Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-220783/7/Ga/La

Linz, 10.08.1995

VwSen-220783/7/Ga/La Linz, am 10. August 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des Dipl.-Ing. P. B. in ................, ..............., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 16. November 1993, Zl. Ge96/53/5-1993/Ms/M, wegen Übertretung von Arbeitnehmerschutzvorschriften, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und die Einstellung des Strafverfahrens verfügt.

Rechtsgrundlage:

AVG: § 66 Abs.4.

VStG: § 24; § 44a Z1, § 45 Abs.1 Z3, § 51 Abs.1, § 51c, § 51d, § 51e Abs.1; §§ 64 f.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er sei schuldig, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer der gleichnamigen Gesellschaft m.b.H. mit Sitz in der Gemeinde Alkoven eine Übertretung des § 45 Abs.4 der Bauarbeitenschutzverordnung zu verantworten und sei deshalb gemäß § 31 Abs.2 lit.p iVm § 33 Abs.1 lit.a Z12 des Arbeitnehmerschutzgesetzes - ANSchG mit einer Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) kostenpflichtig zu bestrafen gewesen.

Als erwiesen wurde angenommen: Am 2. Juni 1993 um ca. 11.30 Uhr seien zwei Arbeitnehmer der genannten Gesellschaft auf einer näher bezeichneten Baustelle in der Gemeinde .......... mit dem Entfernen der alten Verblechung auf der ca. 40 Grad geneigten Dachfläche beschäftigt gewesen, wobei diese Arbeiten ungesichert bei einer Traufenhöhe von ca. 5 m durchgeführt worden seien.

1.2. Begründend verweist die belangte Behörde auf die zugrundeliegende Anzeige des zuständigen Arbeitsinspektorats. Den im ordentlichen Ermittlungsverfahren vom Berufungswerber vorgebrachten Einwand, wonach die Arbeitnehmer konkret mit der Demontage der Gaubenverblechungen beschäftigt gewesen seien und sich zur Tatzeit deshalb nicht auf der geneigten Dachfläche, sondern im waagrechten, sicheren Bereich des Dachraumes befunden hätten, weil die Zimmerleute schon längst die Lattung entfernt gehabt hätten und nur mehr die Sparren vorhanden gewesen seien, wertete die belangte Behörde unter Berufung auf die Angaben des Arbeitsinspektorats, daß nämlich die Verblechungen schon vor Schaffung eines solchen sicheren Standplatzes durch Demontage der Lattungen zu entfernen gewesen seien und andererseits bei der Besichtigung der nämlichen Baustelle am Tattag die Arbeitnehmer vom Arbeitsinspektor auf der Dachfläche ungesichert angetroffen worden seien, als bloße Schutzbehauptung und ging deswegen von der Tatbestandsmäßigkeit des Vorwurfs aus.

2.1. Wie schon im Ermittlungsverfahren vor der belangten Behörde bestreitet der Berufungswerber die Tat mit dem Vorbringen, daß die beiden Arbeiter (nur) mit dem Entfernen der Gaubenverblechungen beschäftigt gewesen seien und sich zu diesem Zeitpunkt nicht auf der geneigten Dachfläche, sondern im waagrechten, sicheren Bereich des Dachraumes befunden hätten. Auch hätte der Arbeitsumfang auf dieser Baustelle im Rahmen der Demontagearbeiten nur die Entfernung der Gaubenverkleidungen, nicht jedoch der Wandbleche, Traufenbleche, Dachrinnen udgl. umfaßt.

Der Berufungswerber hat zur Veranschaulichung seiner Angaben eine Skizze über die konkrete Arbeitssituation auf der Baustelle angeschlossen.

2.2. Zu diesem Vorbringen wurde dem Arbeitsinspektorat Parteiengehör gewährt. Eine Äußerung ist nicht erfolgt.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in den zugleich mit der Berufung zu Zl. Ge95/53/6-1993/Wie/M vorgelegten Strafakt und unter Bedachtnahme auf die Begründung des Rechtsmittels erwogen:

4.1. § 45 BArbSchV trifft spezielle Schutzbestimmungen für die Beschäftigung von Arbeitnehmern mit Spenglerarbeiten auf Dächern.

Der im Berufungsfall maßgebende § 45 Abs.4 BArbSchV - jene Verwaltungsvorschrift (Gebotsnorm), die gegenständlich von der belangten Behörde iSd § 44a Z2 VStG als verletzt zugrundegelegt worden ist - lautet:

"Bei Spenglerarbeiten am Dachsaum oder an Hängerinnen haben sich die damit Beschäftigten, sofern die Arbeiten nicht von einem sicheren Standplatz im Dachbodenraum ausgeführt werden, sicher anzuseilen." 4.2. Gemäß § 44a Z1 VStG hat ein Schuldspruch die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Um den aus dieser Vorschrift als sogen. Konkretisierungsgebot in ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgeleiteten Grundsätzen zu entsprechen, muß der Spruch eines Straferkenntnisses die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau umschreiben, daß 1. die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und 2. die Identität der Tat, jedenfalls nach Ort und Zeit, unverwechselbar feststeht (vgl. dazu die allgemeinen Fußnoten zu § 44a VStG in HAUER/LEUKAUF, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. A [1990], 936 ff). Diesen Bestimmtheitsanforderungen muß, soll der Lauf der Verfolgungsverjährungsfrist unterbrochen werden, auch schon die erste Verfolgungshandlung iSd § 32 VStG genügen (vgl. das bei RINGHOFER, Verwaltungsverfahrensgesetze II [1992], 294 ff, zu § 32 unter E5 zit. Erk.

VwSlg. 12.375 A/1987; ferner zB VwGH 9.7.1992, 92/10/0004; uva). Für die hinlänglich bestimmte Tatanlastung ist weiters erforderlich, daß grundsätzlich die wesentlichen Tatbestandsmerkmale durch wörtliche Anführung zu bezeichnen sind (idS zB VwGH 10.6.1992, 92/04/0055; VwGH 29.1.1991, 90/04/0126 ua).

4.3. Im Berufungsfall sind - mit identem Tatvorwurf innerhalb der sechsmonatigen Verjährungsfrist (§ 31 Abs.2 VStG) zwei Verfolgungshandlungen (§ 32 Abs.2 VStG) gesetzt worden: Die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 28. Juni 1993 und das bekämpfte Straferkenntnis selbst. Mit Rücksicht auf den der Bestrafung zugrundegelegten Tatbestand erweisen sich jedoch beide Maßnahmen als untaugliche Verfolgungshandlungen, weil wesentliche Sachverhaltselemente nicht verfolgt worden sind.

In den Vorwurf an den Berufungswerber ist nämlich nicht einbezogen gewesen, daß es sich bei den inkriminierten Arbeiten um solche am Dachsaum oder an Hängerinnen gehandelt hat und auch nicht, daß für die Ausführung dieser Arbeiten ein sicherer Standplatz im Dachbodenraum nicht zur Verfügung gestanden ist.

4.4. Die dem Konkretisierungsgebot genügende, genaue Umschreibung der Tatumstände ist im Berufungsfall deshalb unverzichtbar, weil die Gebotsnorm zufolge ihres ausdrücklichen Wortlauts (arg.: "SOFERN"; damit handelt es sich vorliegend nicht bloß um einen negativen Tatbestand bzw eine negative Ausnahme [strafrechtsdogmatisch iS eines schlichten Rechtfertigungsgrundes], wie zB beim § 7 Abs.2 BArbSchV oder beim § 8 Abs.1 AAV [idS zuletzt VwGH 7.4.1995, 94/02/0515], sondern vielmehr um ein die Befolgungspflicht überhaupt erst begründendes, somit wesentliches Merkmal der Sicherungsvorschrift) zum Anseilen nur unter der Voraussetzung verpflichtet, daß die Arbeiten nicht vom sicheren Standplatz im Dachbodenraum ausgeführt werden (können).

Im vorgelegten Fall kommt dazu, daß der Berufungswerber den sicheren Standplatz im Dachraum, von dem aus Arbeiten durchgeführt worden seien, nicht nur in seinem Rechtsmittel, sondern von Anfang an auch im strafbehördlichen Ermittlungsverfahren ausdrücklich - und zudem mit nicht von vornherein unschlüssiger oder unglaubwürdiger Begründung - eingewendet hat.

Und schließlich hat die belangte Behörde verkannt, daß § 45 Abs.4 BArbSchV die besondere Sicherungspflicht nur für Spenglerarbeiten am Dachsaum oder an Hängerinnen vorsieht (einerlei, ob es sich um ein Steil- oder Flachdach handelt); Arbeiten außerhalb des Dachsaumbereiches erfaßt diese Vorschrift nicht.

4.5. Zusammenfassend war daher das Straferkenntnis - gemäß § 51e Abs.1 VStG ohne öffentliche mündliche Verhandlung wegen Vorwurfs einer unzureichend konkretisierten Tat aufzuheben. Dieser Mangel konnte infolge Eintritts der Verfolgungsverjährung vom unabhängigen Verwaltungssenat nicht mehr behoben werden, weshalb gleichzeitig gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG die Einstellung des Strafverfahrens zu verfügen war, weil Umstände vorliegen, die die (weitere) Verfolgung des Berufungswerbers in dieser Sache ausschließen.

5. Mit diesem Verfahrensergebnis entfällt die Kostenpflicht des Berufungswerbers (die Aufhebung bewirkt zugleich auch den Wegfall des strafbehördlichen Kostenausspruchs).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Gallnbrunner

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