Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-220270/13/Kon/Rd

Linz, 19.03.1993

VwSen - 220270/13/Kon/Rd Linz, am 19. März 1993 DVR.0690392 - &

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 1. Kammer unter dem Vorsitzenden: Dr. Hans Guschlbauer den Berichter Dr. Robert Konrath und den Beisitzer Dr. Kurt Wegschaider über die Berufung des Prof. Dipl.-Ing. Dr. H, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 28.7.1992, GZ: 501/So-192/91/a-Str, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Strafverfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 31 Abs.2 lit.p ASchG, BGBl.Nr. 234/1972 idF, BGBl.Nr. 544/1982 iVm § 62 Abs.1 der Verordnung BGBl.Nr. 267/1954; § 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG, § 44a Z1 VStG und § 45 Abs.1 Z1 VStG.

II. Es entfällt die Vorschreibung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Im angefochtenen Straferkenntnis wird der Beschuldigte Prof.Dipl.-Ing. Dr.H der Verwaltungsübertretung gemäß § 31 Abs.2 lit.p iVm § 33 Abs.1 lit.a Z12 und Abs.7 des ASchG, BGBl.Nr. 234/1972 idgF iVm § 62 Abs.1 Bauarbeitenschutzverordnung, BGBl.Nr. 267/1954 idgF für schuldig erkannt, weil er es als Vorstandsdirektor (richtig wohl: handelsrechtlicher Geschäftsführer) und somit gemäß § 9 VStG verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher der V, zu vertreten hat, daß am 24.1.1991 der Arbeitnehmer A in einer Höhe von ca. 14,50m mit Stahlbaudemontagearbeiten des Vorkühlers 8 in der Kokereistraße (Baustelle: Vorkühler 8, im Betriebsgelände) unangeseilt beschäftigt wurde, obwohl sich die Dienstnehmer bei Montage und Demontage von Metall- und Holzbauwerken, wenn keine sicheren Arbeitsplätze, Schutzgerüste oder Fangnetze vorhanden sind, gemäß § 62 Abs.1 der Bauarbeiterschutzverordnung durch Anseilen unter Benützung eines Sicherheitsgürtels gegen Absturz zu sichern haben.

Gemäß § 31 Abs.2 ASchG wurde über den Beschuldigten wegen dieser Verwaltungsübertretung eine Geldstrafe in der Höhe von 25.000 S verhängt. Im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 14 Tagen.

Ferner wurde der Beschuldigte gemäß § 64 Abs.2 VStG verpflichtet, 2.500 S als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu zahlen.

Gegen dieses Straferkenntnis hat der Beschuldigte, vertreten wie oben, rechtzeitig Berufung erhoben und darin im wesentlichen mit näherer Begründung mangelndes Verschulden an der ihm angelasteten Tat eingewandt.

Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.

Der Vorschrift der zitierten Gesetzesstelle ist entsprochen wenn a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, daß er im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und b) der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Ausschließlich nach diesen Gesichtspunkten ist in jedem konkreten Fall insbesondere auch zu beurteilen, ob die im Spruch eines Straferkenntnisses enthaltene Identifizierung der Tat nach Ort und Zeit den § 44a Z1 VStG genügt oder nicht. Daß an Tatort- und Tatzeitumschreibung zu stellende Erfordernis wird daher nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen jedes einzelnen Falles ein verschiedenes, weil an den vorstehend wiedergegebenen Rechtsschutzüberlegungen zu messendes Erfordernis sein. Diesen Erfordernissen entspricht der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses, nämlich die darin enthaltene Tatzeitumschreibung, aufgrund der im verfahrensgegenständlichen Fall gegebenen Begleitumständen, aus folgenden Gründen nicht:

So ist darauf hinzuweisen, daß der im Spruch angeführte Arbeitnehmer A im Zuge von am 24.1.1991 (Tatzeit) durchgeführten Demontagearbeiten am Tatort (Baustelle: Vorkühler 8, im Betriebsgelände) tödlich verunglückte. Aufgrund dieses tödlichen Unfalles wurde Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Linz erstattet. Das diesbezügliche Verfahren wurde von dieser mit Beschluß vom 12.6.1991, 5St404/91, gemäß § 90 StPO eingestellt. Wie dem erstbehördlichen Akt zu entnehmen ist, insbesondere der Stellungnahmen des AI für den 9. Aufsichtsbezirk vom 16.7.1991 und vom 13.9.1991, ON 59 bzw. ON 77, stellen die Anzeigen und der Strafantrag des genannten Arbeitsinspektorates vom 4.2.1991 auf eine nicht mit dem Arbeitsunfall in (zumindest direktem) Zusammenhang stehende Verletzung des § 62 Abs.1 Bauarbeiterschutzverordnung ab. Aufzuzeigen ist dabei, daß die oben erwähnte Stellungnahme vom 13.9.1991 diesbezüglich ihrem Wortlaut nach unklar gehalten ist ("die zur Last gelegte Verwaltungsübertretung bezieht sich nicht (nur) auf den Arbeitsunfall, sondern auf die vor dem Unfallzeitpunkt durchgeführten Stahlbaudemontagearbeiten"). Nach der Tatzeitumschreibung im Spruch, die lediglich die Datumsangabe: 24.1.1991 enthält, ist es aber nicht möglich, zwischen der mit dem Unfall im Zusammenhang stehenden und der davon unabhängigen Verletzung des § 62 Abs.1 Bauarbeitenschutzverordnung zu unterscheiden, weil hiezu eine bis zur Uhrzeitangabe reichende Tatzeitangabe erforderlich wäre. Nach der Tatumschreibung laut Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses kann aber durchaus davon ausgegangen werden, daß die dem Beschuldigten angelastete Verletzung des § 62 Abs.1 Bauarbeitenschutzverordnung mit dem tödlich verunglückten Arbeitnehmer Alois Dall im Zusammenhang steht. Der aufgezeigte Mangel einer nicht bis zur Uhrzeit bestimmten Tatzeitangabe bewirkt, daß die zufolge der Subsidiaritätsklausel in § 31 Abs.2 ASchG vom unabhängigen Verwaltungssenat vorzunehmende Prüfung seiner Zuständigkeit zur Tatahndung nicht möglich ist. Hinsichtlich der Verpflichtung zur selbständigen Zuständigkeitsprüfung wird auf die Erkenntnisse des VwGH vom 12.6.1980, Zl. 405 und 407/79 und vom 8.10.1990, Zl.90/19/0036 verwiesen. Im weiteren siehe auch Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, Anm. 5 zu § 30 VStG und die zitierten Erkenntnisse des VwGH, Seite 864.

Darüber hinaus wurde das Nichtvorhandensein von sicheren Arbeitsplätzen, Schutzgerüsten oder Fangnetzen nur als verba legalia nicht aber als Auslöser für die Anseilpflicht festgestellt.

Ohne Einfluß auf die vorliegende Berufungsentscheidung und unabhängig von dieser, vertritt jedoch im übrigen der unabhängige Verwaltungsssenat die Ansicht, daß bei Annahme - dem Spruch nach wäre dies nicht auszuschließen - eines zeitlichen Zusammenhangs zwischen der Verwaltungsübertretung und dem tödlichen Arbeitsunfall des Alois Dall, das Tatbild des § 80 StGB (fahrlässige Tötung) und sohin die Zuständigkeit des Gerichtes zur Tatahndung gegeben wäre. Dies deshalb, weil die Verletzung der Bestimmungen des § 62 Abs.1 Bauarbeitenschutzverordnung durch Fehlenlassen von jeglichen, bis zu Baustellen durchschlagenden, Stichprobenkontrollen ohne Installierung einer Rückkoppelungspflicht bei besonders gefährlichen (wie gegenständlichen) Arbeiten die Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintrittes (Tod), gegenüber rechtmäßigem Alternativverhalten erhöht hat (Erläuterung II. zu § 80 StGB, Foregger-Serine, StGB, 4. Auflage, Manz-Verlag Wien, Seite 212).

Aus den dargelegten Gründen war wie im Spruch zu entscheiden.

Die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung, die auch in der Berufung beantragt wurde, konnte gemäß § 51e Abs.1 VStG entfallen, weil bereits aus der Aktenlage zu ersehen war, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben war.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung die Beschwerde an den Verwaltungs- oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sofern sie vom Beschuldigten erhoben wird, ist sie von einem Rechtsanwalt zu unterfertigen. Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Guschlbauer 6

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