Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420253/18/Gf/Km

Linz, 14.05.1999

VwSen-420253/18/Gf/Km Linz, am 14. Mai 1999

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Beschwerde des H H, vertreten durch RA Mag. D S, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt am 22. Jänner 1999 durch Organe des Bezirkshauptmannes von Linz-Land zu Recht erkannt:

I.Die Beschwerde wird insoweit, als mit dieser die Verbringung durch Gendarmeriebeamte vom Posten Leonding in die geschlossene Abteilung des Wagner-Jauregg-Krankenhauses Linz am 22. Jänner 1999 als rechtswidrig angefochten wird, als unbegründet abgewiesen.

II.Im übrigen wird diese mangels eines tauglichen Anfechtungsgegenstandes als unzulässig zurückgewiesen.

Rechtsgrundlage:

§ 67c Abs. 3 AVG.

Entscheidungsgründe:

1.1. In seiner am 4. März 1999 - und damit rechtzeitig - zur Post gegebenen, auf Art. 129a Abs. Z. 2 B-VG i.V.m. § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG gestützten Beschwerde bringt der Rechtsmittelwerber vor, am 22. Jänner 1999 im Anschluß an eine Einvernahme auf dem Gendarmerieposten L gegen 20.00 Uhr zwangsweise in die geschlossene Abteilung des Wagner-Jauregg-Krankenhauses L verbracht und dort bis zum 26. Jänner 1999 um 9.25 Uhr angehalten sowie in diesem Zeitraum gegen seinen Willen einer besonderen Heilbehandlung unterzogen worden zu sein.

1.2. Dagegen richtet sich die vorliegende Maßnahmenbeschwerde, mit der eine Verletzung des Rechtsmittelwerbers in seinen durch Art. 5 MRK verfassungsmäßig sowie durch das Unterbringungsgesetz, BGBl.Nr. 155/1990, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 12/1997 (im folgenden: UbG), einfachgesetzlich gewährleisteten Rechten geltend gemacht wird.

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Staatsanwaltschaft Linz zu Zl. Jv-239-1/99 sowie im Wege der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 11. Mai 1999, zu der als Parteien der Beschwerdeführer im Beisein seines Rechtsvertreters einerseits und E B als Vertreterin des Bezirkshauptmannes von Linz-Land und Dr. S S als Vertreter der Staatsanwaltschaft Linz andererseits sowie die Zeugen Insp. G S (GP L), Mag. D G (StA Linz) und Dr. B L (Wagner-Jauregg-Krankenhaus L) erschienen sind.

2.1. Im Zuge dieser Beweisaufnahme wurde folgender entscheidungswesentliche Sachverhalt festgestellt:

Am 22. Jänner 1999 begab sich der Beschwerdeführer nachmittags in ein Restaurant im U-S-Center und geriet dort in eine tätliche Auseinandersetzung mit den Betreibern dieses Lokales. Die daraufhin herbeigeholte Gendarmeriestreife verbrachte den Rechtsmittelwerber mit dessen Zustimmung gegen 17.00 Uhr auf den Posten L, um dort mit ihm eine Niederschrift über diesen Vorfall aufzunehmen.

Im Zuge dieser Einvernahme fiel dem Beschwerdeführer mehrmals sein Kugelschreiber sowie ein Glas seiner zuvor beschädigten Brille zu Boden, worüber sich dieser nach dem Eindruck des die Befragung durchgeführt habenden ersten Zeugen mehr als eine durchschnittliche, von einer vergleichbaren Situation betroffene Person ärgerte. Außerdem äußerte er während der Einvernahme sinngemäß, daß sein Leben bzw. wie dieses verlaufe keinen Sinn mehr habe. Schließlich ergab sich auch, daß er zuvor im Lokal eine Kellnerin bedroht hatte und gegen ihn seit 1996 ein aufrechtes Waffenverbot besteht, weil damals in seiner Wiener Wohnung im Zuge einer polizeilichen Hausdurchsuchung Faust- und Langfeuerwaffen vorgefunden wurden, zu deren Besitz er keine behördliche Berechtigung besaß.

Da sohin der Verdacht entstand, daß der Beschwerdeführer auch in seiner Linzer Wohnung unberechtigterweise Waffen verborgen haben könnte, die er allenfalls auch gegen die Kellnerin des Lokales zur Untermauerung seiner Drohung verwenden könnte, nahm der erste Zeuge gegen 19.30 Uhr Kontakt mit dem diensthabenden Staatsanwalt auf, um diesen zur Beantragung eines Haftbefehls, einer Verwahrungsanordung gemäß den §§ 429 ff StPO und/oder eines Hausdurchsuchungsbefehles zu veranlassen.

Als ihm der zweite Zeuge jedoch bedeutete, daß die gesetzlichen Voraussetzungen hiefür jeweils nicht gegeben seien, ihm aber gleichzeitig riet (und ihm nicht - wie aus der im Akt erliegenden Anzeige hervorzugehen scheint - eine entsprechende Weisung erteilte), bei Vorliegen der entsprechenden Anforderungen eine Unterbringung nach dem UbG zu veranlassen, wurde der Beschwerdeführer - weil der örtlich zuständige Amtsarzt nicht greifbar war - direkt ins Wagner-Jauregg-Krankenhaus nach L verbracht. Dem Rechtsmittelwerber mißfiel diese Anordnung zwar offensichtlich, doch leistete er dagegen keinen körperlichen Widerstand, sodaß auch keine Zwangsanwendung seitens der einschreitenden Beamten erforderlich war.

Im Krankenhaus wurde der Beschwerdeführer in der sogenannten "Aufnahmestation", die sich bereits im geschlossenen Bereich befindet, zunächst vom dritten Zeugen einer Befragung unterzogen, in deren Verlauf er sich insofern wenig kooperativ zeigte, indem er kaum entsprechende Antworten gab. Da ein Blick in die Patientenkartei ergab, daß der Rechtsmittelwerber bereits 1996 wegen einer Anpassungs- und schizoiden Persönlichkeitsstörung in diesem Krankenhaus stationär in Behandlung sowie 1986 wegen psychischer Probleme auf Betreiben seines Vaters in ein Wiener Krankenhaus (B Höhe) zwangsweise eingewiesen war und sonach eine Fremdgefährdung, aber auch eine Eigengefährdung jedenfalls nicht ausgeschlossen werden konnte, hat der dritte Zeuge aufgrund seiner Diagnose ("Raptus" - plötzlich einsetzender Erregungszustand; vgl. W. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 257. Auflage, Berlin 1994, 1292) die Unterbringung in der geschlossenen Anstalt für unumgänglich erachtet.

Sein Kollege Dr. L kam bei seiner Untersuchung zu dem gleichen Ergebnis, sodaß letztlich die zwangsweise Verwahrung angeordnet wurde, welcher sich der Beschwerdeführer nach einigem Zureden schließlich auch widerstandslos fügte, sodaß zu deren Durchsetzung die Ausübung physischer Gewalt nicht erforderlich war.

2.2. Diese Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus den insoweit übereinstimmenden, glaubwürdigen und in sich widerspruchsfreien Aussagen der in der mündlichen Verhandlung unter Wahrheitspflicht einvernommenen Zeugen.

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1.1. Gemäß § 8 UbG darf eine Person gegen ihren Willen u.a. nur dann in eine Anstalt gebracht werden, wenn ein im öffentlichen Sanitätsdienst stehender Arzt sie untersucht und - begründet - bescheinigt, daß die Voraussetzungen der Unterbringung vorliegen.

Nach § 9 Abs. 1 UbG sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes berechtigt und verpflichtet, eine Person, bei der sie aus besonderen Gründen die Voraussetzungen der Unterbringung für gegeben erachten, zur Untersuchung zu einem derartigen Arzt zu bringen; bescheinigt dieser das Vorliegen der Unterbringungsvoraussetzungen, so haben diese jene Person in eine Anstalt zu bringen oder andernfalls sie freizulassen.

Bei Gefahr in Verzug können die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gemäß § 9 Abs. 2 UbG eine solche Person aber auch ohne Untersuchung und Bescheinigung in eine Anstalt bringen.

Nach § 10 UbG ist die verbrachte Person in der Anstalt unverzüglich vom Abteilungsleiter und einem weiteren Facharzt zu untersuchen; sie darf nur dann aufgenommen werden, wenn die Voraussetzungen der Unterbringung nach übereinstimmenden, unabhängig voneinander erstellten ärztlichen Zeugnissen vorliegen. Im Falle der Aufnahme hat der Abteilungsleiter den Patienten ehestens über die Gründe der Unterbringung zu unterrichten und unverzüglich den Patientenanwalt zu verständigen.

3.1.2. Gemäß § 3 UbG darf nur derjenige in einer Anstalt untergebracht werden, der an einer psychischen Krankheit leidet und im Zusammenhang damit sein Leben oder seine Gesundheit oder das Leben oder die Gesundheit anderer ernstlich und erheblich gefährdet und nicht in anderer Weise ausreichend ärztlich behandelt oder betreut werden kann.

3.1.3. Nach § 18 UbG hat das Gericht über die Zulässigkeit einer Unterbringung gemäß § 10 UbG nach Prüfung der entsprechenden Voraussetzungen zu entscheiden.

3.1.4. Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG i.V.m. § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG ermöglicht es dem einzelnen, Beschwerde an den unabhängigen Verwaltungssenat zu führen, wenn er behaupten kann, daß er durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in seinen Rechten verletzt wurde.

3.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. insbesondere VwGH v. 28. Jänner 1994, 93/11/0035, mit zahlreichen weiteren Nachweisen) kann im Zuge einer Maßnahmenbeschwerde gemäß Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG mit Blick auf § 18 UbG nur die der Überprüfung der Aufnahme in die Anstalt vorangegangenen polizeilichen Zwangsmaßnahmen (d.i. die Verbringung zu einem Arzt und in die Krankenanstalt) geltend gemacht werden. Eine - der Kontrolle der ordentlichen Gerichtsbarkeit unterliegenden, damit aber keine Ausübung von behördlicher Befehls- oder Zwangsgewalt i.S.d. Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG darstellende - Unterbringung ist danach hingegen bereits ab dem Zeitpunkt gegeben, zu dem eine in eine Anstalt eingelieferte Person durch Anstaltspersonal Einschränkungen in ihrer Bewegungsfreiheit unterworfen wird.

3.3. Für den gegenständlichen Fall, wo eine Vorführung vor einen im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arzt nicht zustandekam und damit auch keine entsprechende Bescheinigung ("Parere") gemäß § 8 UbG vorlag, reduziert sich die entscheidungsrelevante Problematik damit aber auf die Frage, ob die materiellrechtlichen Voraussetzungen des § 3 UbG gegeben waren und ob jene die Verbringung in die Krankenanstalt vorgenommen habenden Sicherheitsorgane zutreffend vom Vorliegen von "Gefahr in Verzug" i.S.d. § 9 Abs. 2 UbG ausgehen konnten.

In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß die Beurteilung, ob die Unterbringungsvoraussetzungen nach § 3 UbG gegeben sind, in den Fällen des § 8, des § 9 Abs. 2 oder des § 10 Abs. 1 UbG jeweils in unterschiedlicher Intensität zu erfolgen hat, nämlich: entweder durch einen im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arzt (der kein Facharzt sein muß), durch ein Sicherheitsorgan (das überhaupt kein Arzt ist) oder durch Zeugnisse zweier voneinander unabhängiger Fachärzte. Für deren Verhältnis untereinander ergibt sich daraus aber, daß dann, wenn das Vorliegen der Unterbringungsvoraussetzungen gemäß § 10 Abs. 1 UbG vom Abteilungsleiter und einem weiteren Facharzt der Krankenanstalt festgestellt wurde, eine Rechtswidrigerklärung der Verbringung in diese Anstalt mangels Vorliegen der entsprechenden materiellen Voraussetzungen von vornherein nicht in Betracht kommt; aber selbst im gegenteiligen Fall steht die Rechtswidrigkeit der Verbringung nicht schon von vornherein fest, sondern diesfalls wäre noch zu prüfen, ob die Sicherheitsorgane nicht zumindest vertretbar vom Zutreffen der Unterbringungsvoraussetzungen hätten ausgehen können (vgl. z.B. VwGH v. 26. Juni 1997, 94/11/0340).

Nachdem im vorliegenden Fall aber schon das Gutachten der beiden Anstaltsfachärzte jeweils ergeben hat, daß der Beschwerdeführer zum Vorfallszeitpunkt an einer psychischen Krankheit i.S.d. § 3 UbG litt ("Raptus"), war dessen Verbringung in die Anstalt gemäß § 9 Abs. 2 UbG sohin nach der eben dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes allein deshalb materiell jedenfalls rechtmäßig.

Daß die einschreitenden Sicherheitsorgane davon abgesehen etwa durch die Art und Weise, wie sie den Rechtsmittelwerber in die Krankenanstalt verbrachten, dessen subjektive Rechtssphäre beeinträchtigt hätten, wurde von diesem hingegen weder vorgebracht noch haben sich darauf deutende Hinweise im Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat ergeben.

3.4. Die gegenständliche Beschwerde war daher gemäß § 67c Abs. 3 AVG insoweit als unbegründet abzuweisen.

Im übrigen - nämlich: soweit mit dieser die zwangsweise Anhaltung in der Anstalt vom 22. bis zum 26. Jänner 1999 sowie die Durchführung einer ungewollten besonderen Heilbehandlung am Rechtsmittelwerber angefochten wird - war diese hingegen nach dem Vorausgeführten als unzulässig zurückzuweisen, weil die rechtliche Beurteilung dieser Maßnahmen gemäß § 18 UbG in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte fällt und jene somit schon a priori keine Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt darstellen.

4. Eine Kostenentscheidung gemäß § 79a Abs. 3 AVG war mangels eines darauf gerichteten Antrages der obsiegenden Verfahrenspartei nicht zu treffen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2500 S zu entrichten.

Dr. G r o f

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