Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-220250/9/Ga/La

Linz, 30.09.1993

VwSen - 220250/9/Ga/La Linz, am 30. September 1993 DVR.0690392 - &

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des F, Kaufmann in Linz, vertreten durch Dr. A, gegen das wegen Übertretung von Arbeitnehmerschutzvorschriften erlassene Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 6. Juli 1992, GZ. 501/SW-149/91a/Str, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Der Berufungswerber hat keinen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens zu leisten.

Rechtsgrundlage: Zu I.: § 66 Abs.4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51, iVm § 24 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52; § 31 Abs.1 und Abs.2, § 32, § 44a Z2, § 45 Abs.1 Z1 und Z3, § 51 Abs.1, § 51c und § 51e Abs.1 VStG. Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1.1. Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz (als Bezirksverwaltungsbehörde) hat mit dem eingangs bezeichneten Straferkenntnis den Berufungswerber einer Verwaltungsübertretung gemäß § 31 Abs.3 lit.b iVm § 14 Abs.4 des Arbeitnehmerschutzgesetzes (ANSchG) iVm § 86 Abs.1 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV) schuldig erkannt, weil er es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der J. F BaugesmbH (die wiederum persönlich haftende Gesellschafterin der J. F BaugesmbH & Co KG in Linz, S, ist) und damit als gem. § 9 Abs.1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der J. F Bau GesmbH & Co KG in Linz zu verantworten habe, daß zumindest in der Zeit vom 14. Dezember 1989 bis 17. Dezember 1990 im Betrieb dieser Firma in L, für drei (im Spruch namentlich genannte) dort angestellte Dienstnehmer "keine Kleiderkästen vorhanden waren"; deswegen wurde über den Beschuldigten eine Geldstrafe in der Höhe von 3.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 3 Tage) kostenpflichtig verhängt, wobei die Strafbehörde zum Ausdruck brachte, daß sie bei der verhängten Geldstrafe pro Arbeitnehmer 1.000 S zugrundegelegt hat.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die mit dem erkennbaren Vorwurf der inhaltlichen Rechtswidrigkeit eingebrachte Berufung; beantragt wird die "Abänderung" (gemeint wohl: Aufhebung) des Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens.

2. Die Strafbehörde als belangte Behörde hat keine Berufungsvorentscheidung erlassen, sondern die Berufung samt Strafakt dem unabhängigen Verwaltungssenat vorgelegt. In einer Gegenäußerung beantragt die belangte Behörde die Bestätigung ihres Straferkenntnisses.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat im Vorverfahren Stellungnahmen der beiden beteiligten Arbeitsinspektorate eingeholt, die beide für die Bestätigung des angefochtenen Straferkenntnisses plädieren.

4. Durch Einsicht in den Strafakt zu GZ. 501/SW-149/91a-Str hat der unabhängige Verwaltungssenat Beweis aufgenommen; schon daraus war ersichtlich, daß das angefochtene Straferkenntnis - gem. § 51e Abs.1 VStG ohne öffentliche mündliche Verhandlung (die auch von den Verfahrensparteien nicht beantragt worden ist) aufzuheben ist. Dies aus folgenden Erwägungen:

4.1.1. Der Spruch des bekämpften Straferkenntnisses führt im Sinne des § 44a Z2 VStG zwei Verwaltungsvorschriften, die durch die Tat verletzt worden sind, an.

Zum einen ist dies der § 31 Abs.3 lit.b (iVm § 14 Abs.4) ANSchG: Danach trifft den Arbeitgeber - unstrittig ist der Berufungswerber als solcher belangt worden - (unter anderem) die Pflicht, jedem Arbeitnehmer zur Aufbewahrung und zur Sicherung vor Wegnahme (jedenfalls auch) seiner Straßenkleidung eine geeignete Aufbewahrungsmöglichkeit zur Verfügung zu stellen. Die Strafnorm zu dieser Vorschrift ist § 31 Abs.3 lit.b und Schlußsatz ANSchG, wonach das einschlägige Zuwiderhandeln als Verwaltungsübertretung mit Geldstrafe bis zu 20.000 S zu bestrafen ist.

Zum anderen ist dies der § 86 Abs.1 AAV: Danach ist jedem Arbeitnehmer zur Aufbewahrung und zur Sicherung gegen Wegnahme (jedenfalls auch) seiner Straßenkleidung ein ausreichend großer, luftiger und versperrbarer Kasten, in dem die Kleidung gegen Einwirkungen, wie Nässe, Staub, Rauch, Dämpfe oder Gerüche, geschützt ist, zur Verfügung zu stellen. Die Strafnorm zu dieser Vorschrift ist § 31 Abs.2 lit.p und Schlußsatz ANSchG, wonach das einschlägige Zuwiderhandeln als Verwaltungsübertretung mit Geldstrafe bis zu 50.000 S zu bestrafen ist.

4.1.2. Gemäß § 31 Abs.1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist (hier: sechs Monate) von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs.2 VStG) vorgenommen worden ist.

Gemäß § 32 Abs.2 VStG ist Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung, u.zw. auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

5.1. Im Berufungsfall wurde innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist ein behördlicher Akt gesetzt, der als Verfolgungshandlung in Betracht kommt, nämlich der Ladungsbescheid vom 22. März 1991 (abgesendet am 26. März 1991).

5.2. Eine Verfolgungshandlung unterbricht nur dann die Verjährung, wenn sie sich auf alle der Bestrafung zugrundeliegenden Sachverhaltselemente bezogen hat (vgl. zB die VwGH-Erkenntnisse verstärkter Senate vom 19.10.1978, Slg. NF 9664/A, und vom 19.9.1984, Slg. NF 11525/A, sowie die Erkenntnisse vom 16.1.1984, Zl. 10/2883/80 = ZfVB 1984/5/3055, und vom 9.7.1992, Zl. 92/10/0004).

5.3. Die Verfolgungshandlung vom 22. März 1991 bezieht die Tatanlastung ausdrücklich auf "die dort angestellten Dienstnehmer (24)". Anders das angefochtene Straferkenntnis: Der Spruch schränkt die pönalisierte Unterlassung auf ausdrücklich nur mehr drei namentlich angeführte Dienstnehmer ein. Die belangte Behörde begründet diese Vorgangsweise (auf Seite 5, zweiter Absatz von oben, des Straferkenntnisses) mit einer auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens sich ergebenden, offensichtlich für zulässig erachteten Einschränkung des Tatvorwurfs. Damit wäre die belangte Behörde aus dem Blickwinkel der Besonderheiten dieses Falles im Recht dann, wenn der Ladungsbescheid vom 22. März 1991 nicht bloß allgemein auf die dort angestellten Dienstnehmer (24) verwiesen, sondern beispielsweise die 24 Dienstnehmer ebenso namentlich angeführt hätte, wie dies der Spruch des bekämpften Straferkenntnisses tut, und die im Spruch namentlich erwähnten Dienstnehmer daher auch schon im Ladungsbescheid miterfaßt gewesen wären. Es hätte in diesem Zusammenhang nämlich nicht unbeachtlich bleiben dürfen, daß aus der (auf den Landungsbescheid ergangenen) schriftlichen Rechtfertigung des Berufungswerbers vom 27. April 1991 kein zweifelsfreier Rückschluß auf die Identität der schließlich dann im Spruch des Straferkenntnisses - als wesentliches Sachverhaltselement - namentlich angeführten Dienstnehmer gezogen werden konnte.

5.4. Im Ergebnis lastet das Straferkenntnis dem Berufungswerber in einem wesentlichen Punkt einen anderen Sachverhalt an als der Ladungsbescheid. Mit diesem geänderten Tatvorwurf hätte das Straferkenntis vom 6. Juli 1992 nicht mehr erlassen werden dürfen, weil diesbezüglich zum Erlassungszeitpunkt der Bestrafung des Berufungswerbers bereits Verfolgungsverjährung entgegen gestanden ist. Schon dieser Umstand führt zur Aufhebung des Straferkenntnisses.

6. Die belangte Behörde hat aber das angefochtene Straferkenntnis auch dadurch mit Rechtswidrigkeit belastet, daß sie zwei auf Gesetzesstufe stehende Gebotsnormen als durch die Tat verletzte Verwaltungsvorschriften herangezogen hat, ohne daß aus der Spruchformulierung zu erkennen wäre, welcher Verwaltungsvorschrift sie nun die angelastete Tat unterstellt. Offenbar ist die belangte Behörde davon ausgegangen, daß § 86 Abs.1 AAV hier nur in der Qualität einer näheren Durchführungsbestimmung zu § 31 Abs.3 lit.b (iVm § 14 Abs.4) ANSchG heranzuziehen wäre (idS erschließbar die Begründung des Straferkenntnisses, Seite 4, zweiter Absatz). Wie eine rechtssystematische Betrachtung jedoch zeigt, stehen beide Verwaltungsvorschriften gleichrangig nebeneinander, regeln nichtidente Tatbestände und bilden die Grundlage für verschiedene Verwaltungsübertretungen mit unterschiedlichen Strafdrohungen. Indem der Spruch des bekämpften Straferkenntnisses den Berufungswerber gleichsam die Auswahl überläßt, welche Verwaltungsvorschrift er nun übertreten haben soll (ohne daß der Spruch des Straferkenntnisses zu erkennen gibt, nach welcher Strafnorm im Sinne des § 44a Z3 VStG die Bestrafung erfolgt ist), ist das angefochtene Straferkenntnis neuerlich mit Rechtswidrigkeit belastet.

7. Schließlich hat die belangte Behörde übersehen, daß beide von ihr (in dieser Weise unzulässig) herangezogenen Verwaltungsvorschriften nicht den Tatbestand regeln, dessen Erfüllung sie im Schuldspruch zugrundegelegt hat. Nicht nämlich kommt es darauf an, daß Kleiderkästen (bloß) "vorhanden" sind, sondern daß geeignete Aufbewahrungsmöglichkeiten für die Straßenkleidung zur Verfügung zu stellen sind (§ 14 Abs.4 iVm § 31 Abs.3 lit.b ANSchG) bzw. daß ausreichend große, luftige und versperrbare Kästen zur Aufbewahrung und zur Sicherung gegen Wegnahme der Straßenkleidung zur Verfügung zu stellen sind (§ 86 Abs.1 AAV). Zum einen hat die belangte Behörde verkannt, daß beide erwähnten Verwaltungsvorschriften jeweils Unterlassungsdelikte normieren, zum anderen ist der von der belangten Behörde angelastete Sachverhalt in diesem Punkt keineswegs schon tatbilderfüllend. Es kommt nämlich nicht nur darauf an, daß die Aufbewahrungsmöglichkeiten (in dem einen) oder die Kästen (in dem anderen Fall) bloß nicht vorhanden waren. Indem somit das bekämpfte Straferkenntnis dem Berufungswerber einen Tatvorwurf macht, der in dieser ausdrücklichen Formulierung gar keine Verwaltungsübertretung bildet, belastet die belangte Behörde auch aus diesem Blickwinkel das angefochtene Straferkenntnis mit Rechtswidrigkeit.

8. Zusammenfassend ist die Berufung im Ergebnis begründet und war das Straferkenntnis aus den dargelegten mehrfachen Gründen aufzuheben. Die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens war zu verfügen, weil einerseits die dem Berufungswerber zur Last gelegte Tat keine Verwaltungsübertretung bildet und andererseits, weil Umstände vorliegen, die die weitere Verfolgung des Berufungswerbers in dieser Sache ausschließen.

Zu II.:

Der Ausspruch über den Entfall von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens ist auf die angegebene Gesetzesbestimmung gegründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig. Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine schriftliche Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Gallnbrunner

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