Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-420158/8/Gf/Km

Linz, 30.09.1997

VwSen-420158/8/Gf/Km Linz, am 30. September 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Beschwerde der Ing. D D, vertreten durch die RAe Dr. N N, Dr. K H, Dr. C S, Mag. T K und Mag. W B, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe des Bezirkshauptmannes von Freistadt am 22. Juni 1997 zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bezirkshauptmann für Freistadt) Kosten in Höhe von 3.365 S zu ersetzen.

Rechtsgrundlage: § 67c Abs. 4 AVG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit ihrem am 1. August 1997 - und damit rechtzeitig - zur Post gegebenen Schriftsatz vom selben Tag hat die Beschwerdeführerin beim Oö. Verwaltungssenat eine auf Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG i.V.m. § 67a Abs. 2 Z. 1 AVG gestützte Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe des Bezirkshauptmannes von Freistadt am 22. Juni 1997 erhoben.

1.2. Diese Beschwerde wurde der belangten Behörde vom Oö. Verwaltungssenat am 5. August 1997 übermittelt, welche mit Schriftsatz vom 18. August 1997, Zl. Sich01-131-1997-Pil-Woe, den bezughabenden Verwaltungsakt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet hat, mit der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wurde.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der BH Freistadt zu Zl. Sich01-131-1997-Pil-Woe; da bereits aus diesem in Verbindung mit dem Parteienvorbringen der entscheidungswesentliche Sachverhalt zu klären war, wobei das Sachverhaltsvorbringen der Beschwerdeführerin glaubhaft schien und daher als zutreffend gewertet wurde, konnte im übrigen von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

2.2. Im Zuge dieser Beweisaufnahme wurde folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen festgestellt:

Die Beschwerdeführerin, eine tschechische Staatsbürgerin, wollte am 22. Juni 1997 gegen 18.15 Uhr bei der Grenzkontrollstelle W in das österreichische Bundesgebiet einreisen. Nach dem Zweck ihres Aufenthalts in Österreich befragt gab sie an, daß sie bei der Fa. P in P, die ein Tochterunternehmen der in L ansässigen L&L-OEG sei, arbeite und von letzterer zwecks Absolvierung einer Fortbildungsveranstaltung in den Fachbereichen "Buchhaltung" und "Deutsche Sprache" im Zeitraum vom 22. Juni bis zum 4. Juli 1997 nach Linz eingeladen worden sei. In diesem Zusammenhang legte sie einerseits eine an sie gerichtete Telefax-Nachricht der Fa. Leitner&Leitner vom 4. Juni 1997 vor, aus der hervorging, daß für sie in einem Linzer Hotel vom 22. bis zum 23. Juni und vom 27. Juni bis zum 4. Juli 1997 ein Einzelzimmer reserviert wurde, sowie eine weitere Telefax-Nachricht vom 20. Juni 1997, wonach für sie im Anschluß an eine zuvor abzulegende Prüfung die Teilnahme an einem Deutschkurs am 30. Juni, am 1. Juli und am 3. Juli 1997 vorgesehen war. An Barvermögen führte die Beschwerdeführerin ca. 900 öS und 150 czK mit.

Gegen 19.05 Uhr wurde vom Grenzkontrollorgan sodann die Zurückweisung gemäß § 32 des Fremdengesetzes ausgesprochen und diese damit begründet, daß sie der Sichtvermerkspflicht insofern nicht genügt hätte, als sie eines Sichtvermerkes und der für die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit erforderlichen Bewilligung bedurft hätte - welche jeweils unbestritten nicht vorlagen - und weil sie überdies keinen Wohnsitz im Inland habe sowie nicht über die Bestreitung der Kosten des Aufenthaltes erforderlichen finanziellen Mittel verfüge. Die Zurückweisung wurde mittels eines entsprechenden Stempels im Reisepaß der Beschwerdeführerin ersichtlich gemacht.

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Nach der Überschrift zum 5. Teil des Fremdengesetzes, BGBl.Nr. 838/1992, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 436/1996 (im folgenden: FrG), sind die Maßnahmen zur Verhinderung der Einreise - zu denen gemäß § 32 FrG auch die Zurückweisung gehört - ex lege als verfahrensfreie Maßnahmen qualifiziert. Aus § 40 FrG, wonach u.a. die Zurückweisung (erst dann) mit unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt durchzusetzen ist, "wenn dies auf andere Weise nicht oder nicht rechtzeitig möglich ist", folgt aber gleichzeitig, daß nicht jede Zurückweisung per se als eine Ausübung von verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt i.S.d. Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG kategorisiert werden kann, sondern vielmehr im jeweiligen Einzelfall gesondert zu prüfen ist, ob tatsächlich ein Befehl oder Zwang i.S. der vorgenannten Bestimmung und damit ein tauglicher Beschwerdegegenstand gemäß den §§ 67a ff AVG vorliegt.

Im gegenständlichen Fall wurde - allseits unbestritten - vom Grenzkontrollorgan die Zurückweisung ausgesprochen und diese durch einen entsprechenden Stempel im Reisepaß ersichtlich gemacht. Damit war für die Beschwerdeführerin, eine tschechische Staatsangehörige, klar, daß sie nicht zum Betreten des Bundesgebietes berechtigt war und daß sie - würde sie sich diesem aus dem schlüssigen Verhalten des einschreitenden Organes resultierenden, impliziten Befehl (vgl. B.-C. Funk, Der verfahrensfreie Verwaltungsakt, Wien 1975, 174 ff; L. K. Adamovich - B.-C. Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Aufl., Wien 1987, 280 f) widersetzen - nicht bloß mit einer Anzeige an die Verwaltungsstrafbehörde (dies wäre allenfalls eine rechtswidrig einreisenden EU-Bürgern gegenüber zu erwartende behördliche Vorgangsweise), sondern mit physischen Sanktionen (z.B. Hinderung am Betreten durch körperlichen Zwang, durch Festnahme o.ä.) zu rechnen gehabt hätte.

Insoweit lag daher - wie bei Beschwerden gegen die Zurückschiebung von Fremden aus der sog. "zweiten" oder "dritten Welt" wohl regelmäßig (vgl. in diesem Sinne die insoweit gar nicht differenzierenden, sondern diesen Aspekt offenkundig stillschweigend voraussetzenden Entscheidungen VfSlg 13774/1994, 13885/1994 und VwGH v. 23. September 1994, 94/02/0139) - tatsächlich eine Ausübung von Befehlsgewalt und damit ein tauglicher Beschwerdegegenstand i.S.d. Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG i.V.m. § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG vor. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen des § 67c Abs. 1 AVG erfüllt sind, ist die gegenständliche Beschwerde sohin zulässig.

3.2. Vorliegendenfalls ist in erster Linie die Rechtsfrage strittig, ob eine Zurückweisung auch dann rechtmäßig ist, wenn der Fremde im Bundesgebiet nicht unmittelbar einer Erwerbstätigkeit nachgeht, sondern - über Veranlassung seines Dienstgebers - bloß an Fortbildungsveranstaltungen teilnimmt.

3.2.1. Gemäß § 32 Abs. 2 Z. 2 lit. b FrG sind Fremde bei der Grenzkontrolle u.a. dann zurückzuweisen, wenn sie ohne die hiefür erforderliche Bewilligung die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet beabsichtigen; dabei hat das Grenzkontrollorgan zufolge § 32 Abs. 3 FrG nach Befragung des Fremden aufgrund des von diesem glaubhaft gemachten oder sonst bekannten Sachverhaltes zu entscheiden. Nach der hiezu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Bestimmung des § 32 Abs. 3 FrG als Beweislastverteilung dahin zu verstehen, daß das Grenzkontrollorgan nicht zu Erhebungen verpflichtet werden kann, sondern der Fremde den für die Beurteilung maßgeblichen Sachverhalt selbst vorzubringen und auch glaubhaft zu machen hat.

Der Fremde hat daher auf die Frage des Grenzkontrollorganes über den Zweck der beabsichtigten Einreise den entsprechenden Sachverhalt in einer solchen Form darzulegen und erforderlichenfalls auch unter Beweis zu stellen, daß es ihm gelingt, einen Verdacht auf das Vorliegen eines Zurückweisungsgrundes sofort an Ort und Stelle zu entkräften, wobei z.B. die Behauptung, bloß einer Ferialarbeit nachzugehen, auch dann keinesfalls hinreicht, wenn diese durch eine Zeugenaussage belegt werden kann (vgl. VwGH v. 28. Juli 1995, 95/02/0135; s.a. VwGH v. 8. November 1996, Zl. 96/02/0360).

Demnach ist somit für die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung allein entscheidend, ob aus der Sicht des Behördenorganes die Annahme, der Fremde werde im Bundesgebiet einer Erwerbstätigkeit nachgehen, ohne über die hiefür erforderliche Bewilligung zu verfügen, vertretbar war.

3.2.2. Gegenständlich stellte sich die Situation so dar, daß die Beschwerdeführerin bei ihrer beabsichtigten Einreise am 22. Juni 1997 unbestritten weder über einen Sichtvermerk noch über eine Beschäftigungsbewilligung verfügte; sie gab jedoch glaubhaft an, über Veranlassung ihres inländischen Dienstgebers an einer Fortbildungsveranstaltung im Bundesgebiet teilnehmen zu wollen.

3.3.1. Gemäß § 5 FrG i.V.m. Art. 1 des Abkommens zwischen der Österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Tschechischen Republik über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, BGBl.Nr. 47/1990 (im folgenden: SichtvermerksabkCZ), dürfen tschechische Staatsangehörige u.a. nur dann sichtvermerksfrei in das Bundesgebiet einreisen, wenn ihr Aufenthalt in Österreich keinem Erwerbszweck dient.

Unter "Erwerbszweck" i.S. dieser Bestimmung ist jedenfalls eine unter das Ausländerbeschäftigungsgesetz, BGBl.Nr. 218/1975, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 201/1996 (im folgenden: AuslBG), fallende Beschäftigung zu verstehen, wobei insbesondere § 2 Abs. 2 lit. c AuslBG festlegt, daß als Beschäftigung auch die Verwendung in einem Ausbildungsverhältnis, wozu auch die Tätigkeiten als Volontäre und Ferialpraktikanten gemäß § 3 Abs. 5 AuslBG zählen, gilt.

Da es sich nun bei der Beschwerdeführerin - abgesehen davon, daß die Übernahme der Aufenthaltskosten durch ihren Dienstgeber nach der insoweit ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als Naturallohn anzusehen ist und damit schon deshalb nicht mehr vom Nichtvorliegen eines Entgeltsanspruches im Sinne dieser Bestimmung ausgegangen werden kann (vgl. z.B. VwGH v. 4. September 1990, 89/09/0127; v. 26. September 1991, 91/09/0058; v. 18. November 1993, 93/09/0275) - um keine Volontärin i.S.d. § 3 Abs. 5 lit. a AuslBG handelte, weil ihre Ausbildung nicht ausschließlich dem Zweck des Erwerbes von Fertigkeiten, sondern vielmehr der Erweiterung ihrer theoretischen Kenntnisse (in den Gebieten "Buchhaltung" und "Deutsche Sprache") diente, bedurfte sie somit für diese Tätigkeit (wenngleich keiner Entsendebewilligung, wie das einschreitende Sicherheitsorgan in Ermangelung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 AuslBG - da ein Betriebssitz im Inland vorhanden war - zu Unrecht angenommen hat, sondern) einer Beschäftigungsbewilligung gemäß § 3 Abs. 2 AuslBG.

Darüber hinaus wurde dadurch auch die Sichtvermerkspflicht gemäß § 5 FrG i.V.m. Art. 1 Abs. 2 des SichtvermerksabkCZ begründet.

3.3.2. Da die Rechtsmittelwerberin jedoch bei ihrer beabsichtigten Einreise - auch von ihr selbst unbestritten - über keines dieser beiden Dokumente verfügte und sie diese demgemäß auch bei der Grenzkontrolle nicht vorzuweisen vermochte, erfolgte sohin ihre auf § 32 Abs. 1 FrG bzw. § 32 Abs. 2 Z. 2 lit. b FrG gestützte Zurückweisung im Ergebnis zu Recht, weil das Grenzkontrollorgan nach dem zuvor Dargelegten vertretbar davon ausgehen konnte, daß die Beschwerdeführerin im Bundesgebiet einer Erwerbstätigkeit nachgehen werde.

3.3.3. Die Frage, ob darüber hinaus im gegenständlichen Fall auch noch der Zurückweisungsgrund des § 32 Abs. 2 Z. 3 FrG gegeben war, kann hingegen auf sich beruhen, weil es sich bei den in § 32 FrG normierten Voraussetzungen um jeweils alternative Tatbestände handelt, so zwar, daß bereits das Zutreffen eines dieser Zurückweisungsgründe die Setzung dieser faktischen Amtshandlung rechtfertigt.

3.4. Die Beschwerdeführerin wurde somit durch diese - wie gezeigt, rechtmäßige - Zwangsmaßnahme weder in ihrem (weil bloß unter Gesetzesvorbehalt; vgl. z.B. Spielbüchler, Das Grundrecht auf Bildung, in: Machacek - Pahr - Stadler, Grund- und Menschenrechte in Österreich, Kehl 1992, 157 ff) verfassungsmäßig gewährleisteten Recht auf Bildung gemäß Art. 1 2. ZPMRK noch in einem ihr im FrG einfachgesetzlich gewährleisteten subjektiv-öffentlichen Recht verletzt.

Ihre Beschwerde war sohin gemäß § 67c Abs. 4 AVG als unbegründet abzuweisen.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis waren der Beschwerdeführerin gemäß § 79a Abs. 3 und 4 AVG i.V.m. § 1 Z. 3 bis 5 der AufwandsersatzV-UVS, BGBl.Nr. 855/1995, Kosten in Höhe von insgesamt 3.365 S (Vorlage- und Schriftsatzaufwand) vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten. Dr. G r o f Beschlagwortung: Befehl, Impliziter

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum