Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-220218/7/Ga/La

Linz, 11.08.1993

VwSen - 220218/7/Ga/La Linz, am 11. August 1993 DVR.0690392 - &

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des Ing. W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in L, gegen das wegen Übertretung der Bauarbeitenschutzverordnung erlassene Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 30. April 1992, Zl. Ge-96/146/1991/Gru, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Der Berufungswerber hat keinen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens zu leisten.

Rechtsgrundlage: Zu I.: § 66 Abs.4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51, iVm § 24 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52; § 44a Z1, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51c und § 51e Abs.1 VStG. Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1.1. Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach hat mit dem eingangs bezeichneten Straferkenntnis den Berufungswerber einer Übertretung des § 43 Abs.1 der Bauarbeitenschutzverordnung (im folgenden kurz: BauSchV) schuldig gesprochen, weil er als gemäß § 9 Abs.1 VStG verwaltungsstrafrechtlich verantwortlicher handelsrechtlicher Geschäftsführer der G. Baugesellschaft mbH & Co. KG. mit dem Sitz in S i.M. am 29. Juli 1991 auf der Baustelle N, Gemeinde K, seinen Arbeitnehmer G mit dem Herstellen eines Kaminkranzes im Firstbereich beschäftigt habe, wobei diese Arbeiten ohne Sicherheitsmaßnahmen, die ein Abstürzen von Menschen, Materialien und Geräten hintanhalten, durchgeführt worden seien; deswegen wurde über den Berufungswerber gemäß § 31 Abs.2 lit.p des Arbeitnehmerschutzgesetzes (ANSchG) eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die bei der Strafbehörde eingebrachte Berufung.

2.1. Das Straferkenntnis begründend, verweist die Bezirkshauptmannschaft auf die Anzeige des Arbeitsinspektorates für den 9. Aufsichtsbezirk. Im daraufhin eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahren habe sich der Berufungswerber mit dem Einwand verteidigt, daß die Arbeiten am Bauvorhaben bereits beendet gewesen seien, sodaß die Schutzvorrichtungen am Dach, die auch für die Kaminarbeiten angebracht gewesen seien, abgebaut worden sind. Nach Entfernung des Schutzgerüstes sei festgestellt worden, daß man die Schalung beim Kamin zu entfernen vergessen habe. Daraufhin habe Herr H die Anweisung erhalten, die Schalung zu entfernen, wobei er beauftragt worden sei, einen Feuerwehrgurt anzulegen und sich mit der Sicherheitsleine abzusichern; Herr H habe die Anweisung entgegengenommen, in der Folge aber mißachtet, weil er die Arbeit als geringfügig und ungefährlich angesehen hätte. Zusammenfassend stehe der Verstoß gegen die Vorschrift des § 43 Abs.1 BauSchV "auf Grund der Anzeige des Arbeitsinspektorats fest" und werde vom Berufungswerber auch nicht bestritten; der Berufungswerber sei für den Regelverstoß, der ohne sein Wissen und ohne seinen Willen begangen worden sei, dennoch verantwortlich, weil er keine Maßnahmen glaubhaft habe machen können, die unter den voraussehbaren Verhältnissen mit gutem Grund die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen hätten erwarten lassen.

2.2. Dagegen wendet der Berufungswerber unter ausdrücklichem Hinweis auf das von ihm in seiner Rechtfertigung vom 3. Februar 1992 schon Vorgebrachte ein, daß er sich nicht schuldig fühle, weil der Vorfall ohne sein Wissen und ohne seinen Willen geschehen sei, weil der von ihm an der Baustelle als Bevollmächtigter eingesetzte K in seinem Unternehmen schon seit 20 Jahren als Bauleiter beschäftigt und äußerst verläßlich sei, weil er weiters Herrn M laufend zur Einhaltung insbesondere auch der Bauarbeitenschutzverordnung anhalte und ihn anweise, auch die ihm unterstellten Poliere und Vorarbeiter zur Beachtung der Schutzbestimmungen zu veranlassen, und schließlich weil er auch persönlich laufend an den Baustellen kontrolliere, ob die Schutzvorschriften eingehalten werden. Da er insgesamt alle zumutbare Sorgfalt aufgewendet habe, sei er zu Unrecht bestraft worden; er beantragt die Aufhebung des Straferkenntnisses wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

3. Die Strafbehörde als belangte Behörde hat keine Berufungsvorentscheidung erlassen, sondern die Berufung samt Strafakt dem unabhängigen Verwaltungssenat vorgelegt. Von einer Gegenäußerung zum Berufungsvorbringen hat die belangte Behörde abgesehen.

4.1. Nach Beweisaufnahme durch Einsicht in den Strafakt zu Zl. Ge-96/146/1991/Gru ergibt sich in Verbindung mit dem Vorbringen der Berufung und nach Einholung von Stellungnahmen der beteiligten Arbeitsinspektorate folgender Sachverhalt, den der unabhängige Verwaltungssenat als maßgebend für seine Entscheidung feststellt:

4.2. Am Tattag (29. Juli 1991) waren die an der genannten Baustelle beschäftigten Arbeitnehmer des Berufungswerbers unter Führung des für diese Baustelle von dem iSd § 31 Abs.2 ANSchG bevollmächtigten Bauleiter K eingesetzten Poliers J der Meinung, daß die Arbeiten am Dach, mit ihnen die Arbeiten zur Herstellung eines Kaminkranzes beendet seien. Diese Arbeiten sind mit Schutzgerüst durchgeführt worden; nach Abschluß der Arbeiten wurde das Schutzgerüst abgebaut. In der Folge hat der Polier bemerkt, daß übersehen wurde, die Schalung des Kamins zu entfernen. Er hat daher den gelernten und mit Schalungsarbeiten seit Jahren erfahrenen M H angewiesen, die Schalung zu entfernen, dies mit dem Auftrag, dabei einen Feuerwehrgurt anzulegen und sich mit einer Sicherungsleine, die an der Dachlucke angebracht werden sollte, bei der Entschalung des Kamins abzusichern. Der Maurer hat die ausdrückliche Anweisung zwar entgegengenommen, in der Folge jedoch, als sich der Polier von der Baustelle entfernte, die Anweisung mißachtet, weil er die Arbeit als geringfügig und ungefährlich angesehen hat.

5. Hierüber hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

5.1. Gemäß § 66 Abs.4 AVG (§ 24 VStG) hat der unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Die Sache, auf deren Entscheidung der unabhängige Verwaltungssenat dabei beschränkt ist, ergibt sich zu allererst aus dem spruchgemäßen Tatvorwurf des bekämpften Straferkenntnisses. Dessen zwingenden Inhalt regelt § 44a VStG; die Ziffer 1 verlangt den Vorwurf der als erwiesen angenommenen Tat, die hinsichtlich des Täters und der Tatumstände (= alle wesentlichen Sachverhaltselemente) so genau umschrieben sein muß, daß, wie dies in ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entwickelt wurde, zum einen die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird, und zum anderen die Identität der Tat unverwechselbar feststeht. Der Feststellung der maßgebenden Tatumstände dient das gemäß §§ 37, 39 und 56 AVG iVm § 24 und § 40 f VStG von der Strafbehörde zu führende Ermittlungsverfahren.

5.2. § 43 Abs.1 BauSchV lautet: "Arbeiten auf Dächern, wie Dachdecker-, Spengler-, Bauglaser- oder Anstreicherarbeiten sowie Arbeiten an Blitzschutzanlagen dürfen erst nach Durchführung von Sicherheitsmaßnahmen, die ein Abstürzen von Menschen, Materialien und Geräten hintanzuhalten geeignet sind, begonnen werden." 5.3. Durch ihre inhaltliche Besonderheit (nämlich: beispielhafte Anführung unterschiedlicher Typen von Arbeiten, die, wann immer sie auf Dächern zu verrichten sind, erst nach Sicherheitsmaßnahmen begonnen werden dürfen) gibt die zitierte Verbotsnorm (für den Fall ihrer Übertretung) zu erkennen, daß - unter dem Blickwinkel des § 44a Z1 VStG - der Tatvorwurf die ungesichert begonnene Arbeit zumindest nach ihrer typenmäßigen Eigenheit in wörtlichen Anführungen konkret beschreiben muß (vgl. idS. VwGH vom 10.6.1992, 92/04/0055). Dadurch auch kann mit Rücksicht auf das weitere Tatbild-Element der Verbotsnorm erst mit der für eine Bestrafung erforderlichen Sicherheit beurteilt werden, ob allenfalls (doch) durchgeführte Sicherheitsmaßnahmen gerade im Hinblick auf die Eigenart der Arbeit (dennoch) nicht geeignet waren, Abstürze von Menschen etc. hintanzuhalten.

5.4. Diesem Konkretisierungserfordernis entspricht schon die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 6. Dezember 1991 (als erste Verfolgungshandlung), indem sie mit der Wortfolge "Herstellen eines Kaminkranzes" die ungesichert am Dach (im Firstbereich) vorgenommene Arbeit als insoweit wesentliches Sachverhaltselement der Tatanschuldigung umschreibt. Die belangte Behörde übernahm in diesem Punkt die idente Ausdrucksweise des Arbeitsinspektorats in dessen Anzeige vom 29. August 1991. Und schließlich gebraucht der Schuldspruch des bekämpften Straferkenntnisses dieselbe Formulierung ("Herstellen eines Kaminkranzes") für die als erwiesen angenommene Arbeit am Dach der Baustelle; daß diese Arbeit entgegen der Vorschrift des § 43 Abs.1 BauSchV begonnen worden ist, kann jedoch dem Schuldspruch nicht ausdrücklich, sondern allenfalls nur auf Grund einer Schlußziehung entnommen werden.

5.5. Allerdings hat sich der Berufungswerber im Ermittlungsverfahren vor der belangten Behörde mit seiner schriftlichen Rechtfertigung vom 3. Februar 1992 in einer Weise verantwortet, die einer Bestreitung des ihm angelasteten Sachverhalts gleichkommt. Dies übersieht die belangte Behörde, indem sie auf Seite 3 (Mitte) des Straferkenntnisses - insoweit aktenwidrig - begründend ausführt, daß die Nichteinhaltung der Vorschrift "vom Beschuldigten auch nicht bestritten" wird. Der Beschuldigte hat nämlich eingewendet, daß am Tattag seine Mitarbeiter, weil sie die Arbeiten am Dach, ebenso die Arbeiten am Kamin für beendet hielten, das für diese Arbeiten angebracht gewesene Schutzgerüst entfernt haben. Erst danach habe man das Versehen bemerkt und sei die Entschalung des (schon hergestellten) Kamin(-kranzes) angeordnet worden; (nur) die Entschalungsarbeit sei dann weisungswidrig - ohne Sicherheitsmaßnahme geschehen. Nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates ist der Kern dieser Verantwortung des Beschuldigten die Aussage, daß das Herstellen des Kaminkranzes sehr wohl erst nach Durchführung von Sicherheitsmaßnahmen (nämlich: Schutzgerüst) begonnen wurde. In einem Folgeschritt, jedenfalls aber nach dem Herstellen des Kaminkranzes, ist dann die schließlich ungesicherte Entschalungsarbeit am baulich eben schon hergestellt gewesenen - Kamin begonnen worden. Auf dieses Vorbringen hat der Berufungswerber in seiner Berufungsschrift ausdrücklich verwiesen; es wurde damit zum Inhalt der Begründung seines Rechtsmittels. Der unabhängige Verwaltungssenat hält dieses Vorbringen alles in allem für nicht unglaubwürdig und ist der Meinung, daß das eingewendete Geschehen auf der Baustelle im Laufe eines ganzen Arbeitstages (auf eine bestimmte Tageszeit ist ja das Geschehen weder in der Anzeige noch im Schuldspruch eingegrenzt!) nach der Lebenserfahrung so stattgefunden haben konnte, mag dieser Ablauf auch ungewöhnlich sein.

5.6. Mit diesem als Sachverhaltsbestreitung zu wertenden Vorbringen des Berufungswerbers hätte sich die belangte Behörde im Rahmen ihres Ermittlungsverfahrens und schließlich in der Beweiswürdigung des Straferkenntnisses auseinandersetzen müssen. Dies unterblieb ohne (aus dem Strafakt oder der Begründung des Straferkenntnisses) ersichtlichen Grund. Vielmehr hat die belangte Behörde in der Begründung des Straferkenntnisses (Seite 2 unten; Seite 3 oben) die dargestellte Rechtfertigung des Berufungswerbers zusammenfassend lediglich wiedergegeben, und zwar so, daß der Kern der Einwendung vollständig und unmißverständlich zum Ausdruck kommt (".... Arbeiten ... bereits beendet waren, sodaß die Schutzvorrichtungen am Dach, die auch für die Kaminarbeiten angebracht wurden, abgebaut worden sind. Nach Entfernung des Schutzgerüstes ...., die Schalung beim Kamin zu entfernen. ..."). In der weiteren Begründung des Straferkenntnisses hat diese Wiedergabe der Verantwortung des Berufungswerbers allerdings keinerlei erkennbaren Niederschlag bzw. Konsequenz gefunden; die Verantwortung blieb rechtlich unbeachtet und eben deswegen unwidersprochen und unwiderlegt.

5.7. Aber auch das anzeigende Arbeitsinspektorat hat der rechtfertigenden Darstellung des Geschehens durch den Berufungswerber, die dem Arbeitsinspektorat nach der Aktenlage spätestens mit der Zustellung des Straferkenntnisses bekannt geworden ist, weder widersprochen noch sie widerlegt. In seiner Stellungnahme vom 2. Juli 1992 nämlich ist das - durch Übersendung des Rechtsmittels zur Kenntnis und Einladung zur Äußerung vom unabhängigen Verwaltungssenat am Berufungsverfahren beteiligt gewesene - Arbeitsinspektorat mit keinem Wort auf die oben geschilderte Gegendarstellung zum maßgebenden Sachverhalt eingegangen.

6. Im Ergebnis ist die Berufung begründet. Im Hinblick auf den als maßgebend festzustellen gewesenen Sachverhalt (P. 4.2.) konnte die objektive Verwirklichung der Verwaltungsübertretung, so wie sie nach Maßgabe der Tatanschuldigung im Spruch des bekämpften Straferkenntnisses dem Berufungswerber (wenigstens erschließbar) angelastet wurde, mit der für einen Schuldspruch im Verwaltungsstrafrecht notwendigen Sicherheit nicht erwiesen werden. Das Straferkenntnis war daher gemäß den angegebenen Gesetzesstellen aufzuheben; aus demselben Grund war auch die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens zu verfügen.

7. Aus Anlaß dieses Berufungsfalles hält der unabhängige Verwaltungssenat noch fest: Vorliegend hatte der in die Strafverfolgung gezogene Arbeitgeber einen Bevollmächtigten iSd § 31 Abs.2 ANSchG bestimmt. Für die Beurteilung der subjektiven Zurechenbarkeit der Tat war daher § 31 Abs.5 ANSchG heranzuziehen, welche Vorschrift das Verschulden regelt, das den Arbeitgeber im Falle der Bestellung eines Bevollmächtigten treffen muß, um sich strafbar zu machen. Deswegen ist die dem Berufungswerber als Arbeitgeber vorgeworfene Tat, was den Nachweis des Verschuldens angeht, nicht als Ungehorsamsdelikt zu beurteilen; § 5 Abs.1 zweiter Satz VStG (Beweislastumkehr) ist nicht anzuwenden. Vielmehr hat die Strafbehörde selbst den Nachweis des Verschuldens, freilich unter Mitwirkung des Beschuldigten, zu erbringen. Vorliegend verkannte dies die belangte Behörde, indem sie in der Begründung des Straferkenntnisses die Verschuldensfrage so wie sonst bei bloßen Ungehorsamsdelikten geprüft und beantwortet hat (Seite 2, letzte Zeile des drittletzten Absatzes und vorletzter Absatz; Seite 3 vorletzter Absatz). Auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25.2.1988, 87/08/0240, wird hingewiesen.

Zu II.:

Der Ausspruch über den Entfall von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens ist auf die angegebene Gesetzesbestimmung gegründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine schriftliche Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Gallnbrunner

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