Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-220217/6/Ga/La

Linz, 24.06.1993

VwSen - 220217/6/Ga/La Linz, am 24. Juni 1993 DVR.0690392 - &

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des R in N, gegen das wegen Übertretung des Arbeitszeitgesetzes (AZG) erlassene Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 13. Mai 1992, Zl. Ge96-291-1991, zu Recht erkannt:

Ia. Der Berufung wird teilweise Folge gegeben; die zu den Fakten 1a) und 2) bis 9) verhängten Geldstrafen sowie die Ersatzfreiheitsstrafen zu sämtlichen Fakten werden wie folgt herabgesetzt: 1a) 500 S (6 Stunden) b) - (48 Stunden) 2) 1.000 S (12 Stunden) 3) 2.000 S (24 Stunden) 4) 1.000 S (12 Stunden) 5) 500 S (6 Stunden) 6) 2.000 S (24 Stunden) 7) 1.000 S (12 Stunden) 8) 1.000 S (12 Stunden) 9) 1.000 S (12 Stunden).

Ib. Die zum Faktum 1b) verhängte Geldstrafe in der Höhe von 4.000 S wird bestätigt.

II. Der Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor der Strafbehörde ermäßigt sich auf (zusammengezählt) 1.400 S; ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem unabhängigen Verwaltungssenat entfällt.

Rechtsgrundlage: Zu I.: § 66 Abs.4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51, iVm § 24 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52; § 16, § 19, § 51 Abs.1, § 51c und § 51e Abs.2 VStG. Zu II.: § 64 Abs.2 und § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1.1. Die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land hat mit dem eingangs bezeichneten Straferkenntnis den Berufungswerber mehrerer Verwaltungsübertretungen nach im einzelnen angeführten Paragraphen des AZG schuldig erkannt, weil er, wie bei einer am 3. September 1991 in seinem näher bezeichneten Gastgewerbebetrieb in S durchgeführten Überprüfung und nach Durchsicht der von ihm als Arbeitgeber vorgelegten Arbeitsaufzeichnungen durch das Arbeitsinspektorat L festgestellt worden war, sieben Arbeitnehmer in einer - im einzelnen dargestellten - Weise beschäftigt hat, die gegen jeweils angeführte Bestimmungen des AZG verstößt, und weil er weiters in bestimmter Weise die Ordnungsvorschriften des § 25 AZG (Verpflichtung des Arbeitgebers zum Aushang der betrieblichen Arbeitszeitund Ruhezeitenregelung) und des § 26 AZG (Verpflichtung des Arbeitgebers zur Führung von Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden und deren Entlohnung bzw. zur Erteilung von Auskünften darüber) nicht eingehalten hat; deswegen wurden über ihn gemäß § 28 Abs.1 AZG in insgesamt zehn Einzelfakten Geldstrafen in der Höhe zwischen 2.000 S und 4.000 S, zusammengezählt 27.500 S (Ersatzfreiheitsstrafen: zwischen 48 und 96 Stunden, zusammengezählt 660 Stunden) verhängt; außerdem wurde der Berufungswerber verpflichtet, Beiträge zu den Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von (zusammengezählt) 2.750 S zu leisten.

1.2. Gegen die Höhe der verhängten Strafen richtet sich die bei der Strafbehörde durch Schriftsatz eingebrachte Berufung.

2.1. Ihre Strafbemessung begründend führt die Strafbehörde an, daß einschlägige Vorstrafen als erschwerend, als mildernd hingegen kein Umstand zu berücksichtigen gewesen sei, sodaß aus spezialpräventiven Gründen die Geldstrafen im mittleren Bereich des Strafrahmens festgesetzt werden mußten.

2.2. In seinem Rechtsmittel ersucht der Berufungswerber um Berücksichtigung, daß gerade in der die Tatvorwürfe betreffenden Zeitspanne akuter Personalmangel (Urlaubszeit und diverse Krankenstände) geherrscht und er sich daher in einer gewissen Zwangslage befunden habe, den laufenden Geschäftsbetrieb aufrechterhalten zu können. Er wolle in Hinkunft verstärktes Augenmerk auf die Einhaltung der einschlägigen Vorschriften legen. Gestützt auf dieses, von ihm als Milderungsgrund verstandene Vorbringen, ersucht der Berufungswerber um Verringerung des Strafausmaßes.

3. Die Strafbehörde als belangte Behörde hat keine Berufungsvorentscheidung erlassen, sondern die Berufung samt Strafakt dem unabhängigen Verwaltungssenat vorgelegt. Von einer Gegenäußerung zum Berufungsvorbringen hat die belangte Behörde abgesehen.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat, nach Beweisaufnahme durch Einsicht in den Strafakt der belangten Behörde zu Zl. Ge96-291-1991 sowie nach Anhörung der beteiligten Arbeitsinspektorate (das Arbeitsinspektorat Linz hat sich nicht geäußert; das Arbeitsinspektorat Vöcklabruck hat die Bestätigung der verhängten Strafen "beantragt"), über die - zulässige Berufung erwogen:

4.1. Der Berufungswerber bestreitet mit seinem Vorbringen weder die ihm angelasteten Gesetzesübertretungen noch behauptet er seine Schuldlosigkeit. Er wendet sich allein gegen die Schwere der Strafwürdigkeit seines Verhaltens, wie sie in der Höhe der verhängten Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) zum Ausdruck kommt. Somit ist das Straferkenntnis hinsichtlich des Schuldspruchs rechtskräftig geworden. Die gemäß § 66 Abs.4 AVG (iVm § 24 VStG) für den unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorliegende Sache ist nur die Höhe der verhängten Strafen bzw. die Frage, ob die belangte Behörde bei der Bemessung der Strafen rechtmäßig vorgegangen ist. Im Ergebnis ist die Berufung überwiegend begründet.

4.2. Der Strafbehörde obliegt es, auf der Grundlage des § 19 Abs.1 VStG ihre Wertung der Taten innerhalb der Grenzen des gesetzlichen Strafrahmens (hier: 300 S bis 6.000 S) darzutun. Dazu gehört die Beantwortung der rechtserheblichen Frage nach der Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, ob und inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Neben diesen objektiven Kriterien des Unrechtsgehalts der Tat sind auch die subjektiven Kriterien des Schuldgehalts der Tat auf der Grundlage des § 19 Abs.2 VStG zu erörtern. Diese Vorschrift verlangt ausdrücklich die besondere Bedachtnahme auf das Ausmaß des Verschuldens. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung selbst bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Zur Erleichterung dieses Vorganges ist die sinngemäße Anwendung der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches (StGB) angeordnet. Und schließlich sind die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

4.2.1. Den ihrer Strafbemessung unterlegten Unrechtsgehalt der Taten hat die belangte Behörde nicht ausdrücklich erörtert. Wenn die von der Strafdrohung des AZG geschützten Interessen jene des (erwachsenen) Arbeitnehmers an der Einhaltung der für ihn spezifisch geltenden Arbeitszeiten zum Schutz seiner körperlichen, geistigen und sozialen Integrität sind, dann ist der Unrechtsgehalt der unter Faktum 1b) angelasteten Tat erheblich: Hier wurden in sechs Fällen insgesamt 14,5 Stunden Unterschreitung der vorgeschriebenen Mindestruhezeit von ununterbrochen 11 Stunden festgestellt, darunter immerhin zwei Tage mit nur je 7,5 Stunden und ein Tag mit nur 8 Stunden ununterbrochener Ruhezeit. Davon ausgehend ist vertretbar, im vorliegenden Fall das Maß des Unwerts der Taten aus der im Überprüfungszeitraum für den betreffenden Arbeitnehmer jeweils festgestellten Einzel-Unterschreitung der Ruhezeit einerseits und aus dem jeweiligen Gesamtausmaß der Unterschreitungen der Ruhezeiten andererseits abzuleiten. Danach ist die zum Spruchpunkt 1b) angelastete Tat jene mit dem deutlich höchsten Unwert; im Verhältnis dazu ist der Unrechtsgehalt der zu den übrigen Fakten angelasteten Taten als weniger schwerwiegend bis geringfügig anzusetzen. So ist die Gesamtunterschreitungszeit im Faktum 2) 2 Stunden, im Faktum 3) 8,5 Stunden, im Faktum 4) 3 Stunden, im Faktum 5) 1 Stunde, im Faktum 6) 10 Stunden und im Faktum 7) 3,5 Stunden; in keinem einzigen Unterschreitungsfall der Fakten 2) bis 7) jedoch wurden so hohe Einzel-Unterschreitungen festgestellt wie im Faktum 1b).

In seiner im Ermittlungsverfahren von der belangten Behörde ergangenen Rechtfertigung vom 27. September 1991 gibt der Berufungswerber an, daß es in seinem Betrieb zu Arbeitszeit-Verstößen auch deshalb komme, weil seine Mitarbeiter öfters "wegen ihrer Freizeit" die eingeteilte Arbeitszeit tauschen. Dieses Vorbringen ist jedoch nicht geeignet, den Unrechtsgehalt der Taten für Zwecke der Strafbemessung zu mindern. Anders nämlich als in dem dem h. Erkenntnis vom 17. Juni 1993, VwSen-220216, zugrundeliegenden Fall hat hier der Berufungswerber auf Arbeitszeit-Dispositionen seiner Mitarbeiter nur völlig unspezifiziert verwiesen, ohne daß er im einzelnen dargelegt hätte, welche (ohne sein Wissen vorgenommene) Dispositionen konkreter Arbeitnehmer zu welchen Ruhezeitunterschreitungen geführt haben.

Im Ergebnis ist somit von jenem Unrechtsgehalt auszugehen, der in der zum Faktum 1b) verhängten Geldstrafe in der vertretbaren - Höhe von 4.000 S seinen Ausdruck findet. Der Unrechtsgehalt zu den Fakten 2) bis 7) liegt abgestuft - darunter und ist im Faktum 5) (mit bloß 1 Stunde Gesamtunterschreitung) als geringfügig zu werten.

Gleichfalls als geringfügig wertet der unabhängige Verwaltungssenat den Unrechtsgehalt der mit Spruchpunkt 1a) vorgeworfenen Tat, weil die angelastete Überschreitung der maximalen Wochenarbeitszeit in dem einen Fall nur 1 und in dem anderen Fall nur 1,5 Stunden beträgt.

4.2.2. Auch über das dem Berufungswerber vorgehaltene Ausmaß seines Verschuldens gibt das bekämpfte Straferkenntnis keine Auskunft. Es kann nur vermutet werden, daß die belangte Behörde - zutreffend - vom Deliktstypus des sogenannten Ungehorsamsdelikts ausgegangen ist und gemäß § 5 Abs.1 VStG im bloßen Zuwiderhandeln des Berufungswerbers als Arbeitgeber gegen die gesetzlichen Arbeitszeitregeln wenigstens Fahrlässigkeitsverschulden angenommen hat. Tatsächlich ist nach den Umständen dieses Falles schon im Hinblick auf die aktenkundigen einschlägigen Vorstrafen des Berufungswerbers von grober Sorgfaltsverletzung, wenn nicht gar von der Verschuldensform des dolus eventualis auszugehen.

4.3. Indem die belangte Behörde bei der gemäß § 19 Abs.2 erster Satz VStG vorgenommenen Abwägung der Erschwerungsund Milderungsgründe die im Jahr 1989 verhängten Vorstrafen nach dem Arbeitszeitgesetz als erschwerend berücksichtigt hat, kann ihr darin nicht entgegen getreten werden. Andere Erschwerungsgründe sind auch im Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat nicht hervorgekommen. Hinsichtlich der Milderungsgründe bedarf die Abwägung allerdings einer Ergänzung.

4.3.1. Wenn der Berufungswerber glaubhaft und plausibel angibt, daß gerade während des angelasteten Tatzeitraumes akuter Personalmangel (Urlaubszeit und diverse Krankenstände) geherrscht und er sich deswegen in einer gewissen Zwangslage befunden habe, um den laufenden Geschäftsbetrieb aufrechterhalten zu können, so ist dieses Vorbringen nach den Umständen dieses Falles geeignet, als Milderungsgrund im Sinne des § 34 Z3 StGB anerkannt zu werden. Es ist nämlich als Allgemeingut vorauszusetzen, daß es insbesondere für Gastgewerbebetriebe der gehobenen Kategorie im Hinblick auf die Gegebenheiten der touristischen und allgemein-gastronomischen Fortentwicklung und der sie prägenden Anspruchshaltung eines spezifischen Gästepublikums nicht selten äußerst schwierig ist, trotz aller von unternehmerischer Voraussicht getragener organisatorischer Vorkehrungen, Arbeitsspitzen (zumal überraschend auftretende) mit dem gerade zur Verfügung stehenden Personal stets so zu bewältigen, daß einerseits im Gesamtinteresse des Betriebes die Gäste zufriedengestellt werden können und andererseits arbeitszeitrechtliche Vorschriften buchstabengetreu erfüllbar bleiben.

4.4. Zusammenfassend ergibt sich, daß der Berufungswerber mit seinem Einwand gegen die Höhe der verhängten Geldstrafen überwiegend im Recht ist. Eine im Einklang mit den objektiven und subjektiven Kriterien des § 19 VStG stehende Strafbemessung rechtfertigt, mit einer Ausnahme, die Herabsetzung der Geldstrafen auf die im Spruch dieses Erkenntnisses festgesetzten Höhen. Maßgröße für den unabhängigen Verwaltungssenat ist dabei die für die Tat mit dem größten Unrechtsgehalt gemäß Faktum 1b) verhängte, zu bestätigen gewesene Geldstrafe von 4.000 S. Im Verhältnis zu dieser Geldstrafe, die immerhin zwei Drittel der Höchststrafe ausmacht, waren die Geldstrafen zu den anderen Fakten auch deswegen herabzusetzen, weil sonst die innere Ausgewogenheit der Strafhöhen in Entsprechung ihres deutlich unterschiedlichen Unrechtsgehalts (siehe vorhin Punkt 4.2.1.) nicht hergestellt wäre. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Herabsetzung der Geldstrafen in den Fakten 8) und 9) dadurch begründet, daß es sich hier um die Verletzung bloßer Ordnungsvorschriften handelt.

Die nun - auch unter Berücksichtigung des Milderungsgrundes (Punkt 4.3.1.) - festgesetzten Strafhöhen sind auch vor den aktenkundigen Einkommensverhältnissen und dem der Behörde bekannt gewesenen Sorgepflichten des Berufungswerbers vertretbar.

5. Die abgestuft herabgesetzten Geldstrafen erfüllen die Strafzwecke, wobei auch generalpräventive Gesichtspunkte nicht gänzlich außer Acht gelassen werden durften; nach der Aktenlage ist die Bezahlung der Strafen dem Berufungswerber zumutbar. Der unabhängige Verwaltungssenat nimmt dabei auch darauf Bedacht, daß nach der Eigenheit der materiellrechtlichen Gesetzesregelung in Verbindung mit dem hier voll durchschlagenden Kumulationsprinzip des Verwaltungsstrafverfahrens (§ 22 Abs.1 VStG) selbst bei Anwendung niedriger Strafsätze sehr häufig, so auch in diesem Fall, summierte Geldstrafen in doch sehr empfindlicher Höhe die Folge sind. Der unabhängige Verwaltungssenat läßt daher in der Gesamtschau der Strafbemessung bei Delikten der hier einschlägigen Art nicht gänzlich unbedacht, von welcher Gesamtsumme der nebeneinander zu verhängenden Vielzahl von Einzelstrafen der Beschuldigte schließlich getroffen wird.

Die Ersatzfreiheitsstrafen waren deswegen herabzusetzen, um ihr Verhältnis zu den geminderten Geldstrafen jeweils zu wahren; dem Ergebnis war auch die im Faktum 1b) verhängte Ersatzfreiheitsstrafe anzupassen.

In diesem Verfahren war gemäß § 51e Abs.2 VStG eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht durchzuführen.

Zu II.:

Der Ausspruch über die Beiträge zu den Verfahrenskosten hat seinen Grund in den angeführten Gesetzesbestimmungen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine schriftliche Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Gallnbrunner

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