Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-220464/2/Schi/La

Linz, 15.03.1993

VwSen - 220464/2/Schi/La Linz, am 15. März 1993 DVR.0690392 - &

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Christian Schieferer über die Berufung des Herrn Friedrich P, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 29. Dezember 1992, GE-96/285/1991/Eich, wegen Übertretung der Gewerbeordnung zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 44a Z1 und 2, § 45 Abs.1 Z2, § 51e Abs.1 VStG; § 366 Abs.1 Z4 iVm § 81 Abs.1 und § 74 Abs.2 Z1 und 2 Gewerbeordnung 1973, BGBl.Nr. 50/1974 idF BGBl.Nr. 29/1993.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat mit dem im Spruch zitierten Straferkenntnis dem Rechtsmittelwerber wegen Übertretung nach § 366 Abs.1 Z4 iVm § 81 Abs.1 und § 74 Abs.2 Z1 und 2 GewO 1973 eine Geldstrafe von 8.000 S, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von acht Tagen und einen Verfahrenskostenbeitrag von 800 S auferlegt, weil er als Inhaber von Gastgewerbekonzessionen in der Betriebsart "Kaffeerestaurant", "Fremdenbeherbergung" und "Bar" im Standort, die dortige Gastgewerbebetriebsanlage ohne die hiefür erforderliche gewerbebehördliche Genehmigung geändert hat, indem, wie von Organen der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land anläßlich eines Lokalaugenscheines am 7. Mai 1992 festgestellt wurde, Erweiterungen im Bereich der Bar, der Küche, des Kaffeerestaurants und der Fremdenbeherbergung erfolgten, wodurch die Möglichkeit einer Gefährdung von Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, zB im Falle eines Brandes, einer Belästigung von Nachbarn durch Lärm resultierend, zB aus dem Verhalten der Gäste in der Betriebsanlage oder aus den Zu- und Abfahrtsbewegungen von Gäste-PKW, bestand.

2. In seiner Berufung vom 22. Jänner 1993 macht der Rechtsmittelwerber, vertreten durch seinen Rechtsanwalt Dr. Karl Glaser, im wesentlichen geltend:

a) Das Straferkenntnis stelle nicht fest, daß die behaupteten Erweiterungen auch zusätzlich zu der bereits genehmigten Gastgewerbebetriebsanlage betrieben worden wären. Die Tatsache der Erweiterung alleine reiche jedoch nicht aus, eine Übertretung der Sicherheitsbestimmungen der Gewerbeordnung als erwiesen anzunehmen.

b) Die Erweiterungen seien auch nicht in einer Art und Weise konkretisiert, daß daran eine verwaltungsstrafrechtliche Folge geknüpft werden könnte.

c) Das Straferkenntnis lasse unerwähnt, daß eine Betriebsanlagengenehmigung beim gegenständlichen Objekt ausschließlich für eine Propangasanlage und einen Gasherd vorliege (Ge-2867/6-1975). Es könne daher nicht von einer rechtswidrigen Erweiterung einer Gastgewerbebetriebsanlage ausgegangen werden. Der Rechtsmittelwerber habe als Antragsteller bereits 1975 um die Genehmigung von diversen Erweiterungen seines Gewerbebetriebes angesucht. Die Gewerbebehörde habe damals offenkundig in Verkennung der Rechtslage lediglich eine Eignungsprüfung durchgeführt, ihn jedoch nicht auf die Notwendigkeit einer Betriebsanlagengenehmigung hingewiesen. In weiterer Folge seien dann mehrere Veränderungen von der Gewerbebehörde jeweils nur im Sinne einer Eignungsprüfung zugelassen worden. Erst 1988 sei ihm mitgeteilt worden, daß ein Betriebsanlagengenehmigungsverfahren zu beantragen wäre. Dieses Verfahren sei auch unverzüglich beantragt und von der Gewerbebehörde im Sinne des § 74 GewO genehmigt worden. In einem aufhebenden Bescheid des Ministeriums sei dann auf die vorliegende Teilgenehmigung verwiesen und der Genehmigungsbescheid von der Behörde zweiter Instanz wiederum aufgehoben worden. Seither liege der Gewerbebehörde erster Instanz ein Änderungsgesuch vor. Wenngleich dieses Änderungsansuchen auch völlig praxisfremd sei, sei es nach Ansicht des Rechtsmittelwerbers so zu werten, wie wenn es bereits 1989 eingebracht worden wäre.

d) Es gehe über die rechtliche Zumutbarkeit hinaus, als Konsequenz der verschiedenen irrigen Rechtsansichten der Gewerbebehörde den Betrieb einzustellen und jahrelang auf einen Genehmigungsbescheid und dessen Rechtskraft zu warten. Die Behörde hat bisher noch nicht einmal rechtskräftig festgestellt, welche Anlagenteile am 1. August 1974 bereits in Betrieb gewesen seien. Diese Anlagenteile dürften wohl ungestraft bis zu einer allfälligen rechtskräftigen Versagung des Betriebes weiter betrieben werden. Damit sei aber auch nicht geklärt, welche Anlagenteile seither hinzugekommen seien und daher erst nach Rechtskraft einer Betriebsanlagengenehmigung betrieben werden dürften.

e) Im übrigen werde darauf hingewiesen, daß der Gewerbeakt bereits aus neun Teilakten bestehe, was darauf hinweise, daß der Rechtsmittelwerber stets rechtzeitig seine beabsichtigten Vorhaben der Behörde angezeigt habe, wenngleich dies nicht immer in der rechtlich richtigen Form geschehen sei. Der damals nicht anwaltlich vertretene Rechtsmittelwerber hätte aber schon 1975 von der Behörde entsprechend belehrt werden müssen. Selbst unter der Voraussetzung, daß eine Änderung von der Berufungsbehörde als erwiesen angenommen werden sollte, könne dem Täter an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden angelastet werden.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsstrafakt der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land Ge-96/285/1991/Eich; eine Gegenschrift wurde von der belangten Behörde nicht erstattet. Bereits aus der Aktenlage ergibt sich, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, weshalb eine öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 51e Abs.1 VStG nicht anzuberaumen war.

4. Vom unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wurde auf Grund der Aktenlage folgender Sachverhalt der Entscheidung zugrundegelegt:

Der Gastgewerbebetrieb des Rechtsmittelwerbers existiert seit 1951 auf dem Standort in bis zum Inkrafttreten der Gewerbeordnung 1973 am 1. August 1974 war der Gastgewerbebetrieb auf Grund des beschränkten Berechtigungsumfanges und des beschränkten Nachtbetriebes nicht als genehmigungspflichtige Betriebsanlage anzusehen; die Genehmigungspflicht hat sich erst (nach dem angeführten Zeitpunkt) durch die Hinzunahme des Barbetriebes und dem zunehmenden Nachtbetrieb ergeben.

Von Organen der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land wurde im Rahmen eines Lokalaugenscheines am 25. Mai 1992 festgestellt, daß gegenüber dem Betriebsumfang des Gastgewerbebetriebes vor dem Inkrafttreten der Gewerbeordnung 1973 (1. August 1974) wesentliche Änderungen in Form von Ausbaumaßnahmen (Erweiterungen der Bar, des Küchenbereiches, beim Kaffeerestaurant und bei der Fremdenbeherbergung) erfolgt sind. Durch die angeführten Erweiterungen ist die Möglichkeit einer Gefährdung von Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, zB im Falle eines Brandes, einer Belästigung von Nachbarn durch Lärm, resultierend zB aus dem Verhalten der Gäste in der Betriebsanlage oder aus den Zu- und Abfahrtsbewegungen durch Kraftfahrzeuge der von Gästen - letztere vor allem einhergehend mit der durch die Zunahme des Barbetriebes verbundene Betriebszeit bis in die Morgenstunden - sicherlich nicht von vornherein auszuschließen.

5. Unter Zugrundelegung dieses Sachverhaltes hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht erwogen:

a) Gemäß § 366 Abs.1 Z4 GewO 1973 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 50.000 S zu bestrafen ist, wer eine genehmigte Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung ändert oder nach der Änderung betreibt (§ 81 leg.cit.).

Gemäß § 74 Abs.2 GewO 1973 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Geräten oder Maschinen, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind, ua zufolge Z2 die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen, oder zufolge Z4 die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen, oder zufolge Z5 eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.

Gemäß § 81 Abs.1 GewO 1973 bedarf auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen, wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs.2 umschriebenen Interessen erforderlich ist. Diese Genehmigung hat auch die bereits genehmigte Anlage so weit zu umfassen, als es wegen der Änderung zur Wahrung der im § 74 Abs.2 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist.

b) Die belangte Behörde hat im angefochtenen Straferkenntnis dem Berufungswerber eine Übertretung nach § 366 Abs.1 Z4 GewO 1973 vorgeworfen; diese Bestimmung umfaßt zwei Fälle strafbarer Tatbestände. Bei der konsenslosen Änderung einer genehmigten Betriebsanlage handelt es sich um ein Zustandsdelikt, beim Betrieb der Betriebsanlage nach der Änderung ohne entsprechende Genehmigung um ein fortgesetzes Delikt.

Tatbestandsvoraussetzungen des (nach der Umschreibung im Spruch des Straferkenntnisses hier in Betracht kommenden) ersten Falles des § 366 Abs.1 Z4 GewO 1973 sind das Vorliegen einer rechtskräftigen Genehmigung für die Betriebsanlage und die Vornahme einer genehmigungspflichtigen Änderung an ihr im Sinne des § 81 Abs.1. Es ist daher zunächst die Frage zu prüfen, ob für die schon bestehende Anlage eine rechtskräftige Genehmigung vorliegt. Dies ist jedoch zu verneinen, da aus der Berufung in Übereinstimmung mit der Aktenlage (siehe Verhandlungsschrift vom 7. Mai 1992, Seite 5, Befund) und auch der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses hervorgeht, daß lediglich eine Betriebsanlagengenehmigung für eine mit Flüssiggas befeuerte Heizungsanlage, nicht jedoch für den Gastgewerbebetrieb als solchen vorliegt. Eine Bestrafung nach § 366 Abs.1 Z4 GewO 1973 war daher verfehlt.

c) Auch eine Berufung der belangten Behörde auf § 376 Z11 GewO 1973 ändert daran nichts: Gemäß Abs.1 dieser Bestimmung finden die §§ 79 bis 83 auch auf bestehende, nach den bis zum Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes geltenden Vorschriften genehmigte Betriebsanlagen Anwendung. Zufolge Abs.2 bedürfen die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes errichteten Betriebsanlagen, die nach den bisher geltenden Vorschriften nicht genehmigungspflichtig waren und nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes genehmigungspflichtig wären, keiner Genehmigung gemäß § 74 Abs.2; § 79 und § 81 finden sinngemäß Anwendung.

Aus der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses (Seite 3) geht eindeutig hervor, daß der gegenständliche Gastgewerbebetrieb "bis zum Inkrafttreten der Gewerbeordnung 1973 nicht als genehmigungspflichtige Betriebsanlage anzusehen war"; diese Genehmigungspflicht hat sich vielmehr erst später durch die Hinzunahme des Barbetriebes und den zunehmenden Nachtbetrieb ergeben. Dies bedeutet sohin, daß zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der GewO 1973 am 1. August 1974 die vorliegende Gastgewerbebetriebsanlage weder bisher nach der GewO 1859 noch nach der GewO 1973 genehmigungspflichtig war; erst im Laufe der folgenden Jahre (der genaue Zeitpunkt läßt sich aus dem gesamten Akteninhalt nicht exakt feststellen, dürfte aber nach den Ausführungen im Befund in den Jahren 1984 bis 1987 liegen) ist durch die angeführten Umstände bzw. Maßnahmen die Genehmigungspflicht entstanden. Damit ist eine Anwendung der Übergangsbestimmung des § 376 Z11 GewO 1973 im vorliegenden Fall ausgeschlossen. Eine nach Inkrafttreten der GewO 1973 vorgenommene Änderung an einer Betriebsanlage ist somit nicht als Änderung im Sinne des § 81 GewO 1973 zu qualifizieren; im Verwaltungsstrafverfahren kann damit auch der Tatbestand des § 366 Abs.1 Z4 nicht zur Anwendung kommen (VwSlg. 10.962A/1983). Auch Stolzlechner-Wendel-Zitta, Die gewerbliche Betriebsanlage, zweite Auflage, RZ284, führen unter Punkt 1.3. aus, daß "§ 81 GewO 1973 nicht anwendbar ist, wenn eine bisher nicht genehmigungspflichtige Anlage derart geändert werden soll, daß die geänderte Anlage gemäß § 74 Abs.2 genehmigungspflichtig wird" (nachträglich entstehende Genehmigungspflicht der gesamten Anlage); ebendort ist unter RZ169 (die nachträglich entstehende Genehmigungspflicht) u.a. ausgeführt: "Kommt zu einer schon bestehenden, nicht der Genehmigungspflicht unterliegenden Betriebsanlage ein genehmigungspflichtiger Anlagenteil hinzu ..., so wird dadurch die Genehmigungspflicht der gesamten Anlage, also auch der früher nicht genehmigungspflichtigen Anlagenteile, begründet (Grundsatz der Einheit der Betriebsanlage). § 81 ist nicht anwendbar. Vielmehr ist ein solches Verfahren nach § 74 Abs.2 und § 77 Abs.1 durchzuführen." Eine Bestrafung wäre daher wegen Übertretung nach § 366 Abs.1 Z3 (Errichtung oder Betrieb einer genehmigungspflichtigen Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung) vorzunehmen.

6. Eine Sanierung des angefochtenen Straferkenntnisses im Berufungsweg war nicht möglich, weil diesfalls der Berufungswerber einer Tat schuldig erklärt werden müßte, die ihm im Verfahren vor der ersten Instanz gar nicht zur Last gelegt worden ist; dies wäre eine nach den allgemeinen Grundsätzen unzulässige Entziehung einer Instanz und unter Umständen überdies eine reformatio in peius (VwGH vom 7.12.1978, Zl. 859/77); weiters würde dadurch die Befugnis des unabhängigen Verwaltungssenates, nur in der Sache selbst den angefochtenen Bescheid abzuändern, überschritten. Diese Überschreitung würde nach der Rechtsprechung des VwGH das Vorliegen einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit bedeuten (VwGH vom 11.12.1974, Zl. 1395/74).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilagen Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Schieferer 6

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