Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420089/2/Gf/Km

Linz, 29.12.1995

VwSen-420089/2/Gf/Km Linz, am 29. Dezember 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Beschwerde des M.

B., vertreten durch RA Dr. H. B., ............., ..................., wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe der Bundespolizeidirektion ..... zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und es wird festgestellt, daß der Beschwerdeführer durch seine Anhaltung im Vorfeld und zum Zweck der Erlassung eines Schubhaftbescheides am 19. Dezember 1995 in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt worden ist.

II. Der Bund (Bundespolizeidirektion .....) hat dem Beschwerdeführer Kosten in Höhe von 8.453,33 S zu ersetzen.

Rechtsgrundlage:

§ 67c Abs. 4 AVG; § 79a Abs. 1 AVG.

Begründung:

1. Mit seiner auf Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG i.V.m. § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG gestützten Beschwerde bringt der Rechtsmit telwerber vor, daß er am 18. November 1995 in Untersuchungshaft genommen und am 19. Dezember 1995 im Verfahren vor dem LG ..... zu Zl. 22-EVr-2433/95 der gewerbsmäßigen Schlepperei für schuldig befunden sowie zu einer Haftstrafe von 7 Monaten (davon 6 Monate bedingt) verurteilt worden sei. Aufgrund dieses - vermeintlich rechtskräftigen Urteils sei vom zuständigen Einzelrichter am 19. Dezember 1995 gegen 12.30 Uhr ein Enthaftungsbeschluß gefällt worden.

Anstatt unmittelbar in Freiheit gesetzt zu werden, sei er jedoch wieder in die Justizanstalt zurückgeführt worden, wo er bis zur Erlassung eines Schubhaftbescheides durch die Bundespolizeidirektion ..... (gegen 15.30 Uhr) ohne Rechtsgrundlage angehalten worden sei.

Dadurch sei er in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt worden, weshalb mit der gegenständlichen Beschwerde die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anhaltung begehrt wird.

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bundespolizeidirektion ..... zu Zl. Fr-90281; da aus diesem in Verbindung mit dem Beschwerdevorbringen der Sachverhalt hinreichend geklärt erschien, konnte im übrigen von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat über die vorliegende Beschwerde erwogen:

3.1. Strittig ist im gegenständlichen Fall allein die Frage, ob bzw. inwieweit die dem Enthaftungsbeschluß nachfolgende Anhaltung des Beschwerdeführers in Polizeigehorsam noch als Gerichtsakt bzw. bereits als Behördenakt zu qualifizieren ist.

Dabei liegt es auf der Hand, daß diese beiden Teilbereiche in der Praxis regelmäßig nicht exakt zu trennen sind, sondern der Übergang vielmehr fließend ist, d.h.: es ist faktisch nicht punktgenau feststellbar, wie lange die Anhaltung noch der Abwicklung der Entlassungsformalitäten aus der Gerichtshaft diente und ab wann genau die Vorbereitungshandlungen zur Erlassung des Schubhaftbescheides - nur letzterer Zeitraum ist mit einer Maßnahmenbeschwerde gemäß Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG i.V.m. § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG bekämpfbar einsetzten.

3.2. Fest steht jedoch andererseits, daß es gemäß Art. 1 Abs. 2 des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl.Nr. 684/1988, zur Festnahme und Anhaltung des Fremden für einen wenn auch noch so kurzen Zeitraum im Vorfeld der Erlassung des Schubhaftbescheides, also für die zumindest rechtstheoretisch unzweifelhaft dem verwaltungsbehördlichen Bereich zuzurechnende Zeitspanne, einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage bedarf.

Diese bietet mit Bezug auf den vorliegenden Fall an sich die Bestimmung des § 43 des Fremdengesetzes, BGBl.Nr. 838/1992 (im folgenden: FrG)), nämlich insbesondere die Möglichkeit der Festnahme aufgrund eines Festnahmeauftrages (§ 43 Abs. 1 Z. 1 FrG). Unabhängig davon, ob die entsprechenden Voraussetzungen gegenständlich erfüllt waren - dies hat der Oö. Verwaltungssenat im Rahmen des vorliegenden Beschwerdeverfahrens nicht zu beurteilen - lag ein derartiger Festnahmeauf trag jedenfalls nicht vor und auch sonst findet sich keine gesetzliche Grundlage, die eine Anhaltung des Beschwerdeführers im unmittelbaren Vorfeld der Erlassung des Schubhaftbescheides ermöglicht hätte.

Daher wurden vorliegendenfalls nicht bloß einfachgesetzliche Rechtsvorschriften verletzt, sondern es erfolgte ein unmittelbarer Eingriff in die Verfassungssphäre.

3.3. Insoweit also die Anhaltung der Erlassung des Schubhaftbescheides diente, erweist sich diese - ohne daß deren zeitliches Ausmaß exakt eingegrenzt werden könnte als rechtswidrig; dies hatte der Oö. Verwaltungssenat gemäß § 67c Abs. 4 AVG festzustellen.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis waren dem Beschwerdeführer gemäß § 79a Abs. 1 AVG Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung in Höhe von 8.453,33 S (Schriftsatzaufwand:

8.333,33 S; Stempelgebühr: 120 S) zuzusprechen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. G r o f

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