Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-220531/30/Kon/Fb

Linz, 27.07.1994

VwSen-220531/30/Kon/Fb Linz, am 27. Juli 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 1. Kammer unter dem Vorsitz des Dr.

Guschlbauer, über die Berufung des M.H.

vertreten durch Rechtsanwalt Dr.

F.H., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft U.

vom 17. März 1993, Ge.., wegen Übertretung der Bauarbeitenschutzverordnung, BGBl.Nr. 267/1954 bzw des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl.Nr. 234/1972 idF BGBl.Nr.

650/1989, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß der Beschuldigte handelsrechtlicher Geschäftsführer der "M.H. Gesellschaft mbH & Co. KG" ist.

II. Der Berufungswerber, M.H., hat 20 % der gegen ihn verhängten Strafe, ds 4.000 S, als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu zahlen.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 43 Abs.1 BauarbeitenschutzVO iVm § 31 Abs.2 lit.p ASchG; § 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG, §§ 16 und 19 VStG.

zu II.: § 64 Abs.1 und Abs.2 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.:

Im angefochtenen Straferkenntnis wird dem Beschuldigten zur Last gelegt, es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der H.M. GmbH mit dem Sitz in S. zu verantworten zu haben, daß am 22.4.1992 auf der Baustelle in L., Verwaltungsgebäude Nordstern, drei Arbeitnehmer mit dem Eindecken der kuppelförmigen Dachfläche mit verzinktem Eisenblech beschäftigt wurden, ohne daß die gesetzlichen Sicherheitsmaßnahmen, die ein Abstürzen von Menschen hintanzuhalten geeignet sind, wodurch er eine Verwaltungsübertretung gemäß § 43 Abs.1 der BauarbeitenschutzVO, BGBl.Nr. 267/1954 idgF iVm § 31 Abs.2 lit.p ASchG, BGBl.Nr. 234/1972 idgF begangen hat.

Gemäß § 31 Abs.2 lit.p ASchG wurde gegen den Beschuldigten eine Geldstrafe in der Höhe von 20.000 S verhängt. Im Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 14 Tagen.

Ferner wurde der Beschuldigte gemäß § 64 Abs.2 VStG verpflichtet, 200 S als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu zahlen.

Begründend führt die belangte Behörde aus, daß die objektive Tatseite der gegenständlichen Verwaltungsübertretung aufgrund der Feststellungen des Arbeitsinspektorates für den 9.

Aufsichtsbezirk und der Angaben des Beschuldigten selbst erwiesen sei. Die gegenständliche Tat stelle ein sogenanntes Ungehorsamkeitsdelikt dar, bei dem es Sache des Beschuldigten sei, seine Unschuld glaubhaft zu machen bzw sich zu rechtfertigen. Die Rechtfertigungsangaben des Be schuldigten vermochten nicht, ihn von seinem Verschulden an der gegenständlichen Verwaltungsübertretung zu entlasten.

Bei der Strafbemessung seien Entlastungs- oder Schuldausschließungsgründe nicht festgestellt worden. Ebensowenig konnten Milderungsgründe berücksichtigt werden, weshalb der Strafantrag des Arbeitsinspektorates als gerechtfertigt angesehen werde. Die verhängte Geldstrafe bzw auch die Ersatzfreiheitsstrafe seien geeignet, den Beschuldigten in Hinkunft vor weiteren gleichartigen Verwaltungsübertretungen abzuhalten. In bezug auf die Berücksichtigung der Einkommens-, Familien- und Vermögensverhältnisse, sei von einem monatlichen Nettoeinkommen von ca 30.000 S, bei sonstiger Vermögenslosigkeit und der Sorgepflicht für zwei Kinder ausgegangen worden. Weitere diesbezügliche Ermittlungen seien für entbehrlich gehalten worden, weil die ausgesprochene Geldstrafe nicht zur Gefährdung des Unterhalts des Beschuldigten führe.

Gegen dieses Straferkenntnis hat der Beschuldigte, vertreten wie eingangs angeführt, rechtzeitig Berufung erhoben, und diese im wesentlichen wie folgt begründet: Das angefochtene Straferkenntnis sei infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rechtswidrig. Die belangte Behörde sei davon ausgegangen, daß der Beschuldigte als Verantwortlicher einer Kapitalgesellschaft fungiere. In Wahrheit trete aber im Rechtsverkehr nicht die M.H. GmbH, sondern eine Personengesellschaft, nämlich die M.H. GmbH & Co.

KG als Unternehmensinhaberin auf. Es seien daher auch die nach außen vertretungsbefugten Organe der letztgenannten Personengesellschaft für die Einhaltung der Bestimmungen der BauarbeitenschutzVO verantwortlich. Diesem Vorbringen sind eine Ablichtung des Gewerbescheines und ein Auszug aus dem "Jupiter" beigelegt. Da ein verwaltungsstrafrechtlicher Schuldspruch sich auf alle Tatbestandsmerkmale beziehen müsse, sei die Bezeichnung im Straferkenntnis, für welche Firma der Beschuldigte zu haften habe, von essentieller Bedeutung und bei unrichtiger Bezeichnung das Straferkenntnis daher rechtswidrig.

Das angefochtene Straferkenntnis sei auch inhaltlich rechtswidrig. So habe der Beschuldigte alle möglichen und zumutbaren Sicherheitsmaßnahmen getroffen, um ein Abstürzen seiner Dienstnehmer am 22.4.1992 bei den Dachdeckerarbeiten am Verwaltungsgebäude Nordstern in L., zu verhindern. Die Sicherung der drei Beschäftigten sei mittels eines Hosenträgergurtes samt Geschirr erfolgt, wobei die Gurte am Scheitelpunkt der Kuppel an einem Seil befestigt gewesen wären. Darüber hinaus hätte noch eine Strickleiter vom Scheitelpunkt der Kuppel bis zum Gesims bestanden. Am Beginn der Dachdeckerarbeiten habe der Beschuldigte die Installierung dieser Sicherheitsmaßnahmen und damit die Einhaltung der entsprechenden Arbeitnehmerschutzvorschriften entsprechend kontrolliert und seinen Arbeitnehmern die Verwendung der Sicherheitsausrüstung ausdrücklich aufgetragen. In der Folge habe der Beschuldigte täglich die Verwendung der Sicherheitsausrüstung kontrolliert. Grundsätzlich wären alle Arbeitnehmer ständig angegurtet gewesen, der Beschuldigte habe dies bei seinen täglichen Kontrollgängen feststellen können. Warum die Arbeitnehmer gerade anläßlich der Kontrolle durch das Arbeitsinspektorat nicht angegurtet gewesen seien, obwohl entsprechende Sicherheitssysteme zur Verfügung gestanden hätten, sei dem Beschuldigten unerklärlich. Für dieses Verhalten der Arbeitnehmer sei er aber nicht verantwortlich, weil ihm nicht zugemutet werden könne, daß er sämtliche seiner Arbeitnehmer ständig im Hinblick auf die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften kontrolliere. Die Haftung der Organe von juristischen Personen seien nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht unbegrenzt.

Demnach handle der Vertretungsbefugte nämlich schon dann sorgfaltsgemäß, wenn er alle Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen.

Dies treffe im vorliegenden Fall zu. Der Beschuldigte habe ausreichende Sicherheitseinrichtungen seinen Arbeitnehmern zur Verfügung gestellt, diese zur Verwendung der Sicherheitseinrichtung aufgefordert und die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften ständig kontrolliert. Soweit dies die Behörde als Schutzbehauptung qualifiziere, weil er keine schriftlichen Aufzeichnungen über derartige Kontrollen vorlegen habe können, sei ihr entgegenzuhalten, daß derartige Kontrollen auch durch andere Beweismittel als schriftliche Unterlagen nachgewiesen werden könnten. Die Auffassung der Behörde stelle eine unzulässige Beschränkung der Beweismittel dar.

Der Beschuldigte bringt weiters vor, daß eine Bestrafung wenn überhaupt - nicht hätte gemäß § 31 Abs.2 lit.p ANSchG, sondern allenfalls nach § 33 Abs.7 ANSchG erfolgen hätte dürfen.

Im bisherigen Strafverfahren hätten die Verfolgungshandlungen nur gegen den Beschuldigten als handelsrechtlichen Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft gerichtet, nicht aber gegen den allenfalls Verantwortlichen der Personengesellschaft (M.H. GmbH & Co. KG). In bezug auf den Verantwortlichen der Personengesellschaft sei aber Verjährung eingetreten. Weiters sei im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses nicht nur die als erwiesen angenommene Tat in möglichst gedrängter Fassung dargelegt, sondern bereits auf deren rechtliche Würdigung, weil zur Last gelegt werde, die gesetzlichen Sicherheitsmaßnahmen nicht eingehalten zu haben, ohne daß dargelegt sei, welche Sicherheitsmaßnahmen konkret verletzt worden seien.

Der unabhängige Verwaltungssenat hat in den Akt der belangten Behörde Einsicht genommen und weiters Beweis erhoben durch Anberaumung einer mündlichen Verhandlung unter Ladung der Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und der Zeugen F.M. und Ing. H..

Aufgrund des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung vor dem unabhängigen Verwaltungssenat steht nachstehender rechtlich relevanter Sachverhalt fest: Die für die Dachspenglerarbeiten am Verwaltungsgebäude Nordstern eingesetzten Arbeitnehmer des Beschuldigten trugen am 22.4.1992 zwar die Sicherheitsgurte, waren dessen ungeachtet aber zum Zeitpunkt der Kontrolle durch den Arbeitsinspektor nicht angeseilt.

Der Beschuldigte hatte am Vorfallenheitstag die Baustelle nicht kontrolliert (Aussage des Zeugen F.M.). Nach den Angaben des genannten Zeugen handelte es sich zu diesem Zeitpunkt um einen jener Momente, bei dem die Arbeitnehmer einen Positionswechsel am Dach vornahmen und es sich dabei praktisch nicht vermeiden ließ, das Sicherungsseil für einen Zeitraum von ca 3 bis 4 min bis zum Setzen des neuen Sicherungshakens, auszuhängen. Schutzblenden iSd § 45 Abs.3 BauarbeitenschutzVO waren zum Tatzeitpunkt nicht vorhanden.

Der unabhängige Verwaltungssenat hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

Gemäß § 43 Abs.1 BauarbeitenschutzVO dürfen Arbeiten auf Dächern, wie Dachdecker-, Spengler-, Bauglaser- oder Anstreicherarbeiten sowie Arbeiten an Blitzschutzanlagen erst nach Durchführung von Sicherheitsmaßnahmen, die ein Abstürzen von Menschen, Materialien und Geräten hintanzuhalten geeignet sind, begonnen werden.

Gemäß § 45 Abs.3 BauarbeitenschutzVO muß bei Spenglerarbeiten, die nicht in der Nähe des Dachsaumes ausgeführt werden, bei einer Dachneigung von mehr als 20 Grad und einer Traufenhöhe von mehr als 5 m über dem Gelände eine Schutzblende vorhanden sein, die geeignet ist, den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise hintanzuhalten. Diese Blenden können auch an sicher befestigten und ausreichend dimensionierten Schneerechen angebracht werden.

Wie aus den im Akt erliegenden vom Organ des Arbeitsinspektorates geschossenen Fotos zu entnehmen ist, handelte es sich beim Dach des Nordstern Verwaltungsgebäudes um ein Kuppeldach, mit einem halbzylindrischen Querschnitt, welches für die darauf hantierenden Arbeitnehmer schon von der Form her eine besonders hohe Absturzgefahr mit sich bringt.

Wenngleich aus dem Foto nicht ersichtlich, ist doch mit Sicherheit davon auszugehen, daß die Traufenhöhe bei weitem mehr als 5 m beträgt, bzw mehr als das Doppelte ausmacht.

Der Absturz eines ungesicherten Arbeitnehmers hätte demnach mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit schwerste Folgen nach sich gezogen.

Aufgrund dieser Verhältnisse wäre an sich das Anbringen von Schutzblenden gemäß § 45 Abs.3 BAV die normengerechte Sicherheitsmaßnahme dargestellt. Wenn deren Fehlen schon als noch tolerierbar angesehen wurde, so hätte zumindest entsprechend der allgemeinen Schutzbestimmung des § 43 Abs.1 BAV eine ausreichende und ununterbrochene Seilsicherung für die Arbeitnehmer vorhanden sein müssen. Dies hätte dem vom Beschuldigten zu verlangenden Mindestaufwand an Sicherheitsmaßnahmen dargestellt. In Anbetracht des Umstandes, daß die an sich vorschriftsgemäßen Schutzblenden nicht Verwendung fanden, hätte der Beschuldigte jedenfalls um so mehr dafür Sorge tragen müssen, daß bei den Spenglerarbeiten so vorgegangen wird, daß selbst ein, wenn auch nur kurzzeitiges Aushängen des Sicherungsseiles nicht in Betracht kommt. Die durch die spezifische Dachform vom Sicherheitsaspekt aus besonders gefährliche Baustelle hätte daher entweder vom Beschuldigten selbst überwacht werden müssen, oder hätte zur Beobachtung der Sicherheitsvorschriften einen Bevollmächtigten iSd § 31 Abs.2 ASchG dorthin abstellen müssen.

Die bloße Erteilung von Weisungen und Ermahnungen durch den Beschuldigten die Sicherheitsvorschriften einzuhalten reichen nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, den Beschuldigten von seinem Verschulden an der gegenständlichen Vewaltungsübertretung zu befreien. Dies wäre nur dann der Fall, wenn er darüber hinaus auf das Vorliegen eines lückenlosen Kontrollsystems hätte verweisen können.

Aufgrund der aufgezeigten Umstände ist dem Beschuldigten ein nicht unbeträchtliches Maß an Fahrlässigkeit als Schuldform vorzuwerfen. Der Schuldspruch der belangten Behörde ist sohin zu Recht erfolgt. Auch der Unrechtsgehalt der gegenständlichen Verwaltungsübertretung ist hoch einzustufen, da wie schon vorher ausgeführt, ein aufgrund mangelnder Sicherheitsmaßnahmen zurückzuführender Absturz eines Arbeiters mit größter Wahrscheinlichkeit Todesfolgen gehabt hätte, und sohin durch die gegenständliche Verwaltungsübertretung höchstrangige Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit gefährdet wurden. Die Richtigstellung der Rechtsform der vom Beschuldigten gemäß § 9 VStG vertretenen Gesellschaft, konnte vom unabhängigen Verwaltungssenat auch nach Ablauf der Verfolgungsverjährungsfrist vorgenommen werden, da es sich diesfalls um kein Sachverhaltselement handelte.

Die Höhe der verhängten Strafe, die vom Beschuldigten im besonderen nicht bekämpft wird, entspricht sohin voll dem Schuld- und Unrechtsgehalt der Tat und ist in diesem Ausmaß auch notwendig, um den general- und spezialpräventiven Strafzweck zu gewährleisten. Aus diesem Grund wäre auch ein Herabsetzen der Strafe rechtlich nicht vertretbar gewesen.

Der gegenständlichen Berufung war daher der Erfolg zu versagen und wie im Spruch zu entscheiden.

zu II.:

Der Kostenspruch ist in der zitierten Gesetzesstelle begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. Guschlbauer

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