Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400788/4/Ste/Wb/Be

Linz, 12.04.2006

 

 

VwSen-400788/4/Ste/Wb/Be Linz, am 12. April 2006

DVR.0690392

 

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Vizepräsident Mag.Dr. Wolfgang Steiner über die Beschwerde des H M, vertreten durch S & S, Rechtsanwälte GmbH, S, R, wegen Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann des Bezirks Vöcklabruck, zu Recht erkannt:

 

 

  1. Der Beschwerde wird stattgegeben und der Schubhaftbescheid vom 15. März 2006 sowie die Anhaltung des Rechtsmittelwerbers werden für rechtswidrig erklärt.
  2. Der Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Vöcklabruck) hat dem Beschwerdeführer Kosten in Höhe von insgesamt 662,60 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und 83 Abs. 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG (BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 157/2005) iVm. §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG.

 

 

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmanns des Bezirks Vöcklabruck, Sich40-1472-2006, wurde am 15. März 2006 über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) auf der Basis des § 76 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in Verbindung mit § 80 Abs. 5 FPG und in Verbindung mit § 57 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängt und durch Überstellung in das Polizeianhaltezentrum der Bundespolizeidirektion Linz am 15. März 2006 vollzogen.

Begründend wird im genannten Bescheid dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass der Bf am 13. März 2006 ohne gültiges Reisedokument illegal ins Bundesgebiet der Republik Österreich eingereist sei. Der Bf sei vom Kosovo kommend durch Slowenien und Italien eingereist und es liege daher ein "Dublinfall" vor. Ein Ausweisungsverfahren nach Italien und Slowenien sei eingeleitet worden. Das in Österreich eingebrachte Asylbegehren werde mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückzuweisen sein.

Die Behörde führt weiters an, dass aufgrund des geschilderten Sachverhalts und aufgrund des bisherigen Verhaltens des Bf im Bundesgebiet zu befürchten sei, dass er sich - auf freiem Fuß belassen - vor allem nachdem ihm mitgeteilt wurde, dass beabsichtigt sei, sein Asylbegehren zurückzuweisen und ihn nach Italien oder Slowenien auszuweisen, dem weiteren Zugriff der Behörde entziehen werde. Der Bf hätte im Übrigen keine familiären Bindungen deklariert, die ihn unterstützen können. Der Bf habe nur eine Schwester, die ihn aber nicht unterstützen könne.

Von der Erlassung eines gelinderen Mittels müsste zwingend Abstand genommen werden, da nach Ansicht der Behörde der Bf nicht gewillt sei, die gesetzlichen Bestimmungen zu respektieren und - nachdem dem Bf mitgeteilt wurde, dass ein Ausweisungsverfahren eingeleitet werde - von einer erhöhten Fluchtgefahr gesprochen werden könne.

1.2. Der Bf befindet sich seit 15. März 2006 und auch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenats in Schubhaft.

 

2.1. Gegen seine Anhaltung in Schubhaft richtet sich die vorliegende, am 10. April 2006 beim Oö. Verwaltungssenat eingelangte Beschwerde.

Darin bringt der Bf im Wesentlichen vor, dass er vor ca. 3 - 4 Wochen nach Österreich eingereist sei. Er gehöre zu der immer noch verfolgten Volksgruppe der Albaner und er hätte bei der Rückkehr in seine Heimat mit ausreichender Wahrscheinlichkeit mit asylerheblichen Repressionen zu rechnen. Weiters gibt der Bf an, seit 13. März offiziell Asylwerber im Sinne des Asylgesetzes zu sein und ihm aber mitgeteilt wurde, dass Dublin-Konsultationen mit Ungarn und Slowenien geführt werden.

Des weiteren kritisiert der Bf, dass von der Erlassung eines gelinderen Mittels Abstand genommen wurde, da durch die in Österreich lebende Schwester ein familiärer Anschluss bestehe und nicht zu befürchten wäre, dass er "untertaucht".

Abschließend wird die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Schubhaft ab Beginn und Kostenersatz in der Höhe von insgesamt 623,00 Euro beantragt.

2.2. Die belangte Behörde hat den bezughabenden Akt vorgelegt und beantragt, die Schubhaftbeschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen gemäß § 83 Abs. 2 Z. 1 FPG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt ist.

3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von folgendem entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus:

Der Bf ist am 13. März 2006 ohne gültiges Reisedokument über Kroatien, Serbien und Italien, illegal in das Bundesgebiet der Republik Österreich eingereist und hat am gleichen Tag bei der EAST West einen Asylantrag gestellt.

Am gleichen Tag wurde dem Bf in der EAST West eine Unterkunft zugewiesen und wurde somit vor der Schubhaftverhängung bereits in einer Betreuungseinrichtung versorgt.

Am 15. März 2006 wurde vom Bezirkshauptmann des Bezirks Vöcklabruck per Bescheid die Schubhaft verhängt, um die Abschiebung zu sichern. Der Bf wurde am 15. März 2006 in Schubhaft genommen und ins Polizeianhaltezentrum Linz gebracht.

3.3. Der Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus den vorliegenden Dokumenten.

 

4. Über die vorliegende Beschwerde hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Gemäß § 82 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 157/2005, hat der Fremde das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

  1. wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;
  2. wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde, oder
  3. wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

4.2. Gemäß § 76 Abs 2 FPG kann die Behörde auch über einen Asylwerber (als solcher gilt nach § 2 Abs. 14 AsylG ein Fremder ab der Einbringung eines Antrages auf internationalen Schutz - das ist gemäß § 2 Abs 1 Z. 13 AsylG das auf welche Weise auch immer artikulierte Ersuchen, sich dem Schutz Österreichs unterstellen zu dürfen - bis zum rechtskräftigem Abschluss, bis zur Einstellung oder bis zur Gegenstandlosigkeit dieses Verfahrens) zum Zweck der Sicherung des Verfahrens einer Ausweisung oder zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängen.

Nach dem auch insoweit maßgeblichen § 77 FPG hat die Behörde jedoch von der Anordnung der Schubhaft Abstand zu nehmen, wenn sie Grund zu der Annahme hat, dass deren Zweck durch Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Als in diesem Sinne gelinderes Mittel kommt insbesondere die Anordnung in Betracht, in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen oder sich in periodischen Abständen bei einer dem Fremden bekannt gegebenen Polizeidienststelle zu melden.

Nach § 2 Abs. 1 des Grundversorgungsgesetzes-Bund, BGBl. Nr. 405/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. I 100/2005 (im Folgenden: GVG-B), gewährt der Bund des Asylwerbern im Zulassungsverfahren sowie Fremden, deren Asylantrag zurück- oder abgewiesen wurde, solange eine Versorgung in einer Betreuungseinrichtung, bis diese das Bundesgebiet verlassen.

4.3. Im vorliegenden Fall hat das Bundesasylamt dem Bf mit Schreiben vom 22. März 2006, Zl. 06 05.939 gemäß § 29 Abs. 3 mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, seinen Antrag zurückzuweisen, weil seit demselben Tag Dublin-Konsultationen mit den Staaten Ungarn und Slowenien, über die der Rechtsmittelwerber in das Bundesgebiet eingereist ist, geführt werden.

Diese Mitteilung verkörpert jedoch noch keinen das Verfahren abschließenden Bescheid, sondern bloß eine - eine vorläufige, in eine bestimmte Richtung deutende Rechtsmeinung dieser Behörde zum Ausdruck bringende - Verfahrensanordnung (so explizit § 29 Abs. 3 Z. 4 AsylG).

Der Bf ist daher (zumindest bis dato) als Asylwerber iSd. § 1 Z. 1 GVG-B zu qualifizieren (arg. "über dessen Zulässigkeit noch nicht entschieden ist"), sodass ihm - weil sich aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Akt für einen Ausnahmefall des § 3 Abs. 1 GVG-B keine Anhaltspunkte ergeben - ex lege ein Anspruch auf Versorgung nach § 2 Abs. 1 GVG-B zukommt.

Von der Behörde wäre also zu prüfen gewesen, ob nicht gelindere Mittel i.S.d. § 77 Abs. 1 FPG hätten angewendet werden können (vgl. dazu Verwaltungsgerichtshof [VwGH] vom 8. September 2005, Zl. 2005/21/0301).

Dies ist hier im Ergebnis zu bejahen, weil auf eine Unterbringung in der Bundesbetreuung grundsätzlich ein Rechtsanspruch besteht (vgl. auch Diehsbacher, Bundesbetreuungsrecht, Wien 2005, 19ff), der Bf bereits seit dem 13. März 2006 bis zur Schubhaftverhängung in einer Betreuungsstelle des Bundes (EAST-West) untergebracht war und vor dem Ergreifen einer derartigen gelinderen Maßnahme einem Fremden nicht a priori unterstellt werden kann, dass er eine derartige Anordnung in der Folge dazu nützen wird, "unterzutauchen".

Die belange Behörde hat, wie es scheint, sich bei ihrem Handeln - wenn auch nicht explizit schriftlich ausgeführt - von dieser Annahme leiten lassen und dem Bf allgemein unterstellt, dass er, sollte er in Freiheit verbleiben, im Anschluss an die Anordnung untertauchen werde. Im Schubhaftbescheid wird zwar in erster Linie auf das "bisherigen Verhaltens im Bundesgebiet" abgestellt und dieses u.a. zur Begründung der Schubhaft herangezogen. Die Aktenlage zeigt aber eindeutig auf, dass sich der Bf im Bundesgebiet rechtskonform verhalten hat. Bedenklich scheint, dass die Nichtvornahme der Antragstellung auf internationalen Schutz in Ungarn oder Slowenien und die illegalen Grenzübertritte in die Europäische Union und Österreich zur Begründung einen konkreten Sicherungsbedarf in Österreich herangezogen werden und somit aus dem Fluchtweg des Bf, dem derzeit unbestritten der Status eines Asylwerbers zukommt, abgeleitet wird, dass dieser nicht gewillt sei, die Rechtsordnung des Gastlandes zu respektieren.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 8. September 2005, Zl. 2005/21/0301, zu § 66 FrG 1997 ausgeführt, dass allein der Umstand eines durchsetzbaren Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung die Behörde noch nicht zur Schubhaftverhängung berechtigt; vielmehr ist stets eine materielle Prüfung dahin, ob - z.B. wegen mangelnder beruflicher oder sozialer Verankerung des Fremden im Inland - ein konkreter Sicherungsbedarf besteht, durchzuführen.

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde ist hier kein konkreter Sicherungsbedarf zu erkennen. So ist auch dem Asylverfahren nicht zu entnehmen, dass das Bundesasylamt den fehlenden Identitätsnachweis in Form von Dokumenten problematisiert hätte.

Die Wahrscheinlichkeit des Untertauchens in die Anonymität rechtfertigt eine Ermessensausübung dahin, die Schubhaft anstelle gelinderer Maßnahme zu verhängen (VwGH vom 23. März 1999, Zl. 98/02/0309).

Von einer solchen Wahrscheinlichkeit kann derzeit im vorliegenden Fall aber nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenats nicht gesprochen werden. Der Bf ist ein Asylwerber, dessen Zulassungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist und der bis zu seiner Festnahme am 15. März 2006 in einer Betreuungseinrichtung versorgt wurde.

4.4. Im Ergebnis war daher der Beschwerde stattzugeben und der Schubhaftbescheid sowie die darauf beruhende Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären.

 

5. Bei diesem Verfahrensergebnis waren dem Beschwerdeführer nach § 79a Abs. 1 bis Abs. 3 AVG die beantragten Kosten in Höhe von insgesamt 662,60 Euro (Gebühren: 52,60 Euro; Schriftsatzaufwand: 610,00 Euro) zuzusprechen.

Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 52,60 Euro angefallen; ein entsprechender Zahlschein liegt bei. Auf § 79a Abs. 1 iVm. Abs. 4 Z. 1 AVG wird hingewiesen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Wolfgang Steiner

 

 

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