Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-220933/2/Ga/La

Linz, 30.01.1995

VwSen-220933/2/Ga/La Linz, am 30. Jänner 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des K F in L , D straße , gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 18. März 1994, Zl. 502-32/Kn/We/62/94a, wegen Übertretung der Gewerbeordnung 1973 - GewO 1973, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und die Einstellung des Strafverfahrens verfügt.

Rechtsgrundlage:

AVG: § 66 Abs.4.

VStG: § 24; § 44a Z1, § 45 Abs.1 Z3, § 51 Abs.1, § 51c und § 51e Abs.1; § 66 Abs.1.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber einer Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs.1 Z3 iVm § 74 Abs.2 Z2 GewO 1973 schuldig gesprochen und deswegen mit Geldstrafe in der Höhe von 5.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: ein Tag) kostenpflichtig bestraft.

Als erwiesen wurde angenommen (§ 44a Z1 VStG): Der Berufungswerber habe an einem näher bezeichneten Standort in L eine gemäß § 74 Abs.2 Z2 GewO 1973 genehmigungspflichtige Betriebsanlage, nämlich ein im einzelnen beschriebenes Gasthaus, betrieben, ohne daß die hiefür erforderliche Betriebsanlagengenehmigung vorgelegen wäre, obwohl diese Betriebsanlage wegen ihrer Lage (oberhalb des Lokales befänden sich die Fensterfronten von Anrainerwohnungen), der Gastraumentlüftung (zwei Außenventilatoren nächst der Fensterfronten der darüberliegenden Wohnungen) und ihrer sonstigen Anlagenteile (Musikanlage, Boxensituierung) geeignet sei, Nachbarn durch Geruch und Lärm zu belästigen.

2. Die zugleich mit dem Strafakt vorgelegte Berufung bekämpft den Straf- und Schuldausspruch dieses Straferkenntnisses.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

3.1. Die belangte Behörde hat in ihrer Sachverhaltsannahme auf einen einzigen Tattag, den 15. März 1993, abgestellt und damit - anders als noch in der ersten Verfolgungshandlung, das ist der Ladungsbescheid vom 30. März 1993 - keinen fortgesetzten Tatzeitraum zugrundegelegt. Daraus folgt für die in diesem Verwaltungsstrafverfahren anzuwendende materielle Rechtslage, daß der Tatvorwurf nach der GewO 1973 in der Fassung vor der erst mit 1. Juli 1993 in Kraft getretenen Gewerberechtsnovelle 1992 zu beurteilen ist.

3.2. Nicht im Recht ist der Berufungswerber, wenn er meint, daß das von ihm - unstrittig ohne gewerbebehördliche Genehmigung - betriebene Gasthaus als Bagatellanlage (weil die Betriebsfläche nur 80 m2 und der Stromanschluß nur 50 kW betrage) iSd § 359b Z2 GewO 1973 nicht der vorliegend angewendeten Strafsanktion unterläge. Mit diesem Einwand übersieht der Berufungswerber, daß der Gewerberechtsgesetzgeber der Gewerberechtsnovelle 1988, BGBl.Nr. 399, die konkrete Handhabung des damals neu eingeführten vereinfachten Verfahrens für Kleinanlagen ausdrücklich an ein Ansuchen gemäß § 353 GewO 1973 um Genehmigung der Betriebsanlage gebunden hat. Erst auf Grund eines solchen Betriebsanlagen-Genehmigungsansuchens könnte der im § 353 leg.cit. vorgesehene, von Gesetzes wegen mit der Wirkung einer Genehmigung der Anlage ausgestattete Feststellungsbescheid erlassen werden. Der Berufungswerber hatte jedoch, wie er selbst im Zuge der Beschuldigtenvernehmung am "14. März 1993" (richtig wohl: 7.

Mai 1993) angegeben hat, gar kein (neues) Ansuchen um Betriebsanlagengenehmigung für sein Gasthaus eingebracht.

Davon abgesehen stünde selbst ein schon eingeleitetes Bagatellanlagen-Verfahren einem auf § 366 Abs.1 Z3 GewO 1973 gestützten Verwaltungsstrafverfahren nicht grundsätzlich entgegen.

3.3. Der Berufungswerber bringt jedoch auch vor, daß der Gastgewerbebetrieb bereits seit 1953 bestehe, woraus sich ergebe, daß die Überleitungsbestimmung des § 376 Z11 Abs.2 GewO 1973 hätte angewendet werden müssen.

Mit diesem nicht näher ausgeführten Hinweis allein könnte der Berufungswerber seine Bestrafung allerdings nicht abwenden. Dennoch weist damit die Berufung in eine Richtung, die ihr im Ergebnis zum Erfolg verhilft.

3.4. Gemäß § 376 Z11 Abs.2 GewO 1973 bedürfen diejenigen Altanlagen, die nach den Bestimmungen der GewO 1859 nicht genehmigungspflichtig waren und nach den Bestimmungen der GewO 1973 jedoch genehmigungspflichtig wären, keiner Genehmigung gemäß § 74 Abs.2 GewO 1973; zutreffendenfalls finden die §§ 79 und 81 leg.cit. sinngemäß Anwendung.

Die Anwendbarkeit der Übergangsbestimmung des § 376 Z11 Abs.2 setzt voraus, daß eine Anlage, die - was nach der Aktenlage für das gegenständliche Gasthaus zutrifft - am 1.

August 1974 errichtet war, vor diesem Tag nach den Bestimmungen der GewO 1859 nicht genehmigungspflichtig war, hingegen mit diesem Tag am Maßstab der damals in Kraft getretenen Bestimmungen der GewO 1973 als genehmigungspflichtig zu qualifizieren gewesen wäre. Nur für solche Fälle schafft die Übergangsbestimmung eine Ausnahme, nicht aber auch für Betriebsanlagen, die am 1. August 1974 errichtet und bereits nach den Bestimmungen der GewO 1859 genehmigungspflichtig waren und die seit dem 1. August 1974 auch nach den Bestimmungen der GewO 1973 als genehmigungspflichtig zu qualifizieren sind (vgl.

Stolzlechner/Wendl/Zitta [Hrsg], Die gewerbliche Betriebsanlage, 2. A [1991], Rz 167 und die dort zit. Jud.

des VwGH).

Die gesetzliche Bestimmung, die die Genehmigungspflicht von Altanlagen normierte, war § 25 GewO 1859. Dieser § 25 war ähnlich konstruiert wie § 74 GewO 1973. Genehmigungspflicht lag demgemäß dann vor, wenn durch die von einer Betriebsanlage ausgehenden Auswirkungen die Nachbarschaft gefährdet bzw. belästigt werden konnte. Im Hinblick auf das in § 25 GewO 1859 enthaltene Wort "geeignet" war der tatsächliche Eintritt einer Gefährdung bzw. Belästigung jedoch nicht gefordert.

3.5. Der Berufungswerber hat nun schon im Ermittlungsverfahren vor der belangten Behörde darauf hingewiesen, daß das nämliche Gasthaus schon seit 1953 bestehe. In der vorhin zitierten Beschuldigtenvernehmung hat er angegeben: "Anstelle der Musikanlage befand sich früher eine Musikbox und es gab nur einen Ventilator. Seit 1983 führe ich das Lokal. Ich sehe nicht ein, daß ich für dieses Gasthaus, welches sich nicht verändert hat, eine Betriebsanlagengenehmigung brauchte." Darauf ist die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses eingegangen und hat zutreffend angenommen, daß der Beschuldigte damit "möglicherweise die Übergangsbestimmungen der Gewerbeordnung 1973 ansprechen" wollte. Diesen Umstand rechtlich beurteilend hat die belangte Behörde den Schluß gezogen, daß das Gasthaus auch in seiner ursprünglichen Form (Musikbox statt Musikanlage, ein Ventilator anstatt zwei Ventilatoren) gemäß § 25 GewO 1859 genehmigungspflichtig war und daher die Übergangsbestimmung nicht anzuwenden sei.

3.6. Eine nachvollziehbare Begründung für diese Schlußziehung enthält das angefochtene Straferkenntnis jedoch nicht. Mehr noch: Nach der Aktenlage muß verneint werden, daß die belangte Behörde zu diesem Punkt überhaupt ein Ermittlungsverfahren zur Feststellung des maßgebenden Sachverhalts geführt hat. Weder wurde ermittelt, ob die Betriebsbeschreibung des Berufungswerbers auch mit jenem Zustand des Gasthauses, wie er zum Übergangszeitpunkt 1.

August 1974 bestanden hatte, übereinstimmt noch, ob zum damaligen Zeitpunkt überhaupt Nachbarn vorhanden gewesen sind und, zutreffendenfalls, ob bzw. durch welche Auswirkungen aus der Betriebsanlage diese Nachbarn iSd § 25 GewO 1859 belästigt werden konnten.

3.7. Im Anwendungsbereich des § 25 GewO 1859 (iVm § 376 Z11 Abs.2 GewO 1973) kommt es darauf an, ob sich im Einzelfall der gesetzliche Tatbestand der Eignung zur Belästigung konkretisiert hatte. Einem Straferkenntnis, das - wie hier davon ausgeht, daß eine gewerbliche Betriebsanlage nach § 25 GewO 1859 genehmigungspflichtig gewesen sei, muß daher entnommen werden können, inwieweit die betreffenden Tatbestände vor dem 1. August 1974 erfüllt waren (vgl.

Stolzlechner/Wendl/Zitta aaO, mit Zitat aus VwGH 20.1.1987, 85/04/0207).

Ist aber der maßgebende Sachverhalt nicht festgestellt worden, stellt sich die oben wiedergegebene Schlußziehung des angefochtenen Straferkenntnisses als bloße Vermutung dar und kann in Konsequenz dessen dem spruchgemäßen Tatvorwurf nicht entnommen werden, daß und wodurch die die Genehmigungspflicht begründenden Tatbestände vor dem 1.

August 1974 erfüllt gewesen sind. Damit aber verletzt das angefochtene Straferkenntnis aus dem Blickwinkel des Bestimmtheitsgebotes des § 44a Z1 VStG wesentliche Verteidigungsrechte des Berufungswerbers.

Auch der am 6. April 1993 hinausgegebene "Ladungsbescheid" (als erste Verfolgungshandlung) macht dem Berufungswerber das dargestellte wesentliche Tatbestandselement nicht zum Vorwurf. Da sich aber eine die Verfolgungsverjährung gemäß § 31 Abs.1 VStG ausschließende Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs.2 VStG nach ständiger Rechtsprechung des VwGH (zB Erk.

6.4.1992, 92/18/0017) auf alle die Tat betreffenden (wesentlichen) Sachverhaltselemente beziehen muß, hätte der Berufungswerber nur dann wegen der gegenständlichen Verwaltungsübertretung bestraft werden dürfen, wenn auch eine in diesem Sinne taugliche Verfolgungshandlung vorgenommen worden wäre, was jedoch nicht zutrifft.

4. Aus all diesen Gründen war das angefochtene Straferkenntnis wegen Vorwurfs einer nicht hinlänglich bestimmten Tat aufzuheben. Gleichzeitig war gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG die Einstellung des Strafverfahrens zu verfügen, weil Umstände vorliegen, die die weitere Verfolgung des Berufungswerbers in dieser Sache ausschließen. Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gem. § 51e Abs. 1 VStG entfallen.

5. Die Aufhebung und die Einstellung bewirken auf der Kostenseite, daß der Berufungswerber mit Beiträgen zum Strafverfahren weder vor der belangten Behörde noch vor dem unabhängigen Verwaltungssenat zu belasten ist.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Gallnbrunner

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