Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-220291/13/Kl/Rd

Linz, 21.04.1994

VwSen-220291/13/Kl/Rd Linz, am 21. April 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des F S, vertreten durch RA DDr. G P, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 2.9.1992, Ge96/127/1991/Pa, wegen einer Übertretung der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 6.4.1994 und mündlicher Verkündung am 21.4.1994 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Verfahrenskostenbeiträgen.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 45 Abs.1 Z1 VStG.

zu II.: § 66 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 2.9.1992, Ge96/127/1991/Pa, wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 3.000 S, Ersatzfreiheitsstrafe von drei Tagen, wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs.1 und 2 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung iVm § 31 Abs.2 lit.p ASchG verhängt, weil er als gemäß § 9 VStG verantwortlicher handelsrechtlicher Geschäftsführer der L Granitindustrie GesmbH am 14.8.1991 im Bereich des Steinbruches L den einzigen im Betrieb vorhandenen Backenbrecher vom Arbeitnehmer A K verwenden lassen hat, obwohl der Auslauf des Backenbrechers nicht gekapselt war und es dadurch an dieser Arbeitsstelle zu einer für die Gesundheit des Arbeitnehmers nachteiligen Konzentration von Quarzfeinstaub kam. Weiters wurde ein Verfahrenskostenbeitrag von 300 S festgelegt.

2. Dagegen richtet sich die fristgerecht eingebrachte Berufung, mit welcher mangelhafte Tatsachenfeststellung und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht wurden.

Dazu wurde ausgeführt, daß der Backenbrecher zum Kontrollzeitpunkt mit Kunststoffplanen umkleidet war, während eine feste Umkapselung technisch nicht möglich war. Möglicherweise sei aber die Planenumkleidung vom Bedienungsorgan nicht mehr ordnungsgemäß angebracht worden. Ein Verschulden liege aber nicht vor, weil das namhaft gemachte Bedienungsorgan als Maschinenwärter für die Betreuung, Überwachung und Reparatur bestellt worden sei und eine ständige Kontrolle dieser Person nicht möglich sei. Eine Vorschrift, wie die Kapselung auszusehen hat, ist dem Verfahren nicht zu entnehmen.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt und keine Äußerung abgegeben.

4. Der O.ö. Verwaltungssenat hat in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt Einsicht genommen und Beweis erhoben durch die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 6.4.1994, zu welcher neben dem Berufungswerber, seinem Rechtsvertreter, dem beteiligten Arbeitsinspektorat für den 18. Aufsichtsbezirk auch der Zeuge Ing. W W vom anzeigenden Arbeitsinspektorat für den 9.

Aufsichtsbezirk und der Arbeitnehmer A K als Zeugen geladen wurden.

Aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens war im wesentlichen festzustellen, daß die gegenständliche Brechanlage aus einem Backenbrecher, einem Förderband, einer nachfolgenden Siebemaschine, weiters einem Nachbrecher (Kreiselbrecher) und weiteren Förderbändern besteht. Für diese Brechanlage wurde aufgrund von gewerbebehördlichen mündlichen Verhandlungen am 30.4.1985 und 5.12.1985 mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 4.2.1986 die gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigung für ua die Errichtung einer Brecheranlage im Lasberger Steinbruch erteilt. Danach wurden für die Brecheranlage (Backenbrecher) Sprühanlagen zur Niederschlagung des entstehenden Staubes und die Errichtung einer schallschluckenden Umhausung vorgeschrieben.

Weiters wurde hinsichtlich des Kreiselbrechers vorgeschrieben, daß alle staubemittierenden Betriebsanlagen bzw.

-bereich so staubdicht zu kapseln und an ausreichend leistungsfähige Staubabsaug- und abscheideanlagen anzuschließen sind, daß die Staubkonzentrationen in allen Betriebsbereichen, in denen sich Arbeitnehmer aufhalten, die jeweils höchstzulässige Konzentration nicht überschreiten.

Erst im Zuge der gewerbebehördlichen Betriebsbewilligung für die Brecheranlage mit Bescheid vom 29.4.1993 wurde weiters vorgeschrieben, daß sowohl am Backenbrechereinlauf als auch am -auslauf eine Wasserbesprühvorrichtung vorzusehen ist.

Bei einer am 14.8.1991 vom Arbeitsinspektorat für den 9.

Aufsichtsbezirk durchgeführten Kontrolle der Brechanlage wurde festgestellt, daß am Backenbrecherauslauf eine Abkapselung nicht vorhanden war, obwohl laut Gutachten der österr. Silikosebekämpfungsstelle Feinstaubkonzentrationen über den zulässigen MAK-Werten beim Backenbrecher gemessen wurden und eine Abkapselung des Backenbrecherauslaufes zur Minderung der Staubkonzentration gefordert wurde.

Der Arbeitsplatz des genannten Arbeitnehmers befindet sich in einem geschlossenen Bedienungsstand (Führerkabine) in der Umhausung der Backenbrecheranlage. Zur Kontrolle, Wartung usw. hat der Arbeitnehmer jedenfalls auch die Brecherbühne im unmittelbaren Bereich der Brechanlage zu betreten.

5. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

5.1. Gemäß § 100 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung, BGBl.Nr. 218/1983 idgF, sind Übertretungen dieser Verordnung nach Maßgabe des § 31 des Arbeitnehmerschutzgesetzes zu ahnden, wobei gemäß § 31 Abs.2 lit.p Arbeitnehmerschutzgesetz, BGBl.Nr. 234/1972 idgF (kurz: ASchG), Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die den Vorschriften der aufgrund des § 24 dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen oder den aufgrund des § 27 dieses Bundesgesetzes vorgeschriebenen Bedingungen und Auflagen oder den erteilten Aufträgen zuwiderhandeln, eine Verwaltungsübertretung begehen und von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 50.000 S zu bestrafen sind.

Gemäß § 20 Abs.1 Allgemeine Arbeitnehmerschutzverordnung (kurz: AAV) darf an Arbeitsstellen in Räumen, die keine Betriebsräume sind, nur gearbeitet werden, wenn die Arbeitsbedingungen den Erfordernissen des Arbeitnehmerschutzes entsprechen. Es ist zumindest im unumgänglich notwendigen Ausmaß für Maßnahmen iSd §§ 10, 11, 13, 14 und 16 bis 18 zu sorgen.

Danach sind Betriebseinrichtungen, Arbeitsvorgänge und Arbeitsverfahren, mit denen eine erhebliche Beeinträchtigung der Arbeitnehmer durch Gase, Dämpfe, Schwebstoffe, blendendes Licht, schädliche Strahlen, Wärme, üblen Geruch oder ähnliche Einwirkungen verbunden ist, nach Möglichkeit in eigenen Räumen unterzubringen oder durchzuführen (§ 16 Abs.1 AAV). Bei Arbeiten in Betriebsräumen, bei denen sich die Entwicklung von Gasen, Dämpfen oder Schwebstoffen gesundheitsgefährdender Arbeitsstoffe in einer gefährlichen oder in anderer Weise für die Gesundheit nachteiligen Konzentration nicht vermeiden läßt, ist die mit diesen Arbeitsstoffen verunreinigte Luft durch geräuscharm arbeitende Absaugeanlagen möglichst an der Entstehungs- oder Austrittsstelle abzuführen. Eine Konzentration iSd ersten Satzes liegt jedenfalls dann vor, wenn die in den amtlichen Nachrichten des BM für soziale Verwaltung und des BM für Gesundheit und Umweltschutz verlautbarten maximalen Arbeitsplatzkonzentrationen und Technischen Richtkonzentrationen von Arbeitsstoffen überschritten sind (§ 16 Abs.2 AAV).

5.2. Der im Sachverhalt beschriebene Arbeitsplatz befindet sich in der Führerkabine der Backenbrecherumhausung und ist ein Führer- bzw. Bedienungsstand und sohin eine Arbeitsstelle iSd § 1 Z5 AAV.

5.3. Der dem Berufungswerber gemachte Tatvorwurf, daß der Backenbrecherauslauf nicht gekapselt war und es dadurch an der Arbeitsstelle zu einer für die Gesundheit des Arbeit nehmers nachteiligen Konzentration von Quarzfeinstaub kam, war nicht Inhalt einer Auflage der Betriebsanlagenbewilligungsbescheide für die Brecheranlage. Wie nämlich festgestellt wurde, wurden lediglich eine Umhausung sowie Berieselungsanlagen vorgeschrieben. Insofern ist auch die im angefochtenen Straferkenntnis ausgeführte Begründung unter Hinweis auf die Bescheidauflage unrichtig, weil sich diese zitierte Auflage, welche auch im festgestellten Sachverhalt zitiert wurde, lediglich auf den Kreiselbrecher bezieht.

Die Nichteinhaltung von Bescheidauflagen wurde im übrigen mit dem angefochtenen Straferkenntnis nicht vorgeworfen.

Daß aber die Betriebseinrichtung (der Backenbrecher bzw.

Backenbrecherauslauf) abzukapseln ist, ist weder der dem Tatvorwurf zugrundegelegten Bestimmung des § 20 Abs.1 und 2 noch den damit im Zusammenhang stehenden Vorschriften des § 16 Abs.1 und Abs.2 AAV zu entnehmen. Danach sind nämlich Betriebseinrichtungen bzw. Arbeitsvorgänge in eigenen Räumen unterzubringen bzw. zur Vermeidung von für den Arbeitnehmer nachteiligen Konzentrationen geräuscharm arbeitende Absauganlagen vorzusehen.

Während es dem Spruch schon an einer näheren - die Strafbarkeit begründenden - Konkretisierung der nachteiligen Konzentration iSd vom BM festgelegten MAK-Wertes fehlte, wird dem Berufungswerber jedoch das Fehlen einer Absauganlage überhaupt nicht vorgeworfen. Weitere Maßnahmen, wie zB Abkapselung, sind hingegen nach dieser Norm nicht vorgesehen. Eine derartige Maßnahme befindet sich im § 17 Abs.1 AAV zur Verminderung einer Lärmbeeinträchtigung. Eine solche wurde aber nicht vorgeworfen.

Es war daher festzustellen, daß der im Schuldspruch des angefochtenen Straferkenntnisses dem Berufungswerber gemach te Vorwurf der Nichterfüllung der Abkapselung keine Deckung in den Bestimmungen nach der AAV findet bzw der Vorwurf nicht geeignet ist, den Tatbestand einer anderen Bestimmung der AAV zu bilden. Weitergehende Schutzmaßnahmen wurden darüber hinaus von der Behörde nicht mit Bescheid angeordnet (§ 96 AAV).

Es bildet daher die dem Berufungswerber zur Last gelegte Tat keine Verwaltungsübertretung der AAV und war daher das diesbezügliche Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen (§ 45 Abs.1 Z1 VStG).

6. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Spruch zitierte Gesetzesstelle.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. K l e m p t

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