Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-220961/21/Ga/La

Linz, 30.01.1996

VwSen-220961/21/Ga/La Linz, am 30. Jänner 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 5. Kammer (Vorsitzender: Dr. Grof, Berichter:

Mag. Gallnbrunner, Beisitzer: Dr. Schön) über die - auf die Strafe eingeschränkte - Berufung des Ing. A... A... in P...

gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 26. April 1994, Zl. Ge96-80-1993-Fr/Gut, wegen Übertretung der Bauarbeitenschutzverordnung - BArbSchV, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben und die verhängte Geldstrafe auf 12.500 S (Ersatzfreiheitsstrafe: auf 84 Stunden) herabgesetzt.

II. Der Beitrag des Berufungswerbers zu den Kosten des Verfahrens vor der Strafbehörde wird auf 1.250 S herabgesetzt.

Rechtsgrundlage:

AVG: § 66 Abs.4.

VStG: § 24; § 16, § 19, § 51 Abs.1, § 51c, § 51d, § 51e Abs.2; § 64 Abs.2 und § 65.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem eingangs bezeichneten Straferkenntnis ist der Berufungswerber wie folgt schuldig gesprochen und bestraft worden:

"Sie haben es als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der H... H...- und T... im Sinne der Bestimmungen des § 9 VStG 1991 zu verantworten, daß, wie im Zuge einer Überprüfung der Baustelle "B... P..." in ... P..., D..., durch ein Organ des Arbeitsinspektorates für den 9.

Aufsichtsbezirk am 26.4.1993 festgestellt wurde, bei der Herstellung des tonnenförmig ausgebildeten Daches über dem Zugang zum Altgebäude drei Arbeitnehmer der obgenannten Baufirma mit dem Verlegen der Bewehrung auf der bereits hergestellten Dachschalung beschäftigt waren, wobei im Traufenbereich (Absturzkante) bei einer möglichen Absturzhöhe von ca. 12 Metern keine Absturzsicherung angebracht war." Dadurch hat er § 7 Abs.1 BArbSchV verletzt; wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über ihn gemäß § 31 Abs.2 lit.p des Arbeitnehmerschutzgesetzes (ANSchG) eine Geldstrafe in der Höhe von 20.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 14 Tage) kostenpflichtig verhängt.

2.1. Die diesen Strafbescheid zur Gänze anfechtende, in der Hauptsache Aufhebung und Verfahrenseinstellung beantragende Berufung hat der Beschuldigte mit Schriftsatz vom 22. Jänner 1996 ausdrücklich auf ein nur gegen das Strafausmaß gerichtetes Rechtsmittel eingeschränkt. Zufolge dieser Zurücknahme ist der Ausspruch über die Schuld (teil)rechtskräftig geworden; zur Entscheidung liegt der Antrag auf Herabsetzung der Strafe, hilfsweise auf die Anwendung des § 21 VStG (Absehen von der Strafe) vor.

2.2. Die Höhe der verhängten Strafe begründend verweist die belangte Behörde zunächst auf den in diesem Fall gemäß § 31 Abs.2 lit.p ANSchG bis 50.000 S reichenden Strafrahmen.

Hinsichtlich des Ausmaßes des Verschuldens wirft sie dem Berufungswerber eine "zumindest grob fahrlässige Handlungsweise" vor und hält fest, daß daher das Verschulden keinesfalls als geringfügig angesehen werden könne.

Straferschwerend sei die Tatsache zu werten, daß der Berufungswerber durch die Vernachlässigung seiner Aufsichtspflicht Vorschriften verletzt habe, die dem Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen dienten. In Abwägung aller zur Strafbemessung heranzuziehenden Fakten könne daher das vom Arbeitsinspektorat beantragte Strafausmaß als dem Unrechtsgehalt der Tat angemessen bezeichnet werden. Aus präventiven Gründen sei es darüber hinaus nicht zu verantworten, bei Mißachtung derartiger Vorschriften nur Bagatellstrafen zu verhängen.

2.3. Aus der Einsicht in den Strafakt zu Zl.

Ge96-80-1993-Fr/Gut, der als Beweismittel vorliegt, geht hervor, daß das kontrollierende Arbeitsinspektorat in seiner Anzeige vom 29. April 1993 die Verhängung einer Geldstrafe in der Höhe von 20.000 S beantragt, diese Strafhöhe jedoch konkret nicht begründet hat. Zum Inhalt der Berufung angehört, geht das Arbeitsinspektorat davon aus, daß der vom Berufungswerber für die gegenständliche Baustelle als verantwortlich gewesen eingewendete Bauleiter allenfalls als (schlicht) Bevollmächtigter iSd ANSchG gewertet werden könne; in diesem Fall aber bleibe der Arbeitgeber gemäß § 31 Abs.5 ANSchG neben dem Bevollmächtigten dann strafbar, wenn er es (ua) bei der Auswahl oder der Beaufsichtigung des Bevollmächtigten an der erforderlichen Sorgfalt habe fehlen lassen. Das Arbeitsinspektorat vertritt weiters die Auffassung, daß das beantragte (und verhängte) Strafausmaß auf Grund der Gefährdung infolge einer Absturzhöhe von ca.

12 m und des bis zu 50.000 S reichenden Strafrahmens nicht zu hoch erscheine, "wobei der Gesetzgeber offensichtlich die Absicht verfolgt, derartige Übertretungen scharf zu ahnden", obwohl zum Tatbestand im vorliegenden Fall der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehöre. Die Amtspartei spricht sich für eine Bestätigung der verhängten Strafe aus.

Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

3.1. Der Berufungswerber hält die Strafhöhe im Hinblick auf die Schwere der Übertretung und das Ausmaß des Verschuldens für zu hoch und sieht darin ein eklatantes Mißverhältnis zum Grade und zur Bedeutung der in der Verwaltungsübertretung liegenden Verletzung öffentlichen Interesses. Vor allem aus dem Unrechtsgehalt werde die Überhöhung der Strafe deutlich. Vielmehr wäre von einer Strafe abzusehen gewesen, weil das Verschulden geringfügig und die Folgen der Übertretung unbedeutend seien.

3.2. Die für die Strafbemessung maßgeblichen Grundsätze regelt § 19 VStG. Danach obliegt es der - insoweit eine Ermessensentscheidung treffenden - Strafbehörde, die Tat innerhalb der Grenzen des gesetzlichen Strafrahmens (hier:

gemäß § 31 Abs.2 lit.p ANSchG Geldstrafe bis 50.000 S) anhand der objektiven Kriterien des Unrechtsgehalts (§ 19 Abs.1 VStG) und der subjektiven Kriterien des Schuldgehalts (§ 19 Abs.2 VStG) zu bewerten und entsprechend dieser Bewertung die Strafe festzusetzen. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe (sinngemäß sind hiefür heranzuziehen: §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches) gegeneinander abzuwägen. Im ordentlichen Strafverfahren sind schließlich die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

3.3. Anders als noch im Verfahren vor der Strafbehörde wendet der Berufungswerber die Bestellung des M... A...

nicht mehr als verantwortlicher Beauftragter ein, sondern gibt nunmehr an, dieser sei in seiner Eigenschaft als Bauleiter auch für diese Baustelle als Bevollmächtigter bestellt gewesen. Diesem Einwand hat die belangte Behörde im Zuge der Berufungsvorlage nicht widersprochen und auch die Aktenlage kann dem Vorbringen nicht entgegengehalten werden.

Immerhin gesteht der Bauleiter in seiner im Strafakt einliegenden Stellungnahme (ohne Datum) selbst zu, daß ihm schon seit 15. Juli 1991 die Verantwortung für die Einhaltung aller Verwaltungsvorschriften, insbesondere auch jene der Bauarbeitenschutzverordnung auf der spruchgegenständlichen Baustelle obgelegen sei. Auch das Arbeitsinspektorat geht in seiner Äußerung zum Berufungsinhalt davon aus, daß es sich beim Bauleiter M...

A... um einen (schlicht) Bevollmächtigten iSd § 31 Abs.2 ANSchG gehandelt haben könnte.

Die Bestellung eines (nach der hier anzuwendenden Rechtslage vor BGBl.Nr. 450/1994 noch vorgesehenen) Bevollmächtigten befreit aber den Arbeitgeber nicht grundsätzlich von dessen verwaltungsstrafrechtlicher Verantwortlichkeit. Nur unter bestimmten, im § 31 Abs.5 ANSchG geregelten Voraussetzungen ist der Arbeitgeber von seiner Verantwortlichkeit neben dem Bevollmächtigten befreit. Diese Vorausetzungen liegen zufolge Schuldspruch hier nicht vor; der Berufungswerber muß sich die Tat als schuldhaft begangen anrechnen lassen, weil er eine hinreichende Kontrolle des - zwar immerhin bestellt gewesenen - Bevollmächtigten nicht eingerichtet hatte. Hätte er die gebotene Kontrollsorgfalt aufgewendet, wäre ihm auch nicht verborgen geblieben, daß "stichprobenartige" Kontrollen nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht genügen und hätte er dann auch erkannt, daß der Bevollmächtigte die ihm anvertraute Verantwortung hinsichtlich der Einhaltung des Arbeitnehmerschutzes auf dieser Baustelle, trotz von der Geschäftsleitung zur Verfügung gestellter Schutzeinrichtungen und trotz gegebener Anweisungen, nicht ausreichend wahrgenommen hat. Dafür aber, daß dieser Sorgfaltsmangel bei der Kontrolle des Bevollmächtigten als "zumindest grob fahrlässig" zu bewerten sei, kann der unabhängige Verwaltungssenat nach der Aktenlage keinen Anhaltspunkt finden. Anders daher als von der belangten Behörde zugrundegelegt, war im Ergebnis für die Bemessung der Strafhöhe im subjektiven Kriterium nur einfache Fahrlässigkeitsschuld iSd § 5 Abs.1 VStG zu ahnden. Ein über dieses Maß hinausreichender Gesinnungsunwert der Unterlassungen des Berufungswerbers hinsichtlich der Einrichtung eines effizienten Kontrollsystems ist nicht hervorgekommen.

Dem steht aber gegenüber, daß in den objektiven Auswirkungen des Kontrolldefizits ein beträchtlicher Unrechtsgehalt durch das konkrete Geschehen auf der Baustelle verwirklicht wurde. In der trotz akuter Absturzgefährlichkeit ungesicherten Beschäftigung dreier Arbeitnehmer mit den im Schuldspruch näher beschriebenen Verlegearbeiten auf dem tonnenförmig ausgebildeten Dach der Baustelle ist angesichts einer möglichen Absturzhöhe von ca.

12 m das Schutzgut der körperlichen Unversehrtheit der Arbeitnehmer in einem solchen Ausmaß verletzt worden, daß dadurch zum einen die Anwendung der Vorschrift des § 21 VStG über das Absehen von der Strafe von vornherein ausscheidet und zum anderen die daher zu verhängen gewesene Geldstrafe vor allem in einem unter generellen Gesichtspunkten abschreckenden Ausmaß festzusetzen gewesen ist. In der Berücksichtigung des so verstandenen Präventionsgedanken kann insofern der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden.

3.4. Daß dennoch die verhängte Strafe, u.zw. nicht bloß marginal, herabzusetzen war, hat seinen Grund in folgenden Umständen:

Wie schon dargelegt, war in der Bedachtnahme auf das Ausmaß des Verschuldens entgegen der Annahme der belangten Behörde nicht grobe Fahrlässigkeit, sondern nur einfache Fahrlässigkeit zugrundezulegen. Indem weiters unter subjektiven Gesichtspunkten als Erschwerungsgrund angerechnet wurde, daß der Berufungswerber durch die Vernachlässigung seiner Aufsichtspflicht Vorschriften verletzt hat, die dem Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer dienen, übersieht die Strafbehörde, daß damit kein Erschwerungsgrund iSd § 33 StGB begründbar ist.

Vielmehr sind damit Umstände angesprochen, die einerseits die Tatbeständsmäßigkeit erst herstellen (insoweit ist das sogen. Doppelverwertungsgebot wirksam; vgl. zB VwGH 21.3.1995, 94/09/0039, mit Vorjudikatur) und andererseits bei der Gewichtung des objektiven Tatunwerts zu berücksichtigen sind. Dieser ist, wie dargelegt, schon durch die Absturzgefährlichkeit des konkreten Lebenssachverhalts auf der Baustelle an sich erheblich, wenngleich aus objektivem Blickwinkel wiederum zugunsten des Berufungswerbers nicht unberücksichtigt bleiben darf, daß im rechtskräftig gewordenen Schuldspruch die Tatzeit als solche mit nur einem einzigen Tattag konkret angelastet ist. Für den Unrechtsgehalt iSd § 19 Abs.1 VStG ist schließlich auch zu bedenken, daß die Tat - trotz eines hohen Gefährdungspotentials - sonst nachteilige Folgen, etwa die Verletzung eines der beschäftigt gewesenen drei Arbeitnehmer, nicht nach sich gezogen hat.

Nach der Aktenlage unbedenklich kann der Berufungswerber immerhin auf relative Unbescholtenheit verweisen. Der Umstand der einschlägigen Ersttat ist zwar nicht als besonderer Milderungsgrund iSd § 34 Z2 StGB anrechenbar, dennoch aber ist für eine Betonung des spezialpräventiven Strafzwecks in diesem Fall nichts hervorgekommen.

Gegen die nach Vorhalt zugrundegelegten persönlichen Verhältnisse (Nettoeinkommen monatlich 25.000 S; Vernachlässigung von Aktiv- und Passivvermögen sowie von Sorgepflichten) hat der Berufungswerber nichts vorgebracht; diese nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates zweifellos nicht gerade zum Nachteil des Berufungswerbers geschätzten Verhältnisse sind auch für diese Entscheidung beachtlich.

Zusammenfassend war aus allen diesen Gründen die verhängte Geldstrafe herabzusetzen und ist das nun bestimmte Ausmaß - immerhin noch ein Viertel der Höchststrafe - eine nach den Umständen dieses Falles tat- und täterangemessene Sanktion. Einer noch weiteren Herabsetzung steht der vorliegend verwirklichte, erhebliche Unrechtsgehalt der Tat entgegen.

In einem angemessenen Verhältnis zur nun festgesetzten Geldstrafe war auch die - von der belangten Behörde unbegründet mit dem Höchstausmaß von 14 Tagen bestimmten Ersatzfreiheitsstrafe zu mindern.

3.5. Der Aufassung des Arbeitsinspektorats, wonach der Gesetzgeber offensichtlich die Absicht verfolge, derartige Übertretungen ungeachtet des Umstandes, daß hiefür gemäß § 31 Abs.2 ANSchG der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht tatbildlich ist, "scharf" zu ahnden, ist entgegen zu halten, daß aus der Normierung eines, wie hier, bis 50.000 S reichenden Strafrahmens allein noch auf keine von den allgemeinen Strafbemessungsregeln des § 19 VStG abweichende Sondervorschrift geschlossen werden kann.

Vorliegend war daher die Strafbemessung nach keinen anderen Kriterien als jenen des § 19 Abs.1 und Abs.2 VStG vorzunehmen.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis waren dem Beschuldigten von Gesetzes wegen Kosten des Berufungsverfahrens nicht aufzuerlegen; die verfügte Minderung seines Beitrages zu den Kosten des strafbehördlichen Verfahrens entspricht der gesetzlichen Vorgabe.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. G r o f

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