzuständigkeit der belangten Behörde in der Berufung nicht releviert worden ist, war dennoch dieser Aufhebungsgrund durch den unabhängigen Verwaltungssenat von Amts wegen wahrzunehmen. Eine materielle Einstellungswirkung ist diesfalls mit der Aufhebung des Straferkenntnisses nicht verbunden (vgl. VwGH 8.10.1992, 92/18/0391, 0392; UVS 21.11.1994, VwSen-220999/4/Ga/La) und obliegt die Beantwortung der Frage, ob das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Berufungswerber fortgeführt werden kann oder ob nicht vielmehr mit einer Einstellungsverfügung gemäß § 45 Abs.1 Einleitungssatz VStG vorzugehen sein wird, der sachlich und örtlich zuständigen Strafbehörde.

4. Mit dieser Aufhebung ist von Gesetzes wegen die Entlastung des Berufungswerbers von allen Beiträgen zu den Kosten des Verfahrens verbunden.

5. Aus Zweckmäßigkeitsgründen hält der unabhängige Verwaltungssenat für das fortgesetzte Verfahren noch fest:

Mit Blick auf § 44a Z1 VStG und der hiezu ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bzw. der Entscheidungspraxis des unabhängigen Verwaltungssenates zum O.ö. AWG wird es wesentlich darauf ankommen, ob vorliegend überhaupt eine hinlänglich bestimmte Verfolgungshandlung gegen den Berufungswerber gesetzt worden ist. Wenngleich der Berufungswerber mit seinen Ausführungen über die von ihm verneinte Verantwortlichkeit (Seite 5, Punkt 1b der Berufungsschrift) die Rechtslage verkennt und diesbezüglich im Ergebnis der Darstellung der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses zu folgen wäre, werden, abgesehen von der Auffassung, derzufolge der abgelagerte Klärschlamm dem O.ö. Bodenschutzgesetz 1991 zu unstellen gewesen wäre, die Einwände des Berufungswerbers, wonach der Schuldspruch den Vorwurf einer konkreten Tatzeit nicht enthalte einerseits, und das Tatbild des § 42 Abs.1 Z1 lit.b iVm § 8 O.ö. AWG erfordert hätte, konkret vorzuwerfen, welcher der Grundsätze des § 8 leg.cit. durch die Ablagerung beeinträchtigt worden sei andererseits, beachtlich sein.

Letzterer Einwand schon im Hinblick darauf, daß für den fallgegenständlichen Klärschlamm offensichtlich der objektive Abfallbegriff zugrundegelegt gewesen ist.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Gallnbrunner

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