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des Landes Oberösterreich
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VwSen-220602/2/Kl/Rd

Linz, 16.03.1994

VwSen-220602/2/Kl/Rd Linz, am 16. März 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des K.

W., p.A. H. Handelsgesellschaft mbH, S., vertreten durch RA Dr. H.H., gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt S. vom 11.5.1993, Ge-.., wegen einer Übertretung nach dem Bundesgesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Verfahrenskostenbeiträgen.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51, 32 Abs.2, 44a Z1 und 45 Abs.1 Z3 VStG.

zu II.: § 66 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt S.

vom 11.5.1993, Ge-.., wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 7.500 S, Ersatzfreiheitsstrafe von 180 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 26 Abs.1 Z5 des Bundesgesetzes über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen iVm § 26 Abs.1 AZG verhängt, weil er als gemäß § 9 Abs.2 VStG Verantwortlicher der Filiale der H.

HandelsgesmbH in B., es zu vertreten hat, daß bei der Überprüfung der am 17.7.1991 übersandten Personalstandsmeldungen der im oa Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer festgestellt wurde, daß für die Jugendliche M.L.M., geb. am 2.3.1973, für den Zeitraum 1.5.

bis 30.6.1991 keine ausreichenden Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden geführt wurden. Weiters wurde ein Verfahrenskostenbeitrag von 750 S festgelegt.

2. Dagegen richtet sich die fristgerecht eingebrachte Berufung, welche das Straferkenntnis zur Gänze anficht und dazu im wesentlichen ausführt, daß die im Spruch genannte Arbeitnehmerin bereits das 18. Lebensjahr zum Tatzeitpunkt vollendet hat und aus der Anzeige sowie aus dem Verfahrensergebnis nicht erkennbar ist, daß sich die Betreffende in einem Lehr- oder Ausbildungsverhältnis befand, sodaß sie noch als Jugendliche im Sinn des KJBG gilt.

Auch wurde weiters eingewendet, daß für sämtliche Filialen, also auch für die verfahrensgegenständliche Filiale in B.

jederzeit die Arbeitszeitaufzeichnungen angefordert und vorgelegt werden können. Hiezu wurde ein Zeuge namhaft gemacht. Im übrigen wurde ausgeführt, daß die verhängte Geldstrafe zu hoch bemessen sei, weil keine diesbezüglichen Vorstrafen vorliegen. Es seien nicht sämtliche Bemessungsgründe gemäß § 19 VStG berücksichtigt worden.

3. Der Bürgermeister (Magistrat) der Stadt S. als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt und keine Äußerung abgegeben.

4. Der O.ö. Verwaltungssenat hat in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt Einsicht genommen. Da schon aus der Aktenlage im Zusammenhalt mit den Berufungsausführungen ersichtlich war, daß das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben war, war eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht anzuberaumen (§ 51e Abs.1 VStG).

5. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

5.1. Gemäß § 26 Abs.1 Z5 des Bundesgesetzes über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen 1987 - KJBG, BGBl.Nr. 599/1987 idgF, ist in jedem Betrieb, in dem Jugendliche beschäftigt werden, ein Verzeichnis der Jugendlichen zu führen und hat das Verzeichnis Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden und deren Entlohnung (§ 326 Abs.1 des AZG) zu enthalten.

Gemäß § 30 leg.cit. ist, wer diesem Bundesgesetz zuwiderhandelt, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe von 1.000 S bis 15.000 S, im Wiederholungsfall von 3.000 S bis 30.000 S, oder mit Arrest von drei Tagen bis zu sechs Wochen zu bestrafen. Beide Strafen können auch nebeneinander verhängt werden.

Gemäß § 3 leg.cit. sind Jugendliche im Sinne dieses Bundesgesetzes Personen, die nicht als Kinder im Sinne des § 2 Abs.1 gelten, 1) bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres oder 2) bis zur Beendigung eines Lehr- oder sonstigen mindestens einjährigen Ausbildungsverhältnisses, längstens jedoch bis zur Vollendung des 19. Lebensjahres.

5.2. Gemäß § 30 letzter Satz leg.cit. beträgt die Verjährungsfrist (§ 31 Abs.2 VStG) sechs Monate. Gemäß § 31 Abs.1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. Verfolgungshandlung ist gemäß § 32 Abs.2 VStG jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung udgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

Eine Verfolgungshandlung muß, um den Eintritt der Verfolgungsverjährung hintanzuhalten, gegen eine individuell bestimmte Person gerichtet sein und diese als "Beschuldigten" apostrophieren, dh, ihr die Verwirklichung einer bestimmten Tat - nämlich eines konkret umschriebenen, einen Deliktstatbestand bildenden Sachverhaltes - vorwerfen, wobei deren rechtliche Qualifikation zunächst bedeutungslos ist. Die Ausforschung eines unbekannten Täters (§ 34 VStG) ist danach ebensowenig eine Verfolgungshandlung, wie eine Anonymverfügung (vgl. Ringhofer, Verwaltungsverfahren, Band II, Anm.7 zu § 32 VStG). Demnach hat bereits der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß ein Ersuchschreiben um Ausforschung des Verantwortlichen einer Firma, Bekanntgabe seines Nationales und Einholung seiner Rechtfertigung sich nicht gegen eine konkret (individuell) bestimmte Person richtet, sondern erst deren Ermittlung dienen soll. Nur der Behörde, nicht jedoch einer anderen Stelle oder Person kommt es zu, zum Ausdruck zu bringen, welche Person wegen einer bestimmten strafbaren Handlung in Verfolgung gezogen werden soll (Ringhofer, E.23 zu § 32 mN).

Eine den genannten Anforderungen entsprechende Verfolgungshandlung wurde aber nach dem vorgelegten aktenkundigen Verfahrensgang innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist nicht gesetzt. Allein die Anzeigenübermittlung an den Rechtsanwalt der H. HandelsgesmbH zur Bekanntgabe des Verantwortlichen und Abgabe einer Stellungnahme stellt aber im Sinne der obzitierten Judikatur keine geeignete Verfolgungshandlung dar. Als erste im Sinne der zitierten Gesetzesstelle entsprechende Verfolgungshandlung könnte demnach erst die Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme, gerichtet an den Beschuldigten, vom 8.1.1993 gelten. Diese Handlung liegt aber bereits außerhalb der genannten Verfolgungsverjährungsfrist. Es war daher mangels einer tauglichen Verfolgungshandlung innerhalb der gesetzlichen Verfolgungsverjährungsfrist das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

5.3. Entsprechend den Berufungsausführungen ist das angefochtene Straferkenntnis aber auch im Hinblick auf die Tatbestandsmäßigkeit mangelhaft. Im Spruch wird der Vorwurf auf die Jugendliche M.L.M., geb. am 2.3.1973, bezogen. Diese hat aber zum Tatzeitpunkt 1.5. bis 30.6.1991 bereits das 18. Lebensjahr vollendet. Ermittlungen und Beweisergebnisse, daß es sich bei der Genannten um eine Person im Lehr- oder in einem mindestens einjährigen Ausbildungsverhältnis handelt, sodaß sie als Jugendliche im Sinn des § 3 Z2 KJBG gilt, ist dem gesamten Akt sowie der Anzeige nicht zu entnehmen. Auch fehlen diesbezügliche Anmerkungen in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses. Es hätte daher einer Konkretisierung und Nachweisbarkeit im Hinblick auf ein bestehendes Lehr- oder Ausbildungsverhältnis bedurft.

5.4. Gemäß § 44 Z1 VStG ist die Tat hinsichtlich aller Tatbestandsmerkmale und hinsichtlich Tatort und Tatzeit so konkretisiert zu umschreiben, daß die Identität der Tat unverwechselbar feststeht.

Nach dem Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses scheint als örtliche Umschreibung die "Filiale der H.

Handelsgesellschaft mbH in B." auf.

Die Anzeige des Arbeitsinspektorates für den 7. Aufsichtsbezirk wurde aber gemäß § 27 VStG dem Magistrat S. als Tatortbehörde übermittelt, weil der Firmensitz (und sohin der Tatort) der H. HandelsgesmbH in S. ist. Es hat daher der Magistrat S. in Wahrnehmung seiner Tatortzuständigkeit auch das angefochtene Straferkenntnis erlassen, wobei aber unterlassen wurde, den Tatort in den Spruch aufzunehmen. Dazu ist zu bemerken, daß aus der Anzeige sowie auch aus dem weiteren Aktengang eine Konkretisierung der Tat und der Bezeichnung des Tatortes in S. nicht hervorgeht. Insbesondere da der Tatvorwurf auf die Verantwortlichkeit gemäß § 9 Abs.2 VStG abstellt (verantwortlicher Beauftragter) kann auch nicht von vornherein auf den Firmensitz der H. Handelsgesellschaft mbH in S. geschlossen werden, was sich im Fall der strafrechtlichen Verantwortlichkeit eines nach außen vertretungsbefugten Organes (§ 9 Abs.1 VStG) anbieten würde.

Auch diesbezüglich ist das Verwaltungsstrafverfahren einschließlich des angefochtenen Straferkenntnisses mangelhaft.

5.5. Schließlich hat im Spruch die Verantwortlichkeit des Beschuldigten in eindeutiger Weise hervorzugehen. Diesem Erfordernis wird ebenfalls nicht entsprochen. Wie aktenkundig ist, wurde in der Stellungnahme vom 7.10.1991 der Beschuldigte "als Verantwortlicher im Sinne des § 9 VStG, Herr K.W., Prokurist", namhaft gemacht und hat dieser darin ausdrücklich erklärt, daß er mit der Bestellung zum Verantwortlichen im Sinn des § 9 VStG einverstanden war.

Hiezu ist auszuführen, daß für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen grundsätzlich strafrechtlich verantwortlich ist, wer zur Vertretung nach außen berufen ist (§ 9 Abs.1 VStG). Die Organfunktion hat in eindeutiger Weise aus dem Spruch hervorzugehen. Einem Prokuristen kommt aber keine zur Vertretung nach außen befugte Organfunktion für eine GesmbH zu. Sollte hingegen mit seiner Namhaftmachung die Verantwortung als verantwortlicher Beauftragter im Sinn des § 9 Abs.2 letzter Satz VStG gemeint sein, so genügt eine nachträgliche Zustimmungserklärung bzw. eine nachträgliche Zeugenaussage nicht. Gemäß § 9 Abs.4 VStG kann als verantwortlicher Beauftragter nur eine Person mit Wohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist. Nach der hiezu ergangenen ständigen und klaren Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes muß dieser Zustimmungsnachweis von den zur Vertretung nach außen Berufenen bzw. vom Unternehmer der Behörde erbracht werden, wobei dieser Zustimmungsnachweis aus der Zeit vor der Begehung der dem Beschuldigten angelasteten Übertretung stammen muß. Dies bedeutet, daß der Zustimmungsnachweis durch eine Urkunde, datiert vor dem Tatzeitpunkt, oder durch eine Zeugenaussage, welche vor dem Tatzeitpunkt abgelegt wurde, erbracht werden kann. Diesen Anforderungen wird weder die Benennung des Beschuldigten als strafrechtlich Verantwortlichen noch das weitere Verwaltungsstrafverfahren gerecht. Es wäre aber Sache des erstbehördlichen Verfahrens gewesen, die Verantwortlichkeit in eindeutiger Weise zu ermitteln und nachzuweisen und andererseits diese Verantwortlichkeit auch in eindeutiger Weise im Spruch zum Ausdruck zu bringen. Demnach kann der Beschuldigte nur verantwortlicher Beauftragter der H. HandelsgesmbH mit Sitz in S. sein, wobei sich seine Verantwortlichkeit auf die Filiale in B., räumlich (sachlich) eingegrenzt bezieht. Für diesen räumlich eingegrenzten Bereich müßte ihm auch die entsprechende Anordnungsbefugnis eingeräumt worden sein.

5.6. Aus all den angeführten Gründen war daher das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

6. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Spruch zitierte Gesetzesstelle.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. K l e m p t

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