Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-220582/2/Wei/Atz

Linz, 07.03.1994

VwSen-220582/2/Wei/Atz Linz, am 7. März 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des P.A., vom 25. Mai 1993 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft S. vom 12. Mai 1993, Zl.

.., wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Maß- und Eichgesetz - MEG (BGBl Nr. 152/1950, zuletzt geändert durch BGBl Nr. 468 und Nr. 779/1992) zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 und Z 3 VStG 1991 eingestellt.

II. Die Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991; § 66 Abs 1 VStG 1991
Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis vom 12. Mai 1993 hat die belangte Behörde dem Berufungswerber (Bw) spruchmäßig zur Last gelegt:

"Sie haben als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit gemäß § 9 Abs.1 VStG zur Vertretung nach außen Berufener der P.Fleisch Ges.m.b.H., welche im Standort W. Nr.102 die Gewerbeberechtigung für das Fleischerhandwerk besitzt, wie anläßlich einer am 9.6.1992 um 09.00 Uhr durchgeführten lebensmittelpolizeilichen Revision des Liegerwagens mit dem amtlichen Kennzeichen XX, das von Herrn E.A.

gelenkt worden ist, festgestellt worden ist, vor dem Haus in H., 'Rollschinken' nach Gewicht verkauft und haben dabei im Liegerwagen eine ungeeichte Haushaltsküchenwaage 'Söhnle, max. 5 kg' bereitgehalten, obwohl Meßgeräte zur Bestimmung der Masse einschließlich der Gewichtsstücke und Zählwaagen, wenn sie im amtlichen oder rechtsgeschäftlichen Verkehr verwendet oder bereitgehalten werden, der Eichpflicht unterliegen." Die belangte Behörde erachtete dadurch § 63 Abs 1 iVm § 7 und § 8 Abs 1 Z 2 des MEG als verletzt und verhängte nach dem Strafrahmen des § 63 Abs 1 MEG eine Geldstrafe in Höhe von S 2.000,-- und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 1 Tag.

1.2. Gegen dieses dem Bw am 13. Mai 1993 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die am 26. Mai 1993 - und damit rechtzeitig - zur Post gegebene Berufung vom 25. Mai 1993.

2.1. Zur Begründung verweist das angefochtene Straferkenntnis zunächst auf die Anzeige des Lebensmittelaufsichtsorganes des Bezirks E. vom 15. Juni 1992. Den Fahrverkäufer des Lieferwagens, auf dessen allfälliges eigenmächtiges Fehlverhalten sich der Bw berief, konnte die belangte Behörde nicht einvernehmen, weil er unauffindbar gewesen ist.

In weiterer Folge stützt sich die belangte Behörde vor allem darauf, daß durch einige andere Verfahren bekannt sei, daß der Bw nicht nur vorverpackte oder vorportionierte und somit preisausgezeichnete Waren mitführe, sondern auch nach Gewicht abzugebenden Leberkäse bzw Schinken. Überdies sei schon während mehrerer lebensmittelpolizeilichen Revisionen beanstandet worden, daß der Bw auch in anderen Lieferfahrzeugen gleichartige ungeeichte Haushaltsküchenwaagen mitgeführt hätte. Unter diesem Aspekt wertete die belangte Behörde die Rechtfertigungsangaben des Bw als reine Schutzbehauptungen und verwies darauf, daß von einer Zeugeneinvernahme deshalb Abstand genommen werden hätte können. Bestätigt werde diese Ansicht auch dadurch, daß der Bw im Verfahren zu Wi-307-1992 eine ähnliche Stellungnahme abgegeben habe, die durch die Aussagen des Fahrverkäufers habe klar widerlegt werden können.

2.2. Dagegen bringt die Berufung vor, daß allein die Tatsache, daß der Fahrverkäufer nicht einvernommen werden kann, weil er unauffindbar ist, nicht automatisch bedeuten könne, die Rechtsvorschriften hätte ein anderer verletzt.

Der Hinweis auf andere Verfahren sei pauschal geblieben und habe die Behörde ohne jede Grundlage die Warengruppen auf Schinken erweitert, um eine Nähe zur weiteren Produktgruppe Rollschinken herzustellen. Das einzige Verfahren, auf das sich die Behörde stützt, habe sich ausschließlich auf Leberkäse und nicht auf Schinken bezogen. Unabhängig davon, daß auch Schinken nur vorportioniert und verpackt und demzufolge preisausgezeichnet abgegeben werde, habe Rollschinken mit Schinken überhaupt nichts zu tun. Der Rollschinken sei eine in der Produktion kalibrierte und auf Einzelstückgewicht vorportionierte Warengruppe, die schon aus diesem Grund nur per Stück abgegeben werde.

Der Bw erachtet es daher für völlig unverständlich und sachlich unbegründet, daß die belangte Behörde seine Rechtfertigungsangaben als reine Schutzbehauptungen wertete und annahm, auf die Einvernahme des Fahrverkäufers als Zeugen verzichten zu können. In der Sache selbst wiederholt der Bw den Einwand, daß Rollschinken nicht nach Gewicht, sondern per Stück abgegeben wird, da das Gewicht bereits in der Produktion einheitlich angepaßt werde.

Mangels Verletzung von Rechtsvorschriften beantragt der Bw abschließend, das Straferkenntnis aufzuheben und die Strafverfolgung einzustellen.

2.3. Die belangte Behörde hat mit Schreiben vom 4. Juni 1993 die Berufung mit dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt zur Entscheidung vorgelegt. Eine Gegenschrift wurde nicht erstattet.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsichtnahme in den Verwaltungsstrafakt der belangten Behörde, Zl.

Wi-308-1992, festgestellt, daß der angefochtene Bescheid schon nach der Aktenlage aufzuheben ist. Gemäß § 51e Abs 1 VStG war daher keine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 7 Abs 2 MEG (idF BGBl Nr. 152/1950 und BGBl Nr.

174/1973) ist dafür verantwortlich, daß das Meßgerät geeicht ist, wer ein eichpflichtiges Meßgerät verwendet.

Nach § 7 Abs 3 MEG (idF BGBl Nr. 152/1950) ist ein Meßgerät bereitgehalten, wenn die äußeren Umstände erkennen lassen, daß es ohne besondere Vorbereitung in Gebrauch genommen werden kann. Ergänzend wurde durch die Novelle BGBl Nr.

742/1988 angefügt, daß ein Meßgerät nicht als bereitgehalten gilt, wenn glaubhaft gemacht werden kann, daß es ausschließlich dekorativen oder musealen Zwecken dient.

Gemäß § 8 Abs 1 MEG (idF BGBl Nr. 213/1992) unterliegen die in 12 Ziffern näher angeführten Meßgeräte der Eichpflicht, wenn sie im amtlichen oder im rechtsgeschäftlichen Verkehr verwendet oder bereitgehalten werden. Die Ziffer 2 nennt ausdrücklich Meßgeräte zur Bestimmung der Masse einschließlich der Gewichtsstücke und Zählwaagen.

4.2. Im gegenständlichen Strafverfahren hat die belangte Behörde dem Bw als handelsrechtlichem Geschäftsführer der P.Fleisch Ges.m.b.H. im wesentlichen vorgeworfen, daß er (selbst) Rollschinken nach Gewicht verkauft und dabei eine ungeeichte Haushaltsküchenwaage bereitgehalten hätte, was nach der Begründung des Straferkenntnisses und nach der Aktenlage keinesfalls zutrifft. Schon die Formulierung des Schuldspruches, der die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit des handelsrechtlichen Geschäftsführers der P.Fleisch Ges.m.b.H. gemäß § 9 Abs 1 VStG für ein verbotenes Verhalten im Rahmen des rechtsgeschäftlichen Verkehrs der Gesellschaft m.b.H. zum Ausdruck hätte bringen sollen, ist sprachlich und rechtlich verfehlt. Denn die umschriebene Tathandlung bringt auch nicht klar und eindeutig zum Ausdruck, ob die Verwendung einer ungeeichten Haushaltswaage beim Verkauf von Rollschinken nach Gewicht oder das bloße Bereithalten (dann aber in sich widersprüchlich wegen des angelasteten Verkaufes nach Gewicht) oder beides vorgeworfen werden sollte.

Diese wesentlichen Mängel des Spruches bedeuten auch eine verfehlte und unzureichende Konkretisierung der als erwiesen angenommenen Tat im Sinne des § 44a Z 1 VStG und können im Rechtsmittelverfahren schon deshalb nicht mehr saniert werden, weil aus der Aktenlage keine anderen geeigneten Verfolgungshandlungen ersichtlich sind, die eine mittlerweile eingetretene Verfolgungsverjährung verhindert hätten. Außerdem ist die Entscheidungsbefugnis "in der Sache" gemäß § 66 Abs 4 AVG durch den Abspruchsgegenstand des angefochtenen erstbehördlichen Bescheides begrenzt.

Deshalb darf die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht gegen eine andere Tat ausgewechselt werden (vgl VwGH 23.11.1993, 93/04/0169; VwSlg 9222 A/1977). Die im gegenständlichen Fall erforderliche Neuformulierung des Schuldspruches könnte aber nicht im Rahmen der von vornherein zweifelhaften Identität der erstinstanzlich angelasteten Tat erfolgen.

4.3. Im übrigen ist festzustellen, daß die belangte Behörde mit offenbar unzureichender Begründung davon ausgegangen ist, daß am 9. Juni 1992 um 09.00 Uhr vor dem Haus H., vom Lieferwagen aus Rollschinken nach Gewicht verkauft worden ist. Die im wesentlichen gleichartigen Einwände des Bw im Einspruch gegen die Strafverfügung und in seiner Berufung waren durchaus beachtlich, weil sie ein der P. Fleisch Ges.m.b.H. zurechenbares Fehlverhalten in Abrede stellten und einen eigenmächtigen Verkauf des Fahrverkäufers unter Verwendung von einer ungeeichten Waage nicht ausschlossen.

Deshalb hatte die belangte Behörde auch zunächst vergeblich versucht, den Fahrverkäufer als Zeugen zur Rechtfertigung des Bw einzuvernehmen bzw im Rechtshilfeweg einvernehmen zu lassen. Erst nachdem die Bezirkshauptmannschaft G.

mitgeteilt hatte, daß laut Gendarmerieangaben der Zeuge unauffindbar ist und sich in Tschechien oder Ungarn aufhalten dürfte, sah die Behörde von der Zeugenvernehmung ab und beschränkte sich darauf, die Angaben des Bw als Schutzbehauptungen einzustufen, indem sie ihre Beweiswürdigung zum Nachteil des Bw einfach durch Hinweise auf Vorstrafakten stützte.

Auf diese Weise wurde aber entgegen dem durch die Unschuldsvermutung des Art 6 Abs 2 EMRK grundrechtlich abgesicherten Grundsatz "Im Zweifel für den Beschuldigten" der objektive Tatbestand einer Verwaltungsübertretung gemäß § 8 Abs 1 Z 2 iVm § 63 Abs 1 MEG angenommen, ohne daß dafür ausreichende aktenkundige Anhaltspunkte vorlagen. Der Hinweis auf Vorstrafen kann in einem rechtsstaatlichen Verfahren grundsätzlich nicht genügen. Aber auch die Anzeige des Aufsichtsorganes vom 15. Juni 1992 schildert den Sachverhalt nur lückenhaft und unpräzise. Dem Aktenvermerk vom 15. Juni 1992 zu dieser Anzeige ist nur zu entnehmen, daß vom Transporter aus ohne Kühlung Knacker, Frankfurter, Berner Würstel, Pußta-Debreziner, Käsekrainer, Sulz, Knoblauchwurst, Tiroler, Waldviertler und Göttinger Wurst sowie Rollschinken angeboten wurden. Diese Waren können alle vorportioniert und preisausgezeichnet per Stück abgegeben werden. Der Einwand des Bw, daß der angelastete Rollschinken von der P. Fleisch Ges.m.b.H. nur per Stück und nicht nach Gewicht abgegeben wird, kann daher nach der Aktenlage nicht widerlegt werden. Das Bereithalten einer Waage war dementsprechend im rechtsgeschäftlichen Verkehr der P.

Fleisch Ges.m.b.H. nicht erforderlich. Die vom Aufsichtsorgan vorgefundene Haushaltswaage "Söhnle, max. 5 kg" konnte entsprechend der Verantwortung des Bw auch vom Fahrverkäufer weisungswidrig für eigene Zwecke bereitgehalten und/oder verwendet werden.

Der unabhängige Verwaltungssenat geht nicht zuletzt auch im Hinblick auf die mittlerweile verstrichene Zeit und die damit verbundene Verschlechterung der Beweislage (Erhebungen bei potentiellen Kunden der P. Fleisch Ges.m.b.H. sind nicht mehr sinnvoll) davon aus, daß die gegenständlich in Betracht zu ziehende Verwaltungsübertretung nach dem Maßund Eichgesetz nicht mehr erwiesen werden kann.

4.4. Aus den angeführten Gründen war daher das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren sowohl gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG (keine bzw nicht erwiesene Verwaltungsübertretung) als auch gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG (Verfolgungsverjährung) einzustellen.

5. Bei diesem Ergebnis entfällt gemäß § 66 Abs 1 VStG die Verpflichtung des Bw zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. W e i ß

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