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des Landes Oberösterreich
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VwSen-220929/8/Gu/Atz

Linz, 20.06.1994

VwSen-220929/8/Gu/Atz Linz, am 20. Juni 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 2. Kammer unter dem Vorsitz des Dr. Gustav Schön sowie durch Dr. Hans Guschlbauer als Berichter und Dr. Hermann Bleier als Beisitzer über die Berufung des M P , in der Verhandlung vertreten durch Rechtsanwalt Dr. H M , gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 20.1.1994, Zl. 502-32/Sta/We/147/92a, zu Faktum 1, wegen Übertretung des § 16 Abs. 4 der Bauarbeiterschutzverordnung, nach der am 13.6.1994 in Gegenwart der Parteien durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird hinsichtlich des Schuldspruches zu Faktum 1 des angefochtenen Straferkenntnisses keine Folge gegeben und wird dieser bestätigt.

Die Geldstrafe wird auf 6.000 S, die Ersatzfreiheitsstrafe auf 2 Tage und der Verfahrenskostenbeitrag auf 600 S herabgesetzt.

Ein Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren entfällt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 AVG iVm § 24 VStG, § 31 Abs. 2 lit. p ANSchG iVm § 16 Abs. 4 Bauarbeiterschutzverordnung, §§ 16, 19, 64 Abs.

1 und 2, 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz hat den Rechtsmittelwerber mit dem angefochtenen Straferkenntnis schuldig erkannt, es als Bevollmächtigter im Sinne des § 31 Abs. 2 ANSchG und somit als für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften Verantwortlicher der S AG Linz, S straße , für die "Baustelle N , vor dem Hause F Nr. " vertreten zu müssen, daß auf der von der vorstehenden Firma betriebenen Baustelle N B vor dem Hause F Nr. am 19.8.1992, wie anläßlich einer Kontrolle durch das Arbeitsinspektorat für den 9. Aufsichtsbezirk festgestellt worden sei, zwei Arbeitnehmer, nämlich COSKUN Ali und ARIF Sak in einem ca.

6 m langen und 1,60 m tiefen Künettenabschnitt, welcher nicht gepölzt gewesen sei und dessen Wände auch nicht abgeböscht gewesen seien, bei Arbeiten mit der Schaufel angetroffen worden seien, wobei diese Künette weder in Fels oder in einem Boden ausgeführt worden sei, dessen örtliche Standfestigkeit an jene von Fels herankomme und sich die Künette außerdem in einem Fahrstreifenbereich der Bundesstraße B 139 befunden habe, sodaß auch eine Erschütterung durch den Straßenverkehr möglich gewesen sei.

Wegen Verletzung des § 31 Abs. 2 lit. p ANSchG iVm § 16 Abs. 4 Bauarbeiterschutzverordnung wurde über den Beschuldigten eine Geldstrafe von 18.000 S, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 18 Tagen und ein anteiliger Verfahrenskostenbeitrag von 1.800 S verhängt.

In seiner rechtzeitig dagegen eingebrachten Berufung macht der Rechtsmittelwerber geltend, daß die in Rede stehende Künette im Arbeitsbereich insofern aus standfestem Material bestanden habe, indem zunächst eine ca. 45 cm dicke Asphaltschichte als oberster Bereich vorhanden gewesen sei, unter dieser Schichte eine ca. 70 cm dicke stark verdichtete Schotterschichte (alter Straßenunterbau) und darunter noch eine ca. 45 cm dicke harte Lehmschichte gelegen gewesen sei.

Es habe sich bei den oberen beiden Schichten zwar nicht um Schrämmboden gehandelt, jedoch sei die örtliche Standfestigkeit an jene von Fels herangekommen. Als Indiz dafür könne gelten, daß bei den Grabungsarbeiten die Baggerschaufel massiv verformt worden sei. Ein Abrutschen der oberen Bereiche der Künette sei seiner Ansicht nach ausgeschlossen gewesen.

Die Künetten würden ab einer Tiefe von 1,25 m immer gepölzt.

Die beiden Arbeitnehmer seien gerade mit dem "Nachputzen" des neu gegrabenen Bereiches beschäftigt gewesen, was als Vorarbeit zur Pölzung notwendig sei.

Es sei der Verkehr mittels Ampel im Grabungsbereich geregelt und dadurch nur ein einseitiges Befahren der Straße möglich gewesen. Erschütterungen im Grabungsbereich hätten daher nicht bestanden und habe sich nur ein LKW während des Aushubvorganges beim Bagger (im Bereich der Künette) befunden.

Er sei 21 Jahre als Polier für die Firma S tätig, habe bereits einige Großbaustellen abgewickelt und sei dabei niemals beanstandet worden.

Aufgrund der Berufung wurde am 13.6.1994 die öffentliche mündliche Verhandlung in Gegenwart der Parteien durchgeführt, in deren Rahmen dem Beschuldigten Gelegenheit zur Rechtfertigung gegeben, der Zeuge P D , (meldungslegender Arbeitsinspektor) vernommen und in die von ihm zur Tatzeit am Tatort angefertigten Lichtbilder Einsicht genommen.

Demnach steht fest, daß der Arbeitsinspektor D am 19.8.1992 zwei Arbeitnehmer der S AG mit dem Sitz in Linz auf einer Baustelle in N auf der B vor dem Hause F Nr. , dabei angetroffen hat, als sie sich in einem ca. 6 m langen und 1,6 m tiefen Künettenabschnitt befanden und mittels Pickel und Schaufel Arbeiten verrichteten, wobei diese Künette nicht gepölzt und nicht abgeböscht war.

Die Künette diente für die Verlegung einer Gasrohrleitung der OÖ. Ferngas. Die durch die Künette durchschnittenen Bodenschichten setzten sich zu oberst aus einer mehr als 20 cm dicken Asphaltschicht, einem anschließenden verdichteten schotterigen Straßenunterbaumaterial und der anstehenden Lehmschichte zusammen. Für die Grabungsarbeiten war kein preßluftbetriebener Schrämmhammer oder -meißel im Einsatz.

Der von Grabungsarbeiten freibleibende Teil der Bundesstraße B ließ zwar noch mehr als einen Fahrstreifen frei. Ein Zufahren zur Künette durch den vorbeifließenden Verkehr wäre jedoch aufgrund des eingesetzten Baggers, des neben der Künette stehenden Transportfahrzeuges für Aushubmaterial und einer auf den Fahrstreifen nächst der Künette einspringenden Abschrankung nur bei einem ungewöhnlichen Einschwenken eines vorbeifahrenden Fahrzeuges möglich gewesen.

Die Erhebung weiterer Beweise war bei diesem für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen Sachverhalt nicht erforderlich, zumal der Beschuldigte selbst angab, daß auf der Baustelle kein preßluftbetriebenes Schrämmgerät eingesetzt worden ist und andererseits der Gebrauch von Pickel und Schaufel aus dem Lichtbild ersichtlich ist und letztlich die Nachputzarbeiten auch vom Beschuldigten selbst nicht bestritten wurden. Ferner steht fest, daß eine 50 cm breite Baggerschaufel eingesetzt war und daß die meßtechnische Feststellung der Künettentiefe und -breite vom Arbeitsinspektor persönlich vorgenommen wurde.

Ein Beweisantrag, daß andere Personen meßtechnische Feststellungen getroffen hätten und andere exakte Meßergebnisse von Tiefe und Breite der Künette erzielt hätten, liegt nicht vor.

Eine Abschrankung des der Künette zugewandten Fahrsteifens der B 139 ist auf dem Lichtbild nicht ersichtlich. Insoweit war für die Beurteilung der Sache die Aufnahme weiterer Beweise entbehrlich.

Wenngleich die Standfestigkeit der Künettenwände relativ hoch waren und sich somit mit der eingesetzten 50 cm breiten Baggerschaufel dadurch eine mit nur geringen Abweichungen versehene Künettenbreite (54 cm) erzielen ließ (was auch für die Wiederauffüllung vom wirtschaftlichen Standpunkt günstig erscheinen mag), so reichte das Material der Künettenwände in seiner Standfestigkeit nicht an Fels oder felsähnlichem Material heran.

Der vorbeiführende Schwerverkehr auf dem gegenüberliegenden Fahrstreifen der B ließ es nicht ausgeschlossen erscheinen, daß sich zumindest kleinere Ablösungen von den Künettenwänden bilden hätten können.

Bei dem vorhin festgestellten Sachverhalt war folgendes rechtlich zu erwägen:

Gemäß § 16 Abs. 4 der Bauarbeiterschutzverordnung müssen Künetten, die nicht in Felsen oder in einem Boden, dessen örtliche Standfestigkeit an jene von Felsen herankommt, ausgeführt werden, bei Tiefen von mehr als 1,25 m auf jeden Fall gepölzt werden.

Bei Vorliegen von schlechten Bodenverhältnissen oder besonderen Einflüssen wie Erschütterungen durch Straßenverkehr oder ähnlichen Einwirkungen ist auch schon bei geringerer Tiefe zu pölzen.

Diese seit dem Jahre 1954 in Geltung stehende Verordnung ist von den Übergangsvorschriften des § 33 Abs. 1 lit.a Z.12 ASchG und § 33 Abs. 7 ASchG erfaßt und ein Zuwiderhandeln gegen die vorzitierte Bestimmung der Bauarbeiterschutzverordnung gemäß § 31 Abs. 2 lit. p ASchG somit unter Strafdrohung, und zwar unter Geldstrafe bis zu 50.000 S gestellt.

Nachdem die in Rede stehende Künette weder in Felsen noch in einem Boden verlief, dessen Standfestigkeit an jene von Felsen herankommt, was durch die Schilderung des Aufbaues der Bodenschicht und den Umstand, daß tatsächlich nicht mit Preßluft geschrämmt wurde sowie die Aussage des als fachkundigen Zeugen vernommenen Arbeitsinspektors erwiesen ist und die Künettentiefe im Bereich, in denen Arbeiten in der Künette verrichtet wurden, durch das vorgelegte Fotomaterial und die Messung des Arbeitsinspektors erwiesen ist, hatte der Bevollmächtigte für diese Baustelle - nämlich der Beschuldigte - dafür einzustehen, daß die Künette nicht gepölzt war.

Hiefür hat er als fachlich damit betraute Person auf der subjektiven Tatseite Fahrlässigkeit zu verantworten.

Auch ein sogenanntes Nachputzen war ohne Sicherungsmaßnahme nicht zulässig. Eine Künette ist längen-, tiefen- und breitenmäßig verantwortungsvoll nach dem Willen des Gesetzund Verordnungsgebers in allen Dimensionen so anzulegen, daß sie ab Erreichen der Sicherungspflicht vor Betreten durch Arbeitnehmer auch tatsächlich gesichert werden kann und gesichert wird.

Bezüglich der Strafbemessung war - ausgehend vom Geldstrafrahmen bis zu 50.000 S unter Beachtung der Grundsätze des § 19 VStG, wonach wesentlich auf das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und auf den Umstand Bedacht zu nehmen ist, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat sowie unter Berücksichtigung der Erschwerungs- und Milderungsgründe und des Verschuldens der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten - von Belang, daß das Maß der Gefährdung der Dienstnehmer infolge der relativ guten Standfestigkeit des Bodens, in der die Künette verlief, relativ gering war, dem Beschuldigten als mildernd dessen Unbescholtenheit zugute kam und demgegenüber keine erschwerenden Umstände vorlagen, daß ihm ferner kein wirtschaftlicher Vorteil aus der Tat erwachsen ist und er im übrigen keine ungünstigen Einkommens- und Familienverhältnisse aufweist. In der Zusammenschau war daher mit einer Geldstrafe von 6.000 S das Auslangen zu finden, um insbesondere dem vornehmsten Strafzweck, nämlich den Beschuldigten vor künftigen Übertretungen abzuhalten, zu genügen.

Im angemessenen Verhältnis war dazu die Ersatzfreiheitsstrafe auf zwei Tage und der mit 10 % vom Gesetzgeber festgelegte Verfahrenskostenbeitrag für das erstinstanzliche Verfahren auf 600 S herabzusetzen.

Der Teilerfolg der Berufung befreite den Rechtsmittelwerber von Beiträgen zu Kosten des Berufungsverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Schön

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