Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-220950/9/Kon/Fb

Linz, 08.06.1995

VwSen-220950/9/Kon/Fb Linz, am 8. Juni 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 7. Kammer (Vorsitzender: Mag. Gallnbrunner, Berichter: Dr. Konrath, Beisitzer: Dr. Grof) über die Berufung des J H , G O , vertreten durch Rechtsanwalt Dr. A R , V , P straße , gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 7. April 1994, Ge96-12-1994-Bi, wegen Übertretung der Bauarbeitenschutzverordnung (BAV), BGBl.Nr. 267/1954, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis wird bestätigt.

II. Der Bestrafte hat 20 % der gegen ihn verhängten Strafe, ds 3.000 S, als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu zahlen.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 51 Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) iVm § 24 VStG, §§ 16 und 19 VStG.

zu II.: § 64 Abs.1 und Abs.2 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.:

Das angefochtene Straferkenntnis enthält nachstehenden Schuld- und Strafausspruch:

"Sie haben es als das für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften verantwortliche Organ (handelsrechtlicher Ge schäftsführer) der MBM M - und M Ges.m.b.H. mit dem Sitz in G zu verantworten, daß - wie im Zuge einer Überprüfung durch das Arbeitsinspektorat für den 9. Aufsichtsbezirk in L festgestellt wurde - am 12.

Jänner 1994 auf der Baustelle 'Neubau einer Lagerhalle der Firma G in S , G ' ein Arbeitnehmer der Gesellschaft mit der Montage der Lichtbänderkränze auf den 40 cm breiten Betonträgern in einer Höhe von ca. 6 m über dem Hallenboden beschäftigt war, ohne daß Absturzsicherungen getroffen wurden, obwohl an allen Arbeitsstellen an denen Absturzgefahr besteht, Einrichtungen wie Arbeitsgerüste, Brustwehren, Schutzgerüste oder Fangnetze anzubringen sind die geeignet sind, ein Abstürzen der Dienstnehmer zu verhindern oder ein Weiterfallen hintanzuhalten.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:

§ 7 Abs.1 der Bauarbeitenverordnung, BGBl.Nr. 267/1954 i.d.g.F. i.V.m. § 33 Abs. 1 lit. a) Ziffer 12 und § 33 Abs.

7 und § 31 Abs. 2 lit. p) Arbeitnehmerschutzgesetz, BGBl.Nr.

243/1972 i.d.g.F. und § 9 Abs. 1 VStG Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von Falls diese uneinbringlich ist, gemäß § Schilling Ersatzfreiheitsstrafe von 15.000,-- 6 Tage 31(2) lit.p) ANSchG.

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

S 1.500,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10 % der Strafe.

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe, Kosten) beträgt daher S 16.500,--." Begründend führt hiezu die Erstbehörde im wesentlichen aus, daß die objektive Tatseite der gegenständlichen Verwaltungsübertretung aufgrund der Feststellungen des Arbeitsinspektorates für den 9. Aufsichtsbezirk aber auch aufgrund der eigenen Rechtfertigungsangaben des Beschuldigten feststehe.

Hinsichtlich des Vorliegens der subjektiven Tatseite hält die Erstbehörde fest, daß es der Beschuldigte in seiner Eigenschaft als strafrechtlich Verantwortlicher iSd § 9 Abs.1 VStG in Kauf genommen habe, die auf der gegenständlichen Baustelle eingesetzten Arbeitnehmer einer Absturzgefährdung ausgesetzt zu haben.

Die Strafbemessung sei in Anbetracht der Gefährdung höchstrangiger Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer erfolgt, wobei gleichzeitig erschwerend zu bewerten gewesen wäre, daß der Beschuldigte bereits wegen einer gleichartigen Verwaltungsübertretung rechtskräftig bestraft worden sei. Das Ausmaß der Strafe sei auch nach den vom Beschuldigten angegebenen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen, wirtschaftlich zumutbar.

Gegen dieses Straferkenntnis hat der Beschuldigte Berufung erhoben und zu deren Begründung im wesentlichen vorgebracht:

Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte von einer Bestrafung Abstand genommen werden müssen, in eventu wäre aber eine bei weitem geringere Geldstrafe zu verhängen gewesen. Es sei richtig, daß er mit einem Arbeiter am 12.1.1994 auf der gegenständlichen Baustelle die im Tatvor wurf angeführten Arbeiten verrichtet habe. Aufgrund der Eigenart der Baustelle bzw der vorhandenen Trägergerüste der Firma G sei es aber geradezu unmöglich gewesen, Arbeitsgerüste, Brustwehren, Schutzgerüste oder Fangnetze zum Schutz der Dienstnehmer anzubringen. Die Arbeiten hätten auch nicht lange angedauert, sodaß der mit der Anbringung geeigneter Schutzvorrichtungen erforderliche Aufwand unverhältnismäßig hoch gegenüber dem Aufwand der durchzuführenden Arbeiten gewesen wäre. Gemäß § 7 Abs.1 BAV hätte demnach die Anbringung von Schutzgerüsten oder ähnlichen Einrichtungen unterbleiben können, wobei in einem solchen Fall die Dienstnehmer durch Anseilen gegen Absturz zu sichern gewesen wären. Ein Anseilen wäre aber im vorliegenden Fall völlig unrealistisch gewesen, zumal es dadurch zu erheblichen Komplikationen und zu neuen Gefahrenquellen, wie insbesondere des Stolperns, gekommen wäre. Überdies sei das Nichtanseilen durch besonders sorgfältiges Arbeiten ausgeglichen worden. Zudem sei auch zu bedenken, daß auf dem Trägergerüst der Baustelle G mehrere Firmen gleichzeitig gearbeitet hätten und zahlreiche Arbeitnehmer sich im engsten Kreise auf dem Trägergerüst befunden hätten.

Ein Anseilen hätte daher offenbar mehr Gefahrenquellen verursacht, als zu nützen.

Keinesfalls hätte aber eine derart hohe Geldstrafe verhängt werden dürfen. Bei der Strafbemessung sei auf die Einkommenssituation des Berufungswerbers keinesfalls ausreichend Bedacht genommen worden. Das Arbeitsinspektorat habe, wie üblich, eine denkbar hohe Strafe beantragt, sodaß nicht einzusehen sei, warum eine Behörde diesem Antrag vollinhaltlich folge, zumal sie ja nach objektiven Gesichtspunkten hätte vorgehen müssen und von ihr nicht die Interessen des Arbeitsinspektorates wahrzunehmen seien. Was die als erschwerend gewertete Vormerkung betreffe, sei darauf hinzuweisen, daß im damaligen Verfahren lediglich eine Strafe von 5.000 S verhängt worden sei. Auch wenn dies einen Erschwerungsgrund darstelle, sei es nicht gerechtfertigt, die Strafhöhe nunmehr zu verdreifachen. Dies auch aufgrund des Umstandes, daß auf der Baustelle lediglich ein Arbeiter von ihm beschäftigt worden sei, seinerzeit aber zwei Arbeiter von ihm eingesetzt worden seien.

Der unabhängige Verwaltungssenat hat in den erstbehördlichen Akt Einsicht genommen und einen ausreichend ermittelten und unter Beweis gestellten Sachverhalt vorgefunden. Dazu kommt, daß der Beschuldigte den Tatsachverhalt nicht bestreitet.

Aus diesem Grund konnte der unabhängige Verwaltungssenat die Entscheidung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung treffen.

Aufgrund der Höhe der verhängten Strafe hatte der unabhängige Verwaltungssenat über die vorliegende Berufung durch eine Kammer zu entscheiden.

In rechtlicher Hinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 7 Abs.1 BAV sind an allen Arbeitsstellen, an denen Absturzgefahr besteht, Einrichtungen anzubringen, die geeignet sind, ein Abstürzen der Dienstnehmer zu verhindern oder ein Weiterfallen hintanzuhalten, wie Arbeitsgerüste, Brustwehren, Schutzgerüste oder Fangnetze. Bei Arbeiten an besonders gefährlichen Stellen müssen die Dienstnehmer überdies angeseilt sein. Das gleiche gilt für das Anbringen oder Entfernen von Schutzeinrichtungen an besonders gefährlichen Stellen.

Gemäß § 7 Abs.2 BAV kann die Anbringung der im Abs.1 vorgesehenen Schutzeinrichtungen unterbleiben, wenn der hiefür erforderliche Aufwand unverhältnismäßig hoch, gegenüber dem Aufwand für die durchzuführende Arbeit ist. In solchen Fällen sind die Dienstnehmer durch Anseilen gegen Absturz zu sichern.

Gemäß § 33 Abs.1 lit.a Z12 ASchG bleibt die Verordnung vom 10. November 1954, BGBl.Nr. 267, über Vorschriften zum Schutz des Lebens und der Gesundheit von Dienstnehmern bei Ausführung von Bauarbeiten, Bauneben- und -hilfsarbeiten, bis zu einer Neuregelung des betreffenden Gebietes durch eine aufgrund von Bestimmungen dieses Bundesgesetzes erlassene Verordnung im bisherigen Umfang als Bundesgesetz in Geltung. Gemäß § 33 Abs.7 ASchG gelten bei Zuwiderhandlungen gegen die im Abs.1 genannten Rechtsvorschriften die Bestimmungen des § 31 sinngemäß.

Gemäß § 31 Abs.2 lit.p ASchG begehen Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die den Vorschriften der auf Grund des § 24 dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen zuwiderhandeln, eine Verwaltungsübertretung und sind, sofern die Tat nicht nach anderen Gesetzen strenger zu bestrafen ist, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafen bis zu 50.000 S zu bestrafen.

Unstrittig ist, daß ein 6 m über dem Hallenboden gelegener Betonträger von 40 cm Breite eine absturzgefährliche Arbeitsstelle iSd § 7 Abs.1 BAV darstellt. Durch das Nichtvorhandensein von Einrichtungen, die geeignet sind, ein Abstürzen der Dienstnehmer zu verhindern oder ein Weiterfallen hintanzuhalten (Arbeitsgerüste, Brustwehren, Schutzgerüste oder Fangnetze), wie dies auf der gegenständlichen Baustelle der Fall war, ist die objektive Tatseite der gegenständlichen Verwaltungsübertretung voll erfüllt. Dem auf § 7 Abs.2 BAV gestützten Einwand des Beschuldigten ist entgegenzuhalten, daß jedenfalls auch bei aufwandsmäßiger Unverhältnismäßigkeit Arbeitnehmer angeseilt sein müssen.

Selbst diese Bedingung war aber nicht erfüllt, da der vom Beschuldigten beschäftigte Arbeitnehmer bei seiner Tätigkeit auf dem Betonträger nicht angeseilt war. Aus diesem Grunde war ein weiteres Eingehen auf diesen erst in der Berufung mit der erforderlichen Klarheit erhobenen Einwand entbehrlich und bedurfte es in bezug auf diesen auch keiner Ergänzung des bestätigten Spruches (in diesem Sinn VwGH vom 30. September 1993, 93/18/0239). Die in der Berufung zur Entlastung vorgebrachten Umstände, wie die Eigenart der vorhandenen Trägergerüste und die hohe Anzahl von Arbeitnehmern, die sich auf diesem Trägergerüst befunden haben, rechtfertigen weder das Unterbleiben von Schutzmaßnahmen noch können sie zur Entschuldigung der dadurch begangenen Verwaltungsübertretung nach dem ASchG herangezogen werden.

Aufgrund des absoluten Vorranges des Schutzes des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer gegenüber allen anderen Gegebenheiten hätte der Beschuldigte eben unter solchen behaupteten - Umständen seinen Arbeitnehmer nicht einsetzen dürfen. Es ist sohin auch die subjektive Tatseite der gegenständlichen Verwaltungsübertretung im Sinne des Verschuldens voll gegeben, weshalb der erstbehördliche Schuldspruch aus seiner zutreffenden Begründung heraus zu bestätigen war.

In bezug auf die Strafhöhe ist der Beschuldigte darauf hinzuweisen, daß jede innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens erfolgte Strafzumessung eine Ermessensentscheidung darstellt, die unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des § 19 VStG zu treffen ist. Macht die Behörde von ihrem Ermessen im Sinne des Gesetzes (§ 19 VStG) Gebrauch, kann ihr keine Rechtswidrigkeit vorgeworfen werden. Eine dem Sinn des Gesetzes widersprechende Ermessensausübung bei der Strafzumessung konnte vom unabhängigen Verwaltungssenat nach der Aktenlage aber nicht festgestellt werden. So ist das Verschulden des Bestraften keineswegs geringfügig. Seiner ganzen Verantwortung nach hat der Beschuldigte die ihm angelastete Tat nicht bloß fahrlässig, sondern zumindest mit Eventualvorsatz begangen, weil er die Verwirklichung des Tatbestandes jedenfalls bewußt in Kauf genommen hat. In Anbetracht der schwerwiegenden Folgen, die ein Absturz aus 6 m Höhe auf harten Hallenboden in bezug auf Leben und Gesundheit mit sich bringen kann, ist auch der Unrechtsgehalt der Tat als hoch einzustufen. Zu Recht wurde weiters eine einschlägige Verwaltungsübertretung des Beschuldigten als straferschwerend gewertet. Das Ausmaß der verhängten Geldstrafe ist dem Beschuldigten seinen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen nach wirtschaftlich zumutbar. Ein Herabsetzen der Strafe oder gar ein Absehen von dieser wäre sowohl aus Präventionsgründen als auch in bezug auf die Gewährleistung des Schutzzweckes der verletzten Verwaltungsvorschriften keinesfalls vertretbar.

Aus den dargelegten Gründen war der Berufung daher der Erfolg zu versagen und wie im Spruch zu entscheiden.

zu II.:

Der Ausspruch über die Kosten des Berufungsverfahrens ist in der zitierten Gesetzesstelle begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Gallnbrunner

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