Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-220778/9/Ga/La

Linz, 22.08.1994

VwSen-220778/9/Ga/La Linz, am 22. August 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die - auf die im Spruchpunkt a) verhängte Strafe eingeschränkte - Berufung der M B in V, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 11. Oktober 1993, Zl. Ge96-2023-1993, wegen Übertretungen des Bundesgesetzes über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen 1987 - KJBG, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird, wenngleich nicht antragsgemäß, so doch in der Weise Folge gegeben, daß die im Spruchpunkt a) verhängte Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) auf 2.500 S (zwei Tage) herabgesetzt wird.

II. Der Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor der Strafbehörde wird auf (zusammengezählt) 450 S herabgesetzt; ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem unabhängigen Verwaltungssenat entfällt.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51, iVm § 24 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52; § 16, § 19, § 51 Abs.1, § 51c und § 51e Abs.2 VStG.

Zu II.: § 64 Abs.2 und § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde die Berufungswerberin schuldig erkannt, sie habe a) in Verletzung des § 17 Abs.5 KJBG einen namentlich genannten, am 15. Juni 1975 geborenen Jugendlichen, am "6.2.1992" (richtig: 6.2.1993) ab 00.30 Uhr, sohin vor 04.00 Uhr beschäftigt; b) unter Veletzung des § 26 Abs.1 KJBG zumindest am 6.2.1993 kein Verzeichnis über die von diesem Jugendlichen geleisteten Arbeitsstunden geführt; c) unter Verletzung des § 27 Abs.2 KJBG den in dieser Vorschrift geregelten Aushang nicht an einer für diesen Jugendlichen leicht zugänglichen Stelle angebracht.

Über die Berufungswerberin wurden deswegen Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) in der Höhe von a) 3.000 S (drei Tage) sowie b) und c) je 1.000 S (je ein Tag) je kostenpflichtig verhängt.

2. Dagegen hat die Berufungswerberin, zunächst vertreten durch ihren Sohn P, eine irrtümlich an das Arbeitsinspektorat für den 18. Aufsichtsbezirk gerichtete, vom Arbeitsinspektorat an die Strafbehörde weitergeleitete und dort fristgerecht eingelangte Berufung erhoben.

Diese Berufung hat die Strafbehörde als belangte Behörde ohne Gegenäußerung vorgelegt und den bezughabenden Strafakt angeschlossen.

3.1. Zur Begründung des die Aufhebung des Straferkenntnisses erschließbar beantragenden Rechtsmittels wird lediglich vorgebracht, daß "für mich kein Tatbestand" vorliege. Im übrigen rügt die Berufung den offensichtlichen Schreibfehler der belangten Behörde hinsichtlich des Tatjahres.

Dennoch ist diese Berufung im Lichte der einschlägigen Entscheidungspraxis des unabhängigen Verwaltungssenates als - gerade noch - zulässiges Rechtsmittel zu werten.

3.2. In der Folge hat die Berufungswerberin, nunmehr ihre Angelegenheit selbst wahrnehmend, mit Schriftsatz vom 3.

Dezember 1993 an den unabhängigen Verwaltungssenat den Antrag gerichtet, "die Strafentscheidung auszusetzen, da diese Situation damals ein absoluter Notfall" gewesen sei.

Diese Situation, in der der jugendliche Lehrling Verständnis gezeigt und ausgeholfen habe, sei dadurch entstanden, daß ihr jüngster Sohn Ende Dezember 1992 bei einem Arbeitsunfall zwei Finger verloren habe und ihr anderer Sohn, der zwar eingesprungen, mit fiebriger Grippe jedoch auch noch ausgefallen sei. Daß in dieser Situation der Lehrling auf ihre Bitte ausgeholfen habe, hieße noch lange nicht, daß er deswegen ausgenützt würde. Vielmehr bestehe ein ausgezeichnetes Verhältnis und sei sie bemüht, den Jugendlichen beruflich und menschlich gut zu führen.

Der unabhängige Verwaltungssenat wertet diesen Inhalt des Schriftsatzes als Einschränkung der Berufung dahingehend, daß nur noch die Bekämpfung des Strafausspruches im Spruchpunkt a) aufrechterhalten wird, indem die Berufungswerberin, ohne sich dabei ausdrücklich auf den § 21 VStG zu berufen, nunmehr beantragt, von einer Strafe in diesem Punkt abzusehen ("die Strafentscheidung auszusetzen").

4. Als rechtliche Konsequenz aus der in dieser Weise eingeschränkten Berufung ist das Straferkenntnis in den Spruchpunkten b) und c) zur Gänze sowie im Spruchpunkt a) hinsichtlich der Schuld (Spruchelement gemäß § 44a Z1 VStG) rechtskräftig geworden. Dem unabhängigen Verwaltungssenat unterliegt somit nur die Prüfung der Höhe der zu a) verhängten Strafe und der Rechtmäßigkeit des Strafbemessungsverfahrens, aber auch der Nichtanwendung des § 21 VStG durch die belangte Behörde.

Der unabhängige Verwaltungssenat hat - nach Anhörung des Arbeitsinspektorats - erwogen:

4.1. Die für die Strafbemessung maßgeblichen Grundsätze regelt § 19 VStG. Danach obliegt es der - insoweit eine Ermessensentscheidung treffenden - Strafbehörde, die Tat innerhalb der Grenzen des gesetzlichen Strafrahmens (hier:

gemäß § 30 KJBG im Ersttäterfall Geldstrafe von 1.000 S bis 15.000 S oder Arrest von drei Tagen bis zu sechs Wochen; beide Strafen können auch nebeneinander verhängt werden) an Hand der objektiven Kriterien des Unrechtsgehalts (§ 19 Abs.1 VStG) und der subjektiven Kriterien des Schuldgehalts (§ 19 Abs.2 VStG) zu bewerten und entsprechend dieser Bewertung die Strafen festzusetzen. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden, nach den §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwendenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung selbst bestimmen, gegeneinander abzuwägen.

Und schließlich sind die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse der Beschuldigten bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Gemäß § 21 Abs.1 VStG hingegen kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden der Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Gleichzeitig jedoch kann die Behörde die Beschuldigte unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist um sie von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

4.2. Zur Anwendung des § 21 VStG ("Absehen von der Strafe") Nach Beweisaufnahme durch Einsicht in den vorgelegten Strafakt und unter Einbeziehung der Berufungsbegründung geht der unabhängige Verwaltungssenat mit der belangten Behörde davon aus, daß im Sinne der zweiten Voraussetzung für die Anwendung des § 21 VStG in diesem Fall tatsächlich nur unbedeutende Folgen der Übertretung vorliegen. Jedoch ist die erste Voraussetzung nicht erfüllt, weil von keinem im Sinne dieser Vorschrift bloß geringfügigen Verschulden der Berufungswerberin ausgegangen werden kann. So hat die belangte Behörde in der Begründung des Straferkenntnisses zutreffend dargelegt, daß der jugendliche Lehrling in einem direkten Abhängigkeitsverhältnis zu seiner Dienstgeberin stehe und daher die Freiwilligkeit seines Arbeitseinsatzes aus dem Gesichtspunkt der Angst vor der Möglichkeit des Verlustes seines Lehrplatzes nicht strafmildernd gewürdigt werden könne. Diese Sichtweise erfährt Bestätigung durch die im Akt einliegende Intervention des Jugendlichen, mit der er um Abstandnahme von einer Bestrafung seiner Dienstgeberin ersucht und zur Begründung unter anderem auf die Freiwilligkeit seines inkriminierten Arbeitseinsatzes hinweist und weiters darauf, daß seine Chefin im Falle ihrer Bestrafung in Zukunft keine Lehrlinge mehr einstellen werde.

Abschließend führt er in seinem Schreiben (ohne Datum) aus:

"Ich wüßte nicht, wer mit mir die Geduld und Ausdauer aufgebracht hätte, sodaß ich jetzt meinen Lehrabschluß machen kann. Auch möchte ich in Zukunft bei der Firma Bachinger bleiben, daher ersuche ich, die Strafe, die von mir aus gesehen ungerecht ist, auszusetzen. Oder wollen Sie, daß ich die Strafe bezahle? Auf alle Fälle möchte ich in diesem Betrieb weiterarbeiten und ich weiß nicht, ob sie mich unter solchen Umständen behalten werden." Insgesamt belegt dieses Interventionsschreiben nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates die Schwierigkeit der Situation, in die ein jugendlicher Lehrling in einer Fallkonstellation wie der vorliegenden geraten kann. Auch wird dadurch deutlich, daß der Lehrling von sich aus kaum in der Lage ist, gegen ein - wenngleich unter Betonung der Freiwilligkeit vorgetragenes - Ersuchen um aushilfsweise Ableistung eines außerhalb der gesetzlich zulässigen Zeiten liegenden Arbeitseinsatzes Widerstand zu leisten. Unterstrichen wird diese Beurteilung auch durch das im Akt aufliegende Schreiben der Berufungswerberin vom 25.

Mai 1993, aus dem das Bewußtsein der Ungesetzlichkeit der Vorgangsweise ebenso hervorgeht wie der Umstand, daß die Berufungswerberin den Interessenswiderstreit schließlich zugunsten der wirtschaftlichen Interessen des Betriebes gelöst hatte.

Die Schutzbestimmungen des KJBG haben jedoch - und dieses Wissen war bei der Berufungswerberin jedenfalls vorauszusetzen - gerade die Vermeidung solcher, für den Jugendlichen in aller Regel unlösbaren Situationen des Sich-gedrängt-Fühlens oder der moralischen Verpflichtung oder der Angst um den Lehrplatz zur Zielsetzung.

Ein derartiger Hintergrund kommt - trotz äußerlicher "Freiwilligkeit" - in seiner Auswirkung in Wahrheit einer Zwangslage sehr nahe, woraus resultiert, daß in diesem Fall die Verantwortung für ein rechtstreues Verhalten nach dem KJBG eigentlich dem Lehrling überbürdet wurde, weil die Bereinigung der Situation von seinem "freiwilligen" Befolgen des an ihn gerichteten dringenden Appells abhängig gemacht gewesen ist. Im Hinblick darauf kann von einem im Sinne des § 21 Abs.1 erster Satz VStG bloß geringfügigen Verschulden der Berufungswerberin nicht mehr die Rede sein. Ihr tatbildmäßiges Verhalten ist unter diesen Umständen nämlich nicht, wie dies die einschlägige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verlangt, hinter dem in der hier zugrundegelegten Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückgeblieben (vgl. zB VwGH 14.1.1988, 86/08/0073 uva.).

Im Ergebnis war der Berufungswerberin die beantragte "Strafaussetzung" zu versagen und kann der belangten Behörde aus der Strafverhängung zu dieser Übertretung kein Vorwurf erwachsen.

4.3. War aus diesem Grund jedoch schon die Anwendung des § 21 Abs.1 VStG ausgeschlossen, brauchte der Frage nach dem Vorliegen eines entschuldigenden Notstandes im Sinne des § 6 VStG nicht mehr nachgegangen zu werden. Im übrigen ist festzuhalten, daß nach ständiger Judikatur wirtschaftliche Nachteile nur dann Notstand begründen könnten, wenn sie die Lebensmöglichkeiten der für die Einhaltung der Rechtsvorschrift Verantwortlichen selbst unmittelbar bedrohen.

4.4. Zur Strafbemessung Aus der Begründung des bekämpften Straferkenntnisses ist nachvollziehbar, daß die belangte Behörde in ihrem Strafbemessungsverfahren sowohl zu den Spruchpunkten b) und c) - dort wurde jeweils nur die Mindeststrafe verhängt - als auch zum Spruchpunkt a) die Grundsätze des § 19 VStG beachtet hat. Um Wiederholungen zu vermeiden wird auf diese Begründung verwiesen.

Dennoch war aus Anlaß der Berufung auf eine maßvolle Herabsetzung der im Spruchpunkt a) verhängten Strafe zu erkennen:

So rechtfertigt nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates einerseits die relative Unbescholtenheit der Berufungswerberin bei gleichzeitigem Fehlen von Erschwerungsgründen und andererseits die Bedachtnahme darauf, daß der konkrete Unrechtsgehalt der Tat zufolge der einmalig gebliebenen, insgesamt nur dreieinhalb Stunden ausmachenden Übertretung der Vorschrift des § 17 Abs.5 KJBG als eher gering zu werten ist, die Herabsetzung der verhängten Geldstrafe auf ein Sechstel der oben dargestellten Höchststrafe. Wegen des Fehlens einschlägiger Vorstrafen konnten spezialpräventive Überlegungen noch in den Hintergrund treten; die Bedachtnahme auf die generelle Abschreckungswirkung hingegen ist auch mit dem herabgesetzten Strafbetrag gewahrt.

Einer weiteren Herabsetzung der Geldstrafe steht allerdings das nach den Umständen dieses Falles immerhin nicht unbeträchtliche Ausmaß des Verschuldens (oben 4.2.) entgegen.

5. Gemäß § 16 Abs.2 letzter Satz VStG war auch die Ersatzfreiheitsstrafe zur Wahrung des ausgewogenen Verhältnisses ihres Ausmaßes zur herabgesetzten Geldstrafe entsprechend zu mindern.

6. Dieses Verfahrensergebnis hat auf der Kostenseite die Entlastung der Berufungswerberin von ihrem 20%igen Beitrag zum Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat sowie die Herabsetzung des Kostenbeitrags zum Spruchpunkt a) im Straferkenntnis vom 11. Oktober 1993 zur Folge.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Gallnbrunner

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