Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-220880/23/Ga/La

Linz, 23.04.1996

VwSen-220880/23/Ga/La Linz, am 23. April 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des Dipl.-Ing. P. D., vertreten durch Dr. F. G.

und Dr. S. S., Rechtsanwälte in ....., gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 3.

Februar 1994, Zl. MA2-Ge-4093-1993 Ste, wegen Übertretung von Arbeitnehmerschutzvorschriften, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung und durch öffentliche Verkündung am 28.

März 1996, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und die Einstellung des Strafverfahrens verfügt.

Rechtsgrundlage:

AVG: § 66 Abs.4.

VStG: § 24; § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51c, § 51d, § 51i; § 66 Abs.1.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und daher "gemäß § 9 VStG" als verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher der "D. Bau Ges.mbH", Sitz in ....., zu vertreten, daß am 6. Mai 1993 die auf einer näher beschriebenen Baustelle in Gmunden ausgehobene "Künette (Grube)" mit einer Tiefe von zumindest 1,35 m in keiner Weise an deren Wänden abgeböscht oder verbaut gewesen sei und Arbeitnehmer darin gearbeitet hätten, obwohl beim Ausheben von Gruben, Gräben oder Künetten von mehr als 1,25 m Tiefe, deren Wände unter Berücksichtigung der örtlichen Standfestigkeit des Bodens, der Wasserverhältnisse, der Auflasten sowie auftretender Erschütterungen mit dem Aushub fortschreitend so abzuböschen oder zu verbauen seien, daß Arbeitnehmer durch abrutschendes Material nicht gefährdet werden können.

Dadurch habe der Berufungswerber § 61 Abs.3 AAV iVm § 31 Abs.2 lit.p ANSchG verletzt, weshalb wegen dieser Verwaltungsübertretung über ihn gemäß § 31 Abs.2 ANSchG eine Geldstrafe in der Höhe von 5.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 2 Tage) kostenpflichtig zu verhängen gewesen sei.

2. Dieses Straferkenntnis bekämpft der Berufungswerber mit dem Vorbringen, daß der "Ort der Handlung", nämlich die im Schuldspruch bezeichnete Baustelle, nicht konkret genug beschrieben worden sei und daher schon deshalb von Verfolgungsverjährung ausgegangen werden müsse, daß weiters ihm im Grunde des § 31 Abs.5 ANSchG kein Schuldvorwurf gemacht werden könne, weil gegenständlich der Polier als verantwortlicher Bevollmächtigter für diese Baustelle bestellt gewesen sei und er ein geeignetes Kontrollsystem eingerichtet und dieses Kontrollsystem "auch bisher immer" anstandslos funktioniert habe, daß schließlich und vor allem die Grube in Anbetracht der erst abzuheben gewesenen Asphaltdecke gar nicht tief genug für die Auslösung der Abböschungs- oder Verbauungspflicht gewesen sei; diesbezüglich liege auch Rechtswidrigkeit des Strafbescheides infolge Mangelhaftigkeit des Verfahrens vor, weil entgegen seines Antrages die Beweisführung durch Ortsaugenschein und Sachverständigengutachten unterlassen worden sei.

Der Berufungswerber beantragt Aufhebung und Verfahrenseinstellung, hilfsweise die angemessene Herabsetzung der verhängten Geldstrafe.

Zugleich mit dieser Berufung legte die belangte Behörde den Verfahrensakt (zu Zl. MA2-Ge-4093-1993) vor und erstattete keine Gegenäußerung.

3.1.1. Zur Klärung von Tatfragen und der Verantwortlichkeit hat der unabhängige Verwaltungssenat für den 28.

März 1996 eine öffentliche mündliche Verhandlung mit Ladung der Parteien anberaumt und an diesem Tag in Anwesenheit des Berufungswerbers und seines Rechtsfreundes sowie eines Vertreters der Amtspartei (Arbeitsinspektorat für den 18.

Aufsichtsbezirk Vöcklabruck) durchgeführt. Die belangte Behörde war nicht vertreten.

3.1.2. Die Beweisaufnahme dieser Verhandlung umfaßte die Vernehmung des Berufungswerbers als Beschuldigtenpartei, die förmliche Vernehmung des Poliers H. A. als Zeuge, die Vernehmung eines Amtssachverständigen aus dem bautechnischen Fachbereich und eines Amtssachverständigen aus dem Fachbereich Boden- und Baustoffprüfung, diese zum jeweils konkret gestellten Beweisthema.

3.2. Auf Grund des abgeführten Beweisverfahrens (§ 51i VStG) wird folgender Sachverhalt als somit erwiesen und maßgebend für diese Entscheidung festgestellt:

Zur Tatzeit war ein verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 Abs.2 und 4 VStG nicht bestellt. Hingegen wurden im Zuge regelmäßig abgehaltener Seminare die Bauleiter vom Berufungswerber in Kenntnis gesetzt, daß sie jeweils für eine Baustelle verantwortlich seien. In der Hierarchie nach den Bauleitern wurden die Poliere als Verantwortliche bestimmt.

In allgemeiner Weise erfolgte diese Weitergabe der Verantwortlichkeit gleichfalls durch den Berufungswerber im Rahmen von jährlich bis zu dreimal stattfindenden Polierseminaren für alle künftigen Baustellen, wobei klar gemacht worden sei, daß sich die Verantwortlichkeit auch auf die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften erstrecke. Die Einbindung in die Verantwortlichkeit an der konkreten Baustelle jedoch geschah dann jeweils durch den eingeteilten Bauleiter.

Bei der Baustelle des Berufungsfalles handelte es sich nicht um eine Künette, sondern um eine Grube (sogen.

"Kopfloch") mit der Außenabmessung von 1,20 m x 3 m und einer Tiefe bis zu ca. 1,30 m, gemessen von der Oberkante Asphalt, der wiederum eine Dicke von ca. 25-30 cm aufwies. Das Bodenmaterial unmittelbar unter der Asphaltdecke bestand aus einem stark verdichteten Material, ein sogenanntes Kantkorn ("Frostkoffer"); dieses mußte mit Baggerhilfe entfernt werden. Das wiederum darunterliegende Material war schlierähnlich und derart fest, sodaß es mittels Kompressorspaten erst aufgeschremmt werden mußte, um es schließlich aus der Grube entfernen zu können. Die Lockerung dieses Materials, das nicht ausschließbar ehemals Schüttmaterial, jedoch infolge langer Zeitdauer stark verfestigt war, hingegen mit dem Krampen wäre infolge der verhärteten Konsistenz in vertretbarer Zeit nicht möglich gewesen. Zum Tatzeitpunkt herrschte trockene Witterung; in der Folge mußte nach einem Regenguß das in der Grube stehen gebliebene Regenwasser ausgepumpt werden. Abrutschungen oder Risse in der Grube wurden nicht festgestellt. Die Grube befand sich in der einen Fahrbahnhälfte der für die Zeit der Grabungsarbeiten von der involvierten Arbeitspartie abgesperrten Straße; die Absperrung wurde jeweils nur für aktuell unerläßliche Zufahrten beseitigt und sodann wieder hergestellt; während der Grabungsarbeiten aber war der Straßenverkehr unterbunden; der Abstand der Grubenlängskante zur Fahrbahnmitte betrug etwa 80-100 cm. Der in der Grube beschäftigt gewesene Arbeitnehmer arbeitete zum Teil auf dem Gasleitungsrohr, zum Teil neben dem Rohr stehend.

Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Zum Tatort Nicht im Recht ist der Berufungswerber mit seiner Verjährungseinrede. Er übersieht, daß - von Sonderfällen abgesehen, die hier jedoch nicht vorliegen - bei Übertretungen von Arbeitnehmerschutzvorschriften Tatort im Zweifel der Sitz des Unternehmens ist, jener Ort also, an dem der Arbeitgeber bzw das gemäß § 9 Abs.1 VStG verantwortliche Organ Maßnahmen zur Einhaltung der Schutzvorschriften (auch) durch seine Arbeitnehmer vorzukehren hat. Der Schuldspruch und die im Akt auffindbaren Verfolgungshandlungen geben, vom Berufungswerber nie in Zweifel gezogen, den Sitz der Gesellschaft mit näherer Adresse - und somit den konkreten Tatort - an. Dies genügte für die Unterbrechung der Verfolgungsverjährung in diesem Fall; auf die - im übrigen ausreichend konkretisierte - Baustelle kommt es diesbezüglich nicht mehr an.

4.2. Zur Verantwortlichkeit Nach den Umständen dieses Falles ist davon auszugehen, daß eine Bevollmächtigung des Baupoliers im Sinne des § 31 Abs.2 ANSchG (alte Rechtslage) wirksam nicht stattgefunden hat. Unter Hinweis auf die einschlägige Judikatur des Verwal tungsgerichtshofes wäre es hiezu erforderlich gewesen, den betreffenden Arbeitnehmer im voraus für eine bestimmte Baustelle mit einem klar umschriebenen Verantwortungsbereich unmißverständlich so zu bestellen, daß Umfang und Inhalt der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit im nachhinein nicht erst durch Interpretation erforscht werden muß.

Vorliegend steht der wirksamen Bevollmächtigung aber auch entgegen, daß, wenn schon nicht eine Doppelbestellung (Bauleiter und Polier zugleich Bevollmächtigte auf ein und derselben Baustelle), so doch eine Subbestellung vorgelegen ist, derart, daß die unmittelbare Betrauung des Poliers mit seinem Verantwortungsbereich auf der konkreten Baustelle nicht eigentlich durch den Berufungswerber, sondern erst durch den Bauleiter erfolgte. Im Ergebnis ist an der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Berufungswerbers in diesem Fall nicht zu zweifeln.

4.3. Zur Tatbestandsmäßigkeit Dennoch aber war das Straferkenntnis aufzuheben, weil vorliegend das Tatbild nicht verwirklicht worden ist. Mit seinem darauf bezogenen Vorbringen ist der Berufungswerber im Ergebnis im Recht.

Gemäß § 61 Abs.3 AAV sind beim Ausheben von Gruben ...

von mehr als 1,25 m Tiefe, deren Wände unter Berücksichtigung der örtlichen Standfestigkeit des Bodens, der Wasserverhältnisse, der Auflasten sowie auftretender Erschütterungen mit dem Aushub fortschreitend so abzuböschen oder zu verbauen, daß Arbeitnehmer durch abrutschendes Material nicht gefährdet werden können; wenn schlechte Bodenverhältnisse oder besondere Einflüsse wie Erschütterungen durch den Straßenverkehr, vorliegen, müssen auch schon bei geringerer Tiefe entsprechende Sicherungsmaßnahmen getroffen sein.

Angesichts des im Beweisverfahren zutage getretenen Straßenaufbaues war bei der in Rede stehenden Grube eine Rutschgefahr des Bodenmaterials unterhalb der Asphaltdecke jedoch auszuschließen. Die örtliche Standfestigkeit des Bodens stellte sich als ausreichend heraus, sodaß, wie im kurzgefaßten, jedoch schlüssigen Gutachten des Amtssachverständigen für Boden- und Baustoffprüfung eindeutig festgestellt, eine Pölzung nicht unbedingt erforderlich war.

Damit aber konnte beim Ausheben dieser Grube die Rechtsfolge der Verbauungspflicht im Sinne der als verletzt zugrundegelegten Gebotsnorm nicht ausgelöst werden.

Für diese rechtliche Beurteilung kommt es daher auf die weitere Frage, ob nämlich die Grube aus dem Blickwinkel des Ausbaugebotes überhaupt tief genug gewesen ist bzw wie die Tiefe der Grube iSd § 61 Abs.3 AAV unter den obwaltenden Umständen zu messen gewesen wäre, nicht mehr an.

Spruchgemäß war deshalb gemäß § 45 Abs.1 Z1 zweiter Fall VStG auch die Einstellung des Verfahrens zu verfügen.

4.4. Bei diesem Ergebnis kann auf sich beruhen, ob in diesem Fall das Strafverfahren überhaupt mit einer ausreichend konkreten Verfolgungshandlung eingeleitet worden ist. Wird nämlich, wie hier, gegen den Tatvorwurf einer Übertretung des § 61 Abs.3 AAV die Standfestigkeit des Bodens und die Unerheblichkeit von örtlichen Erschütterungen durch den Straßenverkehr eingewendet, so wird daraus deutlich, daß eine die Verjährung unterbrechende Tatanlastung aus dem Blickwinkel des § 44a Z1 VStG vorzuwerfen gehabt hätte, worin konkret das die Verbauungspflicht auslösende Gefährdungselement für den in dieser Grube tätigen Arbeitnehmer aktuell bestanden haben soll. Vorliegend aber geben diesbezüglich sowohl der Schuldspruch des angefochtenen Straferkenntnisses, als auch die im Akt auffindbaren weiteren Verfolgungshandlungen nur den abstrakten Text der Gebotsnorm wieder, ohne daß daraus konkret und sachverhaltsbezogen abgeleitet werden könnte, durch welche der mehreren Möglichkeiten tatsächlich die Verbauungspflicht ausgelöst worden sein soll.

Der unabhängige Verwaltungssenat stellt fest, daß diesbezüglich allerdings schon die Anzeige des Arbeitsinspektorates vom 11. Mai 1993 nur ungenügende Angaben zum wahrgenommenen Sachverhalt enthalten hatte.

5. Mit diesem Verfahrensergebnis entfällt die Kostenpflicht des Berufungswerbers (die Aufhebung bewirkt zugleich auch den Wegfall des strafbehördlichen Kostenausspruchs; Beiträge zu den Kosten des Berufungsverfahrens waren nicht aufzuerlegen).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Gallnbrunner

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum