Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-220080/19/Weg/Ri

Linz, 23.11.1992

VwSen - 220080/19/Weg/Ri Linz, am 23. November 1992 DVR.0690392 - &

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch das Mitglied Dr. Kurt Wegschaider über die Berufung des H, vertreten durch die Rechtsanwälte, vom 17. September 1991 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 23. August 1991, Ge-2011/1991/Mag.Ko, zu Recht:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl.Nr. 51 (AVG), i.V.m. § 24, § 31 Abs.1, § 44a Z.1, § 45 Abs.1 Z.1, § 51 und § 51i Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl.Nr. 52 (VStG).

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat mit dem in der Präambel zitierten Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen der Verwaltungsübertretung nach § 31 Abs.2 lit.p Arbeitnehmerschutzgesetz i.V.m. § 7 Abs.1 und § 43 Abs.1 der Verordnung BGBl.Nr. 267/1954 (Vorschriften zum Schutz des Lebens und der Gesundheit von Dienstnehmern bei Ausführung von Bauarbeiten, Bauneben- und Bauhilfsarbeiten) eine Geldstrafe von 5.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 5 Tagen verhängt, weil es dieser als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ im Sinne des § 9 VStG der F, unterlassen hat, am 13. Dezember 1990 auf der Baustelle "Z" den in der Kassettendecke des Bauteiles 5.2. des Rohbaues vorhandenen Lüftungsauslaß gegen Absturzgefahr abzusichern, obwohl Dienstnehmer auf dem Dach dieses Objektes Isolierarbeiten bzw. Vorbereitungen für die Durchführung von Isolierarbeiten ausgeführt haben und somit die Gefahr eines Absturzes bestanden hat. Außerdem wurde ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren in der Höhe von 500 S in Vorschreibung gebracht.

2. Diesem Straferkenntnis lag eine Anzeige des Arbeitsinspektorates für den 10. Aufsichtsbezirk vom 16. Jänner 1991 und das auf Grund dieser Anzeige durchgeführte ordentliche Verfahren zugrunde. In dieser Anzeige ist festgehalten, daß anläßlich einer am 13.Jänner 1991 durchgeführten Erhebung auf der Baustelle "H" festgestellt worden sei, daß der in der Kassettendecke des Bauteiles 5.2. des Rohbaues beim Unternehmen "Z" vorhandene Lüftungsauslaß nicht so abgesichert gewesen sei, daß keine Einsturzgefahr bestanden hätte. Dabei seien auf dem Dach des gegenständlichen Objektes Isolierarbeiten bzw. Vorbereitungen für die Durchführung von Isolierarbeiten ausgeführt worden. Dies stelle eine Verletzung der § 7 Abs.1 i.V.m. § 43 Abs.1 der Bauarbeiterschutzverordnung dar, weshalb beantragt wurde, das Strafverfahren gegen den strafrechtlich Verantwortlichen einzuleiten und wegen der angeführten Gesetzesübertretungen gemäß § 31 Abs.2 lit.p des Arbeitnehmerschutzgesetzes im Zusammenhalt mit § 33 Abs.7 leg.cit. eine Geldstrafe von 5.000 S zu verhängen.

3. Anläßlich der am 8. Oktober 1992 stattgefundenen öffentlichen mündlichen Verhandlung trat zutage, daß zu der im Straferkenntnis angeführten Tatzeit, nämlich den 13. Dezember 1990, Dipl.Ing. M vom Arbeitsinspektorat für den 10. Aufsichtsbezirk folgendes festgestellt hat: (wörtlicher Auszug aus der Verhandlungsschrift) "Ich bin Arbeitsinspektor beim Arbeitsinspektorat Salzburg und mußte nach einem Arbeitsunfall, der sich am 11. Dezember 1990 zugetragen hat, die verfahrensgegenständliche Baustelle inspizieren. Ich war beauftragt, die Unfallerhebung durchzuführen. Ich kann naturgemäß nur mehr über die Situation aussagen, wie sie am 13. Dezember 1990, also zwei Tage nach dem Unfall, vorgelegen ist. Der Arbeitnehmer S ist bei Arbeiten auf dem Dach durch eine Aussparung, die für die Errichtung eines Installationsschachtes gedacht war, ca. 11 m abgestürzt und hat sich dabei tödliche Verletzungen zugezogen. Als ich an die Unfallstelle kam, konnte ich aus eigener Wahrnehmung feststellen, daß diese Aussparung durch ein rotweißes Signalband optisch abgesichert war. An dieses Band kann ich mich noch ganz sicher erinnern, ich kann aber nicht mehr mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, daß auch diese Aussparung durch eine Palette oder durch ein Baustahlgitter abgedeckt war. Als ich nach dem Unfall verständigt wurde, habe ich telefonisch Weisung erteilt, daß an der Unfallstelle nichts verändert werden dürfe. Es dürfte allerdings unbestritten sein, daß zum Unfallzeitpunkt die Unfallstelle zumindest nicht ordnungsgemäß abgesichert war, möglicherweise war sie mit einer Palette abgesichert, das wurde mir jedoch nur erzählt. Ein Schutzgitter, das ordnungsgemäß befestigt war und somit den Absturz verhindert hätte, war zum Unfallzeitpunkt (11.12.1990) sicher nicht vorhanden, ebenso nicht dieses rote Markierungsband. Wenn am 13. Dezember 1990 die Absturzstelle trotz meiner Anweisung, nichts zu verändern, schon abgesichert war, geschah dies deswegen, damit keine Folgeunfälle eintreten können .....".

Aus dieser Zeugenaussage ergibt sich, daß am 13. Dezember 1990, dem Tag der Inspektion, die Aussparung am Dach möglicherweise doch ordnungsgemäß abgesichert war. Die Ausführungen in der Anzeige vom 16. Jänner 1991 und die in dieser Anzeige anläßlich der Inspektion am 13. Dezember 1990 getroffenen Feststellungen betreffen den 11. Dezember 1990, ohne jedoch diesen Tag anzuführen. Demgemäß hat die Erstbehörde sowohl im Zuge des ordentlichen Verfahrens, als auch im Straferkenntnis als Tatzeitpunkt den 13. Dezember 1990 angenommen und zum Vorwurf gemacht. Eine Verfolgungshandlung auf den Unfallzeitpunkt (11.12.1990) wurde nicht gesetzt. Dies ergibt sich aus der Durchsicht und dem Studium des vorgelegten Verwaltungsstrafaktes.

4. Hiezu hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Gemäß § 44a Z.1 VStG hat der nach einem ordentlichen Verfahren ergehende Spruch eines Straferkenntnisses u.a. die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Nach dieser Bestimmung ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, daß die Identität der Tat (nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Diesem Erfordernis der Unverwechselbarkeit trägt der von der Erstbehörde angenommene Tatzeitpunkt nicht in ausreichendem Maße Rechnung, wenn man als den tatsächlichen Deliktszeitpunkt den 11. Dezember 1990 (auf diesen Tag bezogen sich alle Ermittlungen) annimmt.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes liegt inhaltliche Rechtswidrigkeit vor, wenn die Tatzeit im Spruch a) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses irrtümlich falsch angeführt ist (z.B. 1981 statt 1980) und dies von der Berufungsbehörde in ihrem Abspruch nicht richtiggestellt wird, auch wenn die Begründung des Bescheides auf die richtige Tatzeit abstellt; (VwGH, verstärkter Senat 27.6.1984, Slg. 11478H u.v.a.) b) mit 12.12. ".... statt richtig: 11.12....." festgestellt wird (VwGH 19.2.1982, 81/02/0289); c) mit 18.50 Uhr angeführt ist, obwohl die Tat nach der unbestrittenen Aktenlage um 23.15 Uhr erfolgte (VwGH 18.1.1980, 2056/77).

Soweit einige Auszüge zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.

Was den oben angeführten Punkt a) betrifft, wonach die Rechtswidrigkeit der falsch angeführten Tatzeit u.a. darin gesehen wird, daß die Berufungsbehörde keine Berichtigung vornahm, ist auszuführen, daß das Auswechseln der Tat und des Tatzeitpunktes nur möglich ist, wenn entweder eine Verfolgungshandlung mit der richtigen Tatzeit gesetzt wurde oder wenn die Berufungsbehörde noch innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist ihre Entscheidung trifft. Beides ist im konkreten Fall nicht gegeben. Eine Verfolgungshandlung mit der Anführung des Tatzeitpunktes "11. Dezember 1990" wurde nicht gesetzt. Da sich die Tat bereits vor fast zwei Jahren ereignete, tritt die Rechtsfolge des § 31 Abs.1 VStG ein, wonach die Verfolgung einer Person unzulässig ist, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist, welche gemäß § 31 Abs. 2 leg.cit. 6 Monate beträgt, von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist.

Eine Berichtigung der Tatzeit gemäß § 62 Abs.4 AVG, wonach Schreib- und Rechtenfehler oder diesen gleichzuhaltende, offenbar auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeiten in Bescheiden von der Behörde jederzeit von amtswegen berichtigt werden können, wäre im gegenständlichen Fall rechtswidrig, weil es sich um keinen Schreibfehler oder eine diesem gleichzuhaltende Unrichtigkeit, die offenbar auf einem Versehen beruht, handelt, sondern während des gesamten Verfahrens die Behörde als Tatzeit den 13. Dezember 1990 zum Vorwurf erhob. Es würde sich bei einer derartigen Berichtigung um den Austausch eines die Tat konkretisierenden Merkmales handeln, was außerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist nicht zulässig ist. Die unrichtige Anführung der Tatzeit im Straferkenntnis und während des gesamten Verfahrens ist also kein der Berichtigung im Sinne des § 62 Abs.4 AVG zugänglicher Schreibfehler oder eine auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeit.

4.2. Es ist noch zu prüfen, ob auf den Zeitpunkt der Inspektion am 13. Dezember 1990 bezogen der im Straferkenntnis zur Last gelegte Sachverhalt vorlag. Was diesen Tatzeitpunkt betrifft, so liegt im Hinblick auf die oben zitierte Zeugenaussage des Dipl.Ing. M kein eindeutiger Tatbeweis vor. Er hat nicht ausgeschlossen, daß am 13. Dezember 1990 die Aussparung am Dach nicht doch schon mit einem als ausreichend anzusehenden Baustahlgitter abgesichert war.

Da also auf den 13. Dezember 1990 bezogen nicht mit einer für ein Verwaltungsstrafverfahren notwendigen Sicherheit oder Wahrscheinlichkeit feststeht, daß die Aussparung am Dach nicht ordnungsgemäß gesichert war, kann dem handelsrechtlichen Geschäftsführer der F die Unterlassung der Absicherung am 13. Dezember 1990 nicht vorgeworfen werden, weshalb im Sinne des § 45 Abs.1 Z.1 VStG auf den im Straferkenntnis bezogenen Tatzeitpunkt die Einstellung des Verfahrens zu verfügen war. Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Wegschaider 6

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