Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-220574/7/Schi/Ka

Linz, 29.03.1994

VwSen-220574/7/Schi/Ka Linz, am 29. März 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schieferer über die Berufung des Arbeitsinspektorates für den 14. Aufsichtsbezirk in 6020 Innsbruck, A.straße, vom 27. Oktober 1992, gegen den Bescheid des Bürgermeisters (Magistrat) der Stadt W. vom 12. Oktober 1992, GZ.MA2-Ge Ste, betreffend Ermahnung gemäß § 21 VStG wegen Übertretung der Bauarbeitenschutzverordnung bzw des Arbeitnehmerschutzgesetzes, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird insofern Folge gegeben und der angefochtene Bescheid des Bürgermeisters (Magistrat) der Stadt W. vom 12. Oktober 1992, MA2-Ge-Ste, aufgehoben.

II. Aus Anlaß der Berufung des Arbeitsinspektorates für den 14. Aufsichtsbezirk in Innsbruck vom 27.10.1992 erläßt der O.ö. Verwaltungssenat folgenden Schuldspruch:

Sie haben es als gemäß § 9 Abs.2 VStG verantwortlicher Beauftragter der Firma B. GesmbH & Co KG, W., zu vertreten, daß, wie aufgrund einer Überprüfung seitens des Arbeitsinspektorates für den 14.

Aufsichtsbezirk in Innsbruck am 2.4.1992 auf der Baustelle C. Innsbruck, festgestellt wurde, 1.) 4 Arbeitnehmer im Bereich der Ostfassade der Baustelle C. Innsbruck, Anstreicharbeiten an der Stahlkonstruktion von einem Stahlrohrgerüst aus durchgeführt haben, obwohl an der Arbeitsstelle (Fassadenseite) keinerlei Absturzsicherungen vorhanden und die Arbeitnehmer nicht angeseilt waren, obwohl die Absturzhöhe mehr als 6 m betrug; 2.) wurden den Arbeitnehmern nicht die für die unter Punkt 1 angeführten Arbeiten erforderliche Schutzausrüstung, wie Sicherheitsgeschirre, Sicherheitsseile, Seilkürzer und Falldämpfer zur Verfügung gestellt.

Der Beschuldigte K.P. hat dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt: 1.) § 7 Abs.1 und Abs.2 Bauarbeitenschutzverordnung (BAV), BGBl.Nr.267/1954 iVm § 31 Abs.2 lit.p, § 31 Abs.1 lit.a Z12 und § 33 Abs.7 Arbeitnehmerschutzgesetz (ANSchG), BGBl.Nr.234/1972; 2.) § 72 Abs.1 Allgemeine Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV), BGBl.Nr.218/1983 iVm § 31 Abs.2 lit.p, § 33 Abs.1 lit.a Z12 und § 33 Abs.7 ANSchG; BGBl.Nr.234/1972.

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über K.

P. gemäß § 31 Abs.2 lit.p ANSchG zu 1.) und 2.) eine Geldstrafe von je 2.000 S, insgesamt sohin 4.000 S, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von je 24 Stunden, insgesamt sohin 48 Stunden, verhängt.

III. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde sowie zu den Kosten des Verfahrens vor dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich.

Rechtsgrundlage:

zu I. und II.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr.51/1991, iVm § 24, § 19, § 51 Abs.1, § 51c und § 51e Abs.2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr.52/1991; § 33 Abs.7 iVm § 31 Abs.2 lit.p Arbeitnehmerschutzgesetz (ANSchG), BGBl.Nr.234/1972 idF BGBl.Nr.650/1989; § 7 Abs.1 und 2 Bauarbeitenschutzverordnung (BAV), BGBl.Nr.267/1954; § 72 Abs.1 AAV.

zu III.: §§ 64, 65 und 66 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Das Arbeitsinspektorat für den 14. Aufsichtsbezirk in Innsbruck hat mit Anzeige vom 6. April 1992, Zl.., an den Magistrat der Stadt W.

folgenden Sachverhalt mitgeteilt: Bei einer am 2.4.1992 an der Baustelle C. Innsbruck, durchgeführten Kontrolle wurde festgestellt, daß 1.) entgegen § 7 Abs.1 und Abs.2 BAV 4 Arbeitnehmer der Firma B. GesmbH in W. im Bereich der Ostfassade der angeführten Baustelle Anstreicharbeiten an der Stahlkonstruktion von einem Stahlrohrgerüst aus durchführten, obwohl an der Arbeitsseite (fassadenseitig) keinerlei Absturzsicherungen vorhanden und die Arbeitnehmer nicht angeseilt waren und die Absturzhöhe mehr als 6 m betrug; 2.) waren entgegen den Bestimmungen des § 72 Abs.1 AAV den Arbeitnehmern nicht die für die angeführten Schutzmaßnahmen erforderlichen Ausrüstungen, wie Sicherheitsgeschirre, Sicherheitsseile, Seilkürzer, Falldämpfer zur Verfügung gestellt worden. Gemäß § 6 Abs.2 Arbeitsinspektionsgesetz wurde beantragt, gegen die verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen (handelsrechtlicher Geschäftsführer oder verantwortlichen Beauftragten) ein Strafverfahren durchzuführen und zu Punkt 1. und 2. je Verwaltungsstrafen in Höhe von 5.000 S zu verhängen.

2.1. Nach Ermittlung des verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 VStG sowie der Durchführung von Beschuldigten- und Zeugeneinvernahmen sowie Einholung einer Stellungnahme des Arbeitsinspektorates für den 14. Aufsichtsbezirk hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid erlassen.

2.2. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde Herrn K.

P., p.A. Firma B. GesmbH, W.

gemäß § 21 VStG eine Ermahnung erteilt, weil er es als gemäß § 9 VStG 1991 Verantwortlicher der Firma B.

GesmbH & Co KG, W., zu vertreten habe, daß, wie aufgrund einer Überprüfung seitens des Arbeitsinspektorates für den 14. Aufsichtsbezirk Innsbruck am 2.4.1992 auf der Baustelle C. Innsbruck, festgestellt wurde, vier Arbeitnehmer im Bereich der Ostfassade Anstreicharbeiten an der Stahlkonstruktion von einem Stahlgerüst aus durchgeführt haben, ohne daß an der Arbeitsseite (fassadenseitig) eine Absturzsicherung mittels Spannung eines Seiles angebracht war; er habe dadurch § 7 Abs.1 iVm § 92 der Verordnung über Vorschriften zum Schutze des Lebens und der Gesundheit von Dienstnehmern bei Ausführung von Bauarbeiten, Bauneben- und Bauhilfsarbeiten, BGBl.Nr.267/1954, verletzt.

3.1. Gegen diesen Bescheid hat das Arbeitsinspektorat für den 14. Aufsichtsbezirk im Wege eines Telefaxes vom 27.10.1992 rechtzeitig bei der belangten Behörde eingebracht. Nach Darstellung des Sachverhaltes wird in der Berufung darauf verwiesen, daß die Strafbehörde dem Antrag des Arbeitsinspektorates nicht entsprochen habe, weil zu Punkt 1. die gesetzlichen Voraussetzungen des § 21 VStG (geringfügiges Verschulden und unbedeutende Folgen der Übertretung) nicht vorlägen; die 4 Arbeitnehmer hätten zwar einen Gurt getragen, seien jedoch nicht angeseilt gewesen, weshalb die Gefahr eines Absturzes über 6 m Höhe gegeben gewesen sei. Weiters hat die belangte Behörde zu Punkt 2.

der Anzeige überhaupt keine Entscheidung getroffen; denn es ergibt sich aus dem Akt, daß keine Sicherheitsseile vorhanden waren; diese seien erst nach dem Kontrollzeitpunkt beigestellt worden, weshalb die Voraussetzungen für eine Bestrafung gemäß § 72 Abs.1 AAV iVm § 33 Abs.7 und § 31 Abs.2 lit.p ANSchG gegeben gewesen seien. Die Berufung beantragt daher den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die beantragten Strafen zu verhängen.

4.1. Die Strafbehörde hat keine Berufungsvorentscheidung erlassen, sondern - als nunmehr belangte Behörde - die Berufung samt Strafakt vorgelegt. Von einer Gegenäußerung zum Berufungsvorbringen hat die belangte Behörde abgesehen.

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist in diesem Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 51 Abs.1 VStG als Berufungsbehörde zuständig und entscheidet gemäß § 51c durch (nur) eines seiner Mitglieder, weil keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde. Der O.ö.

Verwaltungssenat hat über die - zulässige - Berufung, nach Beweisaufnahme durch Einsicht in den Strafakt der belangten Behörde erwogen.

4.2. Aus der Akteneinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat einen genügend geklärten Sachverhalt vorgefunden. Der O.ö. Verwaltungssenat geht daher von folgendem Sachverhalt aus:

4.3. Am 2.4.1992 führten 4 Arbeitnehmer der Firma B.

GesmbH, W. im Bereich der Ostfassade der Baustelle C. Innsbruck, Anstreicharbeiten an der Stahlkonstruktion von einem Stahlrohrgerüst aus durch, obwohl an der Arbeitsseite (fassadenseitig) keinerlei Absturzsicherungen vorhanden und die Arbeitnehmer nicht angeseilt waren und die Absturzhöhe mehr als 6 m betrug. Die Arbeitnehmer waren zwar angegurtet, jedoch nicht angeseilt; das zur Absturzsicherung dienende Seil wurde nach der Kontrolle durch das Arbeitsinspektorat unverzüglich angebracht. Weiters waren entgegen den Bestimmungen des § 72 Abs.1 AAV den Arbeitnehmern nicht die für die angeführten Arbeiten erforderlichen Schutzausrüstungen, wie Sicherheitsgeschirre, Sicherheitsseile, Seilkürzer und Falldämpfer zur Verfügung gestellt worden.

Die dadurch verwirklichten Verwaltungsübertretungen nach dem ANSchG hat Herr K.P. als verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 VStG der Firma B. GesmbH & Co KG in W., verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten.

5.1. Zur verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit:

Gemäß § 9 Abs.1 VStG finden dann, wenn eine Handlungs- oder Unterlassungspflicht, deren Nichterfüllung mit Verwaltungsstrafe bedroht ist, eine Gesellschaft, eine Genossenschaft oder einen Verein trifft, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte bestellt sind, die Strafbestimmungen auf die satzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufenen Organe Anwendung. Die Vorschrift des § 9 VStG soll damit die strafrechtliche Verantwortung einer physischen Person für jene Fälle sicherstellen, in denen die erwähnte Handlungs- oder Unterlassungspflicht an sich einer (strafrechtlich nicht erfaßbaren) juristischen Person zugerechnet wird (diese "trifft").

"Arbeitgeber" im Sinne des § 31 Abs.2 ANSchG ist dabei in den Fällen des § 9 VStG das dort genannte Organ, also derjenige, der zur Vertretung nach außen berufen ist (vgl.

VwGH v. 25.2.1988, 87/08/0240).

Ein bestellter und namhaft gemachter "verantwortlicher Beauftragter" tritt in rechtswirksamer Weise als Adressat der Verwaltungsstrafnormen an die Stelle des sonst Verantwortlichen. Die Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten ist jedoch strengen Vorschriften unterworfen.

Der Nachweis einer diesen Vorschriften genügenden Bestellung muß zudem aus der Zeit vor der Begehung der Verwaltungsübertretung stammen, wovon nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (zB VwGH v.

26.9.1991, 91/09/0067) aber nur dann gesprochen werden kann, wenn ein die - ausdrückliche - Zustimmung zur Bestellung betreffendes Beweisergebnis schon vor der Begehung der Tat vorhanden war (etwa in Form einer entsprechenden Urkunde, aber auch einer Zeugenaussage etc.), und zudem der der Verantwortung unterliegende, klar abzugrenzende Bereich mit einer entsprechenden Anordnungsbefugnis ausgestattet ist. Es genügt daher nicht, wenn sich der Beschuldigte auf die erst im Verwaltungsstrafverfahren abzulegende Aussage des verantwortlichen Beauftragten beruft, mit der dessen Zustimmung zur Bestellung unter Beweis gestellt werden soll (zB VwGH v. 12.12.1991, 91/06/0084).

Beweispflichtig für das Zustandekommen eines solchen Beweisergebnisses schon vor der Begehung der Tat ist der Berufungswerber, wobei ausreichend wäre, wenn ein solcher Nachweis gleichzeitig mit der Berufung vorgelegt wird, weil im Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat kein Neuerungsverbot gilt (vgl. VwGH v. 2.7.1990, 90/19/0053).

5.2. Die als erste Verfolgungshandlung gegen K.P.

zu qualifizierende Ladung zur mündlichen Verhandlung im Verwaltungsstrafverfahren vom 22.5.1992 enthielt im Einleitungssatz - offensichtlich aus einem Versehen heraus lediglich den folgenden Text: "Sie haben es als gemäß § 9 VStG 1991 der Firma B. GesmbH & Co KG, zu verantworten, daß ..............."; es fehlen sohin die Worte "als verantwortlicher Beauftragter". Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (16.1.1987 Slg.12375 A, 23.5.1989, 88/08/0139) ist im Spruch anzuführen, ob der Beschuldigte die Tat in eigener Verantwortung oder als zur Vertretung nach außen berufenes Organ einer Gesellschaft oder als verantwortlicher Beauftragter zu verantworten hat; der O.ö. Verwaltungssenat war daher nicht nur berechtigt sondern auch verpflichtet, den diesbezüglichen Erfordernissen zu entsprechen. Daß dieses auch nach Ablauf der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist möglich war, ergibt sich daraus, weil der Verwaltungsgerichtshof in den angeführten Erkenntnissen ausgesprochen hat, daß die Anführung der Organfunktion nicht Sachverhaltselement der Übertretung ist, sondern lediglich ein die Frage der Verantwortlichkeit der von Anfang an als Beschuldigten ausgesprochenen Person betreffendes Merkmal, das auf die Vollständigkeit der Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 VStG ohne Einfluß ist.

Es liegt daher keine Verjährung vor, wenn dem Beschuldigten erstmals im Berufungsbescheid, und zwar nach Ablauf der Frist des § 31 Abs.2 VStG vorgeworfen wird, die Übertretung in seiner Eigenschaft als verantwortlicher Beauftragter nach § 9 Abs.2 VStG begangen zu haben (VwGH verst Sen.16.1.1987, Slg.12375A).

6.1. Gemäß § 31 Abs.2 lit.p Arbeitnehmerschutzgesetz, BGBl.Nr. 234/1972 idgF (kurz: ANSchG), begehen Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die den Vorschriften der aufgrund des § 24 dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen oder den aufgrund des § 27 dieses Bundesgesetzes vorgeschriebenen Bedingungen und Auflagen oder den erteilten Aufträgen zuwiderhandeln, eine Verwaltungsübertretung und sind, sofern die Tat nicht nach anderen Gesetzen strenger zu bestrafen ist, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 50.000 S zu bestrafen.

Gemäß § 33 Abs.1 Z12 ANSchG bleibt die Verordnung vom 10.11.1954, BGBl.Nr.267, über Vorschriften zum Schutze des Lebens und der Gesundheit von Dienstnehmern bei Ausführung von Bauarbeiten, Bauneben- und Bauhilfsarbeiten, (bis zu einer Neuregelung des betreffenden Gebietes durch eine aufgrund von Bestimmungen dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnung im bisherigen Umfang) als Bundesgesetz in Geltung (im folgenden kurz: Bauarbeitenschutzverordnung - BAV).

Gemäß § 33 Abs.7 ANSchG gelten bei Zuwiderhandlung gegen die im Abs.1 genannten Rechtsvorschriften die Bestimmungen des § 31 sinngemäß. Dies gilt auch hinsichtlich der im Abs.2 genannten Rechtsvorschriften, soweit es sich um Angelegenheiten des Arbeitnehmerschutzes handelt. Soweit es sich nicht um Angelegenheiten des Arbeitnehmerschutzes handelt, gelten Zuwiderhandlungen gegen die im Abs.2 genannten Rechtsvorschriften als Verwaltungsübertretungen nach der Gewerbeordnung.

6.2. Gemäß § 7 Abs.1 BAV sind an alle Arbeitsstellen, an denen Absturzgefahr besteht, Einrichtungen anzubringen, die geeignet sind, ein Abstürzen der Dienstnehmer zu verhindern oder ein Weiterfallen hintanzuhalten, wie Arbeitsgerüste, Brustwehren, Schutzgerüste oder Fangnetze. Bei Arbeiten an besonders gefährlichen Stellen müssen die Dienstnehmer überdies angeseilt sein. Das gleiche gilt für das Anbringen oder Entfernen von Schutzeinrichtungen an besonders gefährlichen Stellen.

Zufolge Abs.2 dieses Paragraphen kann die Anbringung der im Abs.1 vorgesehenen Schutzeinrichtungen unterbleiben, wenn der hiefür erforderliche Aufwand unverhältnismäßig hoch ist gegenüber dem Aufwand für die durchzuführende Arbeit. In solchen Fällen sind die Dienstnehmer durch Anseilen gegen Absturz zu sichern.

Gemäß § 72 Abs.1 AAV sind, sofern bei Arbeiten an absturzgefährlichen Stellen durch Schutzmaßnahmen nach den §§ 18, 24 und 44 ein ausreichender Schutz nicht erreicht werden kann oder die Durchführung solcher Schutzmaßnahmen im Hinblick auf den Umfang der auszuführenden Arbeiten nicht gerechtfertigt ist, den Arbeitnehmern Sicherheitsgürtel oder Sicherheitsgeschirre einschließlich der dazugehörigen Ausrüstungen, wie Sicherheitsseile (Fangseile), Karabinerhacken, Falldämpfer, Seilkürzer oder Höhensicherungsgeräte, zur Verfügung zu stellen.

Sicherheitsseile dürfen nur in Verbindung mit Sicherheitsgürteln oder Sicherheitsgeschirren verwendet werden.

7.1. Zum Verschulden: Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgen eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Da zum Tatbestand der dem Berufungswerber zur Last gelegten Verwaltungsübertretung weder der Eintritt eines Schadens noch einer Gefahr gehört, handelt es sich bei dieser Übertretung um ein Ungehorsamsdelikt. In einem solchen Fall besteht von vornherein die Vermutung eines Verschuldens (in Form fahrlässigen Verhaltens) des Täters, welche aber von ihm widerlegt werden kann. Zu dieser Umkehr der Beweislast kommt es allerdings nur dann, wenn der objektive Tatbestand eines Ungehorsamsdeliktes feststeht, wobei in dieser Hinsicht die Beweislast die Behörde trifft. Wie aber bereits in dieser Begründung ausgeführt wurde, hat der Berufungswerber den objektiven Tatbestand der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung erfüllt. Es wäre daher Sache des Beschuldigten gewesen, glaubhaft zu machen, daß ihm die Einhaltung der objektiv verletzten Verwaltungsvorschriften ohne sein Verschulden unmöglich war. Dabei hätte er initiativ alles darzutun gehabt, was für seine Entlastung spricht, insbesondere, daß er solche Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen (vgl. VwGH v. 2. April 1990, Zl.

90/19/0078). Ansonsten wäre er selbst dann strafbar, wenn der Verstoß ohne sein Wissen und ohne seinen Willen begangen wurde. Ein derartiges Vorbringen - von Tatsachen oder von Beweismitteln -, das geeignet gewesen wäre, sein mangelndes Verschulden glaubhaft zu machen, hat der Beschuldigte aber nicht erstattet.

7.2. Aus dem Akt (insbesondere auch der Stellungnahme des Arbeitsinspektorates vom 1. Oktober 1992 in Verbindung mit dem vorgelegten Lichtbild) ergibt sich zwar, daß die 4 Arbeitnehmer angegurtet waren, daß das zur Absturzsicherung erforderliche Seil jedoch nicht vorhanden war bzw erst nach der Kontrolle durch das Arbeitsinspektorat angebracht wurde.

Diesbezüglich ist jedenfalls von fahrlässigem Verhalten seitens des verantwortlichen Beauftragten auszugehen.

Hinsichtlich der ihm unter Faktum 2 zur Last gelegten Verwaltungsübertretung hat er - abgesehen davon, daß er ihm anläßlich der Aufnahme der Strafverhandlungsschrift am 26.6.1992 angegeben hat, daß ihm nicht bekannt sei, was unter Seilkürzer und Falldämpfer zu verstehen ist - keine nähere Rechtfertigung abgegeben; vom O.ö. Verwaltungssenat mußte daher auch dieser Tatbestand als erwiesen angesehen werden, weil der Beschuldigte im Ergebnis fahrlässigerweise die erforderliche Schutzausrüstung zur Sicherung gegen Absturz nicht beigestellt hat. Ein wichtiges Indiz hiefür ist auch, daß er die sogar im § 72 Abs.1 AAV enthaltenen Namen dieser Schutzausrüstungsgegenstände nicht einmal gekannt hat. Es liegt sohin jedenfalls objektive Sorgfaltswidrigkeit vor; aber auch die subjektive Sorgfaltswidrigkeit, die im Regelfall durch die objektive Tatseite indiziert wird (vgl Burgstaller, Wiener Kommentar zum StGB, § 6 Rz 88 und 95; Leukauf/Steininger, Kommentar zum StGB, 3. A, § 6 Rz 15 und 19a; Kienapfel, Strafrecht AT, 4. A, 1991, Z 25 Rz 22 und 31) ist zu bejahen. Es liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, daß der Berufungswerber nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen nicht fähig gewesen wäre, den objektiven Sorgfaltsanforderungen zu genügen und die Gefahr des Erfolgseintrittes zu erkennen. Es gilt ein objektiviert-subjektiver Maßstab im Rahmen der Fahrlässigkeitsschuld. Deshalb kann sich der Berufungswerber auf die Unkenntnis dessen, was zum allgemeinen Erfahrungsund Wissensstandard eines verantwortlichen Beauftragten hinsichtlich Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften gehört, nicht schuldbefreiend berufen. Vielmehr hätte er sich das erforderliche Wissen und Können rechtzeitig verschaffen müssen (vgl dazu Leukauf/Steininger, Kommentar zum StGB, 3. A, § 6 Rz 16). Dieser Maßstab kommt im § 1297 ABGB im gleichen Sinne zum Ausdruck, weil nach dieser Vorschrift vermutet wird, daß jeder, welcher den Verstandesgebrauch besitzt, eines solchen Grades des Fleißes und der Aufmerksamkeit fähig sei, welcher bei gewöhnlichen Fähigkeiten angewendet werden kann. Die Aufwendung der gebotenen Sorgfalt war dem Berufungswerber in der gegebenen Situation auch zumutbar, weshalb an seinem Verschulden keine Zweifel bestehen können.

8.1. Zur Straffrage:

8.1.1. Absehen von der Strafe gemäß § 21 Abs.1 VStG Nach dieser Vorschrift kann von einer Strafe abgesehen werden, wenn das Verschulden geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Weder das eine noch das andere kann der Berufungswerber für sich in Anspruch nehmen.

Das Verschulden bzw die Schuld des Täters ist gering, wenn das tatbildmäßige Verhalten hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt (vgl Hauer/Leukauf, Verwaltungsverfahren, 4. A, 814 ff, E 7, 8 und 23a zu § 21; Leukauf/Steininger, Kommentar zum StGB, 3. A, § 42 Rz 14).

Nach der Judikatur des OGH zum vergleichbaren § 42 StGB muß die Schuld absolut und im Vergleich zu den typischen Fällen der jeweiligen Deliktsverwirklichung geringfügig sein (vgl ua EvBl 1989/189 = JBl 1990, 124; SSt 55/59; SSt 53/15; SSt 51/21). Maßgebend ist zum einen der das Unrecht mitbestimmende Handlungsunwert und zum anderen der Gesinnungsunwert, der das Ausmaß der deliktstypischen Strafzumessungsschuld ebenso entscheidend prägt (vgl Leukauf/Steininger, Kommentar zum StGB, 3. A, § 42 Rz 14 f mwN). Der Aspekt des Erfolgsunwerts wurde im § 21 Abs 1 VStG ebenso wie im § 42 StGB unter dem Merkmal "unbedeutende Folgen der Tat" verselbständigt.

Das sorgfaltswidrige Verhalten des Berufungswerbers kann keinesfalls als minderes Versehen beurteilt werden. Während die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid davon ausgeht, daß (zumindest hinsichtlich Faktum 1) die Voraussetzungen des § 21 Abs.1 VStG erfüllt seien, teilt die Berufung diese Ansicht nicht; hinsichtlich Faktum 2 ist eine derartige Erörterung überhaupt unterblieben, weil die belangte Behörde diesfalls überhaupt keinen Abspruch getätigt hat (auch eine allfällige Einstellung des diesbezüglichen Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 45 Abs.1 VStG ist nirgends im Akt ersichtlich). Das im Spruch dargestellte Fehlen des zur Absturzsicherung dienenden Seiles sowie der Gegenstände bzw. Schutzausrüstung zur Sicherung gegen Absturz entspricht jedenfalls einem durchschnittlichen fahrlässigen Handlungsunwert. Auch aufgrund des Vorbringens des verantwortlichen Beauftragten kann von einem geringfügigen Verschulden nicht gesprochen werden; die nachträgliche Anbringung der Absturzsicherungen ist wohl selbstverständlich. Der Umstand, daß im vorliegenden Fall die Folgen der Übertretung unbedeutend waren, da (glücklicherweise) kein Arbeitnehmer abgestürzt ist, kann das Verschulden des verantwortlichen Beauftragten nicht auf ein geringfügiges Maß herabsetzen, da dies eben vom verantwortlichen Beauftragten nicht beeinflußbar ist. Da somit eine der Voraussetzungen für die Erteilung einer Ermahnung gemäß § 21 VStG, nämlich ein geringfügiges Verschulden, nicht vorliegt, war der Berufung insofern Folge zu geben, der angefochtene Bescheid aufzuheben und Geldstrafen zu verhängen.

9. Zur Strafbemessung:

9.1. Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Neben diesen objektiven Kriterien des Unrechtsgehaltes der Tat sind gemäß § 19 Abs.2 leg.cit. im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

9.2. Gemäß § 51 Abs.6 VStG darf aufgrund einer vom Beschuldigten oder zu seinen Gunsten erhobenen Berufung keine höhere Strafe verhängt werden, als im angefochtenen Bescheid. Daraus ergibt sich e contrario daß hier - da im vorliegenden Fall das Arbeitsinspektorat berufen hat - das Verbot der reformatio in peius nicht gilt. Der O.ö.

Verwaltungssenat hat daher unter den oben dargelegten Grundsätzen des § 19 VStG die Höhe der zu verhängenden Strafen zu bemessen. Aus dem Akt ergibt sich, daß der verantwortliche Beauftragte ein monatliches Nettoeinkommen von 20.000 S erhält, kein Vermögen hat und sorgepflichtig für einen Sohn ist.

9.3. Im Hinblick auf die gesetzliche Höchststrafe von 50.000 S ist der O.ö. Verwaltungssenat der Ansicht, daß die vom Arbeitsinspektorat beantragte Geldstrafe von je 5.000 S, ds 10 % der gesetzlichen Höchststrafe, im vorliegenden Fall, insbesondere im Hinblick auf die bisherige Unbescholtenheit des verantwortlichen Beauftragten sowie unter Berücksichtung seiner Einkommens-, Familien- und Vermögensverhältnisse zweifellos überhöht ist. Der O.ö. Verwaltungssenat erachtet die von ihm verhängten Geldstrafen im Hinblick auf das oben unter Punkt 7. dargestelltes Verschulden, dem Nichtvorliegen sonstiger nachteiliger Folgen sowie dem Unrechtsgehalt der vom Beschuldigten verwirklichten Taten als angemessen. Auch scheinen diese Strafhöhen geeignet, ihn in Hinkunft von der Begehung derartiger Verwaltungsübertretungen zweifellos abzuhalten.

zu III. Aus den §§ 64, 65 und 66 VStG ergibt sich, daß Kosten des Straf- und Berufungsverfahrens immer nur dann dem Bestraften auferlegt werden können, wenn er Berufung erhoben hatte und die Berufung vollinhaltlich abgewiesen wurde (VwGH 20.9.1985, 84/11/0059). Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde lediglich eine Ermahnung gemäß § 21 Abs.1 VStG erteilt; Berufung erhoben hat das Arbeitsinspektorat.

Für diesen Fall sieht das Gesetz keine Kostentragungsregel dergestalt vor, daß die Verfahrenskosten der Bestrafte zu tragen hätte (vgl. § 64 Abs.1 VStG: In jedem Straferkenntnis und in jeder Entscheidung eines unabhängigen Verwaltungssenates, mit der ein Straferkenntnis bestätigt wird, ist auszusprechen, daß der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat). Im vorliegenden Fall ist aber kein Straferkenntnis vorhanden, das bestätigt wird. Aus diesem Grund kann dem Bestraften kein Verfahrenskostenbeitrag vorgeschrieben werden (vgl.

Thienel, das Verfahren der Verwaltungssenate, S.351; Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts, 5. Auflage, RZ 960).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Schieferer

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