Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-220252/2/Ga/La

Linz, 30.09.1993

VwSen - 220252/2/Ga/La Linz, am 30. September 1993 DVR.0690392 - &

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des F gegen das wegen Übertretung der Gewerbeordnung 1973 (GewO 1973) erlassene Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 12. Juni 1992, GZ. Ge-96/74/1991/Eich, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt. II. Der Berufungswerber hat keinen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens zu leisten.

Rechtsgrundlage: Zu I.: § 66 Abs.4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51, iVm § 24 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52; § 44a Z1, § 45 Abs.1 Z3, § 51 Abs.1, § 51c und § 51e Abs.1 VStG. Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1.1. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat mit dem eingangs bezeichneten Straferkenntnis den Berufungswerber einer Übertretung des § 366 Abs.1 Z3 iVm § 74 Abs.2 Z2 und 5 GewO 1973 schuldig gesprochen, weil er als verantwortlicher Inhaber der protokollierten Firma "O F Oberflächentechnik" am Firmenstandort in zumindest in der Zeit vom 1. Jänner 1991 bis 1. Dezember 1991 eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage zur Erzeugung vom Metall- und Kunststoffteilen sowie zur Oberflächenbearbeitung, die geeignet sei, Nachbarn durch Geruch und Lärm zu belästigen oder das Grundwasser durch auslaufende Chemikalien zu gefährden, indem - ein Werkstättentrakt mit Maschinen wie Drehbank, Fräse, Stoßhobel und dgl. eingerichtet und betrieben wurde, - eine Anlage für die Oberflächenbehandlung von Zink- und Aluminiumteilen mit 4 Becken für die Entfettung, Entwässerung, Chromatisierung und Neutralisierung der Teile im Hallentrakt entlang der nordwestlichen Grundgrenze eingerichtet und betrieben wurde, - an die Halle für die Oberflächenbehandlung anschließend Maschinenräume mit Bohrern, Fräsmaschinen, Gewindemaschinen und dgl. eingerichtet und betrieben wurde, - der nordöstlich der Maschinenräume befindliche Lagertrakt zum Abstellen von Altmaschinen, Gleitschleifsteinen, Reservemotoren und Werkzeugen verwendet wurde, - das Kellergeschoß unterhalb der Werkstätten zur Lagerung von Metallprofilen, Kabel und Maschinenteilen benutzt wurde.

Deswegen wurde über den Berufungswerber gemäß § 366 Abs.1 GewO 1973 eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) kostenpflichtig verhängt.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die mit dem Antrag auf Aufhebung eingebrachte Berufung. 2. Die Strafbehörde als belangte Behörde hat keine Berufungsvorentscheidung erlassen, sondern die Berufung samt Strafakt dem unabhängigen Verwaltungssenat vorgelegt. Von einer Gegenäußerung zum Berufungsvorbringen hat die belangte Behörde abgesehen.

3. Schon aus der Einsicht in den Strafakt zu Zl. Ge-96/74/1991 war ersichtlich, daß das angefochtene Straferkenntnis - gemäß § 51e Abs.1 VStG ohne öffentliche mündliche Verhandlung - aufzuheben ist. Dies aus folgenden Erwägungen:

3.1. Gemäß § 366 Abs.1 Einleitung und Z3 GewO 1973 begeht eine mit Geldstrafe bis zu 50.000 S zu bestrafende Verwaltungsübertretung, wer eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage (§ 74) ohne die erforderliche Genehmigung errichtet oder betreibt.

Mit der Verweisung auf § 74 GewO 1973 bezieht die Verbotsnorm unter anderem auch die Kriterien des § 74 Abs.2 in ihren Tatbestand ein.

Gemäß § 74 Abs.2 GewO 1973 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen demnach mit Genehmigung der Gewerbebehörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind, - gemäß Z2: die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder (falls nur andere als diese Beeinträchtigungen in Frage kommen) in anderer Weise zu belästigen. - gemäß Z5: eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.

3.2. In ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wird ausgesprochen, daß gemäß § 44a Z1 VStG der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten hat. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, daß 1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird, und 2) die Identität der Tat unverwechselbar feststeht.

Es muß daher dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, daß der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Strafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

3.3. Der aus dieser Judikatur ableitbare formal strenge Konkretisierungsmaßstab ist vorliegend darin gerechtfertigt, daß sich aus Konstellationen wie dieser weitreichende Folgewirkungen für die Behörde selbst, für die Nachbarn, vor allem aber für den Betriebsinhaber (und letzten Endes für seine Arbeitnehmer) ergeben können, so beispielsweise im Bereich der bundesgesetzlich grundgelegten Sondermaßnahmen (§ 360 Abs.1 GewO 1973) zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes durch sogenannten "contrarius actus".

Diesen Konkretisierungsanforderungen entspricht weder die im Verwaltungsstrafverfahren zur Wahrung der Frist gemäß § 31 Abs.2 VStG ergangene Aufforderung zur Rechtfertigung vom 9. Dezember 1991 noch der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses.

3.4. So läßt der Spruch des Straferkenntnisses durch eine Alternativ-Formulierung ("oder") den Berufungswerber darüber im unklaren, ob aus der Betriebsanlage nur die für möglich gehaltenen Belästigungen (§ 74 Abs.2 Z2 GewO 1973) oder nur die nachteiligen Einwirkungen (§ 74 Abs.2 Z5 GewO 1973) oder doch beide Beeinträchtigungen zusammen ausgehen.

Dazu kommt, daß der Spruch des bekämpften Straferkenntnisses zwar detailliert beschreibt, daß die Betriebsanlage aus fünf unterschiedlichen, räumlich offenbar separierten Anlagenteilen mit je unterschiedlicher Ausstattung mit Maschinen und Geräten besteht, hingegen die für möglich gehaltenen Beeinträchtigungen nicht diesen Teilen je zuordnet, sondern undifferenziert der Gesamtanlage unterstellt. Daß indes von den beschriebenen Anlagenteilen unterschiedliche Beeinträchtigungen möglicherweise ausgehen können, liegt zufolge ihrer Beschreibung auf der Hand. Zum einen muß schon die Zuordnung der für möglich gehaltenen Beeinträchtigungen zu den jeweiligen Anlagenteilen für den Bestraften klar erkennbar sein und darf nicht seiner Auslegung überlassen bleiben; zum anderen kann angesichts einer solchen Spruchformulierung nicht der den gesetzlichen Kriterien entsprechende "contrarius actus", mit dem der in diesem Zusammenhang angenommenen gesetzwidrigen Gewerbeausübung zu begegnen wäre, mit entsprechender Bestimmtheit entnommen werden (vgl. VwGH v. 20.1.1987, 86/04/0139; siehe auch: Harald Wendl in Stolzlechner-Wendl-Zitta (Hrsg), Gewerbliche Betriebsanlage, 2. Auflage 1991, Rz 303).

3.5. Da im Berufungsfall auch das Straferkenntnis als (rechtzeitige) Verfolgungshandlung gemäß § 32 VStG zu werten ist, war im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes noch zu prüfen, ob allenfalls aus der Begründung des Straferkenntnisses eine hinreichende Umschreibung jener wesentlichen Sachverhaltselemente, die im Spruch fehlen, entnommen werden kann (zB. VwGH 21.10.1985, 85/02/0139). Aber auch die Begründung des bekämpften Straferkenntnisses trägt für den mindest zu fordernden Konkretisierungsstandard einer tatbestandserfüllenden Tatanlastung hier nichts bei.

4. Aus den angeführten Gründen war daher das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG einzustellen, weil Umstände vorliegen, die die weitere Verfolgung des Berufungswerbers in dieser Sache ausschließen.

5. Abschließend hält der unabhängige Verwaltungssenat unbeschadet der dargelegten Umstände, die zur Aufhebung des Straferkenntnisses führen mußten - fest, daß dann, wenn, wie im vorgelegten Fall aus der Aktenlage hervorgeht, der in dritter Instanz des Genehmigungsverfahrens zuständige Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten nahezu eineinhalb Jahre für die Entscheidung über die vom Arbeitsinspektorat gegen den positiven Genehmigungsbescheid des Landeshauptmannes benötigt, es dem Berufungswerber insgesamt betrachtet - nicht zu verdenken ist, wenn er seine schließlich erfolgte Bestrafung als ungerecht empfindet und in seiner Berufungsbegründung erkennbar (und im Sinne des besonderen Milderungsgrundes gemäß § 34 Z11 StGB) vorbringt, die Tat unter Umständen begangen zu haben, die angesichts der Besonderheiten dieses Falles einem Schuldausschließungsgrund (mindestens) nahe kommen.

Zu II.:

Der Ausspruch über den Entfall von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens ist auf die angegebene Gesetzesbestimmung gegründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine schriftliche Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Gallnbrunner

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