Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420276/28/Gf/Km

Linz, 29.06.2000

VwSen-420276/28/Gf/Km Linz, am 29. Juni 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Beschwerde des M G, vertreten durch RA Mag. C A, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe des Bezirkshauptmannes von Braunau am 5. März 2000 zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und die Verabreichung eines Schlages auf den Kopf des Beschwerdeführers mit einer Diensttaschenlampe im Zuge der Durchsetzung einer Festnahme am 5. März 2000 als rechtswidriger, weil unverhältnismäßiger Waffengebrauch festgestellt.

II. Der Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Braunau) hat dem Beschwerdeführer Kosten in Höhe von 18.980,00 Schilling (entspricht 1.379,33 Euro) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlage:

§ 4 WaffGebrG; § 67c Abs. 3 AVG; § 79a AVG.

Entscheidungsgründe:

1.1. In seiner am 14. April 2000 - und damit gemäß § 67c Abs. 1 AVG rechtzeitig - zur Post gegebenen, auf Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG gestützten Beschwerde bringt der Rechtsmittelwerber vor, am 5. März 2000 gegen 5.00 Uhr früh im Zuge einer Auseinandersetzung mit Gendarmeriebeamten vor einer Diskothek durch einen Schlag mit einer Taschenlampe auf seinen Kopf, der ein etwa 6 cm langes Cut zur Folge hatte, am Körper verletzt worden zu sein. Dadurch sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit überschritten und er sohin rechtswidrig in seinem Recht auf körperliche Unversehrtheit beeinträchtigt worden.

Daher wird die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme beantragt.

1.2. Die belangte Behörde hat den bezughabenden Verwaltungsakt - bestehend aus einer Kopie der Strafanzeige des GP A gegen den Beschwerdeführer vom 29. März 2000 sowie der Kopie von Niederschriften, die mit dem Rechtsmittelwerber, dessen Bruder J G und der Zeugin A K am 5. bzw. 6. März 2000 am GP A aufgenommen wurden - vorgelegt sowie eine Gegenschrift erstattet, in der im Wesentlichen ausgeführt wird, dass die angefochtene Maßnahme einen Akt der Nothilfe dargestellt habe und daher rechtmäßig gewesen sei.

Daher wird die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der belangten Behörde zu Zl. Sich90-1-2000 sowie im Wege der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung, zu der als Parteien der Beschwerdeführer und dessen Rechtsvertreter sowie Mag. E G als Vertreterin der belangten Behörde und die Zeugen J G (Bruder des Rechtsmittelwerbers), A K, deren Bruder W K und R T einerseits sowie auf der anderen Seite GI S T, RI J S, RI J D und RI J F erschienen sind.

2.2. Im Zuge dieser Beweisaufnahme konnte folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt werden:

Am 5. März 2000 wurden die Gendarmeriebeamten S T und J S wegen der Anzeige eines Raufhandels mit Körperverletzung unter Lokalbesuchern zu einer Diskothek in Aspach beordert. Diese wurden dort unmittelbar nach ihrem Eintreffen gegen 5.00 Uhr vom Beschwerdeführer sowie von den Zeugen J G und A K, die allesamt stark alkoholisiert waren, immer wieder tätlich angegriffen. In der Folge haben die Gendarmen daher gegen den Rechtsmittelwerber und dessen Bruder die Festnahme ausgesprochen und zu deren Durchsetzung über Funk Unterstützung angefordert. Als gegen 5.20 Uhr zwei weitere Gendarmeriebeamte (J F und J D) eintrafen, wurde die Festnahme neuerlich ausgesprochen. Dabei wurde J G von den Beamten S und F Handfesseln angelegt, um diesen - da er sich gegen seine Festnahme heftig zur Wehr setzte und die umstehenden Lokalbesucher den Gendarmerieeinsatz mit Missfallenskundgebungen begleiteten - ins Gendarmeriefahrzeug verbringen zu können. Gleichzeitig versuchte der Beschwerdeführer, zu seinem einige Meter entfernt stehenden Bruder zu gelangen, um ihn auf den Gendarmerieposten begleiten zu können. Da ihm dies zunächst verwehrt wurde, wollte er seinen Willen gewaltsam durchsetzen, woraufhin es zu einer Rangelei mit den Beamten D und T kam. Als der Rechtsmittelwerber versuchte, dem ersteren Schläge zu versetzen und auch nach einem ersten - leichteren - Schlag mit der Taschenlampe gegen seinen Körper nicht davon abließ, versetzte ihm T daraufhin einen weiteren, diesmal druckvolleren Schlag auf den Kopf. Dieser hatte eine stark blutende Risswunde, die schließlich mit mehreren Stichen genäht werden musste, zur Folge (vgl. auch die Anzeige des KH der Barmherzigen Schwestern in R an den GP A vom 5. März 2000).

2.3. Diese Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus den insoweit im Wesentlichen übereinstimmenden Aussagen der in der öffentlichen Verhandlung einvernommenen Zeugen. Die vom Rechtsvertreter des Beschwerdeführers gestellten Beweisanträge erwiesen sich daher zur weiteren Sachverhaltsaufklärung nicht als zweckdienlich, weshalb ihnen keine Folge gegeben zu werden brauchte.

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat über die gegenständliche Beschwerde erwogen:

3.1. Nach § 9 i.V.m. § 2 Z. 1 bis 3 des Waffengebrauchsgesetzes, BGBl.Nr. 149/1969, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 146/1999 (im Folgenden: WaffGebrG), dürfen im Fall gerechter Notwehr, zur Überwindung eines auf die Vereitelung einer rechtmäßigen Amtshandlung gerichteten Widerstandes oder zur Erzwingung einer rechtmäßigen Festnahme auch andere Mittel, deren Wirkung der einer Waffe gleichkommt, angewendet werden; auch in diesem Fall ist jedoch stets der an mehreren Stellen des WaffGebrG (vgl. insbesondere die §§ 4 bis 6) zum Ausdruck gebrachte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren.

3.2. Im gegenständlichen Fall blieb allseits unbestritten, dass die gegen den Bruder des Beschwerdeführers wegen des Verdachtes der Körperverletzung, des Widerstandes gegen die Staatsgewalt und der gefährlichen Drohung ausgesprochene Festnahme rechtmäßig war und diese nur durch die Anwendung von Zwangsmitteln (Handfesseln) durchgesetzt werden konnte.

Die Annahme der Sicherheitsorgane, dass der Beschwerdeführer diese vereiteln wollte, ist aufgrund der konkreten Umstände - er versuchte gegen die ausdrückliche Anordnung der Beamten mehrfach, zu seinem Bruder zu gelangen, um diesen auf den Gendarmerieposten zu begleiten - vertretbar. Damit lagen aber grundsätzlich die Voraussetzungen für den Gebrauch der - etwa 50 cm langen und von vier Batterien betriebenen - Diensttaschenlampe als ein waffenähnliches Mittel, die in ihrer Wirkung einem Schlagstock gleichkommt, gemäß § 9 i.V.m. § 2 Z. 3 WaffGebrG vor.

Im vorliegenden Fall ist daher auch nur strittig, ob dieser Waffengebrauch i.S.d. § 4 WaffGebrG verhältnismäßig war.

3.3. In diesem Zusammenhang hat der Beamte im Zuge seiner zeugenschaftlichen Einvernahme glaubwürdig ausgesagt, dass der Beschwerdeführer in eine Rangelei mit seinem Kollegen verwickelt war; nachdem er dem Rechtsmittelwerber bereits einen leichten Schlag mit seiner Taschenlampe verabreicht hatte, dieser aber neuerlich zu einem Faustschlag gegen seinen Kollegen ausholte, hat er ihm damit einen weiteren Schlag versetzt. Dies erfolgte von vorne, wobei ein genaues Zielen wegen der sich ständig bewegenden Personen und der schlechten Beleuchtung nicht möglich gewesen sei (vgl. S. 10 des h. Verhandlungsprotokolles, Zl. VwSen-420276/20).

3.3.1. Nicht nachvollziehbar ist dabei für den Oö. Verwaltungssenat zunächst, dass einerseits aufgrund der schlechten Beleuchtungsverhältnisse für den Gendarmeriebeamten ein genaues Zielen unmöglich gewesen sein soll, er andererseits aber demgegenüber sehr wohl wahrnehmen konnte, "dass der Beschwerdeführer beabsichtigte, seinen Schlag mit voller Wucht gegen meinen Kollegen auszuführen". So schlecht, dass man tatsächlich nicht sehen konnte, wohin der auszuführende Schlag gehen wird, können daher die Lichtverhältnisse - schließlich waren auch die Scheinwerfer der Dienstfahrzeuge eingeschaltet - also nicht gewesen sein.

Da sich nach dem Vorbringen des Zeugen andere Personen nicht in unmittelbarer Nähe befanden und der Beschwerdeführer nach allseits unbestrittener Auffassung in einem stark alkoholisierten Zustand befand - was nach allgemeiner Lebenserfahrung eine wesentliche Herabsetzung der Reaktionsfähigkeit nach sich zieht - und der Schlag zudem von vorne (wenngleich etwas seitlich versetzt) ausgeführt werden konnte, spricht all dies doch dafür, dass im Ergebnis ein Zielen bei der Ausführung des Schlages sehr wohl möglich war.

3.3.2. Unter diesen Umständen muss es aber i.S.d. § 4 WaffGebrG als unverhältnismäßig erscheinen, wenn der Schlag gegen den Kopf geführt wurde oder seitens des einschreitenden Sicherheitsorganes zumindest in Kauf genommen wurde, dass er den Kopf des Beschwerdeführers mit einem ziemlich massiven Gegenstand - wie ihn seine Diensttaschenlampe darstellte - treffen könnte; objektiv besehen sind dabei gravierende Verletzungsfolgen a priori jedenfalls nicht auszuschließen.

Diese aber lediglich deshalb zu riskieren, um einen Faustschlag - also eine rein auf Körperkraft gegründete Aktion ohne unterstützenden Waffeneinsatz - gegen einen Kollegen zu verhindern, kann nicht als gerechtfertigt erscheinen, noch dazu, wo die einschreitenden Beamten in der Überzahl waren, nahkampfmäßig geschult sind und der Angriff des (alkoholisierten) Beschwerdeführers von vorne erfolgte.

Ein bloßes Abwehren des beabsichtigten Faustschlages durch ein entsprechendes In-den-Arm-greifen, ein Dazwischenhalten der Taschenlampe o.Ä. erscheint objektiv besehen als ein in gleicher Weise adäquates und situationsangepasstes Mittel, um den Angriff erfolgreich abzuwehren. Die tatsächlich gewählte Vorgangsweise des Schlages auf den Kopf stellt sich hingegen als überschießend dar, sodass der Beschwerdeführer dadurch in seinem gemäß § 4 WaffGebrG gewährleisteten subjektiv-öffentlichen Recht verletzt wurde.

3.3.3. Um Missverständnissen vorzubeugen, hält es der Oö. Verwaltungssenat für zweckmäßig, darauf hinzuweisen, dass damit lediglich die Rechtswidrigkeit dieses Teilaspektes der Amtshandlung festgestellt wird; ob die Handlung des einschreitenden Beamten insoweit hingegen (etwa weil er - entschuldigt irrend - keinen Notwehrexzess annahm) von diesem auch auf der Ebene des Verschuldens zu vertreten ist, war hingegen nicht zu prüfen.

Schließlich ist auch generell anzumerken, dass der Zweck einer Maßnahmenbeschwerde gemäß Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG lediglich darauf gerichtet ist, einen finanziellen Ausgleich dafür zu bieten, dass der Staat angesichts der komplexen österreichischen Rechtsordnung geradezu genötigt ist, punktuell fehlerhaftes Handeln seiner Organe im Zuge der Vollziehung der Gesetze in Kauf zu nehmen, nicht aber etwa darauf, gleichzeitig auch ein Unwerturteil über das konkret einschreitende Sicherheitsorgan abzugeben.

3.4. Aus allen diesen Gründen war der vorliegenden Beschwerde sohin gemäß § 67c Abs. 3 AVG stattzugeben und die Verabreichung eines Schlages auf den Kopf des Beschwerdeführers mit einer Diensttaschenlampe im Zuge der Durchsetzung einer Festnahme als unverhältnismäßiger Waffengebrauch i.S.d. § 4 WaffGebrG festzustellen.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Rechtsträger der belangten Behörde (Bund) nach § 79a Abs. 1, 2 und 4 AVG i.V.m. § 1 Z. 1 und 2 der AufwandsersatzVO UVS, BGBl.Nr. 855/1995, dazu zu verpflichten, dem Beschwerdeführer Kosten in Höhe von 18.980 S (Schriftsatzaufwand: 8.400 S; Verhandlungsaufwand: 10.400 S; Stempelgebühr: 180 S) zu ersetzen; das darüber hinausgehende Mehrbegehren in Höhe von 21.772 S war hingegen als unbegründet abzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Dr. G r o f

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