Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-220090/18/Kl/Rd

Linz, 10.12.1992

VwSen - 220090/18/Kl/Rd Linz, am 10. Dezember 1992 DVR.0690392 - &

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Ing. H, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 28.10.1991, Ge96-278-1991, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem Arbeitnehmerschutzgesetz nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 25.11.1992 zu Recht:

I.: Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß unter Punkt 1 jeweils anstelle des "§ 19 Abs.4 der BauarbeitenschutzVO (BAV)" der Ausdruck "§ 46 Abs.6 Allgemeine Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV)", unter Punkt 2 jeweils anstelle des "§ 19 Abs.3 BAV" der Ausdruck "§ 33 Abs.5 BAV" zu treten hat und unter Punkt 4 anstelle "§ 46 Abs.1 der AAV" der "§ 46 Abs.11 AAV" zu zitieren ist.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG i.V.m. §§ 24, 51 und 19 VStG.

II. Als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens sind 20% der verhängten Strafe, d.s. 2.200 S, binnen 14 Tagen ab der Zustellung bei sonstiger Exekution zu entrichten.

Rechtsgrundlage: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land hat mit Straferkenntnis vom 28.10.1991, Ge96-278-1991, wegen Übertretung des 1) § 19 Abs.4, 2) § 19 Abs.3 und 3) § 28 Abs.3 BAV sowie 4) § 46 Abs.11 der AAV eine Geldstrafe von 1.) 4.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 4 Tage), 2.) 4.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 4 Tage), 3.) 2.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage) und 4.) 1.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe einen Tag) verhängt, weil der Beschuldigte als nach außen hin vertretungsbefugtes Organ der W, wie bei einer am 31.7.1991 auf der Baustelle S, durchgeführten Inspektion durch das Arbeitsinspektorat Linz festgestellt werden konnte, den Arbeitnehmer J auf der obersten Gerüstetage eines Arbeitsgerüstes mit Fassadenarbeiten beschäftigt hat, wobei es sich um ein Arbeitsgerüst mit zwei Etagen handelte und die Absturzhöhe bei den angeführten Fassadenarbeiten ca. 4m betrug und an Mängeln festgestellt wurde:

1) Auf der obersten Etage (Absturzhöhe ca. 4m) fehlten die Brust-, Mittel- und Fußwehren. 2) Der Gerüstbelag auf der obersten und untersten Etage waren nicht vollflächig ausgeführt, da lediglich zwei bzw. nur ein Pfosten verlegt war. 3) Das Stahlrohrgerüst war nicht mit dem Mauerwerk verankert. 4) Weiters war kein Aufstieg zur Erreichung der Gerüstlagen vorhanden. Es wurde ein Verfahrenskostenbeitrag von 1.100 S auferlegt.

2. Dagegen richtet sich die nunmehr fristgerecht eingebrachte Berufung und es wird darin im wesentlichen ausgeführt, daß § 19 Abs.4 BAV nur Brust- und Fußwehren, aber keine Mittelwehren verlangt. Außerdem sei der Ausstieg auf das Gerüst im gegenständlichen Fall durch das Fenster möglich gewesen, sodaß ein sicherer Zugang vorhanden war. Auch sei genügend Gerüstmaterial auf der Baustelle vorhanden gewesen, sodaß eine vorschriftsmäßige Gerüstung möglich gewesen wäre. Der genannte Arbeitnehmer sei seit 1976 in der Firma als Maurer beschäftigt und habe eine Reihe von Gerüstarbeiten ausgeführt und sei sehr wohl in der Lage, ein ordnungsgemäßes Gerüst aufzustellen. Es wurde daher beantragt, der Berufung stattzugeben.

3. Die belangte Behörde hat den bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt; eine Gegenschrift wurde nicht erstattet. Neben der Einsichtnahme in den Verwaltungsstrafakt wurde Beweis erhoben durch die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 25.11.1992, zu welcher neben den Verfahrensparteien (bzw. Vertretern) auch der Zeuge J und Arbeitsinspektor P geladen und die Zeugen auch vernommen wurden.

4. Im Grunde der öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde vom unabhängigen Verwaltungssenat für das Land Oberösterreich folgender Sachverhalt festgestellt und der Entscheidung zugrundegelegt:

4.1. Am 31.7.1991 wurden auf der Baustelle S, durch den Arbeitnehmer J der Firma W Fassadenarbeiten durchgeführt, wobei ein Arbeitsgerüst mit zwei Etagen und einer Absturzhöhe von ca. 4m verwendet wurde. Dieses Gerüst wies keine Brust-, Mittel- und Fußwehren auf, war nicht mit dem Mauerwerk sicher verankert, die Gerüstlagen waren nicht dicht mit Pfosten belegt und es war kein sicherer Zugang zur Erreichung der Gerüstlagen vorhanden. Eine Leiter an der Baustelle reichte nur bis zur ersten Gerüstlage, die Fenster des Renovierungsobjektes waren geschlossen.

Eine Kontrolle der Baustelle durch den Bauleiter erfolgte erst im Laufe des Tages. Das Gerüst selbst wurde vom die Fassadenarbeiten durchführenden Arbeitnehmer aufgestellt, wobei die Gerüstteile über Anordnung des Bauleiters vom Lagerplatz der W zur Baustelle gebracht werden. Die Aufstellung des Gerüstes stand zur freien Disposition des Arbeitnehmers, diesbezügliche Anweisungen wurden nicht getroffen.

4.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich widerspruchlos aus den Aussagen der vernommenen Zeugen, wobei insbesondere die Aussage des Arbeitsinspektors verdeutlichte, daß der an der Baustelle vorhandene Arbeitnehmer nicht die nötigen Kenntnisse zum Aufstellen eines Gerüstes hatte. Im übrigen wurden die Aussagen des Arbeitsinspektors auch untermauert durch die Vorlage eines zum Tatzeitpunkt aufgenommenen Fotos, wonach der unter Punkt 4.1. festgestellte Sachverhalt einwandfrei dokumentiert wurde. Weiters lagen den Sachverhaltsfeststellungen auch die glaubhaften Aussagen des Zeugen J zugrunde, welcher selbst zugab, daß es ihm zur freien Disposition stand, ob und wie er ein Gerüst aufbaute. Weiters sagte dieser unwidersprochen aus, daß es sich dabei nur um ein Gerüstprovisorium handelte, da die Arbeiten in der oberen Etage lediglich zwei Stunden dauerten und die gesamten Arbeiten bis am Abend abgeschlossen waren, sodaß ein Aufstellen eines aufwendigen Gerüstes nicht erforderlich gewesen sei.

5. Hierüber hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

5.1. Gemäß § 31 Abs.2 lit.p des Arbeitnehmerschutzgesetzes (ANSchG), BGBl.Nr.234/1972 idgF., begehen Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte eine Verwaltungsübertretung und sind, sofern die Tat nicht nach anderen Gesetzen strenger zu bestrafen ist, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 50.000 S zu bestrafen, wenn sie den Vorschriften, die aufgrund des § 24 dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen oder den aufgrund des § 27 dieses Bundesgesetzes vorgeschriebenen Bedingungen und Auflagen oder den erteilten Aufträgen zuwiderhandeln.

Gemäß § 33 Abs.1 lit.a Z.12 ANSchG ist die Verordnung über Vorschriften zum Schutz des Lebens und der Gesundheit von Dienstnehmern bei Ausführung von Arbeiten, Bauneben- und Bauhilfsarbeiten (BAV) im bisherigen Umfang als Bundesgesetz in Geltung. Gemäß § 33 Abs.7 ANSchG gelten bei Zuwiderhandlung gegen die genannten Rechtsvorschriften die Bestimmungen des § 31 sinngemäß.

5.1.1. Gemäß § 46 Abs.6 AAV müssen Gerüstbeläge, von denen Arbeitnehmer mehr als zwei Meter abstürzen können, mit Brust- und Fußwehren gesichert sein. Zwischen Brustund Fußwehre muß eine Mittelwehre so angebracht sein, das der lichte Abstand zwischen jeweils zwei Teilen der Umwehrung nicht mehr als 0,40m beträgt.

Nach dem unter Punkt 4.1. festgestellten Sachverhalt wurde der objektive Tatbestand erwiesenermaßen erfüllt, da der beschäftigte Arbeitnehmer selbst zugab, daß das von ihm aufgestellte Gerüst für die Anbringung von Fußwehren nicht geeignet ist, und das Anbringen dieser Wehren auch nicht für erforderlich erachtet wurde.

5.1.2. Gemäß § 33 Abs.5 BAV müssen Gerüstlagen, auf denen gearbeitet wird, dicht hergestellt sein.

Das Beweisverfahren hat eindeutig den Sachverhalt gemäß Punkt 4.1. ergeben, daß eine dichte Belegung der Gerüstlagen nicht erfolgte, zumal auch die erforderlichen Pfosten nicht vorhanden waren. Es ist daher auch dieser objektive Tatbestand erfüllt.

5.1.3. Gemäß § 28 Abs.3 BAV ist bei einreihigen Gerüsten aus Stahl oder anderem Metall jeder Ständer in lotrechten Abständen von höchstens 5m in unmittelbarer Nähe der Stoßstellen zug- und druckfest mit dem Bauwerk sicher zu verankern.

Durch den unter Punkt 4.1. festgestellten Sachverhalt wurde dieser Tatbestand erfüllt, zumal der Arbeitnehmer selbst eine Verankerung negierte.

5.1.4. Gemäß § 46 Abs.11 AAV müssen Arbeitsplätze auf Gerüsten über sicher begehbare Zugänge, wie Leitern, Leitergänge, Stiegen oder Laufbrücken, erreichbar sein. Wie im Sachverhalt erwiesen festgestellt wurde, war lediglich die erste Gerüstlage mit einer Leiter erreichbar, die zweite Gerüstlage jedoch nicht. Fenster zum Gebäude standen nicht offen und es war daher ein sicherer Zugang nicht gegeben. Es wurde sohin dieser Tatbestand erfüllt.

5.2. Hinsichtlich des Verschuldens ist auszuführen, daß gemäß § 5 Abs.1 VStG zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Es war daher auch im gegenständlichen Fall Fahrlässigkeit auf jeden Fall anzunehmen. Die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 VStG, welcher sodann die strafrechtliche Verantwortung zu tragen hätte, wurde vom Berufungswerber nicht behauptet und wurde auch nicht im Zuge des Verfahrens festgestellt. Auch konnte die Bestellung eines Bevollmächtigten nach dem ANSchG nicht erhoben bzw. nachgewiesen werden. Es hat zwar der Berufungswerber dargelegt, daß seine Baumeister für die einzelnen Baustellen verantwortlich seien, aber es wurde nicht in genügendem Maße dargetan, daß ein geschlossenes Kontrollsystem zur Überwachung der Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorrichtungen eingerichtet und auch sonst alle Maßnahmen getroffen wurden, die erforderlich sind, um die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften sicherzustellen. Die bloße Belehrung des Arbeitnehmers - diese hat im übrigen auch nicht stattgefunden -, auch wenn dies in Form einer Dienstanweisung erfolgte, sowie die stichprobenartige, regelmäßig durchgeführte Überwachung reichen jedoch nicht aus (vgl. VwGH 27.9.1988, 78/08/0026). Dem ist vor allem die Zeugenaussage des Arbeitnehmers entgegenzuhalten, daß das Gerüst über Auftrag des Bauleiters zur Baustelle transportiert wird, worauf der Arbeitnehmer keinen Einfluß hat, daß die Aufstellung des Gerüstes an sich zu seiner Disposition stehe und daß er keinerlei Anweisungen hatte, diese in einer konkreten Form aufzustellen und daß auch nur stichprobenartige Kontrollen durch den Bauleiter während des Tages stattfanden. Es konnte auch eine lückenlose Kontrolle des Bauleiters seitens des Berufungswerbers nicht nachgewiesen werden. Es war daher im Sinne der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes das Vorbringen des Berufungswerbers nicht geeignet, mangelndes Verschulden glaubhaft zu machen. Weitere Entschuldigungs- bzw. Schuldausschließungsgründe wurden nicht genannt und kamen nicht hervor.

Es war daher auch das Verschulden des Berufungswerbers als erwiesen anzunehmen und das Straferkenntnis hinsichtlich der Schuld zu bestätigen. Die Berichtigung der Rechtsgrundlage ergab sich aus dem Tatvorwurf.

5.3. Hinsichtlich der Strafbemessung hat die belangte Behörde keine Begründung angeführt. Wie ergänzend erhoben wurde, ist der Berufungswerber sowohl als handelsrechtlicher als auch gewerberechtlicher Geschäftsführer aus der Firma ausgeschieden, befindet sich in Pension, ist pflegebedürftig und sorgepflichtig für die Ehegattin. Sein Einkommen gibt er mit 7.000 S bis 8.000 S monatlich an.

Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Im Sinne der zitierten Gesetzesstelle ist daher zu berücksichtigen, daß gerade die Anordnungen zur Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen eine Gefährdung der Arbeitnehmer hintanhalten soll, nämlich insbesondere eine Gefährdung des Lebens und der Gesundheit des Arbeitnehmers. Unter diesem Aspekt sowie unter Berücksichtigung eines Strafrahmens bis zu 50.000 S pro Delikt, erscheinen daher die verhängten Geldstrafen nicht als überhöht. Weitere Erschwerungs- und auch Milderungsgründe kamen im Zuge des Verfahrens nicht hervor. Hinsichtlich des Verschuldens ist auf jeden Fall fahrlässiges Verhalten anzunehmen, da der Berufungswerber nicht die erforderliche Kontrolle seiner Arbeitnehmer vorgenommen hat bzw. für eine verantwortliche Kontrolle durch einen Arbeitnehmer seines Betriebes gesorgt hat. Auch im Hinblick auf die persönlichen Verhältnisse des Berufungswerbers - das von ihm angegebene monatliche Einkommen erscheint im Grunde einer langjährigen Geschäftsführertätigkeit sehr niedrig - sind die verhängten Geldstrafen als tat- und schuldangemessen zu werten. Es war daher auch hinsichtlich des Strafausspruches das angefochtene Straferkenntnis zu bestätigen.

6. Da in jeder Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates, mit der ein Straferkenntnis bestätigt wird, ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren auszusprechen ist, war der Betrag mit 20% der verhängten Strafe, d.s. 2.200 S gemäß der im Spruch angegebenen Gesetzesstelle zu bemessen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Ergeht an:

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. K l e m p t 6

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