Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-220459/9/Schi/Hm

Linz, 01.06.1993

VwSen - 220459/9/Schi/Hm Linz, am 1. Juni 1993 DVR.0690392 - &

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 5. Kammer (Vorsitzende: Dr. Klempt; Beisitzer: Dr. Fragner; Berichter: Dr. Schieferer) über die Berufung der Frau Elfriede S, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 30. Dezember 1992, Ge-96/127/1992/Eich, wegen einer Übertretung der Gewerbeordnung 1973 nach der am 18. Mai 1993 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird hinsichtlich der Schuld keine Folge gegeben; hinsichtlich der Strafe wird der Berufung insofern Folge gegeben, als diese auf 20.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: fünf Tage) herabgesetzt wird.

Rechtsgrundlagen: §§ 366 Abs.1 Z4 iVm § 81 Abs.1 und § 74 Abs.2 Z2 und Z5 GewO 1973; § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 19, 16 und 51 VStG.

II. Der Kostenbeitrag zum Verfahren erster Instanz ermäßigt sich auf 2.000 S. Ein Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren entfällt.

Rechtsgrundlagen: §§ 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.: 1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 30. Dezember 1992, Ge-96/127/1992/Eich, wurde über die Berufungswerberin eine Geldstrafe von 40.000 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Tagen verhängt, weil sie es als verantwortliche gewerberechtliche Geschäftsführerin für das Gewerbe "Tiefkühlen von Lebensmitteln in der Form eines Industriebetriebes" der "Daily Service Tiefkühllogistik Ges.m.b.H." im Standort Asten, , wie von Organen der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land anläßlich eines Lokalaugenscheines am 12. Juni 1992 festgestellt wurde, die erstmals mit Bescheid vom 16.5.1963, Ge-482/6-1963, genehmigte Betriebsanlage nach erfolgter genehmigungspflichtiger Änderung - es wurde in der dortigen Halle ein Tiefkühlhaus mit angeschlossenem Büround Sozialtrakt und einer überdachten Rampe zur An- und Auslieferung der Tiefkühlprodukte eingerichtet und betrieben, westlich der Tiefkühlhalle ein Container für die Kälteaggregate errichtet und betrieben und westlich der erwähnten Verladerampe ein Zubau als Lager für Rollcontainer betrieblich genutzt, wodurch die Möglichkeit einer Belästigung von Nachbarn durch Lärm zB. infolge Betrieb der Kälteaggregate oder Verladetätigkeiten an LKWs oder einer Gefährdung des Grundwassers durch auslaufende Kältemittel bestand - ohne die hiefür erforderliche gewerbebehördliche Genehmigung betrieben wurde. Es wurde daher eine Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs.1 Z4 iVm § 81 Abs.1 und § 74 Abs.2 Z2 und Z5 GewO 1973 begangen.

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht. Im wesentlichen mit der Begründung, daß der Sachverhalt nur unzureichend ermittelt wurde, da die Erstbehörde lediglich von möglichen Beeinträchtigungen von Nachbarrechten spricht und nicht festgestellt hat, ob tatsächlich eine Gefährdung durch die Betriebsanlage entwickelt wurde; weiters ist der Antrag auf Genehmigung der Betriebsanlage am 14. Februar 1991 gestellt worden und erst am 12. Juni 1992 wurde von der Erstbehörde festgestellt, daß der gegenständliche Antrag sehr wohl den gesetzlichen Bestimmung entspricht; der Bewilligungsbescheid wurde am 15. Juli 1992 ausgefertigt. Aufgrund der Gesetzmäßigkeit der Anlage wurde sodann der nunmehr bemängelte Betrieb durchgeführt, weshalb kein Verschulden, auch keine Fahrlässigkeit vorgeworfen werden könne; es müsse daher von einem entschuldbaren Rechtsirrtum ausgegangen werden. Darüber hinaus seien die Voraussetzungen für einen entschuldbaren Notstand vorgelegen, zumal die betriebswirtschaftlich dringend erforderliche Aufnahme des Betriebes unbedingt geboten war, nachdem man bereits 16 Monate auf die entsprechende Bewilligung gewartet hätte. Weiters werde der Einwand der bereits entschiedenen Sache erhoben; die Berufungswerberin sei nämlich bereits wegen des tatsächlich gleichen (identen) Deliktes beschuldigt worden und sei dieses auch in Rechtskraft erwachsen. Schließlich wird die Bemessung der Strafe bemängelt. Es sei weder die Vermögenslosigkeit der Berufungswerberin noch der Umstand, daß die Anlage keinerlei nachteilige Auswirkungen erzeuge, entsprechend berücksichtigt worden. Es wurde daher beantragt, den Bescheid ersatzlos aufzuheben, in eventu die ausgesprochene Strafe erheblich herabzusetzen.

3. Da eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war zur Entscheidung (die nach der Geschäftsverteilung zuständige) 5. Kammer des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich zuständig.

4. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land als belangte Behörde hat den bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt. Eine Stellungnahme wurde nicht abgegeben. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsstrafakt, Ge-96/127/1992/Eich, und durch die Abhaltung der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 18. Mai 1993.

5. Vom unabhängigen Verwaltungssenat wurde aufgrund der Aktenlage und der mündlichen Verhandlung folgender erwiesener Sachverhalt der Entscheidung zugrundegelegt:

5.1. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat mit Bescheid vom 16. Mai 1963, Ge-482/6-1963, die Betriebsanlage der Berufungswerberin erstmalig gewerbebehördlich genehmigt. Die Berufungswerberin hat ein Ansuchen um entsprechende Erweiterung der Betriebsanlage am 14. Februar 1991 bei der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land eingebracht (das eingebrachte Projekt sah unter anderem eine Betriebszeit von jeweils 7.00 Uhr bis 21.00 Uhr in der Zeit von Montag bis Freitag vor, sowie eine Anlieferung durch drei LKWs und eine Auslieferung von sechs LKWs pro Tag). Anläßlich der ersten mündlichen Verhandlung der Gewerbebehörde am 27. April 1992 wurde das Projekt insofern abgeändert, als die Betriebszeit von 6.00 Uhr bis 22.00 Uhr betragen sollte, wobei mit einer Anlieferung von täglich sieben LKWs und für die Auslieferung von täglich acht LKWs zu rechnen wäre. Aus der Verhandlungsschrift ergibt sich, daß die Anrainer in ihrer Stellungnahme Lärmbeschwerden vorgebracht haben. Die gewerbebehördliche Verhandlung wurde dann vertagt, um Lärmmessungen in der Zwischenzeit durchzuführen. Nach Durchführung der Lärmmessungen wurde am 12. Juni 1992 die Verhandlung fortgesetzt, wobei die lärmtechnische Beurteilung ergab, daß die Lärmspitzen nach der ÖAL Richtlinie Nr. 3, Blatt 1, vom Betrieb der Berufungswerberin nicht erreicht werden. Der gewerbetechnische Amtssachverständige erstattete sohin ein Gutachten, nach dem für die Genehmigung der Erweiterung der gegenständlichen Betriebsanlage keine Bedenken bei Einhaltung bestimmter Auflagen bestehen. Im übrigen wurde anläßlich dieser mündlichen Verhandlung festgestellt, daß die mit Bescheid vom 16. Mai 1963 genehmigte Betriebsanlage folgendermaßen geändert und betrieben wurde, ohne daß eine gewerbebehördliche Genehmigung vorlag: In der Halle wurde ein Tiefkühlhaus mit angeschlossenem Büro- und Sozialtrakt und einer überdachten Rampe zur Anund Auslieferung der Tiefkühlprodukte eingerichtet und betrieben, westlich der Tiefkühlhalle ein Container für die Kälteaggregate errichtet und betrieben und westlich der erwähnten Verladerampe ein Zubau als Lager für Rollcontainer betrieblich genutzt. Anläßlich des Lokalaugenscheines am 12. Juni 1992 wurde von der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land festgestellt, daß dadurch die Möglichkeit einer Belästigung von Nachbarn durch Lärm, zB. infolge Betrieb der Kälteaggregate oder Verladetätigkeiten an LKWs oder einer Gefährdung des Grundwassers durch auslaufende Kältemittel bestand. Dieser Umstand wurde auch anläßlich der mündlichen Verhandlung vor dem unabhängigen Verwaltungssenat am 18. Mai 1993 durch den gewerbetechnischen Amtssachverständigen Dipl.Ing. Hubert Puchhammer erhärtet. Dieser konnte als Zeuge schlüssig und glaubwürdig darlegen, daß durch die nachträglich am 15. Juli 1992 genehmigte Betriebsanlage nicht von vornherein auszuschließen war, daß eine Gefährdung des Grundwassers durch auslaufende Kältemittel bzw. eine Belästigung der Nachbarn durch Lärm entstehen hätte können. Aufgrund dieses anläßlich des Lokalaugenscheines am 12. Juni 1992 festgestellten Sachverhaltes hat die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land das angefochtene Straferkenntnis erlassen.

5.2. Mit Ladung vom 18. März 1993, VwSen-220459/3/Schi/Hm, wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung am 18. Mai 1993 um 8.00 Uhr am Sitz des unabhängigen Verwaltungssenates in 4020 Linz, Fabrikstraße 32, 4. Stock, Verhandlungssaal anberaumt und durchgeführt.

6. Auf Grund dieses Sachverhaltes hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

6.1. Gemäß § 366 Abs.1 Z4 GewO 1973 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 50.000 S zu bestrafen ist, wer eine genehmigte Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung ändert oder nach der Änderung betreibt (§ 81 leg.cit.).

Gemäß § 74 Abs.2 GewO 1973 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Geräten oder Maschinen, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind, ua. zufolge Z2 die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen, oder zufolge Z5 eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.

Gemäß § 81 Abs.1 GewO 1973 bedarf auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen, wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs.2 umschriebenen Interessen erforderlich ist. Diese Genehmigung hat auch die bereits genehmigte Anlage soweit zu umfassen, als es wegen der Änderung zur Wahrung der im § 74 Abs.2 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist.

6.2. Zum Vorbringen der Berufungswerberin, die Betriebsanlage hätte keine Belästigung der Nachbarn durch Lärm verursacht ist folgendes festzustellen: § 366 Abs.1 Z4 GewO 1973 erfaßt mit dem Tatbestandsmerkmal "ändert" jede - durch die erteilte Genehmigung gedeckte bauliche oder sonstige, die genehmigte Einrichtung verändernde Maßnahme des Betreibers der Betriebsanlage, durch die sich neue oder größere Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs.2 ergeben können. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt es bei der Beurteilung der Genehmigungspflicht der Änderung der gewerblichen Betriebsanlage nicht darauf an, ob von der Betriebsanlage tatsächlich die im Gesetz näher bezeichneten Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder Einwirkungen ausgehen. Die Genehmigungspflicht ist vielmehr schon dann gegeben, wenn diese Umstände nicht auszuschließen sind (VwGH 5.3.1985, 84/04/0191).

Sowohl aus der Aktenlage als auch aus der durchgeführten mündlichen Verhandlung ergab sich, daß die ohne gewerberechtliche Bewilligung durchgeführten Änderungen in der ggst. Betriebsanlage die Möglichkeit einer Belästigung von Nachbarn durch Lärm (resultierend aus dem verstärkten LKW-Verkehr, den Verladetätigkeiten, den Betrieb der Kühlaggregate) sowie einer Gefährdung des Grundwassers durch auslaufende Kühlmittel im Falle einer Betriebsstörung jedenfalls nicht von vornherein auszuschließen war. Der strafbare Tatbestand liegt somit eindeutig vor; ebenso ist das rechtswidrige Verhalten der Berufungswerberin eindeutig erkennbar.

6.3. Hinsichtlich der Schuldfrage ist im Berufungsfall somit von der Erfüllung des objektiven Tatbestandes der Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs.1 Z4 iVm § 81 Abs.1 und § 74 Abs.2 Z2 und Z5 GewO 1973 auszugehen. Diese Übertretung stellt ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs.1 zweiter Satz VStG dar. Für die Strafbarkeit genügt alleine schon fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist diesfalls (bei Nichtbefolgung eines Gebotes) dann ohne weiters anzunehmen, wenn - wie hier zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. In diesem Zusammenhang hat die Berufungswerberin zunächst einen entschuldbaren Rechtsirrtum eingewendet.

6.3.1. Einem Rechtsirrtum kommt nach Maßgabe des § 5 Abs.2 VStG Bedeutung zu. Nach dieser Gesetzesstelle entschuldigt Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift allerdings nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte (vgl. dazu die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österr.Verwaltungsverfahrens, S.727ff, angeführte Rechtsprechung). Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Judikatur ausgesprochen, daß, wer ein Gewerbe betreibt, verpflichtet ist, sich über die das Gewerbe betreffenden Vorschriften zu unterrichten (vgl. z.B. Erkenntnis 13.6.1988, 88/18/0029). Somit konnte der Einwand des Rechtsirrtums zu keinem Erfolg führen. Aber auch wenn man die diesbezüglichen Bestimmungen des Strafgesetzbuches über den Rechtsirrtum (§ 9) heranzieht, ergibt sich nichts anderes: Gemäß § 9 Abs.1 StGB handelt nicht schuldhaft, wer das Unrecht der Tat wegen eines Rechtsirrtums nicht erkennt, wenn ihm der Irrtum nicht vorzuwerfen ist. Es ist hier zunächst zu prüfen, ob der Rechtsirrtum der Berufungswerberin vorzuwerfen ist. Nach § 9 Abs.2 StGB ist der Rechtsirrtum dann vorzuwerfen, wenn das Unrecht für den Täter wie für jedermann leicht erkennbar war oder wenn sich der Täter mit den einschlägigen Vorschriften nicht bekannt gemacht hat, obwohl er seinem Berufe, seiner Beschäftigung oder sonst den Umständen nach dazu verpflichtet gewesen wäre. Im vorliegenden Fall ist klar erkennbar, daß der Irrtum vorwerfbar ist: Denn vorwerfbar ist der Rechtsirrtum dann, wenn der Täter aufgrund seiner persönlichen Verhältnisse verpflichtet gewesen wäre, sich über die Rechtslage zu informieren und dies nicht getan hat. Eine solche Erkundungspflicht besteht zB. für Gewerbetreibende (LSK 1976/137). Bei einer genauen ex ante - Betrachtung liegt jedoch nicht einmal ein Rechtsirrtum vor. Denn ein solcher liegt nicht vor, wenn der Täter wenigstens den Widerspruch seines Verhaltens zur Rechtsordnung erkennt; die Strafbarkeit seines Verhaltens muß er dabei nicht erkennen (SSt 46/23, LSK 1978/345). Denn einerseits aufgrund der einschlägigen Vorstrafen und andererseits aufgrund der Tatsache, daß die Berufungswerberin um Genehmigung der Erweiterung bzw. Änderung der gewerblichen Betriebsanlage angesucht hat, muß sie sich darüber im klaren gewesen sein, daß sie sich mit der konsenslosen Änderung bzw. mit dem konsenslosen Betrieb der geänderten Anlage jedenfalls in Widerspruch zur Rechtsordnung gesetzt hat.

6.3.2. Als weiteren die Schuld ausschließenden Rechtfertigungsgrund führt die Berufungswerberin das Vorliegen eines "entschuldbaren Notstandes" an. Nach § 6 VStG ist eine Tat nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt oder, obgleich sie dem Tatbestand einer Verwaltungsübertretung entspricht, vom Gesetz geboten oder erlaubt ist. Was nun genau unter Notstand zu verstehen ist, wird vom VStG nicht definiert. Es ist daher auf § 10 StGB (entschuldigender Notstand) zu verweisen. Gemäß § 10 Abs.1 StGB ist entschuldigt, wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um einen unmittelbar drohenden bedeutenden Nachteil von sich oder einem anderen abzuwenden, wenn der aus der Tat drohende Schaden nicht unverhältnismäßig schwerer wiegt, als der Nachteil, den sie abwenden soll, und in der Lage des Täters von einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen kein anderes Verhalten zu erwarten war. Gemäß § 10 Abs.2 erster Satz StGB ist der Täter nicht entschuldigt, wenn er sich der Gefahr ohne einen von der Rechtsordnung anerkannten Grund bewußt ausgesetzt hat.

Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, daß sich die Berufungswerberin insofern bewußt der Notstandslage ausgesetzt hat, als sie die Änderungen der Betriebsanlage durchführte bzw. die geänderte Betriebsanlage betrieben hat ohne die gewerbebehördliche Genehmigung abzuwarten. Der unabhängige Verwaltungssenat verkennt nicht, daß die Berufungswerberin infolge des harten Konkurrenzkampfes und aus betriebswirtschaftlichen Gründen dringend gehalten war, möglichst rasch den Betrieb nach der Änderung weiterzuführen; in diesem Zusammenhang hat jedoch der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen, daß wirtschaftliche Nachteile nur dann als relevant angesehen werden, wenn sie die Lebensmöglichkeit selbst unmittelbar bedrohen (14.11.1978, Zl. 1840/78; 12.5.1989, Zl. 87/17/0153). Die somit von der Berufungswerberin aufgezeigten Entschuldigungsgründe können daher nicht die Schuld als solche aufheben; sie können lediglich als besondere Milderungsgründe angesehen werden und als solche die Strafe entsprechend herabsetzen (siehe Punkt 8.2.).

7. Insoweit die Berufungswerberin den Einwand der "entschiedenen Sache" erhebt, weil sie bereits wegen des tatsächlich gleichen (identen) Deliktes bestraft wurde, so ist darauf hinzuweisen, daß das diesbezügliche rechtskräftige Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 8. April 1992, Ge-96/258/1991/Eich, tatsächlich den gleichen Standort hinsichtlich einiger Änderungen der Betriebsanlage (Errichtung eines Tiefkühlhauses in der Halle mit entsprechenden Kältemaschinen sowie Errichtung einer überdachten Rampe im Norden der Halle) betraf; es war jedoch eingeschränkt auf die Zeiträume 7.8.1991 und 17.12.1991. Da hingegen das angefochtene Straferkenntnis vom 30.12.1992 den Zeitpunkt "12. Juni 1992" betrifft, somit einen gänzlich anderen Zeitraum und über weitere Änderungen (Büro- und Sozialtrakt, Container für Kälteaggregate westlich der Tiefkühlhalle) wurde der Grundsatz "ne bis in idem" nicht verletzt.

8.1. Zur Strafbemessung ist festzustellen, daß § 366 Abs.1 GewO 1973 eine Höchststrafe von 50.000 S vorsieht. Die belangte Behörde hat in ihrem Straferkenntnis eine Geldstrafe von 40.000 S bzw. im Uneinbringlichkeitsfalle 14 Tage Freiheitsstrafe verhängt, wobei als straferschwerend eine Strafverfügung (3.000 S) und das unter Punkt 7. angeführte Straferkenntnis (10.000 S) gewertet wurden; dabei wurde von einem monatlichen Nettoeinkommen von 30.000 S sowie davon ausgegangen, daß die Berufungswerberin kein Vermögen besitzt und keine Sorgepflichten hat.

8.2. Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß die belangte Behörde bereits im Hinblick auf die beiden einschlägigen Vorstrafen eine Strafe verhängt hat, die sehr nahe an die im Gesetz vorgesehene Höchststrafe herankommt (4/5 des Strafrahmens). Diese Geldstrafe ist jedoch im Hinblick auf das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient sowie im Hinblick auf die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse der Berufungswerberin sowie die Erschwerungs- und Milderungsgründe überhöht. Überdies war - wie schon unter Punkt 6.3.2. ausgeführt die Strafe auch deshalb entsprechend herabzusetzen, weil der Berufungswerberin der besondere Milderungsgrund nach § 34 Z11 StGB zugute kam, wonach sie die Tat unter Umständen begangen hat, die einem Schuldausschließungs- oder Rechtfertigungsgrund nahe kommen. Schließlich ist noch auf § 16 Abs.2 VStG hinzuweisen. Danach darf die Ersatzfreiheitsstrafe das Höchstmaß der für die Verwaltungsübertretung angedrohten Freiheitsstrafe und, wenn keine Freiheitsstrafe angedroht und nicht anderes bestimmt ist, zwei Wochen nicht übersteigen. Im vorliegenden Fall hat die Erstbehörde bei einem Strafrahmen bis zu 50.000 S 40.000 S Geldstrafe verhängt und gleichzeitig ausgesprochen, daß im Uneinbringlichkeitsfalle 14 Tage Freiheitsstrafe zu verbüßen sind; dies widerspricht aber § 16 Abs.2 VStG, wonach das Höchstmaß für derartige Fälle zwei Wochen beträgt. Es mußte daher die Ersatzfreiheitsstrafe noch weiter herabgesetzt werden, um das Verhältnis Geldstrafe zu Ersatzfreiheitsstrafe entsprechend zu berichtigen. Diese nunmehr neu festgesetzte Geld- bzw. Ersatzfreiheitsstrafe erscheint dem unabhängigen Verwaltungssenat als tat- und schuldangemessen und entspricht auch im Hinblick auf die beiden Vorstrafen dem Gedanken der Spezialprävention. Ebenso erscheint sie aufgrund der persönlichen Verhältnisse der Berufungswerberin entsprechend angemessen und nicht überhöht.

Zu II: Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Spruch zitierten gesetzlichen Bestimmungen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilagen Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. K l e m p t 6

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