Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-210430/2/Lg/Hu

Linz, 04.03.2005

 

 

 VwSen-210430/2/Lg/Hu Linz, am 4. März 2005

DVR.0690392

 

 

E R K E N N T N I S
 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Langeder über die Berufung des DI Dr. W L, vertreten durch Rechtsanwälte Prof. H & Partner, K, L, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 27. Jänner 2004, Zl. 330150669, wegen einer Übertretung der Oö. BauO 1994, zu Recht erkannt:

 

 

  1. Der Antrag auf ersatzlose Aufhebung des Straferkenntnisses wird abgewiesen. Die Geldstrafe wird auf 725 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 8 Stunden herabgesetzt. Der Antrag auf Anwendung des § 21 Abs.1 VStG wird abgewiesen.
  2.  

  3. Der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens ermäßigt sich auf 72,50 Euro. Ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat ist nicht zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlage:

Zu  I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 16 Abs.2, 19, 20 VStG.

Zu II.: §§ 64 ff VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

  1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber (Bw) eine Geldstrafe in Höhe von 1.450 Euro bzw. Ersatzfreiheitsstrafe von 15 Stunden verhängt, weil die v S GmbH. in der Zeit von 1.6.2002 bis 1.7.2002 auf dem Grundstück Nr., KG S, folgendes gemäß § 24 Abs.1 Z. 1 Oö. BauO bewilligungspflichtiges Bauvorhaben ohne Vorliegen einer rechtskräftigen Baubewilligung errichtet habe:
  2. "Das Klarwasserbecken wurde als Stahlbetonkörper mit Bodenplatte und Wartungsschacht ausgeführt. Die Fundierung erfolgte über die Bodenplatte. Der Reaktor neu wurde ebenfalls als Stahlbetonkörper ausgeführt und durch einen Verbindungskanal mit der Dosierstation verbunden. Die Dosierstation wurde dahingehend erweitert, dass ein Stahlbetonanbau Richtung Westen errichtet wurde. Dieser Stahlbetonanbau wurde ebenfalls auf einer Fundamentplatte gegründet und weist eine Hohldielendecke mit Schwarzdeckung als Abschluss nach oben hin auf. In diesem Zubau wird innerhalb einer Auffanggrube ein Kunststofftank aufgestellt. Unmittelbar an den Bestand anschließend wurde in diesem Bereich ein Traforaum ausgeführt, der als eigener Brandabschnitt mit Brandschutztüre T 90 und Fensteröffnung F 90 zur bestehenden Dosierstation vorgesehen ist."

     

    Der Bw habe diese Verwaltungsübertretung als gemäß § 9 Abs.2 und 4 VStG bestellter verantwortlicher Beauftragter der v S GmbH mit dem Sitz in L für die Einhaltung der baurechtlichen Vorschriften zu vertreten.

     

    Begründend führt das angefochtene Straferkenntnis aus, die v S GmbH habe mit Schreiben vom 19.4.2002 die Erteilung einer Baubewilligung für diverse Maßnahmen wie die Errichtung von Zubauten, Becken und Medientrassen im Zuge des Projektes Flusswasseraufbereitung im Bereich Kraftwerk beantragt. Bei der mündlichen Verhandlung am 1.7.2002 habe ein bautechnischer Amtssachverständiger des Magistrates Linz im Zuge der Begehung festgestellt, dass die Bauarbeiten bereits aufgeführt seien und derzeit die technischen Einrichtungen montiert würden. Weiters sei festgestellt worden, dass dem Baubewilligungsantrag nicht alle erforderlichen Unterlagen angeschlossen worden seien. Da der Bauherr in der Folge der Aufforderung, die Formgebrechen zu beheben, nicht fristgerecht nachgekommen sei, sei der Baubewilligungsantrag mit Bescheid des Magistrates Linz vom 26.8.2002 zurückgewiesen worden.

     

    Zur Rechtfertigung aufgefordert habe der Bw mit Eingabe vom 18.12.2002 den vorgeworfenen Sachverhalt nicht bestritten, jedoch vorgebracht, dass das Bauvorhaben vor der Wintersaison 2002/2003 fertiggestellt habe werden müssen. Im Spätwinter 2002 habe sich gezeigt, dass die mechanischen Einrichtungen des Ators und seiner Nebenanlagen dringend erneuerungsbedürftig gewesen seien. Es sei zu erhöhten Druckverlusten und damit zu Leistungseinbußen gekommen. Ein sicherer Betrieb für die Wintersaison 2002/2003 mit erhöhtem Speisewasserbedarf sei daher nicht mehr gewährleistet gewesen. Das Kraftwerk sei der einzige Speisewasserproduzent der Hütte; ein Ausfall der Speisewasserproduktion hätte weitreichende Folgen nach sich gezogen. Es sei daher mit höchster Priorität an den Unterlagen für das Baubewilligungsverfahren gearbeitet worden. Die Baubeschreibung stamme vom 20.3.2002, das Bauansuchen vom 19.4.2002. Um eine rechtzeitige Fertigstellung vor der Wintersaison 2002/2003 zu erreichen, sei ein Baubeginn noch vor der Bauverhandlung am 1.7.2002 aus technischen Gründen unbedingt erforderlich gewesen. In diesem Zusammenhang werde darauf hingewiesen, dass bereits in der Baubeschreibung vom 20.3.2002 ein Baubeginn mit Juni 2002 und eine Beendigung der Bauausführung mit August 2002 vorgesehen gewesen sei. Es werde daher im Hinblick auf das Geständnis und die Unbescholtenheit beantragt, eine Ermahnung auszusprechen. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass die Folgen der Übertretung unbedeutend seien, weil der Bauzustand nur vorübergehend konsenslos gewesen sei und mittlerweile durch eine rechtskräftige Baubewilligung gedeckt sei.

     

    Dem hält das angefochtene Straferkenntnis entgegen, mit der Argumentation, es wäre letztlich ohnehin die Baubewilligung für die Abweichung erteilt worden, sei nichts zu gewinnen, zumal eine nachträgliche Sanktionierung eines strafbaren Verhaltens jedenfalls nach der Oö. BauO nicht vorgesehen sei. Die Strafbarkeit baurechtlicher Verstöße sei unabhängig von der Konsensfähigkeit der Baumaßnahmen gegeben.

     

    In der Möglichkeit einer wirtschaftlichen Schädigung, durch die die Lebensmöglichkeiten selbst nicht unmittelbar bedroht sind, könne eine unmittelbar drohende Gefahr und ein Notstand im Sinne des § 6 VStG nicht gesehen werden (unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).

     

  3. In der Berufung wird beantragt, das erstinstanzliche Straferkenntnis ersatzlos aufzuheben, in eventu gemäß § 21 Abs.1 VStG vorzugehen.
  4.  

    Der vorgeworfene Sachverhalt werde nicht bestritten. Dem Bw sei klar, dass er einen allenfalls begangenen Verstoß gegen baurechtliche Vorschriften zu vertreten habe.

     

    Es sei jedoch zu beachten, dass aufgrund des schlechten Zustandes der mechanischen Einrichtungen des seit 30 Jahren ununterbrochen betriebenen Ators und seiner Nebenanlagen ein gefahrloser Betrieb für die Wintersaison 2002/2003 mit erhöhtem Speisewasserbedarf nicht mehr gewährleistet werden habe können. Der Ator und seine Nebenanlagen hätten sich in einem Zustand fortgeschrittenen Verschleißes befunden. Es hätten sich Schlammablagerungen im gesamten System gebildet, weshalb die erforderliche Wasserqualität nicht mehr erreicht worden sei. Dies sei jedoch erst im Frühjahr des Jahres 2002 erkannt worden. Auf dieses Problem sei unverzüglich reagiert und schon am 19.4.2002 ein Bauansuchen betreffend das neue Projekt Flusswasseraufbereitung im Bereich des Kraftwerkes gestellt worden. In diesem Bauansuchen sei auch schon auf den geplanten Baubeginn Juni 2002 hingewiesen worden, um noch vor dem September 2002 die Bauarbeiten abschließen zu können. Dieser Termin sei deswegen von hoher Bedeutung gewesen, da aus den Erfahrungen der Vorjahre bekannt gewesen sei, dass mit September die Heizsaison beginne und Wasserknappheit vorherrsche.

     

    Da das Kraftwerk der einzige Speisewasserproduzent der Hütte sei, habe zum damaligen Zeitpunkt akuter Handlungsbedarf geherrscht, um weitreichende Folgen wie den Ausfall der gesamten 18 bar Dampfproduktion der Hütte des Kraftwerkes, Stillstand der Kokerei - Abfackeln des Rohgases, Stillstand des Stahlwerkes (kein Tiegelbetrieb, keine Stahlentglasung), Stillstand des Kaltwalzwerkes (kein Betrieb der Beizbäder), Ausfall der gesamten Heizungen der v zu vermeiden.

     

    Es handle sich dabei keinesfalls um nur geringfügige wirtschaftliche Folgen, sondern vielmehr um vitale Interessen des Betriebes. Man denke nur an die Diskussion betreffend eine allfällige Abschaltung des Hochofens in Donawitz im Zuge des ÖBB-Streiks. Auch seien mit dem Stillstand der Kokerei, des Stahlwerkes und des Kaltwalzwerkes Umweltbeeinträchtigungen verbunden, deren Ausmaß nicht abschätzbar sei. Entgegen der Ansicht der Behörde könne daher sehr wohl von einer Notlage ausgegangen werden, die sich nicht nur in der Möglichkeit einer wirtschaftlichen Schädigung erschöpfe.

     

    Selbst wenn man vom Vorliegen einer Verwaltungsübertretung ausgehe, träfe dem Bw lediglich ein geringfügiges Verschulden: Um eine rechtzeitige Fertigstellung vor der Wintersaison 2002/2003 zu erreichen, sei ein Baubeginn noch vor der Bauverhandlung vom 1.7.2002 aus technischen Gründen unbedingt erforderlich und in der Baubeschreibung vom 20.3.2002 auch mit Juni 2002 vorgesehen gewesen.

     

    Überdies seien die Folgen der Übertretung unbedeutend gewesen: Der Antrag vom 19.4.2002 auf Erteilung der baubehördlichen Bewilligung sei nur wegen des Vorliegens von Formgebrechen zurückgewiesen worden. Der Bauzustand sei nur vorübergehend konsenslos gewesen, zumal die Baubewilligung am 24.9.2002 erteilt worden sei. Grund für die Zurückweisung sei also nicht ein vorübergehend konsensloser Bauzustand gewesen, sondern lediglich das Vorliegen von Formgebrechen, die von Seiten der v kurz nach der Bauverhandlung bereinigt worden seien. Der Baubewilligung seien von Anfang an keine inhaltlichen Bedenken der Behörde entgegen gestanden.

     

  5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat darüber erwogen:

 

Der Bw bestreitet den Tatvorwurf nicht, macht jedoch sinngemäß Notstand im Sinne des § 6 VStG geltend, näherhin mit der Begründung wirtschaftlicher Nachteile bzw. einer wirtschaftlichen Schädigung. Dem gegenüber wurde im angefochtenen Straferkenntnis - zu Recht (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens, E 1b, c, d, e zu § 6 VStG zitierte umfangreiche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes) - entgegen gehalten, dass wirtschaftliche Nachteile bzw. die Möglichkeit einer wirtschaftlichen Schädigung keinen Notstand im Sinne des § 6 VStG zu begründen vermögen.

 

Wenn in der Berufung argumentiert wird, es handle sich nicht nur um geringfügige wirtschaftliche Folgen, sondern um vitale Interessen des Betriebes, so ist dem entgegen zu halten, dass Gegenteiliges im angefochtenen Straferkenntnis nicht behauptet wurde bzw. die Richtigkeit der Anwendung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes durch dieses (schon im erstinstanzlichen Verfahren seitens des Bw betonte) Gewicht der berührten Interessen nicht in Frage gestellt wird.

 

Darüber hinaus wird in der Berufung jedoch geltend gemacht, die Notlage erschöpfe sich nicht in einer wirtschaftlichen Schädigung. Inwiefern dies der Fall sein soll, wird nur vage angedeutet. Einerseits wird auf den Ausfall der gesamten Heizung verwiesen. Daraus wird jedoch nicht klar, welches Rechtsgut in welchem Umfang betroffen sein könnte. Andererseits findet sich die Behauptung, dass mit dem Stillstand der Kokerei, des Stahlwerkes und des Kaltwalzwerkes Umweltbeeinträchtigungen verbunden wären, deren Ausmaß nicht abschätzbar sei. Diesbezüglich ist nicht plausibel, inwiefern der Nichtbetrieb von Anlagen überhaupt Umweltbeeinträchtigungen nach sich ziehen kann. Darüber hinaus vermag die Berufung offenbar selbst nicht Angaben über das Ausmaß der behaupteten Umweltbeeinträchtigungen anzugeben, ja ist nach der Formulierung des Vorbringens die Abschätzbarkeit objektiv nicht gegeben. Undeutlichen Vorbringen dieser Art ist entgegen zu halten, dass es Sache der Partei ist, ihrer Auffassung nach den Notstand begründende Sachverhalte zumindest so klar zum Ausdruck zu bringen, dass eine Überprüfung möglich ist (und zwar ohne eine notstandsfähige Situation erst von Amts wegen "rekonstruieren" zu müssen). Schon aus diesen Gründen vermögen die in Rede stehenden Vorbringen der Berufung nicht zum Erfolg zu verhelfen. Dazu kommt, dass diese Behauptungen erst so spät vorgebracht wurden, dass ihre Glaubwürdigkeit darunter leidet. Es braucht und kann (im Hinblick auf die Undeutlichkeit) nicht geprüft zu werden, ob diesen Behauptungen im Hinblick auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 6 VStG Relevanz zukommen könnte.

 

Zu Recht wurde im angefochtenen Straferkenntnis ferner darauf hingewiesen, dass die Erlangung einer nachträglichen Baubewilligung (mithin: die Konsensfähigkeit der konsenslosen Bautätigkeit) der Bestrafung nicht entgegen steht. Der Unrechtsgehalt der Tat liegt bei konsensloser Bautätigkeit in der Konterkarierung des von Gesetzes wegen vorgesehenen geordneten Bauverfahrens durch Schaffung vollendeter Tatsachen. Die ex post herausgestellte Konsensfähigkeit beseitigt oder bagatellisiert den Unrechtsgehalt der Tat keineswegs.

 

Die Tat ist daher dem Bw in objektiver und, da keine Entschuldigungsgründe vorliegen, in subjektiver Hinsicht zuzurechnen.

 

Hinsichtlich der Bemessung der Strafhöhe ist auf die angefochtenen Straferkenntnis angeführten Strafbemessungsgründe zu verweisen. Der Unrechtsgehalt der Tat ist durch die Art des Baus bestimmt. Als Verschulden ist im Zweifel Fahrlässigkeit des Bw anzunehmen. Zu berücksichtigen ist dabei, dass zumindest den befassten Mitarbeitern klar sein musste, dass die Bautätigkeit vor Vorliegen der Baubewilligung erfolgte. Andererseits ist wegen des vor der Bautätigkeit erfolgten Baubewilligungsantrags ein gewisses Bemühen um rechtstreues Verhalten gegeben. Vor allem aber ist der vom Bw ins Treffen geführte wirtschaftliche Druck als schuldmindernd zu berücksichtigen. Im Zusammenhalt mit der Unbescholtenheit des Bw und der Nichtbestreitung der Faktenlage hinsichtlich der konsenslosen Bautätigkeit erscheint es vertretbar, unter Anwendung des außerordentlichen Milderungsrechts (§ 20 VStG) die Strafe auf das dort vorgesehene Mindestmaß zu reduzieren. Die Tat bleibt jedoch nicht so weit hinter dem deliktstypischen Unrechts- und Schuldgehalt zurück, dass eine Anwendung des § 21 Abs.1 VStG gerechtfertigt wäre. Weder ist das Verschulden unter den geschilderten Umständen als geringfügig einzustufen, noch ist der Unrechtsgehalt der Tat aus dem angeführten Grund zu bagatellisieren.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Langeder

 

 

 

 
 

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