Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-220226/17/Gu/Bf

Linz, 14.08.1992

VwSen - 220226/17/Gu/Bf Linz, am 14. August 1992 DVR.0690392 - & E r k e n n t n i s :

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 1. Kammer unter dem Vorsitz des Dr. Robert Konrath sowie durch Mag. Karin Bissenberger als Beisitzerin und Dr. Hans Guschlbauer als Berichter über die Berufung des O, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. G gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 19. Mai 1992, Ge96/91-4/92/H, wegen Übertretung der Bauarbeitenschutzverordnung bzw. des Arbeitnehmerschutzgesetzes nach der am 4. August 1992 durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

1. Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß der Spruch nach der Wortfolge ".........durchgeführt haben." durch die Worte ergänzt wird ",obwohl die Dachneigung über 20 Grad und zwar 26 Grad und die Traufenhöhe 8 m betragen hat." Rechtsgrundlage: § 44 Abs.2 Bauarbeitenschutzverordnung, BGBl.Nr.267/1954, i.V.m. § 31 Abs.2 lit.p Arbeitnehmerschutzgesetz, BGBl.Nr.234/1972, i.d.F.d. Bundesgesetzes BGBl.Nr.544/1982; § 66 Abs.4 AVG i.V.m. § 24 VStG, § 51 VStG, § 19 VStG.

2. Der Berufungswerber hat als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens 20 % der verhängten Strafe, das sind 3.000 S, an den unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich binnen 2 Wochen nach Zustellung der schriftlichen Erkenntnisausfertigung zu entrichten.

Rechtsgrundlage: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Die belangte Behörde hat den Beschuldigten mit dem angefochtenen Straferkenntnis schuldig erkannt, als Inhaber des Dachdeckereibetriebes in O Nr. 152, am 26.2.1992 nicht dafür gesorgt zu haben, daß 3 Arbeitnehmer die Dacharbeiten auf der Baustelle in P, A 18 erst nach Durchführung der gemäß § 44 Abs.2 der Bauarbeitenschutzverordnung vorgeschriebenen Sicherheitsmaßnahmen, durch die ein Abstürzen von Menschen und Material verhindert werden soll, durchgeführt haben.

Die Arbeitnehmer seien mit der Eindeckung des Daches beschäftigt gewesen, ohne daß Schutzblenden angebracht waren.

Wegen Verletzung des § 44 Abs.2 der Bauarbeitenschutzverordnung, BGBl.Nr.267/1954 i.V.m. § 31 Abs.2 lit.p des Arbeitnehmerschutzgesetzes BGBl.Nr.234/1972 i.d.g.F. wurde gegen den Beschuldigten eine Geldstrafe von 15.000 S, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 15 Tagen verhängt und ihm ein Verfahrenskostenbeitrag für das erstinstanzliche Verfahren von 1.500 S auferlegt.

In seiner dagegen rechtzeitig erhobenen Berufung macht der rechtsfreundlich vertretene Beschuldigte im wesentlichen und sinngemäß geltend, daß die 1. Instanz seine Rechtfertigung zu Unrecht als unbeachtlich abgetan habe.

Auf Grund der Stellungnahme vom 14.5.1992 betrifft dies die erstmalige Kenntnis vom Fehlen der Schutzblenden am 3.4.1992 und das Vorbringen, daß die Schutzblenden von den Mitarbeitern auf die Baustelle mitgenommen worden seien und der Vorarbeiter ausdrückliche Weisung erhalten habe, die Schutzvorrichtung auch zu verwenden. Aus diesem Grunde habe er mit Fug und Recht annehmen können, daß der als verläßlich bekannte Vorarbeiter K seine Weisungen befolgen werde; er habe nicht annehmen können, daß der Vorarbeiter weisungswidrig handeln werde. Ihn treffe daher keine Fahrlässigkeit. Im übrigen würden in seinem Unternehmen laufend nebeneinander mehrere Baustellen betreut. Eine pausenlose Kontrolle sämtlicher Baustellen sei ihm unmöglich und auch nicht zuzumuten. Er habe sich auf stichprobenartige Kontrollen beschränkt und hiebei immer feststellen können, daß seine Vorarbeiter seine Weisungen bezüglich der zu verwendenden Schutzvorrichtungen genau befolgen. Das Vertrauen auf Vorarbeiter sei bei einem größeren Betrieb üblich und ein wirtschaftliches Muß. Von ihm könne nicht verlangt werden, daß er andauernd persönlich auf den Baustellen anwesend sein müsse. Die Verpflichtung zu angemessenen Kontrollen könne nicht bedeuten, daß jede Baustelle von ihm zu kontrollieren sei sondern die Kontrollen müßten nur im ausreichenden Umfang vorgenommen werden. Dies habe er immer getan.

Nachdem das weisungswidrige Verhalten des (als Erfüllungsgehilfen dienenden) K ihm nicht zugerechnet werden könne, beantragt er die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verfahrens.

In der mündlichen Verhandlung am 4. August 1992, die unter Zuziehung des Beschuldigten, seines Vertreters und des Vertreters der meldungslegenden Partei durchgeführt wurde und in deren Rahmen sowohl der Beschuldigte als auch Dipl.Ing. H und der Vorarbeiter K S vernommen wurden und Einsicht in den Verfahrensakt sowie in zwei vom Meldungsleger angefertigte Lichtbilder genommen wurde, ergänzte der Beschuldigte seine Berufung dahingehend, daß er vor der Tat anläßlich der Inspektion des vorletzten Bauabschnittes am 7.2.1992 auf der gegenständlichen Baustelle weilte, um sich von der Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften zu überzeugen. Er habe an diesem Tag keine Mängel feststellen können.

Auf der gegenständlichen Baustelle sei nicht durchgehend gearbeitet worden, sondern seien die Arbeiten je nach Baufortschritt (der zumindest dachmäßig gegliederten größeren Wohnhausanlage) gestaffelt erfolgt.

Nach Unterbrechung am 10.2.1992 sei die Arbeit am 26.2.1992 - der gegenständlichen Tatzeit - wieder aufgenommen worden.

Aufgrund der Beweisaufnahme ist folgender Sachverhalt erwiesen: Der Beschuldigte betreibt im Standort O, politischer Bezirk U, einen Dachdeckerbetrieb und beschäftigt hiebei 10 Dienstnehmer. Zur Tatzeit, dem 26.2.1992 hatte er zwei größere Baustellen zu betreuen.

Daneben hatte er noch 2 bis 3 kleinere Baustellen zu überwachen.

Er überwachte die Baustellen je nach Bedarf. Mit der Öffnung der Baustelle (W) ca. zu Jahresbeginn 1992 wurden etliche Meter (18 bis 30) Schutzblenden zu dieser mittransportiert. Als der Beschuldigte am 7.2. die Baustelle inspizierte, war der vorletzte Bautrakt in Arbeit und waren nach seiner Überzeugung die Schutzblenden montiert. Die Baustelle wurde von den Bauarbeitern wie üblich im Wege über den Betrieb angefahren. Im Regelfall berichten die Vorarbeiter in der Früh über das Notwendige bzw. die besonderen Vorkommnisse auf den Baustellen.

Als die für die Baustelle in P, A, W, bestimmten Arbeitnehmer den letzten Bauabschnitt am 26.2.1992 beginnen wollten, fanden sie die seinerzeitig mitgebrachten und nach Abschluß des vorletzten Bauabschnittes abgetragenen und am Dachboden zwischengelagerten Schutzblenden nicht vor. Der Vorarbeiter überlegte die Situation, nahm keinen Kontakt mit dem Beschuldigten auf und schätzte ein Holen und Montieren von Schutzblenden als unwirtschaftlich ein. Die Dachdeckerarbeiten wurden ohne Schutzvorrichtungen begonnen. Der Vorarbeiter war der Überzeugung, daß die bestehende Dachlattung ohnedies Sicherheit gewähre und daß die Manipulation, insbesondere das Entfernen der Schutzblenden, schwer zu bewerkstelligen und alles in allem nicht notwendig sei.

Während die 4 Dienstnehmer des Beschuldigten am Dache arbeiteten (in der Aufforderung zur Rechtfertigung und im Straferkenntnis handelt es sich um 3 Mitarbeiter - die Tatsache des Arbeitens von 4 Dienstnehmern stellte sich bei der Beweisaufnahme heraus - die Tätigkeit des 4. Arbeiters wird dem Beschuldigten damit aber nicht zum Vorwurf gemacht) erschien Herr Dipl.Ing. H vom Arbeitsinspektorat für den 9. Aufsichtsbezirk, nahm die Tätigkeiten der Arbeiter am Dach, die Traufenhöhe und die Dachneigung wahr, sprach mit den Arbeitnehmern, von denen sich Karl S als Partieführer zu erkennen gab und rügte das Fehlen der Schutzvorrichtung.

Am Abend dieses Arbeitstages berichtete der Partieführer seinem Chef - dem Beschuldigten - von der Beanstandung.

Am 26.2.1992 hatte der Beschuldigte die gegenständliche Baustelle nicht kontrolliert, sondern die Baustellen in L, und in der Gemeinde P angefahren, die dort schon mindestens 8 Tage bzw. in P schon wesentlich länger betrieben wurden.

Unwiderlegt blieb, daß der Beschuldigte dem Vorarbeiter aufgetragen hat, die Sicherheitsvorkehrungen anzubringen.

Zur Würdigung der Beweise:

Der Beschuldigte will einerseits von der Beanstandung des Arbeitsinspektorates erst am 3.4.1992 erfahren haben. Gleichermaßen will er sich aber im Anschluß an den Bericht des Vorarbeiters auf die Baustelle zur Inspektion begeben haben und die Schutzblenden vorgefunden haben. Weshalb die Montage der Sicherheitsvorrichtung unterblieb, konnte er sich einerseits nicht erklären (rechtfertigende Stellungnahme vom 14.5.1992). Auch die Berufung spricht noch von der mitgeführten "Schutzblende" - andererseits ist durch die Aussage des Karl S offenbar geworden, daß die seinerzeit für die früheren Abschnitte bereitgehaltenen Schutzblenden bei der Eröffnung des letzten gegenständlichen Bauabschnittes gar nicht mehr vorhanden waren, welchen Umstand der Beschuldigte offenbar erst in der mündlichen Verhandlung erfuhr.

Angesichts dieser Umstände konnte die Aussage des Karl S, der einen guten Eindruck hinterließ und dessen Aussage von Einfachheit und Offenheit getragen war, insoweit diese von der widersprüchlichen Verantwortung des Beschuldigten abwichen, überzeugen.

Zum festgestellten Sachverhalt hat der unabhängige Verwaltungssenat rechtlich erwogen:

Gemäß § 44 Abs.2 der Bauarbeitenschutzverordnung, BGBl.Nr.267/1954, müssen bei (Dachdeckerarbeiten) auf Dächern mit einer Neigung von mehr als 20 Grad mit einer Traufenhöhe von mehr als 5 m über dem Gelände bei Neu- und Umdeckungen und bei umfangreichen Reparaturarbeiten geeignete Schutzblenden (Scheuchen) vorhanden sein, die den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise verhindern. Sind sicher befestigte ausreichend dimensionierte Schneerechen vorhanden, gelten an diesen sicher befestigte, der Höhe der Schneerechen entsprechende Blenden als ausreichender Schutz. Bei einer Dachneigung von mehr als 40 Grad müssen die auf dem Dach Arbeitenden außerdem stets angeseilt sein.

Gemäß § 31 Abs.2 lit.p des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl.Nr.234/1972 i.d.F.d. Bundesgesetzes BGBl.Nr. 544/1982, (im folgenden kurz als ANSchG bezeichnet), begehen Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die den Vorschriften der aufgrund des § 24 des ANSchG erlassenen Verordnungen (als solche gilt die Bauarbeitenschutzverordnung) oder den aufgrund des § 27 des ANSchG vorgeschriebenen Bedingungen und Auflagen oder den erteilten Aufträgen zuwiderhandeln, eine Verwaltungsübertretung und sind, soferne die Tat nicht durch andere Gesetze strenger zu bestrafen ist, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 50.000 S zu bestrafen.

Andere strengere Strafbestimmungen, insbesondere strafgerichtlicher Natur, greifen in der Sache nicht platz.

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Nicht nur daß beim vorliegenden Ungehorsamsdelikt infolge des noch geltenden Vorbehaltes zu Art.6 MRK die Umkehr der Beweislast noch greift und den Beschuldigten die Glaubhaftmachung obliegt, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft, ist der Beschuldigte aufgrund des Beweisverfahrens der Fahrlässigkeit überführt.

Unbestrittenermaßen kann sich ein Arbeitgeber (Gewerbetreibender) bei der Erfüllung seiner Aufgaben, so auch des in Rede stehenden Arbeitnehmerschutzes, eines oder mehrerer Erfüllungsgehilfen bedienen, wie dies im vorliegenden Fall auch geschah. Hiebei trifft ihn allerdings die Sorgfaltspflicht bei der Auswahl und neben Einschulung, Aufklärung und Einschärfung der zu beachtenden Bestimmungen auch die Handhabung von wirksamen Kontrollen. Richtig ist, daß ein Arbeitgeber nicht jede Fehlleistung seines Erfüllungsgehilfen verantworten muß. Im konkreten Fall trifft den Beschuldigten allerdings bereits bei der Auswahl eine Fahrlässigkeit. Ein verantwortungsbewußter Arbeitgeber (Dachdeckermeister) hätte sich bezüglich des Vorarbeiters vor Betrauung mit den Aufgaben zur Wahrnehmung der Sicherheitsvorschriften von dessen Standpunkt zum betreffenden Bauarbeitenschutz ausreichend zu informieren gehabt und aufgrund der zutage getretenen negativen Einstellung ihn mit der Anbringung bzw. Überwachung der vom Gesetz geforderten Arbeitnehmerschutzmaßnahmen nicht betrauen dürfen, weil hiedurch seine Verläßlichkeit nicht gewährleistet war.

Darüber hinaus war auch das bloße Einschärfen der Beachtung der Pflichten nicht ausreichend. Ein verantwortungsbewußter Arbeitgeber hätte angesichts des überschaubaren Betriebes und der relativ wenigen Baustellen, die ohnedies liefen, gerade zu Wiederbeginn der Dachdeckerarbeiten beim letzten Bauabschnitt der Baustelle in P 18, eine persönliche Inspektion durchführen und dafür sorgen müssen, daß die zwischenzeitig abhanden gekommenen Schutzvorrichtungen herbeigeschafft und auch verwendet werden.

Der Schuldspruch erfolgte daher im Ergebnis zu Recht.

Bezüglich der Strafhöhe die im übrigen nicht angefochten wurde, ist festzuhalten, daß Milderungsgründe auch im Berufungsverfahren nicht zutage getreten sind.

Die I. Instanz hat zutreffend zwei einschlägige Vorstrafen aus dem Jahre 1988 als besondere Erschwerungsgründe in Anschlag gebracht. Im Berufungsverfahren hat der Beschuldigte hinsichtlich der persönlichen Verhältnisse Sorgepflichten für eine geschiedene Gattin und ein Kind aus 1. Ehe sowie für eine Ehegattin und ein Kind dargetan, im übrigen aber keine Angaben zum monatlichen Einkommen gemacht. Angesichts des geschätzten Einkommens von 30.000 S, welches unwidersprochen blieb, und des allerdings belasteten Alleineigentums am Gewerbebetrieb und Wohnhaus, war eine Herabsetzung der Strafe nicht gerechtfertigt, zumal der objektive Unrechtsgehalt der Tat, auf den die I. Instanz in der Begründung nicht einging, beträchtliches Gewicht hatte. Immerhin war von einer Gefährdung des Lebens bzw. der Gesundheit von 3 Dienstnehmern infolge Unterlassung der Schutzvorkehrung der Dachdeckerarbeiten im bezug auf eine Traufenhöhe von ca. 8 m auszugehen. Im Ergebnis erfolgte daher auch die Strafzumessung entsprechend den gesetzlichen Kriterien und war das angefochtene Straferkenntnis auch diesbezüglich zu bestätigen.

Dies hatte auf der Kostenseite zur Folge, daß gemäß § 64 Abs.1 und 2 VStG vom Beschuldigten ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens von 20 % der verhängten Strafe, das sind 3.000 S, aufzuerlegen waren.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen dieses Erkenntnis ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen dieses Erkenntnis kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. K o n r a t h 6

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum