Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-220048/9/Gu/Bf

Linz, 23.03.1992

VwSen - 220048/9/Gu/Bf Linz, am 23. März 1992 DVR.0690392 - &

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Hans Guschlbauer über die Berufung des F gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden, Ge96-2147/1991/Ba, vom 1.10.1991 wegen Übertretung des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes zu Recht erkannt:

1. Das angefochtene Straferkenntnis wird in Ansehung der unzulässigen grenzüberschreitenden Überlassung von 25 ungarischen Arbeitskräften (Faktum a) bestätigt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG i.V.m. § 24 VStG, § 22 Abs.1 Z.1 lit.c i.V.m. § 16 Abs.3 AÜG.

2. Bezüglich dieses Tatbestandes hat der Berufungswerber an Verfahrenskosten für das Berufungsverfahren den Betrag von 2.000 S binnen zwei Wochen zu Gunsten des O.ö. Verwaltungssenates zu entrichten.

Rechtsgrundlage: § 64 Abs.2 VStG.

3. In Ansehung der Fakten b) und c) des angefochtenen Straferkenntnisses wird dieses behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt. Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG i.V.m. § 24 VStG, § 45 Abs.1 Z.1 VStG.

4. Zu den behobenen Fakten b) und c) des angefochtenen Straferkenntnisses entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage: §§ 65 und 66 Abs.1 VStG.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden hat mit dem angefochtenen Straferkenntnis den Berufungswerber schuldig erkannt, es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und damit gemäß § 9 Abs.1 VStG als zur Vertretung nach außen Berufener der F. mit dem Sitz in verantworten zu müssen, daß diese GesmbH. a) die von der T überlassenen ungarischen Arbeitskräfte in der Zeit vom 13.3.1990 bis 20.12.1990 ohne ausnahmsweise Bewilligung beschäftigt zu haben und sohin als Beschäftiger an einer unzulässigen grenzüberschreitenden Überlassung von Arbeitskräften beteiligt gewesen zu sein; b) durch die Nichteinholung der Bewilligung für die grenzüberschreitende Überlassung gesetzliche Bestimmungen zum Schutz dieser Arbeitskräfte und zwar des AÜG umgangen und dadurch eine gesetzwidrige Vereinbarung getroffen zu haben und ferner c) durch die Nichteinholung der grenzüberschreitenden Überlassungsbewilligung und Inanspruchnahme der Arbeitsleistung dieser Arbeitskräfte die Einhaltung der gesetzwidrigen Vereinbarung verlangt zu haben.

Bezüglich des Faktums a) wurde über den Beschuldigten in Anwendung des § 22 Abs.1 Z.1 lit.c i.V.m. § 16 Abs.3 AÜG; bezüglich des Faktums b) in Anwendung des § 22 Abs.1 Z.1 lit.a i.V.m. § 8 Abs.2 AÜG und bezüglich des Faktums c) in Anwendung des § 22 Abs.1 Z.1 lit.a i.V.m. § 11 Abs.2 AÜG, Geldstrafen von je 10.000 S und Ersatzfreiheitsstrafen von je 10 Tagen verhängt. Darüber hinaus wurden ihm Verfahrenskostenbeiträge von je 1.000 S je Faktum auferlegt.

In seiner dagegen erhobenen und im vorbereitenden Verfahren noch weiter ausgeführten Berufung brachte der Berufungswerber vor, wegen derselben Sache von der Bezirkshauptmannschaft Gmunden am 14.1.1991 zu Pol96-116/1990 und am 1. März 1991 zur Zahl Pol96-30/1991 bereits abgestraft worden zu sein, die Strafen entrichtet zu haben und alle Abgaben und Sozialleistungen die zum Gegenstand entstanden, bezahlt zu haben. Darüber hinaus sei - offenbar wegen der Übertretung des AMFG - von der Bezirkshauptmannschaft Gmunden am 2. Juli 1991 zur Zahl SV96-2/1991 eine Ermahnung ausgesprochen worden. In Anbetracht dieser Situation sei er überzeugt keine weitere - Gesetzesübertretung begangen zu haben und er ersucht von einer weiteren Bestrafung abzusehen.

Aufgrund der Berufung wurde am 17.3.1992 die öffentliche mündliche Verhandlung unter Zuziehung der Parteien abgehalten.

In deren Rahmen wurde der Beschuldigte vernommen, Einsicht in den Akt, insbesondere in die darin erliegenden Urkunden und Beweismittel genommen. Demnach steht folgender Sachverhalt unbestritten fest:

Die F, hat als Auftraggeberin und die T als Auftragnehmerin in einem schriftlichen Vertrag die Übernahme von Montageleistungen auf der Baustelle der T. (Auftraggeber) vereinbart; in einer das Verhältnis ausgestaltenden Zusatzvereinbarung beschlossen die Vertragsparteien, daß die Arbeitnehmer der T auf der Baustelle des österreichischen Betriebes unter fachlicher Leitung und Kontrolle, unter Beistellung der Werkzeuge und Geräte durch die auftraggebende T. Spenglerarbeiten verrichten sollten. Die T. verpflichtete sich für die Einholung der für diese Arbeiten erforderlichen Bewilligungen zu sorgen.

Die im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses namentlich erwähnten 25 Ungarn haben tatsächlich in der Zeit zwischen 13.3.1990 bis 20.12.1990, chargenweise abwechselnd, in Österreich gearbeitet. Eine Bewilligung für die grenzüberschreitende Überlassung der ausländischen Arbeitskräfte wurde nicht eingeholt.

Bei diesem Sachverhalt war rechtlich zu erwägen:

Gemäß § 22 Abs.1 AÜG begeht, soferne die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe von 10.000 S bis 50.000 S, im Wiederholungsfall von 20.000 S bis 100.000 S zu bestrafen, wer als a) Überlasser oder Beschäftiger gesetzwidrige Vereinbarungen trifft (§§ 8 und 11 Abs.2) und deren Einhaltung verlangt, c) als Überlasser oder Beschäftiger an einer unzulässigen grenzüberschreitenden Überlassung (§ 16) beteiligt ist.

Begrifflich handelt es sich bei der Überlassung von Arbeitskräften um die Zurverfügungstellung von Arbeitskräften zur Arbeitsleistung an Dritte. Beschäftiger ist, wer Arbeitskräfte eines Überlassers zur Arbeitsleistung für betriebseigene Aufgaben einsetzt. Arbeitskräfte sind Arbeitnehmer und arbeitnehmerähnliche Personen. Arbeitnehmerähnlich sind Personen, die, ohne in einem Arbeitsverhältnis zu stehen, im Auftrag und für Rechnung bestimmter Personen Arbeit leisten und wirtschaftlich unselbständig sind.

Gemäß § 4 AÜG ist für die Beurteilung, ob eine Überlassung von Arbeitskräften vorliegt, der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend. Arbeitskräfteüberlassung liegt insbesondere auch vor, wenn die Arbeitskräfte ihre Arbeitsleistung im Betrieb des Werkbestellers in Erfüllung von Werkverträgen erbringen, aber kein von den Produkten, Dienstleistungen und Zwischenergebnissen des Werkbestellers abweichendes, unterscheidbares und dem Werkunternehmer zurechenbares Werk herstellen oder an dessen Herstellung mitwirken oder die Arbeit nicht vorwiegend mit Material und Werkzeug des Werkunternehmers leisten oder organisatorisch in den Betrieb des Werkbestellers eingegliedert sind und dessen Dienst- und Fachaufsicht unterstehen oder der Werkunternehmer nicht für den Erfolg der Werkleistung haftet.

Zweifelsfrei handelte es sich um eine Überlassung von ausländischen Arbeitskräften, welche ohne Bewilligung nach dem AÜG die Grenze überschritten und im Inland arbeiteten. Der als handelsrechtlicher Geschäftsführer der T. fungierende Beschuldigte hatte hiefür die Verantwortung zu tragen und war nach § 22 Abs.1 Z.1 lit.c AÜG schuldig zu sprechen.

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde die Mindeststrafe verhängt. Nachdem es sich bei der Überlassung um 25 Arbeitskräfte handelte, konnte die objektive Tatseite nicht als gering angesehen werden und war der Ausspruch einer Ermahnung, die ein solches geringes objektives Interesse voraussetzt (§ 21 VStG) nicht zulässig. Nachdem auch im Berufungsverfahren keine Milderungsgründe offenbar wurden, konnte das außerordentliche Milderungsrecht gemäß § 20 VStG nicht angewendet werden.

Die Tatvorwürfe bezüglich der Fakten b) und c) im angefochtenen Straferkenntnis konnten aufgrund der vorliegenden Vereinbarungen betreffend die Überlassung der Arbeitskräfte durch die T nicht bestätigt gefunden werden.

Der Umstand, daß die Bewilligung, die ursprünglich durch die Vereinbarung mit der T. nicht ausgeschlossen wurde, sondern sogar als sinngemäß bedungen anzunehmen war, tatsächlich nicht eingeholt wurde, konnte keinen gesonderten Tatbestand und damit Grundlage für eine weitere Bestrafung bilden.

Diesbezüglich waren die Verfahren zu den Fakten b) und c) einzustellen.

Zum Vorbringen bezüglich der Doppelbestrafung hat der O.ö. Verwaltungssenat erwogen:

Das AÜG ist ein Gesetz, auf das die europäische Menschenrechtskonvention voll anzuwenden ist, zumal im Zeitpunkt der Ratifizierung im Jahre 1958 kein entsprechender Vorläufer bestand.

Dies gilt auch für die Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes. Somit sind insbesondere auch die Artikel 5 und 6 MRK in Ansehung dieser Gesetze vorbehaltsloses geltendes Verfassungsrecht.

Insbesondere kommt, was im gegenständlichen Fall nicht von Bedeutung und daher kein Anlaß für ein Gesetzesprüfungsverfahren war, keine Umkehr der Beweislast im Sinn des § 5 Abs.1 2. Satz VStG in Betracht.

Gemäß Artikel 4 des 7. Zusatzprotokolls zur MRK darf niemand wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staats rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden. Hiezu hat die Republik Österreich anläßlich der Ratifikation allerdings erklärt, daß sich dieser Schutz nur auf Strafverfahren im Sinne der Österreichischen Strafprozeßordnung erstreckt.

Gemäß § 6 AÜG gilt der Beschäftiger für die Dauer der Beschäftigung der fremden Arbeitnehmer in seinem Betrieb als Arbeitgeber im Sinne der Arbeitnehmerschutzvorschriften. Hinsichtlich des persönlichen Arbeitsschutzes, insbesondere des Arbeitszeitschutzes und des besonderen Personenschutzes gilt weiterhin auch der Überlasser als Arbeitgeber im Sinne der Arbeitnehmerschutzvorschriften.

Der Zweck des AÜG wurde in § 2 leg.cit. umrissen. Demnach hat der Gesetzgeber den Schutz der Arbeitskräfte, insbesondere den arbeitsvertraglichen Arbeitnehmerschutz und den Sozialversicherungsschutz, die Vermeidung von arbeitsmarktpolitisch nachteiligen Entwicklungen, den Schutz der heimischen Arbeitsplätze und des Lohnniveaus herausgestellt. Ähnliches hatte er im Auge, als er das Ausländerbeschäftigungsgesetz schuf.

Nicht ausdrücklich angesprochen, aber bei den Gesetzen innewohnend zu betrachten sind fiskalpolitische und Konkurrenzschutzgedanken.

Die Verwaltungsstrafbestimmungen des § 28 Abs.1 Z.1 AuslBG und § 22 Abs.1 Z.1 AÜG schließen eine Ahndung im Verwaltungsstrafverfahren ausdrücklich nur dann aus, wenn die Tat auch den Tatbestand einen in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet.

Gemäß § 22 Abs.1 VStG sind die Strafen nebeneinander zu verhängen, wenn jemand durch verschiedene selbständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen hat oder eine Tat unter mehrere, einander nicht ausschließende Strafdrohungen fällt (Realkonkurrenz und Idealkonkurrenz).

Angesichts der Tatsache, daß Sanktionen zu Strafen regelmäßig in Grundrechte (Eigentum und Freiheit) eingreifen, gebietet es der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und der für den Rechtsunterworfenen bei der Auslegung von Strafnormen zu bedenkende besondere Vertrauensschutz, daß der Idealkonkurrenz ein besonderes Augenmerk zugewandt wird.

Die Fälle unechter (scheinbarer) Idealkonkurrenz sind nämlich nicht nebeneinander strafbar. Unechte Idealkonkurrenz liegt dann vor, wenn der Täter zwar nur eine deliktische Handlung begangen hat, die jedoch Merkmale mehrerer Deliktstypen aufweisen, wobei aber mit der Unterstellung unter einen Deliktstypus der Unrechtsgehalt voll erfaßt wird. Die klassischen Fälle hiebei sind: die Konsumtion, die Spezialität und die Subsidiarität.

§ 2 Abs.2 lit.e AuslBG stellt die Rechtsvermutung auf, daß als Beschäftigung im Sinn dieses Gesetzes auch die Verwendung überlassener Arbeitskräfte (§ 3 Abs.4 AÜG) anzusehen ist. Ebenfalls durch Rechtsvermutung werden die Beschäftiger nach dem AÜG den Arbeitgebern gleichgehalten, an denen es liegt, außer einer Bewilligung über die grenzüberschreitende Überlassung (nach dem AÜG) auch noch eine weitere Bewilligung nach § 3 Abs.1 AuslBG einzuholen, obgleich die fremden Arbeitskräfte formal betrachtet in keinem Dienstverhältnis zum "Beschäftiger" stehen. Das Vorliegen der Bewilligung nach dem AÜG ist allerdings eine Voraussetzung um zu einer Beschäftigungsbewilligung zu gelangen (vgl. § 4 Abs.3 Z.8 AuslBG). Die Indizien für die Konsumtion und Spezialität der Strafnormen wären nur dann greifbar, wenn man sich, ausgehend davon, daß wie erwähnt § 3 AuslBG und § 16 Abs.3 AÜG (bzw. die entsprechenden Sanktionsnormen) den selben Zweck verfolgen - nämlich die Beschäftigung von ausländischen unselbständigen Erwerbstätigen in Österreich unter Kontrolle zu bringen - zu einer finalen Reduktion entschließen kann. Aber selbst dann wäre das AÜG die speziellere Norm, hinter der das AuslBG zurücktreten muß, mit dem Ergebnis, daß die berufungsgegenständliche Bestrafung zu Recht erfolgt ist.

Bezüglich der Subsidiarität ist zu bemerken, daß weder § 28 Abs.1 AuslBG noch § 22 Abs.1 AÜG einen ausdrücklichen Vorbehalt gegenüber anderen Verwaltungsstrafnormen benennt. Aus dem System oder aus sonstigen Bestimmungen ist nicht erkennbar, daß die zitierten Strafnormen des AÜG und des AuslBG nur hilfsweise Geltung besäßen.

Aus diesem Grunde mußte dem Einwand, es läge eine Doppelbestrafung vor und dürfe nach dem AÜG keine Bestrafung erfolgen, zum Faktum a) des angefochtenen Straferkenntnisses ein Erfolg versagt bleiben.

Die diesbezügliche Bestätigung hatte kostenmäßig zwangsläufig zur Folge, daß dem Berufungswerber angesichts der verhängten Strafe von 10.000 S gemäß § 64 Abs.2 VStG ein Kostenbeitrag von 2.000 S aufzuerlegen war. Der Erfolg der Berufung zu den Fakten b) und c) brachte es hingegen mit sich, daß weder für das diesbezügliche Verwaltungsstrafverfahren vor der Bezirkshauptmannschaft Gmunden, noch vor dem O.ö. Verwaltungssenat Verfahrenskosten anfielen (§§ 65 und 66 Abs.1 VStG).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Guschlbauer 6

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum