Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-220794/2/Ga/La

Linz, 16.12.1994

VwSen-220794/2/Ga/La Linz, am 16. Dezember 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des F B, vertreten durch Prof. Dr. A H & K, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 3. November 1993, Zl.

Ge96/122/1993-3/93/Schf, wegen Übertretung der Gewerbeordnung 1973 - GewO 1973, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und die Einstellung des Strafverfahrens verfügt.

Rechtsgrundlage:

AVG: § 66 Abs.4.

VStG: § 24; § 44a Z1 bis Z3, § 45 Abs.1 Z3, § 51 Abs.1, § 51c und § 51e Abs.1; § 66 Abs.1.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber einer Übertretung des § 366 Abs.1 Z3 (idF vor der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl.Nr. 29/1993) schuldig erkannt und deswegen gemäß § 366 GewO 1973 mit einer Geldstrafe in der Höhe von 3.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 72 Stunden) kostenpflichtig bestraft.

2. Die belangte Behörde hat die das Straferkenntnis zur Gänze anfechtende Berufung ohne Gegenäußerung vorgelegt und den Strafakt angeschlossen. Aus der Beweisaufnahme durch Einsicht in diesen Strafakt zu Zl. Ge96/122/1993-5/93/Schf geht hervor, daß das angefochtene Straferkenntnis - gemäß § 51e Abs.1 VStG ohne öffentliche mündliche Verhandlung aufzuheben ist.

Dies aus folgenden Gründen:

2.1. Der Berufungswerber wendet ein, daß er schon in seiner Rechtfertigung vom 16. August 1993 sich mit dem Hinweis auf das völlige Fehlen einer örtlich gebundenen Einrichtung, weshalb schon aus diesem Grund keine Betriebsanlagenbewilligung erforderlich sei, verantwortet habe. Neuerlich unter Hinweis auf die erwähnte Rechtfertigung wiederholt der Berufungswerber seinen Einwand, wonach für ihn nicht ersichtlich hervorgehe, auf welche Ermittlungsergebnisse die belangte Behörde die Annahme einer Beeinträchtigung der vom § 74 GewO 1973 geschützten Interessen stütze. Sofern die belangte Behörde eine Belästigung von Nachbarn zugrundegelegt haben sollte, zeigt der Berufungswerber auf, daß solche Nachbarn, die belästigt sein könnten, gar nicht vorlägen.

2.2. Mit dem Einwand allein, daß es im Betriebsgelände lediglich Verladefahrzeuge (Radlader, Bagger) gebe, gewänne der Berufungswerber für die von ihm vertretene Rechtsauffassung der Nichtbewilligungspflichtigkeit seiner Anlage nichts für sich. Der Verwaltungsgerichtshof hat einschlägig mehrfach ausgesprochen, daß solche und ähnliche Lebenssachverhalte sehr wohl grundsätzlich dem Begriff der gewerblichen Betriebsanlage iSd § 74 Abs.1 GewO 1973 unterstellbar sind (vgl. die zu dieser Vorschrift in Kobzina/Hrdlicka, Gewerbeordnung 1994, Österreichische Staatsdruckerei, Wien 1994, auf Seiten 233 ff. auszugsweise wiedergegebenen Gesetzesmaterialien und Judikatur).

Im Prinzip ist daher die belangte Behörde frei von Rechtsirrtum, wenn sie in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses - sinngemäß - ausführt, daß die "Schottermanipulationsfläche" als örtlich gebundene Einrichtung iSd genannten Gesetzesvorschrift zu verstehen sei und insoweit dem gewerblichen Betriebsanlagenrecht unterliege.

Allerdings: Die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der 'örtlich gebundenen Einrichtung' allein sagt - entgegen der Darstellung auf Seite 2 unten des Straferkenntnisses - noch nichts über die Genehmigungspflicht für die Errichtung oder den Betrieb der Anlage aus.

2.3. Das angefochtene Straferkenntnis verfällt hingegen der Aufhebung, weil es die zwingenden Anforderungen aus dem Bestimmtheitsgebot des § 44a Z1 VStG für einen Schuldspruch gehäuft und irreparabel verfehlt.

2.3.1. Wird die Verwirklichung einer Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs.1 Z3 GewO 1973 zugrundegelegt, so verlangt ein rechtmäßiger Tatvorwurf die konkret-bestimmte Angabe, in welcher "örtlich gebundenen Einrichtung" welche gewerbliche Tätigkeit ausgeübt wird.

Schon diesem Erfordernis genügt der Schuldspruch nicht. Die Formulierung: "... Schotterhalden auf Grundstück Nr. bzw. eine Schotterdeponie entlang des Donauufers im Standort S, ..." ist jedenfalls keine solche hinlänglich bestimmte Umschreibung der inkriminierten Betriebsanlage, scheitert doch die gebotene Bestimmtheit schon an der Verwendung des Wortes "bzw.", weil damit in Wahrheit dem Beschuldigten ein unzulässiger Alternativvorwurf entgegengehalten wird (vgl. VwGH 17.9.1992, 92/18/0180). Diese Unbestimmtheit ist nach Lage des Falles auch nicht mit Hilfe der Begründung des noch innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist erlassenen (und somit als Verfolgungshandlung grundsätzlich heranziehbaren) Straferkenntnisses zu beseitigen, weil auch daraus nicht eindeutig abgeklärt werden kann, ob der Ausdruck "bzw." hier in der Bedeutung von 'und' oder in der Bedeutung von 'oder' verwendet ist und zudem auch nicht ersichtlich ist, ob mit dem Ausdruck "Schottermanipulationsfläche" eine Gesamtbezeichnung für 'Schotterhalden' und 'Schotterdeponie' gemeint sein soll oder eine eigenständige - dritte Umschreibung der Anlage.

Davon abgesehen gibt der Schuldspruch auch nicht unmißverständlich Auskunft darüber, welches Gewerbe der Beschuldigte in der nach Meinung der belangten Behörde unbefugt betriebenen Betriebsanlage ausgeübt haben soll.

Und schließlich geht weder aus dem Schuldspruch noch aus dem Straferkenntnis insgesamt hervor, für wen der Berufungswerber "als gewerberechtlicher Geschäftsführer" verwaltungstrafrechtlich einzustehen habe.

2.3.2. Im Recht ist der Berufungswerber, wenn er das Straferkenntnis weiters mit dem Einwand bekämpft, daß nicht erkennbar sei, welche Beeinträchtigung gemäß § 74 Abs.2 GewO 1973 die belangte Behörde für die Tatverwirklichung angenommen hat einerseits und daß auch keine Nachbarn vorliegen andererseits.

Tatsächlich ermangelt dem bekämpften Schuldspruch jedwede Bezugnahme auf die gemäß § 74 Abs.2 GewO 1973 geschützten Interessen, auf die jedoch der Übertretungstatbestand des § 366 Abs.1 Z3 GewO 1973 verweist und sie so in das Tatbild als wesentlichen Bestandteil einbezieht. Auch aus dem vorgelegten Strafakt kann nicht nachvollzogen werden, welche Beeinträchtigung welcher Interessen gemäß der Z1 bis Z5 des § 74 Abs.2 GewO 1973 dem Schuldspruch zugrundegelegt sein soll; ebensowenig ist daraus ersichtlich, daß ein taugliches Ermittlungsverfahren diesbezüglich überhaupt geführt worden ist.

Wiederum unter Hinweis auf das Erfordernis des § 44a Z1 VStG und der hiezu ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muß ein Schuldspruch nach § 366 Abs.1 Z3 GewO 1973 auch jene Tatumstände enthalten, die eine Beurteilung dahin zulassen, ob die Betriebsanlage die in § 74 Abs.2 GewO 1973 genannten Interessen konkret sachverhaltbezogen zu beeinträchtigen geeignet und deshalb genehmigungspflichtig ist (zB VwGH 25.6.1991, 90/04/0216).

Im Sinne dieser Rechtsprechung genügt es jedenfalls nicht, bloß den Gesetzeswortlaut der Z1 bis Z5 des § 74 Abs.2 GewO 1973 und diesen nur allgemein, somit ohne jede Bezugnahme auf den im Einzelfall vorliegenden Sachverhalt dem Beschuldigten mitzuteilen, so wie es die belangte Behörde mit der eben deswegen als Verfolgungshandlung untauglichen Aufforderung zur Rechtfertigung vom 20. Juli 1993 unternommen hat.

2.3.3. In diesem Zusammenhang liegt ein wesentlicher Verfahrensmangel darin, daß die belangte Behörde trotz eines diesbezüglichen, begründeten Einwandes des Berufungswerbers in seiner Rechtfertigung vom 16. August 1993 offenbar jedwede Ermittlungstätigkeit zur Frage, ob überhaupt Nachbarn iSd § 75 Abs.2 GewO 1973 vorliegen, unterlassen hat. Dadurch hat ein Ermittlungsverfahren in einem entscheidungswichtigen Punkt nicht stattgefunden. Denn dem vorgelegten Strafakt kann kein Hinweis auf eine solche Ermittlungstätigkeit entnommen werden und ist weder daraus noch aus der Begründung des Straferkenntnisses ersichtlich, wodurch sonst sich die belangte Behörde zur Annahme des Vorhandenseins von Nachbarn offensichtlich veranlaßt gesehen bzw. warum sie den entsprechenden Einwand des Berufungswerbers völlig unbeachtet gelassen hat.

Die Überwälzung der Ermittlungstätigkeit auf den unabhängigen Verwaltungssenat in einem entscheidungswichtigen Punkt ist aus der Sicht des (zumal zur Mitwirkung bereiten) Beschuldigten einer im Licht des Art.6 Abs.1 MRK bedenklichen Verkürzung der ihm durch Einräumung eines Instanzenzuges garantierten Rechtsschutzmöglichkeiten vergleichbar. Einer Anklage nämlich, der keine Ermittlungen zugrundeliegen, fehlt jenes Substrat, das voraussetzungsgemäß die Überprüfung ihrer Stichhaltigkeit im Rahmen des in den Art. 129 und 129a Abs.1 Z1 B-VG iVm Art.6 Abs.1 erster Satz MRK niedergelegten Systems erst ermöglichen würde.

2.3.4. Gleichsam als Konsequenz aus dieser Reihe von Bestimmtheits- und Verfahrensmängeln enthält der Schuldspruch schließlich auch nicht die wörtliche Anführung (vgl. VwGH 10.6.1992, 92/04/0055) des hier für die Rechtmäßigkeit des Tatvorwurfs unverzichtbaren Tatbestandsmerkmals des Betreibens einer "genehmigungspflichtigen" Betriebsanlage.

2.4. Aus all diesen Gründen war der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis wegen gravierender Bestimmtheitsmängel im Grunde des § 44a Z1 VStG aufzuheben und die Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG zu verfügen, weil Umstände vorliegen, die die Verfolgung des Berufungswerbers in dieser Sache ausschließen.

3. Die Aufhebung und die Einstellung bewirken auf der Kostenseite, daß der Berufungswerber mit Beiträgen zum Strafverfahren weder vor der belangten Behörde noch vor dem unabhängigen Verwaltungssenat zu belasten ist.

4. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit dem vom Berufungswerber überdies geltend gemachten "Schuldausschließungsgrund des Tat- und Rechtsirrtums". Auch darauf, daß die Spruchelemente gemäß § 44a Z2 und Z3 VStG des angefochtenen Straferkenntnisses mit Mängeln, die Rechtswidrigkeit indizieren, behaftet sind, braucht nicht eingegangen zu werden. Auf die einschlägige Judikatur diesbezüglich sowohl des Verwaltungsgerichtshofes als auch des unabhängigen Verwaltungssenates wird jedoch hingewiesen.

5. Abschließend hält der unabhängige Verwaltungssenat fest:

Im Hinblick darauf, daß der Berufungswerber schon in seiner Rechtfertigung vom 16. August 1993 der belangten Behörde gewichtige Einwände gegen den Tatverdacht bekanntgegeben und, gestützt auf diese Einwände, die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt hat, im Hinblick weiters darauf, daß die belangte Behörde über diese, wesentliche Sachverhalte betreffenden Einwände offenbar weder ein Ermittlungsverfahren geführt noch diese Einwände in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses abgehandelt hat, ist für den unabhängigen Verwaltungssenat unter Hinweis auf den auch im Verwaltungsstrafverfahren geltenden Grundsatz des § 39 Abs.2 letzter Satz AVG - nicht verständlich, warum dem Antrag auf Verfahrenseinstellung nicht entsprochen worden ist.

Nach der Aktenlage, so wie sie dem unabhängigen Verwaltungssenat zur Prüfung vorgelegt wurde, hätte sich dieser Fall - entgegen der formelhaften Ausführung der belangten Behörde im Vorlageschreiben vom 7. Dezember 1993 für eine Berufungsvorentscheidung typischerweise angeboten.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Gallnbrunner

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