Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-220267/8/Kl/Rd

Linz, 11.10.1993

VwSen - 220267/8/Kl/Rd Linz, am 11. Oktober 1993 DVR.0690392 - &

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über die Berufung der M sowie die Strafberufung des Arbeitsinspektorates für den 9. Aufsichtsbezirk gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 3.8.1992, Ge96-25-1992, wegen einer Übertretung nach der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe auf 500 S, die Ersatzfreiheitsstrafe auf sechs Stunden herabgesetzt wird; im übrigen wird der Schuldspruch bestätigt. Die Berufung des Arbeitinspektorates wird abgewiesen.

Rechtsgrundlagen: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 16, 19 und 51 VStG.

II. Der Kostenbeitrag zum Verfahren vor der Strafbehörde ermäßigt sich auf 50 S; zum Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat ist kein Kostenbeitrag zu leisten.

Rechtsgrundlagen: §§ 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 3.8.1992, Ge96-25-1992, wurde gegen die Berufungswerberin eine Geldstrafe von 1.000 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 31 Abs.2 lit.p ASchG verhängt, weil - wie bei einer am 22.1.1992 in ihrem Kaufhaus in G durchgeführten Temperaturmessung durch das Arbeitsinspektorat Linz festgestellt wurde - die Beheizung in den Arbeitsräumen für das Verkaufspersonal nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde, da lediglich Werte von 15ï...C bis maximal 16ï...C im Verkaufsraum gemessen wurden, obwohl in den Arbeitsräumen für das Verkaufspersonal eine Raumtemperatur von mindestens 19ï...C erreicht werden muß. Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag von 100 S festgelegt.

2. Dagegen wurde fristgerecht von der Berufungswerberin Berufung eingebracht, worin sie sich für nicht schuldig bekannte, weil die Mitarbeiter der Firma S die Türe offenhielten, und sie ersuchte um Verständnis und ein Absehen von der Strafe.

Auch das Arbeitsinspektorat für den 9. Aufsichtsbezirk hat rechtzeitig Berufung erhoben und den Antrag gestellt, den Strafausspruch des angefochtenen Bescheides dahingehend abzuändern, daß eine Strafe im Sinne des Strafantrages in der Höhe von 10.000 S verhängt wird. Begründend wurde ausgeführt, daß die Berufungswerberin Vorkehrungen hätte treffen müssen, damit auch bei ihrer Abwesenheit die gesetzlich geforderte Raumtemperatur eingehalten wird. Das Unterschreiten der Mindestraumtemperatur von (19ï...C) auf 15ï...C bis 16ï...C stelle daher eine unzumutbare Arbeitsbedingung dar. Im übrigen sei die Arbeitnehmerin S in einem Abhängigkeitsverhältnis und daher nicht glaubwürdig.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land als belangte Behörde hat die Berufungen samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt und keine Stellungnahme abgegeben.

Da die Berufung sich einerseits nur gegen das Strafausmaß und andererseits gegen die rechtliche Beurteilung richtet, wobei der Sachverhalt an sich nicht bestritten wird, und im übrigen die Verfahrensparteien eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht ausdrücklich verlangt haben, war eine solche mündliche Verhandlung nicht anzuberaumen (§ 51e Abs.2 VStG).

4. Gemäß § 8 Abs.4 des ArbIG 1974 wurde das Arbeitsinspektorat für den 18. Aufsichtsbezirk am Verfahren beteiligt, und es hat dieses eine Stellungnahme dahin abgegeben, daß die Berufungswerberin keine neuen mildernden Tatbestände (zB § 71 AAV - Beistellen von warmer Bekleidung) angeführt hat und es wurde daher beantragt, das Strafausmaß des Arbeitsinspektorates Linz zu bestätigen.

Auch der Beschuldigten wurde Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt und es brachte diese vor, daß sich bei einer Außentemperatur von minus 25ï...C beim Offenlassen der Tür die Raumtemperatur sehr schnell verändert. Den Mitarbeitern sei es nicht zu kalt gewesen und gab es keine Klage. Unmittelbar darauf kam es zu einer Kontrolle. Auch verwies die Beschuldigte darauf, daß die Heizung mit einer Außensteuerung versehen sei, und auf die vorgeschriebene Raumtemperatur eingestellt sei und daß im übrigen ein Servicevertrag abgeschlossen ist.

5. Hierüber hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

5.1. Gemäß § 31 Abs.2 lit.p Arbeitnehmerschutzgesetz, BGBl.Nr. 234/1972 idgF (kurz: ASchG), begehen Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte eine Verwaltungsübertretung und sind, sofern die Tat nicht nach anderen Gesetzen strenger zu bestrafen ist, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 50.000 S zu bestrafen, wenn sie den Vorschriften der aufgrund des § 24 dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen oder den aufgrund des § 27 dieses Bundesgesetzes vorgeschriebenen Bedingungen und Auflagen oder den erteilten Aufträgen zuwiderhandeln.

Gemäß § 14 Abs.1 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung - AAV, BGBl.Nr. 218/1983, muß durch Beheizung in den Arbeitsräumen unter Berücksichtigung der körperlichen Beanspruchung der Arbeitnehmer eine innerhalb der im § 12 Abs.2 angeführten Grenzen liegende, gleichmäßige Raumtemperatur herrschen, sofern sich nicht bereits durch die Arbeitsvorgänge oder die Arbeitsbedingungen eine solche Temperatur ergibt oder die Einhaltung einer niedrigeren Temperatur erforderlich ist. Gemäß § 12 Abs.2 AAV muß die Raumtemperatur bei Arbeiten mit geringerer körperlicher Beanspruchung zwischen 19ï...C und 25ï...C liegen.

5.2. Aufgrund des Strafaktes steht fest, daß das gegenständliche Kaufhaus und das Verkaufslokal der Firma S sich im selben Haus befinden und lediglich durch eine Schiebetür innen getrennt sind, gemeinsam wird jedoch der Ein- und Ausgang bzw. die Eingangtür verwendet. Zum Tatzeitpunkt am 22.1.1992 betrug die Außentemperatur minus 25ï...C. Von 7.15 Uhr bis 8.15 Uhr erfolgten Warenlieferungen der Firma Schlecker, wodurch die Eingangstür laufend geöffnet war. Anschließend erfolgte die Kontrolle des Arbeitsinspektorates und wurde dabei festgestellt, daß die Raumtemperatur im Kaufhaus lediglich 15ï...C, maximal 16ï...C betrug. Dieser Sachverhalt wurde von den Parteien nicht bestritten und ist daher der Beurteilung als erwiesen zugrundezulegen.

Aufgrund dieses Sachverhaltes steht auch fest, daß die obzitierten Anordnungen der Arbeitnehmerschutzverordnung, nämlich eine gleichmäßige Raumtemperatur zwischen 19ï...C und 25ï...C, nicht eingehalten waren. Es ist sohin zum Tatzeitpunkt der gesetzliche Tatbestand objektiv erfüllt.

5.3. Wenn hingegen die Berufungswerberin im Verfahren erster Instanz sowie auch im Berufungsverfahren ausführt, daß die gemeinsame Eingangstüre durch Angestellte der Firma S an diesem Morgen offengehalten wurde, und zwar in voller Breite, weil Lieferungen durchgeführt wurden und anschließend das Verkaufspersonal bei geöffneter Tür Gespräche führte, und die Berufungswerberin daher kein Verschulden treffe, so kann dieser Umstand aber nicht das objektiv rechtswidrige Verhalten der Berufungswerberin rechtfertigen oder entschuldigen.

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt bei Ungehorsamsdelikten - auch die obzitierte gesetzliche Bestimmung stellt ein Gebot dar, dessen Nichterfüllung unter Strafe gestellt wird, und sohin ein Ungehorsamsdelikt - fahrlässiges Verhalten, welches ohne weiteres anzunehmen ist, wenn die Berufungswerberin nicht glaubhaft macht, daß sie an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Die von der Berufungswerberin gemachten Einwendungen sind zwar nicht von der Hand zu weisen, aber die Bestimmungen der AAV bzw. des ASchG legen dem Arbeitgeber Sorgfaltspflichten auf, konkret also die Sorgfaltspflicht, für eine ausreichende Raumtemperatur zu sorgen, und es hat demgemäß der Arbeitgeber jede Vorsorge zu treffen, um diesem Gebot Rechnung zu tragen. Eine diesbezügliche Vorsorge wurde aber von der Berufungswerberin nicht behauptet und auch nicht nachgewiesen. Das Vorbringen, daß eine geeignete Heizung vorhanden sei und auch ein diesbezüglicher Servicevertrag vorhanden sei, reichen insofern nicht aus, da dieser Umstand gar nicht in Zweifel gezogen wurde bzw. nicht allein maßgeblich für die ungenügende Raumtemperatur war. Vielmehr hätte die Berufungswerberin angesichts der Pflicht zur Einhaltung der Raumtemperatur in anderer Weise Vorsorge treffen müssen, wie durch die Regelung des Eingangsbereiches oder - wie auch das Arbeitsinspektorat angeführt hat - die Vorsorge mit warmer Bekleidung. Es ist daher ein Entlastungsbeweis gemäß § 5 Abs.1 VStG nicht gelungen.

Es kann aber die Berufungswerberin auch keinen Notstand, welcher ihr Verhalten entschuldigen könnte, für sich geltend machen. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist unter Notstand ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten zu verstehen, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein durch Begehung einer im allgemeinen strafbaren Handlung retten kann. Weiters gehört es zum Wesen des Notstandes, daß die Gefahr zumutbarer Weise nicht anders als durch die Begehung der objektiv strafbaren Handlungen zu beheben und die Zwangslage nicht selbst verschuldet ist. Diese Voraussetzungen treffen aufgrund der oben geschilderten Sachlage nicht zu.

Es hat demnach die Berufungswerberin das strafbare Verhalten auch zu vertreten, wobei schon die belangte Behörde zu Recht Fahrlässigkeit angenommen hat bzw. von Fahrlässigkeit gemäß § 5 Abs.1 VStG auszugehen war.

5.4. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Dem ordentlichen Verfahren sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungsund Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse der Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Weder im angefochtenen Straferkenntnis wurden Vorstrafen aufgeführt noch scheinen solche im Verwaltungsstrafakt auf, sodaß von der Unbescholtenheit der Berufungswerberin auszugehen ist.

Zutreffend ist die belangte Behörde im angefochtenen Straferkenntnis von sehr wenig Verschulden ausgegangen. Im besonderen mußte auch berücksichtigt werden, daß die Temperatur nur aufgrund des angespannten Verhältnisses zur benachbarten Firma S und nur zu einer bestimmten Uhrzeit aufgrund der durchgeführten Lieferungen so gering war und es sich dabei nicht um einen Dauerzustand handelte. Der gesamte Sachverhalt ergab nämlich nur eine punktuelle Messung und nicht eine Temperaturmessung in Abständen, sodaß eine regelmäßige Unterschreitung der Raumtemperatur nicht festgestellt wurde. Diese Einschränkung auf nur eine punktuelle Messung und Temperaturunterschreitung hat daher im Hinblick auf die Begleitumstände auch Auswirkungen auf das Verschulden, welches entsprechend als gering anzusehen ist. Es ist daher der Tatvorwurf nur eingeschränkt zu machen.

In Anbetracht des Unrechtsgehaltes der Tat, und der verletzten Interessen - es sollte nämlich durch die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften die Gesundheit und das Leben der Arbeitnehmer geschützt werden - konnte aber nicht von einem geringfügigen Verschulden ausgegangen werden, welches ein Absehen von der Strafe rechtfertigt. Es ist nämlich aufgrund der Nichteinhaltung der vorgeschriebenen Raumtemperatur eine Gefährdung der Arbeitnehmer vorhanden gewesen, wenngleich auch ein tatsächlicher Schaden nicht bekannt geworden ist. Gerade eine solche Gesundheitsgefährdung will die verletzte Rechtsvorschrift von vornherein ausschließen. Ein Absehen von der Strafe war nicht zu rechtfertigen.

Unter Bedachtnahme auf die Einschränkung der Tat und auf den Umstand, daß die Unbescholtenheit von der belangten Behörde nicht berücksichtigt wurde, sowie aufgrund der Tatsache, daß die Verwaltungsübertretung nur durch außergewöhnliche Umstände, welche im übrigen nicht von der Berufungswerberin herbeigeführt wurden, eingetreten ist, konnte bzw. mußte die verhängte Strafe herabgesetzt werden. Diese Strafe ist tat- und schuldangemessen und geeignet, die Berufungswerberin dazu anzuleiten, in Hinkunft dafür Sorge zu tragen, daß eine gleichmäßige Raumtemperatur hergestellt wird.

Aus all den angeführten Gründen kommt den Berufungsargumenten des Arbeitsinspektorates keine Berechtigung zu und ist die beantragte Strafe in der Höhe von 10.000 S bei weitem überhöht. Diese Strafe nimmt keine Rücksicht auf die besonderen Umstände des Einzelfalles, auf den nur eingeschränkten Tatzeitpunkt, auf die Unbescholtenheit sowie auf das nur geringfügige Verschulden. Es muß weiters herangezogen werden, daß kein Schaden bekannt wurde bzw. eingetreten ist. Aufgrund der erstmaligen Tatbegehung erscheint daher das beantragte Strafausmaß von 10.000 S im Hinblick auf eine Höchststrafe von 50.000 S sehr überhöht.

6. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Spruch zitierten Gesetzesbestimmungen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. K l e m p t 6

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