Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-220219/15/Kl/Rd

Linz, 23.02.1993

VwSen - 220219/15/Kl/Rd Linz, am 23. Februar 1993 DVR.0690392 - &

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 3. Kammer (Vorsitzender: Dr. Johann Fragner; Berichterin: Dr. Ilse Klempt; Beisitzer und Stimmführer: Mag. Michael Gallnbrunner) über die Berufung des Martin R, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. E, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn vom 28. April 1992, Ge96/150/1991/B, wegen einer Verwaltungsübertretung nach der Bauarbeitenschutzverordnung bzw. dem Arbeitnehmerschutzgesetz zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird hinsichtlich des Strafausmaßes insofern Folge gegeben, als die festgesetzte Strafe auf 7.000 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit die Ersatzfreiheitsstrafe auf zwei Tage herabgesetzt wird. Im übrigen wird der Schuldausspruch bestätigt.

Rechtsgrundlagen: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 19, 16 und 51 VStG.

II. Der Kostenbeitrag zum Verfahren erster Instanz ermäßigt sich auf 700 S. Ein Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren entfällt.

Rechtsgrundlagen: §§ 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn vom 28. April 1992, Ge96/150/1991/B, wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 15.000 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von sieben Tagen, wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 62 Abs.1 der Bauarbeitenschutz-VO und § 31 Abs.2 lit.p ANSchG und § 9 VStG verhängt, weil er als verantwortlicher Beauftragter für die Einhaltung aller Sicherheitsvorschriften auf den Baustellen der Firma W, Baugruppe GesmbH, dafür verantwortlich war, daß am 24. September 1991 auf der Baustelle Tennishalle B namentlich genannte Arbeitnehmer der Firma W, Baugruppe GesmbH, A, mit der Montage von Holzpfetten (mögliche Absturzhöhe ca. 3m bis 8m) beschäftigt waren, wobei weder Schutzgerüste oder Fangnetze vorhanden noch die beiden Dienstnehmer durch Anseilen gegen Absturz gesichert waren.

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht, welche im wesentlichen damit begründet wurde, daß im Jahr 1990 die Firma W Baugruppe GesmbH in A Investitionen in der Höhe von über 100.000 S für die Anschaffung von Sicherheitsvorrichtungen getätigt habe. Es handelte sich dabei um spezielle Sicherheitsbügel. Im übrigen wird auf ein Vorgespräch des Betriebsrates der Firma mit einem Arbeitsinspektor über die Durchführung der Absicherungsmaßnahmen verwiesen. Im übrigen habe der Berufungswerber nach Kenntnis von der Beanstandung den Mißstand umgehend beseitigt, indem diese Arbeiten nur mehr mit Ausziehleitern bewerkstelligt wurden. Die verhängte Geldstrafe sei zu hoch, da er unbescholten sei, sein monatliches Nettoeinkommen 14.500 S betrage, er sorgepflichtig für die Gattin und zwei Kinder sei und kein Vermögen habe. Zum Verschulden wird noch dargelegt, daß der Berufungswerber zweimal pro Woche jede Baustelle bereise und hinsichtlich der Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften überprüfe und auch die Arbeitnehmer zur Einhaltung anweise. Dies hätte auch bisher zur Einhaltung ausgereicht. Es hätte § 21 VStG angewendet werden müssen.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn als belangte Behörde hat den bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat sie nicht Gebrauch gemacht. Da eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist eine Kammer des unabhängigen Verwaltungssenates zur Entscheidung zuständig.

Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt sowie durch Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 15. Dezember 1992, zu der neben den Verfahrensparteien und dem Arbeitsinspektorat für den 18. Aufsichtsbezirk in Vöcklabruck als Verfahrensbeteiligter auch der Zeuge Dipl.-Ing. A vom Arbeitsinspektorat für den 9. Aufsichtsbezirk (anzeigendes Arbeitsinspektorat) geladen wurden. Weiters wurden vom Arbeitsinspektorat vorgelegte Fotos als Beweismittel herangezogen.

4. Vom unabhängigen Verwaltungssenat wird im Grunde dieser mündlichen Verhandlung folgender entscheidungsrelevanter erwiesener Sachverhalt festgestellt:

Zum Zeitpunkt der Inspektion am 24. September 1991 auf der Baustelle Tennishalle B der Firma W H, Baugruppe GesmbH, waren drei Arbeitnehmer, davon zwei namentlich genannte Arbeitnehmer, mit der Errichtung der Dachkonstruktion in einer Absturzhöhe zwischen 3m bis 3,5m und 8m, nämlich mit der Montage von Holzpfetten beschäftigt. Die Arbeitnehmer waren frei tätig und mußten über Holzbinder absteigen. Gerüste bzw. Fangnetze waren nicht vorhanden. An der Baustelle war nur eine Leiter der Firma W vorhanden, eine Beschaffung von Leitern bei anderen an der Baustelle tätigen Firmen wäre aber möglich gewesen. Auch wäre unter gewissen Voraussetzungen, wie zB Befestigung des Untergrundes, das Aufstellen eines Schutzgerüstes möglich gewesen. Das freihändige Stehen auf den Bindern hätte bei nur geringfügigen Abweichungen durch Manipulationen einen Absturz verursachen können. Ein Verantwortlicher für die Baustelle war zum Zeitpunkt der Kontrolle nicht vorhanden. Als Verantwortlicher für die Baustelle wurde vom Vorarbeiter der Berufungswerber genannt. Baustellenkontrollen finden durch diesen ein- bis zweimal wöchentlich statt, wobei schon bei der Baustelleneinrichtung und dann bei den Kontrollen auf die Verwendung der Sicherheitsvorkehrungen gedrungen wird. Den genannten Arbeitnehmern wurde auch am Beginn der Baustellenarbeiten das Anseilen und die Verwendung von Sicherheitsgurten angeordnet. Zur Durchsetzung der Anordnungen wären Verwarnungen und schlimmstenfalls bei mehrmaliger Wiederholung die Kündigung vorgesehen. Angesichts der angespannten Arbeitnehmerkonstellation wäre der Arbeitnehmer jedenfalls zur Rede gestellt worden; Zwangsmaßnahmen wären nicht getroffen worden.

5. Hierüber hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

5.1. Gemäß § 62 Abs.1 der Verordnung des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom 10. November 1954, BGBl.Nr.267, über Vorschriften zum Schutz des Lebens und der Gesundheit von Dienstnehmern bei Ausführung von Bauarbeiten, Bauneben- und Bauhilfsarbeiten (im folgenden kurz BAV genannt), müssen für die Montage und Demontage von Metall- und Holzbauwerken soweit als möglich sichere Arbeitsplätze oder Schutzgerüste oder Fangnetze vorhanden sein. Sind diese Vorkehrungen nicht vorhanden, haben sich die Dienstnehmer durch Anseilen unter Benützung eines Sicherheitsgürtels gegen Absturz zu sichern.

Gemäß § 33 Abs.1 Z12 Arbeitnehmerschutzgesetz, BGBL.Nr. 234/1972 idgF (kurz: ANSchG) ist die obgenannte Verordnung im bisherigen Umfang als Bundesgesetz in Geltung und gelten bei Zuwiderhandlung die Bestimmungen des § 31 sinngemäß (Abs.7 leg.cit.).

Gemäß § 31 Abs.2 lit.p ANSchG begehen Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die den Vorschriften der aufgrund des § 24 dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen oder den aufgrund des § 27 dieses Bundesgesetzes vorgeschriebenen Bedingungen und Auflagen, oder den erteilten Aufträgen zuwiderhandeln, eine Verwaltungsübertretung und sind, sofern die Tat nicht nach anderen Gesetzen strenger zu bestrafen sind, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 50.000 S zu bestrafen.

5.2. Wie sich aus dem Sachverhalt zweifelsfrei ergeben hat, haben die namentlich genannten Arbeitnehmer zum Tatzeitpunkt bei der Errichtung der Dachkonstruktion, also eines Holzbauwerkes, der Tennishalle B Montagearbeiten von Holzpfetten in einer möglichen Absturzhöhe von 3m bis 8m durchgeführt, ohne daß Schutzgerüste oder Fangnetze vorhanden waren. Auch hatten die Arbeitnehmer, obwohl sie über sonstige Sicherheitsvorkehrungen unterrichtet waren und Bescheid wußten, sich nicht durch Anseilen und Benützen eines Sicherheitsgürtels gegen Absturz gesichert.

Es ist daher der objektive Tatbestand erfüllt.

5.3. Zur Verantwortlichkeit wurde bereits im Verfahren erster Instanz ein schriftlicher Bestellungsnachweis des Berufungswerbers zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs.4 VStG mit Wirkung von 1. Juli 1991 vorgelegt. Auch das Ergebnis der öffentlichen mündlichen Verhandlung legte dar, daß der Berufungswerber für die W Baugruppe GesmbH für die Sparte Holzleimbau zur Einhaltung der Sicherheitsvorschriften auf den Baustellen verantwortlich ist und auch eine entsprechende Anordnungsbefugnis hat. Demnach führte der Berufungswerber selbst aus, daß er die Arbeitnehmer bei der Baustelleneinrichtung über die zu verwendenden Sicherheitsvorkehrungen unterrichtet und auch bei den Kontrollen auf deren Verwendung dringt. Für ein Zuwiderhandeln sei mit einer Verwarnung zu rechnen und im schlimmsten Fall bei mehrmaliger Wiederholung mit einer Kündigung. Letztere Maßnahme wird aber angesichts der angespannten Arbeitnehmersituation nicht in Betracht gezogen. Der Arbeitnehmer wird aber jedenfalls zur Rede gestellt. Konkrete Maßnahmen, die die Einhaltung der Sicherheitsvorkehrungen bzw. der Arbeitnehmerschutzbestimmungen garantieren sollen, sodaß der Arbeitnehmer keinen Anreiz zu einem Zuwiderhandeln hat, konnten seitens des Berufungswerbers nicht genannt werden. Es geht daher auch der Verweis des Berufungswerbers auf § 19 Abs.2 ANSchG, wonach die Arbeitnehmer die Schutzeinrichtungen zu verwenden haben, ins Leere, da gerade die Maßnahmen des Verantwortlichen ein solches Zuwiderhandeln verhindern sollen. Es ist daher von einem Verschulden des Berufungswerbers auszugehen. Dabei genügt im Grunde des § 5 Abs.1 VStG fahrlässiges Verhalten und ist dieses ohne weiteres anzunehmen, da es sich bei der konkreten Verwaltungsübertretung um ein Ungehorsamsdelikt handelt. Auch konnte der Berufungswerber nicht glaubhaft machen, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Es hätte nämlich im Konkreten der Berufungswerber zu Beginn der Baustellentätigkeit die Einhaltung der Schutzvorkehrungen kontrollieren müssen bzw. geeignete Maßnahmen treffen müssen, daß diese verwendet werden. Vielmehr reicht es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, daß Arbeitnehmer bloß belehrt werden, oder eine entsprechende Dienstanweisung ergeht oder nur stichprobenartig regelmäßig durchgeführte Überwachungen stattfinden. Es muß darüber hinaus eine wirksame Kontrolle der vom Verantwortlichen erteilten Weisung erfolgen. Hiezu ist der Nachweis eines umfangreichen und zuverlässigen Kontrollsystems erforderlich. Wie nunmehr der Berufungswerber selbst zugab, war er zu Beginn der Baustellenarbeiten nicht anwesend und auch nicht zum Zeitpunkt der Kontrolle. Die Berufung auf einen allfällig vorhandenen Montagebus, in dem auch die erforderlichen Leitern und Sicherheitsgurten vorhanden gewesen wären, kann aber nicht die tatsächliche Verwendung der Sicherheitsvorkehrungen bzw. die erforderliche Kontrolle des Berufungswerbers ersetzen. Es ist daher eine Entlastung im Sinn des § 5 Abs.1 VStG seitens des Berufungswerbers nicht glaubhaft gemacht worden. Es war daher auch die subjektive Tatseite als erwiesen anzusehen.

5.4. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1). Im ordentlichen Verfahren sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafverfahrens sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen (Abs.2).

Da gerade die Bestimmungen der BAV den Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer zum Ziel haben, sind entsprechende Verstöße mit einem besonderen Unrechtsgehalt der Tat behaftet, da genau jene Gefährdung herbeigeführt wird, denen die genannten Bestimmungen entgegenwirken sollen.

Bereits die belangte Behörde hat aber dem Berufungswerber zugutegehalten, daß er bislang unbescholten ist. Dies ist als mildernd zu werten. Gemäß den obigen Ausführungen war von einer fahrlässigen Begehung auszugehen. Es waren aber die im Berufungsverfahren vorgebrachten Einkommens- und Familienverhältnisse zu berücksichtigen, weswegen eine Herabsetzung der verhängten Strafe erforderlich wurde. Im übrigen prägt eine Mißachtung der maßgeblichen Arbeitnehmerschutzbestimmungen den Unrechtsgehalt der Tat und darf daher im Sinne eines Doppelverwertungsverbotes nicht als Erschwerungsgrund gewertet werden. Auch in diesem Hinblick war eine Strafherabsetzung erforderlich. Es ist daher die nunmehr festgesetzte Geldstrafe von 7.000 S als tat- und schuldangemessen zu werten. Auch ist sie ausreichend, um den Berufungswerber von einer weiteren Tatbegehung abzuhalten.

Entsprechend der Bestimmung des § 16 Abs.2 VStG war die Ersatzfreiheitsstrafe im Hinblick auf die Strafherabsetzung neu festzusetzen.

Im übrigen befindet sich die nunmehr festgesetzte Geldstrafe im untersten Fünftel des gesetzlich vorgesehenen Strafrahmens und ist daher als nicht überhöht zu werten.

5.5. Dem Antrag des Berufungswerbers, gemäß § 21 VStG von der Strafe abzusehen, konnte nicht Rechnung getragen werden, da das Verschulden des Beschuldigten nicht geringfügig war. Vielmehr hätte er eine lückenlose Kontrolle durchführen müssen bzw. konkrete Maßnahmen setzen müssen, die die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen garantieren. Dies hat der Berufungswerber jedoch verabsäumt. Im Hinblick auf die besondere Absturzgefahr im konkreten Fall war daher die Außerachtlassung solcher Vorkehrungen nicht mehr im Bereich eines geringfügigen Verschuldens. Es war daher diese Gesetzesstelle nicht anzuwenden.

6. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Spruch zitierten gesetzlichen Bestimmungen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. F r a g n e r 6

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum