Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-220233/9/Ga/Hm

Linz, 24.08.1992

VwSen - 220233/9/Ga/Hm Linz, am 24. August 1992 DVR.0690392 - &

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 3. Kammer (Vorsitz: Dr. Johann Fragner, Berichter: Mag. Michael Gallnbrunner, Beisitzerin: Dr. Ilse Klempt) über die Berufung des Ing. S in B gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 19. Mai 1992, Zl. Ge96/88/1992-3/92/H, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird stattgegeben: Das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben.

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen solchen zu den Kosten des Verfahrens vor dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zu leisten.

Rechtsgrundlage: Zu I.: § 66 Abs.4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl.Nr.51, iVm § 24, § 44a Z.1, § 51 Abs.1, § 51c und § 51e Abs.1 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl.Nr.52.

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung verhängte mit Straferkenntnis vom 19. Mai 1992, Zl.Ge96/88/1992-3/92/H, über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 50.000 S, für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 50 Tagen, weil er als Inhaber einer Baumeisterkonzession im Standort B, am 12. März 1992 "auf der Kanal-Baustelle in B, H", einen Arbeitnehmer in einer ca. 2,2 Meter tiefen Künette beschäftigt habe, "obwohl diese Künette, deren örtliche Standfestigkeit nicht an jene von F" herangekommen sei, nicht gegen Einsturz abgesichert gewesen sei; dadurch habe er eine Verwaltungsübertretung gemäß § 16 Abs.4 der Bauarbeitenschutzverordnung iVm § 31 Abs.2 lit.p des Arbeitnehmerschutzgesetzes begangen.

1.2. Gegen dieses dem Beschuldigten am 22. Mai 1992 zugestellte Straferkenntnis wendet sich die vorliegende, am 25. Mai 1992 - und damit rechtzeitig - zur Post gegebene Berufung.

2.1. Im angefochtenen Straferkenntnis führt die belangte Behörde begründend aus, daß der "Sachverhalt und das rechtswidrige und schuldhafte Verhalten des Beschuldigten auf Grund der Feststellungen des Arbeitsinspektorates für den 9. Aufsichtsbezirk erwiesen" sei. Die belangte Behörde nahm die Schuldform der Fahrlässigkeit an, weil der Berufungswerber "bei sorgfältiger Überlegung die Rechtswidrigkeit seines Handelns hätte voraussehen müssen." Im Hinblick darauf, daß es sich bei der vorliegenden Verwaltungsübertretung um ein Ungehorsamsdelikt handle, wäre es Sache des Berufungswerbers gewesen, "seine Unschuld glaubhaft zu machen bzw. sich zu rechtfertigen." Obwohl ihm hiezu ausreichend Gelegenheit geboten worden sei, habe der Beschuldigte keine Rechtfertigung abgegeben, sodaß das Strafverfahren ohne seine Anhörung habe durchgeführt werden müssen. Schuldausschließungsgründe, sonstige Entlastungsgründe und Milderungsgründe seien nicht festgestellt worden. Hingegen wäre erschwerend zu bewerten gewesen, daß der Berufungswerber im Tilgungszeitraum schon mehrmals wegen Übertretung von arbeitnehmerschutzrechtlichen Bestimmungen rechtskräftig bestraft worden sei. Deshalb hätte sich die belangte Behörde gezwungen gesehen, den auf die Verhängung einer Geldstafe von 30.000 S gerichteten Strafantrag des anzeigenden Arbeitsinspektorates zu ignorieren und - unter Bedachtnahme auf zu schätzen gewesene Einkommens- , Vermögens- und Familienverhältnisse - die gesetzliche Höchststrafe zu verhängen, um den Beschuldigten von weiteren Verwaltungsübertretungen abzuhalten.

2.2. Demgegenüber bringt der Berufungswerber, ohne den inkriminierten Sachverhalt als solchen in Abrede zu stellen, vor, daß er die ihm vorgeworfene Schuldhaftigkeit seines Verhaltens bestreite, weil er in seinem Betrieb bei diversen Mitarbeiterversammlungen ausreichend die Sicherheitsprobleme am Bau, im besonderen die Pölzungsvorschriften beim Kanalbau besprochen habe bzw. bespreche. Insgesamt kann der Berufungsschrift - bei gewogener Gesamtbetrachtung - in gerade noch vertretbarer Weise das Begehren des Beschuldigten entnommen werden, nicht wegen eines ihm zu Unrecht als fahrlässig vorgeworfenen Verhaltens bestraft zu werden.

3. Die belangte Behörde hat keine Berufungsvorentscheidung erlassen, sondern die Berufung samt Strafakt, jedoch ohne Gegenäußerung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt, der dadurch im Grunde des § 51 Abs.1 VStG zuständig wurde. Er entscheidet gemäß § 51c VStG in diesem Fall durch eine aus drei Mitgliedern bestehende Kammer.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat ergänzende Erhebungen durchgeführt und hat die Arbeitsinspektorate des 9. bzw. des 18. Aufsichtsbezirks am Verfahren beteiligt; er hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung zu Zl.Ge96/88/1992. Da aus diesem bereits hervorging, daß das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist, konnte gemäß § 51e Abs.1 VStG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden; eine solche haben die Parteien des Verfahrens auch nicht beantragt.

5. In der Sache selbst hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

5.1. Gemäß § 31 Abs.2 lit.p des Arbeitnehmerschutzgesetzes begeht derjenige Arbeitgeber (und dessen Bevollmächtigter) eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 50.000 S zu bestrafen, der den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen zuwiderhandelt. Die gemäß § 33 Abs.1 Z.12 des Arbeitnehmerschutzgesetzes (derzeit) im Rang eines Bundesgesetzes stehende Verordnung über Vorschriften zum Schutze des Lebens und der Gesundheit von Dienstnehmern bei Ausführung von Bauarbeiten, Bauneben- und Bauhilfsarbeiten (im folgenden: Bauarbeitenschutzverordnung) ist eine solche Vorschrift, deren Nichtbeachtung von der zitierten Sanktionsnorm als sogenanntes Ungehorsamsdelikt strafbedroht ist. § 16 Abs.4 erster Tatbestand der Bauarbeitenschutzverordnung schreibt vor, daß Künetten, die nicht im Felsen oder in einem Boden, dessen örtliche Standfestigkeit an jene von Felsen herankommt, ausgeführt werden, bei Tiefen von mehr als 1,25 Meter auf jeden Fall gepölzt werden müssen.

Gemäß § 44a VStG hat der Spruch des Straferkenntnisses wenn er nicht auf Einstellung lautet - u.a. die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.

5.2. Diesem letzteren Erfordernis entspricht das angefochtene Straferkenntnis im Licht der - in diesem Punkt im Verhältnis zur ordentlichen Strafgerichtsbarkeit strengen - Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. zB. jüngst VwGH vom 10.6.1992, Zl.92/04/0055, unter Verweis auf das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 13.6.1984, Slg. N.F.Nr.11.466/A; dieses in seiner Kernaussage abgedruckt zB. in: Ringhofer II, Verwaltungsverfahren, Manz, Wien 1992) nicht. Aus dem Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses geht nämlich nicht hervor, auf Grund welcher konkretisierter, sachverhaltsbezogener Tatumstände die örtliche Standfestigkeit des Bodens (nicht also der "Künette", wie im Spruch des Straferkenntnisses der zugrundeliegenden Gebotsnorm unterstellt) nicht an jene von Felsen herankommt. Die belangte Behörde hat übersehen, daß die H in B, wie der unabhängige Verwaltungssenat durch ergänzende Erhebungen feststellen konnte, eine Länge von nahezu 1,2 Kilometer aufweist und die im Mittelteil dieses Straßenzuges liegende Kanalbaustelle eine Gesamtlänge von nahezu 260 Meter hat. Wenn, wovon nach dem Akteninhalt auszugehen war, die Künette über die gesamte Länge der Kanalbaustelle gelegt wird, dann erfordert eine der zitierten Judikatur entsprechende Beschreibung des Tatverhaltens die möglichst genaue Fixierung jener Örtlichkeit, an der (und zwar: nur an der) eine nicht gegebene - und insoweit zu umschreibende - Standfestigkeit des Bodens die Pölzungspflicht im Sinne der Gebotsnorm auslöst. Bei einer Länge von ca. 260 Meter kann nämlich nicht von vornherein ausgeschlossen werden, daß die örtliche Standfestigkeit des Bodens abschnittsweise unterschiedlich beschafffen ist. Dadurch, daß der Spruch des Straferkenntnisses, so wie auch schon die erste Verfolgungshandlung, den die Pölzungspflicht auslösenden Mangel der Standfestigkeit des Bodens nicht exakt umschrieben hat (beispielsweise durch Fixierung an Hausnummern oder Grundstücksnummern der beidseitig anrainenden Gebäude bzw. Grundstücke einerseits und durch Beschreibung der bestimmten Bodenbeschaffenheit exakt an dieser Stelle andererseits; oder beispielsweise auch dadurch, daß - allerdings auf der Grundlage diesbezüglicher, in einem ordentlichen Verfahren erzielter Ergebnisse - die über die ganze Länge der Kanalbaustelle fehlende Standfestigkeit bzw. Bodenbeschaffenheit festgehalten ist), hat die belangte Behörde ihr Straferkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Aus dem Umstand, daß allerdings schon das Arbeitsinspektorat für den 9. Aufsichtsbezirk in seiner Anzeige vom 16. März 1992 den Sachverhalt, der Anlaß für die Anzeige gewesen ist, nur sehr oberflächlich umschrieb, ist für eine günstigere Beurteilung der Rechtsrichtigkeit des angefochtenen Straferkenntnisses freilich nichts zu gewinnen: Der Inhalt eines Anzeigeschriftsatzes für sich allein kann notwendige amtswegige Ermittlungsschritte grundsätzlich dann nicht überflüssig oder verzichtbar machen, wenn die belangte Behörde das ordentliche Verfahren zur Feststellung des maßgebenden Sachverhalts schon eingeleitet hat. Zumal dann (aber nicht nur), wenn mit derart hohen Geldstrafen vorgegangen werden soll, wird der Strafbehörde schon aus Gründen des Vertrauensschutzes des Beschuldigten auf eine gründlich gehandhabte Amtswegigkeit auch und gerade unter Beachtung des im § 39 Abs.2 letzter Satz AVG (iVm § 24 VStG) niedergelegten Grundsatzes einerseits und der Besonderheiten des Einzelfalles andererseits die Anwendung der §§ 54 und 55 AVG (iVm § 24 VStG) zugemutet werden müssen. Der unabhängige Verwaltungssenat verkennt nicht, daß eine von vornherein gründlichere Sachverhaltsdarstellung im anzeigenden Schriftsatz des Arbeitsinspektorats dabei insgesamt hilfreich wäre.

Der unabhängige Verwaltungssenat erachtet sich unter dem Aspekt, daß dem Berufungswerber ansonsten die Möglichkeit genommen würde, sich auch bereits im erstbehördlichen Verfahren im Hinblick auf den konkreten Tatvorwurf ausreichend zu verteidigen, nicht für befugt, derartige wie die aufgezeigten Mängel des Spruchs des angefochtenen Straferkenntnisses aus eigenem zu sanieren, würde der Berufungswerber doch dadurch in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt (zB. VfGH vom 1.10.1991, B 976/90).

5.3. Aus den genannten Gründen war daher das angefochtene Straferkenntnis gemäß der angegebenen Rechtsgrundlage aufzuheben. Ob das Strafverfahren fortzuführen oder im Hinblick auf eine allenfalls eingetretene Verfolgungsverjährung einzustellen ist, hat die belangte Behörde hingegen aus eigenem zu beurteilen.

Dessen ungeachtet weist der unabhängige Verwaltungssenat darauf hin, daß - wie im angefochtenen Straferkenntnis normiert - die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 50 Tagen (!) im Grunde des § 16 Abs.2 VStG spätestens seit Inkrafttreten der VStG-Novelle BGBl.Nr.358/1990 jedenfalls gesetzwidrig ist.

6. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Berufungswerber weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine schriftliche Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. F r a g n e r

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum