Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-220756/5/Schi/Ka

Linz, 22.03.1995

VwSen-220756/5/Schi/Ka Linz, am 22. März 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Schieferer über die Berufung des Arbeitsinspektorats für den 19. Aufsichtsbezirk in Wels, Edisonstraße 2, gegen den Bescheid des Bürgermeisters (Magistrates) der Stadt Wels vom 7.10.1993, MA2-Ge-4099-1993 Ste, zu Recht erkannt:

Die Berufung wird gemäß § 66 Abs.4 AVG iVm Art. 6 Abs.1 MRK sowie §§ 24, 51 Abs.1, 51c, 51d und 51e VStG mit der Feststellung, daß der unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung über einen Berufungsantrag, wie ihn das Arbeitsinspektorat gestellt hat, nicht zuständig ist, zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe:

1. Der unabhängige Verwaltungssenat ist aufgrund der ihm vom Magistrat der Stadt Wels unter Anschluß des bezughabenden Aktenvorganges zur Entscheidung vorgelegten Berufung des bezeichneten Arbeitsinspektorates mit folgendem Sachverhalt konfrontiert:

1.1. Das Arbeitsinspektorat hat dem Magistrat der Stadt Wels mit Schreiben vom 26. Mai 1993 eine von ihm im Zuge einer Kontrolle bei einem näher angegebenen, mit seinem Sitz im Sprengel der belangten Behörde gelegenen Bäckereibetrieb festgestellte, angebliche Übertretung des § 9 Bäckereiarbeitergesetz angezeigt und beantragt, gegen den verwaltungsstrafrechtlich verantwortlichen bzw dessen Bevollmächtigten eine Geldstrafe in der Höhe von 1.000 S zu verhängen.

1.2. Die Anzeige bzw diesen Antrag hat die belangte Behörde - nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens schließlich veranlaßt, den bekämpften Bescheid vom 7.10.1993 mit folgendem Spruch zu erlassen:

"Das Verwaltungsstrafverfahren gegen Herrn P R als Geschäftsführer der J R GesmbH und Co KG, W, wegen des Verdachtes, die Dienstnehmerin U M am 18.5.1993 ab 03.41 Uhr im eben genannten Betrieb mit dem Zerteilen von Mehlspeisen beschäftigt zu haben, obwohl nach dem Bäckereiarbeitergesetz weibliche Dienstnehmer in der Zeit zwischen 20.00 Uhr und 05.00 Uhr nicht beschäftigt werden dürfen, wird eingestellt." Als Rechtsgrundlage wurde § 45 Abs.1 Z1 VStG angeführt.

1.3. Gegen diesen Bescheid hat das Arbeitsinspektorat gemäß § 15 Abs.6 iVm § 11 Abs.1 Arbeitsinspektionsgesetz Berufung erhoben mit der Begründung, daß vor Einstellung dem Arbeitsinspektorat nicht gemäß § 12 Abs.2 Arbeitsinspektionsgesetz 1993 keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde und außerdem müßten die Angaben des Beschuldigten und der Zeugin dadurch entkräftet werden, da laut Arbeitsaufzeichnungen die in der Anzeige angeführte Übertretung kein Einzelfall gewesen sei. Im Grunde dieses Vorwurfs stellt das Arbeitsinspektorat den ausdrücklichen A n t r a g , den Bescheid aufzuheben und den Beschuldigten wegen Übertretung des § 9 Bäckereiarbeitergesetz mit 2.000 S zu bestrafen. Die Häufigkeit der Übertretung ist als erschwerend zu berücksichtigen, weshalb auch beantragt wird, die Strafhöhe von 1.000 S auf 2.000 S zu erhöhen.

2. Zur Entscheidung über einen in dieser Ausdrücklichkeit formulierten Antrag ist jedoch der unabhängige Verwaltungssenat sachlich nicht zuständig.

2.1. Mit diesem Berufungsantrag übersieht das Arbeitsinspektorat, daß vorliegend ein rein verfahrensrechtlicher Spruchinhalt zugrundeliegt, nämlich die Verfügung, das iSd § 32 Abs.1 VStG eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren nicht materiell durch Schuldspruch, sondern formell durch Einstellung zu beenden.

Darin allein kommt der Bescheidwille (vgl. WALTER/MAYER, Verwaltungsverfahrensrecht 5. A [1991], Rz 384) der Strafbehörde zum Ausdruck. Nur dieser Spruchinhalt als Sache iSd § 66 Abs.4 AVG (§ 24 VStG) hätte Ziel (Objekt) darauf gerichteter Berufungsanträge sein und auf die Ebene der Berufungsbehörde gehoben werden können.

Lehre und Judikatur haben zum Begriff der 'Sache' des § 66 Abs.4 AVG entwickelt, daß die Berufungsbehörde nur über die Angelegenheit zu entscheiden befugt ist, die den Gegenstand des Abspruchs der Unterinstanz bildet; unzulässig wären etwa zusätzliche Aufträge durch die Berufungsbehörde. Eine weitere Schranke der Prüfungsbefugnis der Berufungsbehörde liegt darin, daß sie nicht jenen Rahmen überschreiten darf, der durch die Berufung selbst bzw. die Anträge des Berufungswerbers (= Anfechtungserklärung) gesetzt wurde (HAUER/LEUKAUF, Handbuch 4. A [1990], Seite 514).

2.2. Mit dem oben wiedergegebenen, ausschließlich auf eine materielle Entscheidung durch Schuldspruch abzielenden Antrag (an dessen Vorgaben der unabhängige Verwaltungssenat gebunden ist; idS Rudolf THIENEL, Das Verfahren der Verwaltungssenate, 2. A [1992], 343) übergeht das Arbeitsinspektorat jedoch nicht nur den rein verfahrensrechtlichen Kern der Sache des bekämpften Bescheides, sondern sinnt in Wahrheit dem unabhängigen Verwaltungssenat Aufgaben und Stellung einer erstinstanzlichen Strafverfolgungsbehörde zu.

Einen SCHULDSPRUCH jedoch, den, wie beantragt, der unabhängige Verwaltungssenat wie eine Strafverfolgungsbehörde nach dem Inquisitionsprinzip erstmalig auszusprechen hätte, ist dem unabhängigen Verwaltungssenat nach seiner ständigen Rechtsprechung (hier einschlägig:

VwSen-221006/5/Ga v. 27.7.1994; VwSen-221024/2/Le v.

29.12.1994) aus verfassungsrechtlichen Gründen verwehrt.

Was nämlich schon diese Ebene anbelangt, ist auf Art. 6 Abs.1 MRK hinzuweisen, wonach der unabhängige Verwaltungssenat eingerichtet ist, um über die Stichhaltigkeit der gegen einen Beschuldigten erhobenen strafrechtlichen Anklage zu entscheiden. Denn Art. 6 Abs.1 MRK garantiert bei strafrechtlichen Anklagen ein "faires Verfahren", das den Anklageprozeß (vgl Art. 90 Abs.2 B-VG) und damit eine strikte Trennung der richterlichen von der anklagenden Funktion voraussetzt. Eine strafrechtliche Anklage im Sinn dieser Verfassungsvorschrift liegt jedoch im Berufungsfall gerade nicht vor, weil die belangte Behörde keinen Schuldspruch gefällt hat.

Es hat aber auch der Verfassungsgerichtshof in den Entscheidungsgründen zu seinem Erkenntnis vom 1. Oktober 1991, B 976/90-12, im Zusammenhang mit dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter ausgeführt (Seite 14): "Das genannte verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht wird nämlich auch dann verletzt, wenn die Berufungsbehörde in einer Angelegenheit entscheidet, die nicht Gegenstand der Entscheidung der Unterinstanz war (vgl.

VfSlg. 5592/1967, 5822/1968, 6548/1971, 7641/1975, 8176/1977) bzw. wenn durch die Übergehung der zuständigen Behörde erster Instanz der gesetzlich vorgesehene Instanzenzug unvollständig geblieben ist und durch eine solche unzulässige Verkürzung des Instanzenzuges die Rechtsverfolgungsmöglichkeit behindert wird (VfSlg.

7508/1975, 8188/1977)." 3. Aus allen diesen Gründen war der Antrag des Arbeitsinspektorats, weil damit die Abänderung eines verfahrensrechtlichen Bescheides durch einen inhaltlichen Akt, der überdies verfassungswidrig wäre, begehrt wird, als unzulässig zurückzuweisen.

4. Bei diesem Ergebnis war weder auf die Verwaltungsangelegenheit näher einzugehen noch eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung durchzuführen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Schieferer

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