Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-220839/19/Schi/Ka

Linz, 02.02.1996

VwSen-220839/19/Schi/Ka Linz, am 2. Februar 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 5. Kammer (Vorsitzende: Dr. Klempt; Berichter: Dr. Schieferer; Beisitzer: Dr. Fragner) über die Berufung des F S, vertreten durch Rechtsanwalt DDr. G P, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 28.12.1993, Ge96/43/1993/Pa, betreffend Übertretung nach der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung bzw dem Arbeitnehmerschutzgesetz hinsichtlich der in lit.a angeführten Übertretung (15.4.1993), nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 16. Jänner 1996 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis hinsichtlich Spruchabschnitt lit.a aufgehoben.

II. Der Berufungswerber hat keinerlei Verfahrenskostenbeiträge zu leisten.

Rechtsgrundlage:

Zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl.Nr. 471/1995, iVm §§ 24, 9, 25, 45, 51 Abs.1, 51c, 51d und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr.52/1991 idF BGBl.Nr.620/1995; zu II: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 28.12.1993, Ge96/43/1993/Pa, wurde über den Berufungswerber (Bw) wegen Verwaltungsübertretungen nach § 16 Abs.2 iVm § 20 Abs.1 und 2 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung - AAV, BGBl.Nr.218/1983 iVm § 31 Abs.2 lit.p des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl.Nr.234/1972 gemäß § 31 Abs.2 lit.p ASchG eine Geldstrafe von a) 15.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 14 Tage) und b) von 10.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe:

10 Tage) verhängt, weil er es als verwaltungsstrafrechtlich verantwortlicher handelsrechtlicher Geschäftsführer der L G GesmbH (Steinmetzmeistergewerbe im Standort G) zu vertreten habe, wie anläßlich einer Überprüfung durch das Arbeitsinspektorat (AI) für den 9. Aufsichtsbezirk festgestellt wurde, daß im Betrieb in L, a) am 15.4.1993 von jeweils einem Arbeitnehmer des Betriebes der Spalthammer "S", ohne Staubabsaugung und die Spalthämmer "Steinex", Betriebsnr., und "G.u.B. I s.r.l.", Betriebsnr., Bjr.05/1992, jeweils zwar mit einer Staubabsaugung, die jedoch den Staub aufgrund der Anordnung der Stauberfassungsöffnungen nur in geringfügigem Ausmaß erfaßte und ca. 1 m neben den Maschinen wieder ungefiltert ausblies (die Staubabsaugung war nahezu wirkungslos) betrieben wurden und b) am 13.5.1993 die Staubabsaugung der von zwei Arbeitnehmern des Betriebes verwendeten Spalthämmer "G.u.B. I s.r.l.", Betriebsnr. 52, sowie "Steinex", Betriebsnr.484, nicht eingeschaltet war und der Quarzfeinstaub nicht an der Entstehungsstelle erfaßt und abgeführt wurde, wodurch an diesen Arbeitsstellen Konzentrationen von Quarzfeinstaub auftraten, welche über dem zulässigen Grenzwert (Quarz im Feinstaub von 0,15 mg/m3 lagen. Es lag somit eine beträchtliche Gefährdung von Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer vor (Silikoseerkrankung).

2. Mit Schriftsatz vom 14.1.1994 wurde dagegen rechtzeitig Berufung erhoben und der Antrag gestellt, das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos zu beheben und das eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren einzustellen wegen unrichtiger Beweiswürdigung und Tatsachenfeststellung, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung.

Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt, daß am 15.4.1993 der Betriebselektriker F Z bei einem Spalthammer (wahrscheinlich Steinex Nr.495) eine Reparatur durchgeführt, einen Ventilator angeschlossen sowie einen Motorschutzschalter montiert und einen Probelauf durchgeführt habe. Es könne daher an dieser Maschine nicht gearbeitet worden sein bzw handelte es sich nur um einen Probelauf.

Weiters sei die Annahme der Behörde, daß im Falle des Nichtvorhandenseins einer Absaugvorrichtung bei einem Spalthammer automatisch der Grenzwert von 0,15 mg/m3 überschritten werde, unrichtig. Die Staubkonzentration im Bereich der Maschinen hänge von mehreren Faktoren ab. Wäre dies nicht so, dann wären die von der österr. Staub- und Silikosebekämpfungsstelle vorgenommenen Messungen unnötig, weil dann ohnehin verbindlich festgelegt werden könnte, daß aufgrund der allgemeinen Erfahrung und amtlicher Messungen der Grenzwert neben dem Spalthammer betreffend Quarzkonzentrationen im Feinstaub bei über 0,15 mg/m3, nämlich bei 0,19 mg/m3 liege. Das diesbezügliche Meßergebnis vom 6.8.1990, das zum Tatzeitpunkt über 3 Jahre zurückliege, könne daher nicht Grundlage für die Feststellung sein, daß im konkreten Fall der Grenzwert von 0,15 mg/m3 überschritten worden sei. Da zu den Tatzeitpunkten keine Messung, sondern lediglich eine Besichtigung der Spalthämmer stattgefunden habe, könne keinesfalls mit der für ein Strafverfahren notwendigen Sicherheit der Wirkungsgrad der vorhandenen Absauganlagen festgestellt werden.

Darüber hinaus verweist der Bw auf die von ihm vorgelegten Lichtbilder, die beweisen sollten, daß ausreichende Absaugvorrichtungen mit einer zentralen Ableitung vorhanden gewesen seien und am 15.4.1993 das Ausblasen nicht 1 m neben dem Arbeitsplatz, sondern ca. 3 bis 4 m neben dem Arbeitsplatz erfolgt sei; weiters, daß Filter eingebaut gewesen seien. Im übrigen hätte die Möglichkeit bestanden, durch einen Lokalaugenschein zu überprüfen, ob nicht je nach dem Standort des Fotografen Teile der Absaugvorrichtungen durch Maschinen, Rohrleitungen udgl. verdeckt gewesen sein könnten.

Der Wirkungsgrad der Absaugvorrichtungen habe jedenfalls dem gewerberechtlichen Bescheid entsprochen. Seit Herbst 1992 seien im gegenständlichen Betrieb entsprechende Absaugvorrichtungen vorhanden und hätten diese Vorrichtungen für eine ausreichende Absaugung dahingehend gesorgt, daß die Staubkonzentrationen im Bereich der Arbeitsplätze nicht den Grenzwert von 0,15 mg/m3 erreicht hätten. Nur dann, wenn überhaupt keine Absaugvorrichtungen vorhanden gewesen wären, wäre eine allfällige Verurteilung wegen Nichteinhaltung gewerberechtlich vorgeschriebener Auflagen zulässig, nicht jedoch wegen Gefährdung von Arbeitnehmern. Eine solche Verurteilung könne nur dann ausgesprochen werden, wenn mit der für ein Strafverfahren notwendigen Sicherheit nachgewiesen worden wäre, daß am 15.4.1993 tatsächlich eine über dem Grenzwert liegende Feinstaubkonzentration vorgelegen sei.

Eine solche Feststellung könne nur getroffen werden, wenn entsprechende Messungen vorgenommen würden. § 18 ASchG beinhalte lediglich die Verpflichtung des Arbeitgebers, dafür zu sorgen, daß keine Gefährdungen für das Leben, die Gesundheit und die Sittlichkeit der Arbeitnehmer gegeben sei.

Im angefochtenen Bescheid werde darauf hingewiesen, daß seitens der BH Freistadt im gewerberechtlichen Verfahren ausreichende Vorkehrungen vorgeschrieben worden seien, um die Belastungen von Arbeitnehmern hintanzuhalten. Da die entsprechenden Absaugvorrichtungen im Sinne der Auflagen errichtet worden seien, läge ein gewerberechtlicher Verstoß nicht vor. Entsprechend einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) vom 24.4.1990, Zl.89/04/0176, setzten die von der Behörde vorgeschriebenen Auflagen voraus, daß die Einhaltung einer derartigen Auflage von der Behörde jederzeit und aktuell überprüft werden könne. Im gegenständlichen Fall sei die Auflage nicht einmal damit verbunden gewesen, die Einhaltung des Grenzwertes durch Immissionsstaubmessungen zu belegen und die Meßbefunde der Behörde vorzulegen.

Daraus lasse sich eindeutig ableiten, daß das AI im Falle einer vermuteten Überschreitung des Grenzwertes eine Überprüfung durch einen amtlichen Sachverständigen hätte veranlassen müssen, um die Tatbestandsvoraussetzung der Überschreitung des Grenzwertes objektiv nachweisen zu können. Im übrigen wird noch gegen die Höhe der verhängten Strafe Berufung erhoben, weil bei der Bemessung der Strafe die Behörde zu Unrecht nur Erschwerungsgründe und keine Milderungsgründe berücksichtigt habe. Die Aufforderungen des AI, Mängel abzustellen, sei zu Unrecht als Erschwerungsgrund angenommen worden, weil die Betriebsanlage endgültig erst im Jahre 1993 bewilligt worden sei. Als mildernd hätte noch berücksichtigt werden müssen, daß seit 1992 tatsächlich entsprechende Absaugvorrichtungen bestanden haben und es sich bei dieser Art von Absaugvorrichtungen um technisches Neuland handle, weshalb die Wirkungsgrade sich erst in der Praxis erweisen müßten. Die Strafen seien daher weit überhöht. Schließlich sei noch anzuführen, daß sich die Behörde auch damit nicht beschäftigt habe, daß es sich beim Grenzwert von 0,15 mg/m3 um einen Jahresmittelwert handle, der bei Kurzzeitexpositionen das dreifache überschreiten dürfe (Gutachten anläßlich der Verhandlung vom 5.12.1985, zu Punkt A 1 zu Ge-06/27-1985).

3.1. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat als belangte Behörde mit Schreiben vom 15.7.1994 die gegenständliche Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem O.Ö.

Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt. Mit Schreiben vom 15.7.1994 wurde die im Wege der BH Freistadt vom Bw eingebrachte Ergänzung der Berufung unter Vorlage eines Meßberichtes der ÖSBS vom 30.6.1994 dem unabhängigen Verwaltungssenat übermittelt.

3.2. Der O.ö. Verwaltungssenat hat gemäß § 15 Abs.6 iVm § 11 Abs.1 ArbIG 1993 sowie § 51e Abs.2 VStG die gegenständliche Berufung samt Berufungsergänzung vom 13.7.1994 in Verbindung mit dem Bericht der ÖSBS vom 30.6.1994 dem beteiligten AI für den 9. Aufsichtsbezirk in Linz zur Stellungnahme übermittelt; mit Schreiben vom 10.4.1995, Zl.1160/45-9/95, hat das beteiligte AI eine eingehende Stellungnahme abgegeben, in der beantragt wird, wegen der Erfüllung aller Tatbestandsmerkmale hinsichtlich der angezeigten Übertretungen die Berufung abzuweisen.

3.3. Diese Stellungnahme wurde dem Bw zu Handen seines ausgewiesenen Rechtsanwaltes zusammen mit der Ladung zur öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung vom 14.12.1995 zur Kenntnis übermittelt; ebenso wurde eine Kopie dieser Stellungnahme der belangten Behörde mit der Ladung zur Verhandlung übersendet.

3.4. Der O.ö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstbehörde in Verbindung mit den dem unabhängigen Verwaltungssenat vorgelegten Gutachten, Stellungnahmen und Schriftsätzen sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 16.1.1996, zu welcher der Bw, seine Ehegattin und sein rechtsfreundlicher Vertreter, die belangte Behörde sowie das AI für den 9. Aufsichtsbezirk in Linz geladen bzw. erschienen sind; weiters wurden das anzeigende Organ des AI Linz, Dipl.-Ing. H T und der Betriebselektriker F Z aus Neuhofen als Zeugen geladen und einvernommen.

4. Es ergibt sich daher aufgrund der Aktenlage und des Ergebnisses der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 16.1.1996 folgender entscheidungserheblicher und erwiesener Sachverhalt:

4.1. Über Auftrag des AI f.d. 9. Aufsichtsbezirk in Linz wurde von der Österr. Staub/Silikosebekämpfungsstelle (ÖSBS) mit 5.10.1990 ein Gutachten betreffend den gegenständlichen Betrieb erstellt; die erforderlichen Probenahmen wurden am 6.8.1990 durchgeführt. In diesem Gutachten vom 5.10.1990 wurde vorweg zu den betrieblichen Verhältnissen festgestellt: "Vor der Sägehalle befindet sich eine neue Sägehalle im Bau. Es sind vorläufig zwei Steinfräsen, die unter Wasserzugabe betrieben werden, installiert. Diese beiden Fräsen waren während der Messung außer Betrieb. Die Ritzerhütte wurde hinaus in den Bruchbereich verlegt. Vor der Ritzerhütte befindet sich der Spalthammer zur Pflastersteinproduktion. Dieser Spalthammer ist zur Zeit mit keiner Absaugvorrichtung ausgerüstet. Vom Bereich der Ritzerhütte wurde eine Sedimentstaubprobe genommen und deren lungengängige Fraktion auf Quarz untersucht. Weiters wurden mehrere Feinstaubfilterproben auf Quarz analysiert." Der Grenzwert für Quarz im Feinstaub beträgt 0,15 mg/m3. Bei der Messung neben dem Spalthammer wurde ein Wert von 0,19 mg/m3 Quarz im Feinstaub festgestellt.

4.2. Bei einer am 15.4.1993 durchgeführten Besichtigung der gegenständlichen Betriebsstätte durch den Arbeitsinspektor, Dipl.-Ing. H T wurde festgestellt, daß der Spalthammer "Steinex", Betriebsnr.495, ohne Staubabsauganlage betrieben wurde (sh. dazu Fotos A1 und A2), bzw an den Spalthämmern "Steinex", Betriebsnr.494 und G.u.B. I s.r.l. Nr.52, Baujahr 05/1992, eine Absauganlage vorhanden war, die den Staub aufgrund der Anordnung der Stauberfassungsöffnungen nur in geringfügigem Ausmaß erfaßte und ca. 1 m neben der Maschine ungefiltert wieder ausblies. Diese Staubabsauganlage war daher nahezu wirkungslos. Alle drei Maschinen waren zum Zeitpunkt der Kontrolle in Betrieb.

Dieser Sachverhalt ergibt sich aus der Anzeige des AI Linz vom 23.3.1993 sowie den dazu ergangenen ergänzenden Stellungnahmen in Verbindung mit den dazu vorgelegten Lichtbildern. Weiters wurden diese Umstände erhärtet durch die glaubwürdigen und schlüssigen Angaben des als Zeugen vernommenen Arbeitsinspektors Dipl.-Ing. T.

Dieser Sachverhalt konnte auch durch die vom Bw vorgelegten Lichtbilder nicht widerlegt werden; denn die im Akt mit B1 bis B5 bezeichneten Lichtbilder betreffen einen anderen Betrieb (Fa. Friepeß), dessen Absauganlage der Bw offenbar nachgebaut hatte; die mit B6 bis B9 bezeichneten Fotos betrafen zwar seinen eigenen Betrieb, jedoch stammten die Aufnahmen nicht vom Tatzeitpunkt.

4.3. Auch die Aussagen des als Zeugen vernommenen Betriebselektrikers F Z konnten an diesem Sachverhalt nichts ändern.

Dieser gab zwar glaubwürdig, schlüssig und widerspruchsfrei an, er habe bereits im wesentlichen im Jahr 1992 an allen Maschinen Absauganlagen mit Ventilatoren installiert und verkabelt; auch am 15.4.1993 habe er bei einer Maschine, es handelte sich glaublich um den Spalthammer Steinex 495, einen Schutzschalter montiert sowie weitere Tätigkeiten, die er im einzelnen angeben konnte, durchgeführt. Da aber auf den vom AI vorgelegten Fotos an den Maschinen eindeutig türkische Arbeitnehmer zu sehen sind und auch von dem als Zeugen vernommenen Arbeitsinspektor dieser Umstand bestätigt und weiterhin ausgeführt wurde, daß zum Kontrollzeitpunkt an keiner Maschine der Zeuge F Z tätig war, war die diesbezügliche Rechtfertigung des Bw als unerheblich abzutun; denn die Kontrolle des AI kann daher am 15.4.1993 sowohl vor als auch nach der Reparatur der Maschine durch Florian Zauner stattgefunden haben, da dieser angegeben hat, diese Tätigkeit habe etwa zwei bis drei Stunden in Anspruch genommen.

4.4. Mit ergänzendem Schriftsatz vom 13.7.1994 hat der Bw den letzten Bericht vom 30.6.1994 der ÖSBS über das Ausmaß der Exposition von Arbeitnehmern gegenüber quarzhaltigen Stäuben an den Arbeitsplätzen des gegenständlichen Betriebes vorgelegt. Darin wurde unter Z6 angeführt, daß der MAK-Wert für Quarz 0,15 mg/m3 beträgt. Die Messungen bzw Erhebungen und Probenahmen erfolgten am 19. Mai und 21. Juni 1994. Zur Betriebsbeschreibung wird angeführt, daß "die neue Sägehalle nunmehr fertiggestellt ist; in der Steinspaltanlage wurden die vier Nachspalthämmer mit Absaugevorrichtungen ausgerüstet". Unter Ziffer 5. wurden die Meßergebnisse aufgelistet; diese betrugen bei den Arbeitsplätzen "Nachspalthämmer" folgende Werte:

"Absaugung eingeschaltet: 1,1 mg Feinstaub pro Kubikmeter; 0,08 mg Quarz pro Kubikmeter; Absaugung abgeschaltet, 1,4 mg Feinstaub pro Kubikmeter; 0,11 mg Quarz pro Kubikmeter".

5. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

5.1. Gemäß § 31 Abs.2 lit.p Arbeitnehmerschutzgesetz, BGBl.Nr. 234/1972 idgF, begehen Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die den Vorschriften der aufgrund des § 24 dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen oder den aufgrund des § 27 dieses Bundesgesetzes vorgeschriebenen Bedingungen und Auflagen oder den erteilten Aufträgen zuwiderhandeln, eine Verwaltungsübertretung und sind, sofern die Tat nicht nach anderen Gesetzen strenger zu bestrafen ist, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 50.000 S zu bestrafen.

Gemäß § 16 Abs.2 der Allg. Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV) BGBl.Nr.218/1983 ist bei Arbeiten in Betriebsräumen, bei denen sich die Entwicklung von Gasen, Dämpfen oder Schwebstoffen gesundheitsgefährdender Arbeitsstoffe in einer gefährlichen oder in anderer Weise für die Gesundheit nachteiligen Konzentration nicht vermeiden läßt, die mit diesen Arbeitsstoffen verunreinigte Luft durch geräuscharm arbeitende Absaugeanlagen möglichst an der Entstehungs- oder Austrittsstelle abzuführen. Eine Konzentration im Sinne des ersten Satzes liegt jedenfalls dann vor, wenn die in den amtlichen Nachrichten des Bundesministeriums für Soziale Verwaltung und des Bundesministeriums für Gesundheit und Umweltschutz verlautbarten max. Arbeitsplatzkonzentrationen und technischen Richtkonzentrationen von Arbeitsstoffen überschritten sind. Absaugeanlagen und Raumlüftung (§ 13) müssen so gestaltet und wirksam sein, daß sich Gase, Dämpfe oder Schwebstoffe gesundheitsgefärdender Arbeitsstoffe in einer gefährlichen oder in anderer Weise für die Gesundheit nachteiligen Konzentration nicht ansammeln und insbesondere nicht in den Bereich der Atmungsorgane gelangen können; hiebei ist anzustreben, daß insbesondere die technischen Richtkonzentrationen, tunlichst aber auch die max. Arbeitsplatzkonzentrationen soweit wie möglich Unterschritten sind.

Gemäß § 20 Abs.1 AAV darf an Arbeitsstellen in Räumen, die keine Betriebsräume sind, nur gearbeitet werden, wenn die Arbeitsbedingungen den Erfordernissen des Arbeitnehmerschutzes entsprechen.

Zufolge Abs.2 dieses Paragraphen müssen Arbeitsstellen im Freien derart beschaffen sein oder es müssen solche Vorkehrungen getroffen sein, daß die Arbeitsbedingungen den Erfordernissen des Arbeitnehmerschutzes entsprechen; insbesondere sind solche Arbeitsstellen bei Bedarf den Arbeiten entsprechend ausreichend zu beleuchten. Weiters ist zumindest im unumgänglich notwendigen Ausmaß für Maßnahmen im Sinne der §§ 11 und 16 bis 18 zu sorgen.

5.2. Wie im Punkt 4 bei der Darstellung des maßgeblichen entscheidungswesentlichen Sachverhaltes ausgeführt wurde, hat der Bw unter Zugrundelegung des ÖSBS-Gutachtens vom 5.10.1990, wonach neben dem Spalthammer ein Wert von 0,19 mg/m3 Quarz im Feinstaub gemessen wurde, am 15.4.1993 den strafbaren Tatbestand zweifellos verwirklicht, zumal zu diesem Zeitpunkt jeweils ein Arbeitnehmer den Spalthammer Steinex Betriebsnr.495 ohne Staubabsaugung und die Spalthämmer Steinex, Betriebsnr.484 und G.u.B. I, Betriebsnr.52 zwar mit Staubabsaugung, jedoch wegen der zu weiten Entfernung der Stauberfassungsöffnung von der Staubentstehungsstelle den Staub nur in geringfügigem Ausmaß erfaßte und der Staub knapp neben den Maschinen wieder ungefiltert ausgeblasen wurde, wodurch an diesen Arbeitsplätzen Konzentrationen von Quarzfeinstaub auftraten, welche über dem zulässigen Grenzwert von 0,15 mg Quarz im Feinstaub pro Kubikmeter lagen. Diesfalls wäre somit eine beträchtliche Gefährdung von Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer vorgelegen (Silikoseerkrankung).

5.3. Nun hat aber der Bw ein weiteres ÖSBS-Gutachten vom 30.6.1994 vorgelegt, aus dem eindeutig hervorgeht, daß sogar bei abgeschalteter Absaugung der Absauganlage an den Arbeitsplätzen "Nachspalthämmer" der Grenzwert von 0,15 mg Quarz pro Kubikmeter erheblich unterschritten wurde, nämlich durch einen Wert von 0,11 mg/m3. Die Messungen wurden am 19.5. und 21.6.1994 durchgeführt. Unter Zugrundelegung dieses Gutachtens hat somit der Bw den ihm im Straferkenntnis vorgeworfenen Tatbestand wiederum nicht verwirklicht.

Während das erste Gutachten immerhin drei Jahre vor dem gegenständlichen Tatzeitpunkt am 15.4.1993 lag, wurden die Werte des zweiten Gutachtens durch Messung nur ein Jahr nach den Tatzeitpunkten, nämlich am 19.5. und 21.6.1994 ermittelt. Daß in dieser Zeit keine betrieblichen Veränderungen durchgeführt worden waren, kam in der mündlichen Verhandlung zweifelsfrei zum Ausdruck. Da zum Tatzeitpunkt keine ausdrückliche Messung erfolgt ist, war somit zu beurteilen, ob der Bw unter Zugrundelegung des ersten Gutachtens aus dem Jahr 1990 und entgegen dem zweiten Gutachten aus dem Jahr 1994 den strafbaren Tatbestand verwirklicht hat.

5.4. Hier ist zunächst auf die maßgeblichen Rechtsvorschriften zu verweisen:

Gemäß § 45 Abs.2 AVG hat die Behörde im übrigen unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Gemäß § 25 Abs.1 VStG sind Verwaltungsübertretungen mit Ausnahme des Falles des § 56 von Amts wegen zu verfolgen.

Die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände sind in gleicher Weise zu berücksichtigen, wie die belastenden (Abs.2).

Aus dem Grundsatz der Amtswegigkeit folgt auch jener der materiellen Wahrheit:

Die Behörde hat den objektiven Sachverhalt festzustellen.

Den Beschuldigten trifft im Beweisverfahren eine Mitwirkungspflicht: Er hat die Behörde über Umstände, die zu seiner Entlastung geeignet sind, aus eigener Initiative zu informieren und, soweit ihm das ohne Schwierigkeiten möglich ist, geeignete Belege hiefür anzubieten.

Dieser Verpflichtung ist der Bw in hinreichendem Ausmaß nachgekommen, insbesondere durch Vorlage des erwähnten Gutachtens vom 30.6.1994 sowie durch konstruktive Mitarbeit im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung.

Weiters hat der VwGH in ständiger Judikatur ausgesprochen (Erkenntnis vom 8.3.1985, Zl.85/18/0191; 12.3.1986 Zl.84/03/0251, ebenso 19.10.1988, Zl.88/02/0080), daß der der österr. Rechtsordnung immanente Grundsatz "in dubio pro reo" nicht eine Beweiswürdigungsregel bedeutet. Als solche würde er im Widerspruch zu der im § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren heranzuziehenden Bestimmung des § 45 Abs.2 AVG stehen, welche den Grundsatz der freien Beweiswürdigung, also einer Würdigung der Beweise ohne Bindung an irgendwelche Beweisregeln, normiert. Der Grundsatz "in dubio pro reo" ist vielmehr eine Regel für jene Fälle, in denen im Weg des Beweisverfahrens und anschließender freier Würdigung der Beweise in dem entscheidenden Organ nicht mit Sicherheit die Überzeugung von der Richtigkeit des Tatvorwurfes erzeugt werden konnte. Nur wenn nach Durchführung aller Beweise trotz eingehender Beweiswürdigung somit Zweifel an der Tat des Beschuldigten verbleiben, hat nach dem genannten Grundsatz ein Freispruch zu erfolgen.

Genau dies liegt aber im gegenständlichen Fall vor, denn nach Erhebung aller Beweise und Durchführung einer eingehenden Beweiswürdigung bleiben erhebliche Zweifel, ob im Hinblick auf das zweite Gutachten vom 30.6.1994 tatsächlich infolge der ungenügenden bzw unwirksamen bzw nicht vorhandenen Absauganlage am 15.4.1993 der Grenzwert von 0,15 mg/m3 tatsächlich erreicht bzw überschritten wurde.

5.5. Gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet.

Das AI Linz hat aber trotz des zweiten Gutachtens vom 30.6.1994 Zweifel, daß zum Tatzeitpunkt ebenfalls die Werte so günstig waren und vermeint daher, daß dennoch wegen Verwirklichung der Übertretung nach § 16 Abs.2 AAV die Berufung abzuweisen sein wird.

Hier ist nun darauf hinzuweisen, daß zwar in den Verwaltungsverfahrensgesetzen nicht festgehalten ist, daß bei jedem Zweifel an den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens mit Einstellung vorzugehen ist; dieser Grundsatz greift nur Platz, wenn die für und gegen den Beschuldigten sprechenden Umstände (§ 25 Abs.2 VStG) nach der Beweiswürdigung der Behörde gleiches Gewicht haben (VwSlg.10.033A/1980).

Daß aber im gegenständlichen Fall dem 2. Gutachten aus dem Jahr 1994 zumindest gleiches Gewicht zukommt, weil es nur ein Jahr nach dem Übertretungszeitpunkt erstellt wurde, während das Gutachten aus dem Jahr 1990 bereits drei Jahre vor dem Tatzeitpunkt erstellt wurde, ist offensichtlich.

Außerdem wurden - wie bereits oben erwähnt - die betrieblichen Verhältnisse zwischen dem Tatzeitpunkt und der Erstellung des Gutachtens im Mai/Juni 1994 keinerlei betriebliche Veränderungen vorgenommen. Bei diesem Ergebnis hatte aber der unabhängige Verwaltungssenat im Hinblick auf den zitierten Grundsatz des § 25 Abs.2 VStG und unter Berücksichtigung der diesbezüglichen Judikatur des VwGH der Berufung stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens zu verfügen.

6. Bei diesem Verfahrensergebnis waren aber dem Bw keinerlei Verfahrenskostenbeiträge aufzuerlegen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. K l e m p t

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum