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VwSen-220025/22/Weg/Ri

Linz, 02.08.1993

VwSen - 220025/22/Weg/Ri Linz, am 2. August 1993 DVR.0690392 - &

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Kurt Wegschaider über die Berufung der V, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. W, vom 15. Juli 1991 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 25. Juni 1991, Ge96/38/1991/Pa, nach der am 7. Oktober 1992 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:

Der Berufung wird F o l g e gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl.Nr. 51, idF BGBl.Nr. 866/1992 (AVG), iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51i Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl.Nr. 52, idF BGBl.Nr. 867/1992 (VStG).

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat mit dem in der Präambel zitierten Straferkenntnis über die Berufungswerberin wegen der Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs.2 und 4 iVm § 31 Abs.2 lit.k des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl.Nr. 234/1972, idgF, eine Geldstrafe von 5.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 5 Tagen verhängt, weil sie es unterlassen hat, wie anläßlich einer Prüfung durch das Arbeitsinspektorat für den 9. Aufsichtsbezirk am 13. Februar 1991 festgestellt wurde, als gemäß § 9 VStG verantwortliche Geschäftsführerin der "S Transport Ges.m.b.H." für den Betrieb in x trotz Aufforderung des Arbeitsinspektorates vom 18. Oktober 1990 eine Sicherheitsvertrauensperson sowie eine Ersatzperson zu bestellen, obwohl regelmäßig mehr als 50 Arbeitnehmer im Betrieb beschäftigt werden. Gleichzeitig wurde ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren in der Höhe von 500 S in Vorschreibung gebracht.

2. Diesem Straferkenntnis liegt eine Anzeige des Arbeitsinspektorates für den 9. Aufsichtsbezirk vom 12. März 1991 zugrunde, wonach anläßlich einer am 13. Februar 1991 durchgeführten Überprüfung der S Transporte Ges.m.b.H. festgestellt worden sei, daß keine Sicherheitsvertrauensperson bestellt wurde. Nach dieser Anzeige seien in diesem Betrieb ca. 75 Arbeitnehmer beschäftigt und es hätte gemäß § 20 Arbeitnehmerschutzgesetz, wonach im Regelfall in jedem Betrieb, in dem regelmäßig mehr als 50 Arbeitnehmer beschäftigt werden, eine Sicherheitsvertrauensperson (Ersatzpersonen) vom Arbeitgeber bestellt werden müssen. Erschwerend sei gewesen, daß der Gewerbeinhaber bereits am 18. Oktober 1990 schriftlich aufgefordert worden sei, eine Sicherheitsvertrauensperson zu bestellen. Es wurde in dieser an die Bezirkshauptmannschaft Freistadt gerichteten Anzeige der Antrag gestellt, den Arbeitgeber bzw. den verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen und den Bevollmächtigten wegen Übertretung des § 20 Arbeitnehmerschutzgesetz iSd § 31 Abs.2 lit.k Arbeitnehmerschutzgesetz mit 5.000 S zu bestrafen.

Die Aufforderung zur Rechtfertigung, die an die nunmehrige Berufungswerberin als gemäß § 9 VStG verantwortliche Geschäftsführerin der S Transport Ges.m.b.H. gerichtet war, blieb inhaltlich unbeantwortet, sodaß die Bezirkshauptmannschaft Freistadt nach einer vorausgegangenen Ermittlung der persönlichen Verhältnisse das nunmehr angefochtene Straferkenntnis erließ.

3. Dagegen wendet sich die fristgerechte Berufung, in welcher einerseits behauptet wird, es sei iSd § 9 Abs.2 VStG ein Verantwortlicher, nämlich Herr F, bestellt gewesen und andererseits darauf hingewiesen wird, daß schon im Oktober 1990 ordnungsgemäß eine Sicherheitsvertrauensperson sowie eine Ersatzperson bestellt und dies auch der Behörde bekanntgegeben worden sei.

4. Auf Grund des Berufungsvorbringens, aber auch, weil die inzwischen durchgeführte Korrespondenz mit der Berufungswerberin und dem Arbeitsinspektorat den Sachverhalt nicht ausreichend aufhellte, wurde für den 7. Oktober 1992 eine öffentliche mündliche Verhandlung anberaumt und an diesem Tage durchgeführt.

Zu dieser Verhandlung sind neben dem Rechtsfreund der Beschuldigten die Zeugen Ing. H erschienen. Ein Vertreter der belangten Behörde erschien ebensowenig wie ein Vertreter des Arbeitsinspektorates für den 18. Aufsichtsbezirk (Berufungsarbeitsinspektorat).

Auf Grund dieser Verhandlung, insbesondere auf Grund der Vernehmung der angeführten Zeugen wird nachstehender Sachverhalt als erwiesen angenommen: Eine aus der Zeit vor der Tat stammende Bestellungsurkunde iSd § 9 Abs.2 und § 9 Abs. 4 VStG, wonach F zum verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen bestellt worden sei, wurde nicht vorgelegt. Die eine derartige Bestellung zum Ausdruck bringenden Aussagen stammen zur Gänze aus einem Zeitraum nach Begehung der Tat, nämlich während der Zeit des Berufungsverfahrens.

Der Zeuge Ing. H, anzeigendes Kontrollorgan des Arbeitsinspektorates für den 9.Aufsichtsbezirk, führte glaubwürdig aus, daß anläßlich der Kontrolle der S Transporte Ges.m.b.H. am 13. Februar 1991 die "Kontaktperson" F von der Bestellung von Sicherheitsvertrauenspersonen nichts wußte, ja nicht einmal mit diesem Begriff etwas anfangen konnte.

Herr W konnte sich an die mit dem Arbeitsinspektor geführten Gespräche, sohin auch an jenes vom 13. Februar 1991 im einzelnen nicht erinnern. Er begründete dies damit, daß die Arbeitsinspektion des öfteren erscheine und er nicht mehr sagen könne, wann und in welcher Form über die Problematik der Sicherheitsvertrauenspersonen gesprochen worden sei. Er selbst sei schon Anfang des Jahres 1990 (genaues Datum unbekannt) mündlich zum strafrechtlich Verantwortlichen bestellt worden und er habe dieser Bestellung zugestimmt.

Die von der Berufungswerberin genannten und nach ihren Ausführungen schon im Oktober 1990 bestellten Herren J zur Sicherheitsvertrauensperson bzw. Ersatzperson führten aus, sie seien im Oktober 1990 von Herrn W zu Sicherheitsvertrauenspersonen bestellt worden. Sie hätten die Bestellung angenommen. Über diesen Bestellungsakt sei auch eine Urkunde angefertigt worden, welche unterschrieben worden sei. Nach Aussage des Herrn K sei bei dieser Besprechung auch der Betriebsrat anwesend gewesen. Sie seien damals durch Übergabe eines die Arbeitnehmerschutzvorschriften betreffenden Skriptums über die Arbeitnehmerschutzvorschriften und über ihren Aufgabenbereich belehrt worden. Zur Sicherheitsvertrauensperson sei Herr S, zum Ersatzmann Herr K bestellt worden.

Vom Berufungswerber nicht bestritten wurde, daß infolge der Betriebsgröße Sicherheitsvertrauenspersonen iSd § 20 Arbeitnehmerschutzgesetz zu bestellen sind.

Dem Akt liegt ein Schreiben der Berufungswerberin vom 30. Oktober 1990, adressiert an das Arbeitsinspektorat für den 9.Aufsichtsbezirk, ein, wonach unter Bezugnahme auf ein Schreiben des Arbeitsinspektorates bekanntgegeben wurde, Herrn S als Sicherheitsvertrauensperson und Herrn K als Ersatzperson bestellt zu haben. Dieses Schreiben, welchem die entsprechenden Zustimmungsnachweise angeschlossen sein sollten, ist jedoch laut schriftlicher Mitteilung des Arbeitsinspektorates für den 9. Aufsichtsbezirk dort niemals eingelangt. Ob dieses Schreiben tatsächlich abgesendet worden ist oder entweder auf dem Postweg oder beim Arbeitsinspektorat in Verschollenheit geraten ist, konnte nicht geklärt werden.

Die Berufungswerberin hat zu Beginn der mündlichen Verhandlung noch zwei Urkunden vorgelegt, die beide nicht datiert sind und nach welchen sowohl Herr S als auch Herr K ihrer Bestellung zur Sicherheitsvertrauensperson bzw. Ersatzperson zustimmten, wobei in diesen Urkunden angeführt ist, daß die Ernennung per Oktober 1990 erfolgt sei.

Aus dem behaupteten Ernennungs- bzw. Bestellungsakt ist nicht ersichtlich, ob diese Personen mit Zustimmung des Betriebsrates bestellt worden sind bzw. ob sie die persönlichen und fachlichen Voraussetzungen für diese Tätigkeit erfüllen.

Bei der Wertung aller oben angeführten Beweismittel ist auffällig, daß F, der (offenbar im Auftrag des Arbeitgebers) die Bestellungen vorgenommen hat, einige Monate später nicht mehr Bescheid wußte. Der Verdacht der bewußt falschen Aussage und der Manipulation von Urkunden liegt bei isolierter Betrachtungsweise vor. Für diesen Fall hätten jedoch auch die Zeugen S und K bewußt falsch ausgesagt. Da an der Aussage des G, Herr W hätte am 13. Februar 1991 über den Bestellungsakt nicht Bescheid gewußt, nicht zu zweifeln ist (der Zeuge machte einen glaubwürdigen Eindruck und schilderte den Vorfall schlüssig und widerspruchsfrei) bleibt - wenn nicht die Zeugen K und S falsch ausgesagt haben, was deswegen nicht angenommen wird, weil auch diese beiden Dienstnehmer durchaus schlüssig und im wesentlichen widerspruchsfrei den Bestellungsakt schilderten - als denkbare Variante lediglich, daß Herr W diesem Bestellungsakt nur oberflächliche Aufmerksamkeit beimaß und davon einige Monate später nichts mehr wußte, was nicht unbedingt für die Befähigung der behaupteten Bestellung iSd § 9 Abs.2 VStG spricht und überhaupt den Schluß zuläßt, daß diese Person überfordert ist.

Es wird also als erwiesen angenommen, daß ein derartiger Bestellungsakt tatsächlich im Oktober 1990 stattgefunden hat, auch wenn der Zeuge W - aus welchen Gründen immer - 4 Monate später davon nichts mehr wußte. Dieses Nichtwissen kann aber der Beschuldigten nicht zugerechnet werden.

5. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Zur behaupteten Bestellung des Herrn W zum verantwortlichen Beauftragten: Die Übertragung der verwaltungsstrafrechtlichen Haftung setzt eine wirksame Bestellung voraus, wobei spätestens während des Verwaltungsstrafverfahrens der Behörde ein aus der Zeit vor der Begehung der Übertretung stammender Zustimmungsnachweis des verantwortlichen Beauftragten zugehen muß. Von einem aus der Zeit vor der Begehung der Verwaltungsübertretung stammenden Zustimmungsnachweis kann aber nur dann gesprochen werden, wenn ein die Zustimmung zur Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten betreffendes Beweisergebnis schon vor der Begehung der Tat vorhanden war (etwa in Form einer entsprechenden Urkunde, aber auch einer Zeugenaussage usw). Da dies auf ein erst nach diesem Zeitpunkt zustandegekommenes Beweisergebnis (wie im gegenständlichen Fall) nicht zutrifft, genügt zur Erbringung des vom Gesetzgeber geforderten Zustimmungsnachweises jedenfalls nicht die Berufung auf eine erst im Verwaltungsstrafverfahren abzulegende Zeugenaussage des verantwortlichen Beauftragten oder anderer Personen, mit der die Zustimmung des erstgenannten zur Bestellung unter Beweis gestellt werden soll. Die behauptete Bestellung des Franz W wäre sohin für die Berufungswerberin nicht strafbefreiend.

Die vorhandenen Zweifel hinsichtlich der Fähigkeit der bestellten Sicherheitsvertrauenspersonen iSd § 20 Abs.3 Arbeitnehmerschutzgesetz können die Berufungswerberin beim derzeitigen Verfahrensstand nicht mehr belasten, weil für diesen Fall der Tatvorwurf hätte lauten müssen, keine geeigneten Personen bestellt zu haben. Der Tatvorwurf, keine Sicherheitsvertrauenspersonen bestellt zu haben deckt iSd § 44a VStG eine erfolgte Bestellung nicht geeigneter Personen nicht ab.

Eine wirksame Bestellung einer Sicherheitsvertrauensperson liegt nur vor, wenn der Betriebsrat diesem Akt zugestimmt hat (§ 20 Abs.2 Arbeitnehmerschutzgesetz). Diese Zustimmung scheint durch die Aussage des Zeugen K, der von der Anwesenheit des Betriebsrates bei der Bestellung sprach, zumindest konkludent erteilt worden zu sein.

Nachdem also der von der Bezirkshauptmannschaft Freistadt zur Last gelegte Tatvorwurf, die Berufungswerberin hätte es unterlassen, eine Sicherheitsvertrauensperson sowie eine Ersatzperson zu bestellen, nicht mit einer für ein Verwaltungsstrafverfahren notwendigen Sicherheit als erwiesen anzunehmen ist, war iSd § 45 Abs.1 Z1 VStG von der Fortführung des Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Wegschaider

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