Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-220586/2/Kl/Rd

Linz, 24.06.1994

VwSen-220586/2/Kl/Rd Linz, am 24. Juni 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des K.

W., vertreten durch RA Dr. F.K., gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt L. vom 5.4.1993, GZ: .., wegen Verwaltungsübertretungen nach dem Arbeitszeitgesetz und dem Bundesgesetz über die Nachtarbeit der Frauen zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Verfahrenskostenbeiträgen.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51, 45 Abs.1 Z3 und 31 Abs.2 VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt L. vom 5.4.1993, GZ: .., wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von insgesamt 91.000 S, Ersatzfreiheitsstrafe von insgesamt 91 Tagen, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 9 iVm § 7 AZG in 28 Fällen und wegen § 3 Abs.1 iVm § 9 Abs.1 Frauennachtarbeitsgesetz in 12 Fällen verhängt, weil er es als gemäß § 9 Abs.1 VStG haftbarer handelsrechtlicher Geschäftsführer der "W. GmbH" (Komplementärin der "W. GmbH & Co KG), beide L., zu verantworten hat, daß er es vorsätzlich nicht verhindert hat, daß die oben genannte Co KG als Arbeit- bzw. Dienstgeber am Firmenstandort in L., im Tatzeitraum Dezember 1991 namentlich angeführte Arbeit- bzw. Dienstnehmer entgegen der gesetzlich festgelegten täglichen Arbeitszeit mehr als 10 Stunden und entgegen der gesetzlich festgelegten wöchentlichen Arbeitszeit mehr als 50 Stunden sowie die angeführten Arbeitnehmerinnen jeweils während der gesetzlichen Nachtruhe von 20.00 Uhr bis 6.00 Uhr unzulässig beschäftigt hat.

Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag von 9.100 S festgelegt.

2. Dagegen richtet sich die fristgerecht eingebrachte Berufung, in welcher die zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen bestritten wurden, Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wurde und nach einer eingehenden Begründung die Behebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens beantragt wurde.

3. Der Magistrat der Stadt L. als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt und eine Äußerung abgegeben. Darin wurde ua mitgeteilt, daß Frau R.W. als verantwortliche Beauftragte gemäß § 9 Abs.2 und Abs.4 VStG bestellt und gegenüber der Behörde bekanntgegeben wurde, weshalb der Beschuldigte nur unter den Voraussetzungen des § 9 Abs.6 VStG strafbar ist.

Entgegen der Ansicht des Beschuldigten ist aber ein Beauftragter nach dem VStG nicht identisch mit dem Bevollmächtigten nach dem AZG.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt Einsicht genommen. Da bereits aus der Aktenlage ersichtlich war, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben war, war eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht anzuberaumen (§ 51e Abs.1 VStG).

5. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

5.1. Gemäß § 9 Abs.1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs.2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

Die zur Vertretung nach außen Berufenen sind berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden (§ 9 Abs.2 VStG).

Die zur Vertretung nach außen berufenen Personen iSd Abs.1 sowie Personen iSd Abs.3 bleiben trotz Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten - unbeschadet der Fälle des § 7 - strafrechtlich verantwortlich, wenn sie die Tat vorsätzlich nicht verhindert haben (§ 9 Abs.6 VStG).

5.2. Die zur Vertretung nach außen Berufenen haften strafrechtlich in den Fällen des § 7 VStG (Anstiftung und Beihilfe) sowie im Falle der vorsätzlichen Nichtverhinderung der Tat, wobei es nach der Textierung nicht darauf ankommt, ob es sich bei der Tat um eine vorsätzlich oder fahrlässig begangene handelt. Nur hinsichtlich der Nichtverhinderung muß wenigstens bedingter Vorsatz gegeben sein (Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, Seite 760 Anm.9). Es ist daher der ursprünglich verwaltungsstrafrechtlich Verantwortliche verpflichtet, die Begehung einer Straftat beim Betrieb des Unternehmens durch ein aktives Verhalten zu verhindern (vgl.

Ringhofer, Verwaltungsverfahren II, Anm. 24 zu § 9 VStG).

Es ist daher wie im Fall der Anstiftung oder Beihilfe (§ 7 VStG) iSd § 44a Z2 VStG die Nennung des § 9 Abs.6 VStG im Spruch erforderlich und es ist iSd Tatkonkretisierung nicht gleichgültig, ob jemand den Tatbestand selbst verwirklicht hat oder "vorsätzlich nicht verhindert hat" (vgl.

Hauer-Leukauf zu § 7 VStG, Seite 746). Da es sich sohin bei dem Vorwurf der vorsätzlichen Nichtverhinderung der Tat um ein wesentliches Tatbestandsmerkmal iSd § 44a Z1 VStG handelt, hat eine diesbezügliche Verfolgung einer bestimmten Person innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist zu erfolgen (§ 31 Abs.1 und Abs.2 VStG).

5.3. Mit der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 26.2.1992, abgeändert anläßlich einer niederschriftlichen Einvernahme am 23.4.1992, wurde dem Berufungswerber vorgeworfen, als gemäß § 9 Abs.1 VStG haftbarer handelsrechtlicher Geschäftsführer der "W. GmbH" als Komplementärin der "W. GmbH & Co KG", beide L., es zu verantworten zu haben, daß die obgenannte Co KG als Arbeit- bzw. Dienstgeber eben dort im Tatzeitraum Dezember 1991 Arbeit- bzw. Dienstnehmer - wie folgend angeführt - entgegen den Bestimmungen des AZG und des Frauennachtarbeitsgesetzes beschäftigt hat.

Ein weiterer Tatvorwurf innerhalb der gemäß § 31 Abs.2 VStG festgelegten Verfolgungsverjährungsfrist von sechs Monaten (endend mit Juli 1992) ist nicht ergangen.

Die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs.2 VStG wurde erst mit Schriftsatz vom 26.8.1992 - also nach Ablauf der Verfolgungsverjährungsfrist - mitgeteilt, und sah sich daher die belangte Behörde nach einem weitergeführten Verfahren zu dem eingangs angeführten Schuldspruch veranlaßt.

Da die nunmehr im angefochtenen Straferkenntnis zur Last gelegte Tat - nur eine solche bildet den Gegenstand bzw. die Sache des Berufungsverfahrens - mit allen ihren wesentlichen Sachverhaltselementen dem Berufungswerber nicht innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist zum Vorwurf gemacht wurde, ist daher bereits Verfolgungsverjährung eingetreten. Es war daher das angefochtene Straferkenntnis spruchgemäß aufzuheben und das diesbezügliche Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG einzustellen.

Auf das in der Berufung gemachte Vorbringen war nicht mehr weiters einzugehen.

5.4. Es bleibt der belangten Behörde aber unbenommen, inwieweit sie die fristgerecht vorgeworfene Tat weiters verfolgt. Eine Spruchberichtigung hingegen war dem O.ö.

Verwaltungssenat verwehrt, weil er nach der Judikatur des VwGH zu einer Auswechslung der Tat nicht berechtigt ist.

6. Da die verhängte Strafe infolge Berufung aufgehoben und das Strafverfahren eingestellt wurde, war ein Kostenbeitrag zum Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 66 Abs.1 VStG nicht zu leisten.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. K l e m p t

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum