Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-220970/2/Le/La

Linz, 31.08.1994

VwSen-220970/2/Le/La Linz, am 31. August 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Manfred Leitgeb über die Berufung des Herrn Dipl.-Ing. G K , F , L , vertreten durch Rechtsanwälte Dr. A H , DDr.

H M , Dr. P ter W , Dr. W M , Dr. W G , K , L , gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Landeshauptstadt Linz als Bezirksverwaltungsbehörde vom 25.4.1994, GZ 502-32/Kn/We/123/93c, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das Straferkenntnis wird aufgehoben und die Einstellung des Strafverfahrens verfügt.

II. Der Berufungswerber hat keine Beiträge zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl.Nr.51 idgF iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z2, 51 Abs.1, 51c und 51e Abs.1 VStG:

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Beschuldigte einer Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs.1 Z3 iVm § 74 Abs.2 Z1 Gewerbeordnung 1973 idgF schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe in Höhe von 8.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von zwei Tagen) schuldig erkannt. Es wurde ihm vorgeworfen, es als gewerberechtlicher Geschäftsführer der V L Ges.m.b.H. im Standort L und somit als gemäß § 370 Abs.2 Gewerbeordnung 1973, BGBl.Nr. 50/1974 idgF gewerberechtlicher Verantwortlicher vertreten zu haben, daß von der V A L Ges.m.b.H. in der Zeit von 10.2.1993 bis 18.5.1993 im Standort L , Werksgelände, Grundstück Nr.

, EZ 81, KG St. Peter, eine gemäß § 74 Abs.2 Z1 GewO genehmigungspflichtige Betriebsanlage, nämlich drei Silos mit Förder-, Sieb- und Entstaubungseinrichtungen, betrieben wurde, ohne daß die hiefür erforderliche rechtskräftige Betriebsanlagengenehmigung vorgelegen wäre, obwohl diese Betriebsanlage auf Grund der Gefahr eines zündfähigen Staub-Luft-Gemisches geeignet sei, das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden.

1.2. In der Begründung wurde der Sachverhalt wie folgt dargestellt:

Auf Grund des Ansuchens der V S L Ges.m.b.H. (Anmerkung: vom 6.6.1991) um die gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigung für die Errichtung von drei Silos mit Förder-, Sieb- und Entstaubungseinrichtungen als Erweiterung der bestehenden Mahl- und Trocknungsanlage am Werksgelände der V A S L wurde von der Gewerbebehörde erster Instanz am 17.10.1991 eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Sodann wurde das Ansuchen mit Bescheid vom 13.1.1993 wegen Nichtbehebung von Formgebrechen zurückgewiesen.

In der Folge wurden am 10.2.1993 und am 5.5.1993 Ortsaugenscheine durch das "Amt für Technik" durchgeführt, die ergaben, daß die o.a. Betriebsanlage in Betrieb war, obwohl sie, insbesondere auf Grund der Gefahr eines zündfähigen Staub-Luft-Gemisches geeignet sei, das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, zu gefährden.

Daraufhin wurde das Strafverfahren eingeleitet und der Beschuldigte mit Schreiben vom 14.6.1993 als gewerberechtlicher Geschäftsführer zur Rechtfertigung aufgefordert.

In seiner Rechtfertigung vom 16.7.1993 gab der Beschuldigte an, daß nach dem Zurückweisungsbescheid des Magistrates L die V L Ges.m.b.H. neuerlich um die gewerbebehördliche Genehmigung angesucht hätte, die auch mit Bescheid vom 2.6.1993 erteilt worden sei. Er verwies weiters auf das Gutachten des gewerbetechnischen Amtssachverständigen in der Verhandlungsschrift vom 17.10.1991 und führte dazu aus, daß sich daraus ergebe, daß die gegenständliche Betriebsanlagenerweiterung zwar abstrakt geeignet sei, das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden (und der anderen schützenswerten Personen) zu gefährden; tatsächlich jedoch sei diese Gefährdung auf Grund des obgenannten Gutachtens nicht gegeben. Der Beschuldigte gebe zwar zu, daß die Anlage vor Erlassung des Genehmigungsbescheides betrieben worden sei, doch liege die erforderliche Genehmigung mittlerweile vor.

Zur Schuldseite verwies der Beschuldigte darauf, daß er von der gegenständlichen Problematik erstmals mit Zustellung der gegenständlichen Aufforderung Kenntnis erlangt hätte, was sich daraus ergebe, daß in einem Großbetrieb mit einer weit verzweigten Organisation, wie es die V Ges.m.b.H. sei, die Abwicklung von derartigen Gewerbe- und Bauverfahren der Rechtsabteilung gemeinsam mit den jeweiligen Fachabteilungen obliege. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes müsse dem Gewerbeinhaber zugebilligt werden, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu übertragen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf eine angemessene Kontrolle zu beschränken. Zum Entlastungsbeweis iSd § 5 Abs.1 VStG verwies er darauf, daß für die Betriebsanlagen der V Ges.m.b.H. etwa 900 Bescheide in Geltung stehen und durchschnittlich in jedem dieser Bescheide etwa 10 Auflagen enthalten seien, sodaß der Beschuldigte etwa 9.000 Auflagen zu überprüfen hätte. Da dies von niemandem erwartet werden könne und die Anordnungen des § 39 betreffend die Bestellung "eines Geschäftsführers" so interpretiert werde, daß die Bestellung mehrerer Geschäftsführer unzulässig sei, könne dem gewerberechtlichen Geschäftsführer eines Großbetriebes realistischerweise nur vorgeworfen werden, daß er entweder nicht für die entsprechende Organisation und deren Kontrolle gesorgt habe, oder sich nach dem Auftreten der Mängel nicht um eine Verbesserung dieser Organisation und Kontrolle bemüht hätte. Organisatorisch werde der Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften dadurch Rechnung getragen, daß die Rechtsabteilung mit den jeweiligen Fachabteilungen mit der Abwicklung der Behördenverfahren betraut sei, mit der Verpflichtung, besondere Vorkommnisse dem jeweiligen Geschäftsfeldleiter, dem jeweiligen zuständigen Vorstandsmitglied bzw. dem gewerberechtlichen Geschäftsführer zu melden, wobei über besondere Vorkommnisse selbstverständlich eine wechselseitige Information zwischen den Vorstandsmitgliedern erfolge. Da sich diese Vorgangsweise bisher weitgehend ohne Probleme bewährt habe, hätte der Beschuldigte davon ausgehen können, daß auch der gegenständliche Fall fachlich und terminlich richtig erledigt werde. Daß die Inbetriebnahme der Anlagenerweiterung im konkreten Fall vor Erhalt des gewerbebehördlichen Genehmigungsbescheides erfolgt sei, führte der Beschuldigte darauf zurück, daß der zuständige Geschäftsfeldleiter in Hinblick auf die positive Genehmigungsverhandlung vom 17.10.1991 und im Vertrauen darauf, daß die Nachreichung der geforderten Pläne wie gewohnt termingerecht erfolge, versucht hätte, im Rahmen der ihm übertragenen Selbstverantwortlichkeit bestmöglich zu handeln. Auf die Einhaltung der Berichtspflicht könne sich der Beschuldigte durch Einberufung regelmäßig stattfindender Besprechungen mit dem ihm zugeordneten Geschäftsfeld- bzw.

Betriebsleiter verlassen.

Der zuständige Geschäftsfeldleiter, Herr Dipl.-Ing. W K , bestätigte als Zeuge des erstinstanzlichen Verfahrens die Angaben des Beschuldigten hinsichtlich der Organisation und Kontrolle.

Die belangte Behörde würdigte diesen Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht dergestalt, daß sie eine Übertretung des § 366 Abs.1 Z3 GewO iVm § 74 Abs.2 Z1 GewO hinsichtlich der objektiven Tatbestandsmerkmale feststellte. Sie nahm dabei die abstrakte Gefährdung und damit die Genehmigungspflicht für die drei Stahlblechsilos mit zugehörigen Nebenanlagen auf Grund der Möglichkeit einer Gefährdung durch Explosion eines zündfähigen Staub-Luft-Gemisches an. Zum Einwand des Beschuldigten, daß die gegenständliche Betriebsanlagenerweiterung zwar abstrakt geeignet sei, das Leben oder die Gesundheit der schützenswerten Personen zu gefährden, daß diese Gefährdung gemäß dem Gutachten des Amtssachverständigen im Zuge der mündlichen Verhandlung vom 17.10.1991 jedoch nicht gegeben gewesen sei, verwies die Erstbehörde darauf, daß es eben nicht auf die konkrete, sondern auf die abstrakte Gefährdung ankomme. Alleine die Tatsache, daß von einer Betriebsanlage abstrakt eine Gefährdung iSd § 74 Abs.2 Z1 GewO ausgehe, genüge für das Vorliegen einer Genehmigungspflicht. Ohne die nötige gewerbebehördliche Genehmigung dürfe daher eine solche Betriebsanlage nicht betrieben werden, auch wenn eine konkrete Gefährdung nicht gegeben sei.

Hinsichtlich der Schuldfrage legte die Erstbehörde dar, daß es sich im vorliegenden Fall um ein Ungehorsamsdelikt handle und der Beschuldigte den Schuldentlastungsbeweis iSd § 5 Abs.1 VStG nicht erbracht hätte. Wie aus der Zeugenaussage des Herrn Dipl.-Ing. K hervorgehe, hätte dieser das Erfordernis einer gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigung vor Inbetriebnahme der Anlage offenbar nicht ernst genug genommen, da es sich dabei seiner Meinung nach nur um eine reine Formalität handelte und er wegen dieser den Vorstand nicht konsultieren wollte. Selbst bei einer positiven Genehmigungsverhandlung sei jedoch auf jeden Fall vor Inbetriebnahme einer Betriebsanlage deren Genehmigung abzuwarten und handle es sich dabei nicht nur um eine reine Formalität. Die Erstbehörde ging auch davon aus, daß von einer wirksamen Kontrolle der beauftragten Personen nicht gesprochen werden könne, wenn der Beschuldigte erst eingeschaltet bzw. von seinen Mitarbeitern erst informiert werde, wenn die Strafbehörde eine Verfolgungshandlung setze.

Der Beschuldigte hätte vielmehr die Verpflichtung, die beauftragten Personen zu überwachen und Maßnahmen nicht erst zu ergreifen, wenn die Gewerbebehörde die Nichteinhaltung der Gewerbeordnung beanstande. Mit dem Vorbringen, erst bei besonderen Vorkommnissen informiert zu werden, stelle der Beschuldigte nicht einmal Behauptungen darüber auf, er sei seiner Pflicht zur Überwachung nachgekommen. Die Maßnahmen zur Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften würden sich daher auf Grund des mangelhaften Organisations- und Kontrollsystems als nicht ausreichend erweisen.

1.3. Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt geht darüber hinaus hervor, daß die V Ges.m.b.H. mit Schreiben vom 6.6.1991 bereits um die gewerbebehördliche Genehmigung für das gegenständliche Vorhaben angesucht hat.

Daraufhin wurde am 17.10.1991 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, bei der ein gewerbetechnischer/maschinen- und elektrotechnischer Amtssachverständiger sowie eine umweltschutztechnische Amtssachverständige das Vorhaben ausführlich begutachteten. Dabei kam der gewerbetechnische Amtssachverständige in seinem schlüssigen und ausführlich begründeten Gutachten zu folgendem Ergebnis:

"2.1. Beurteilung:

Das wesentliche Kriterium der Beurteilung war die Prüfung, ob das LD- und Hochofengranulat bzw. die gleichartigen Stäube inert sind, oder ob es sich um entzündbare Stäube handelt, die in einem entsprechenden Volumenanteil in der Luft ein zünd- bzw. explosionsfähiges Gemisch ergeben können. Eine Prüfung dieser Frage vor allem nach Explosionsschutzrichtlinien (Explosionsschutz elektrischer Anlagen, Verordnung über elektrische Anlagen in explosionsgefährdeten Räumen - Elex V - mit Stand Oktober 1990, herausgegeben von Erich Schmidt Verlag, Berlin (und der Vorschrift ÖVE Ex 65/1981 sowie Ex 65a/1985 hat ergeben, daß die Materialien eindeutig als inert anzusehen sind." 2. Mit der rechtzeitig eingebrachten Berufung vom 16.5.1994 bekämpft der Berufungswerber das Straferkenntnis zur Gänze und beantragt, nach Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos aufzuheben, sowie das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen. In der Begründung dazu führt er aus, daß die Erstbehörde die Stellungnahme des Amtssachverständigen in der Verhandlung vom 17.10.1991 nicht berücksichtigt habe, wonach sowohl Granulat als auch die Stäube inert sind und daher kein zünd- bzw. explosionsfähiges Gemisch ergeben könnten. Auch auf seine Argumentation hinsichtlich des Kontroll- und Überwachungssystems gehe das angefochtene Straferkenntnis nicht ein. Er verweist darauf, daß er als gewerberechtlicher Geschäftsführer insgesamt 9.000 Auflagen zu überprüfen habe, was einen Zeitaufwand von mehr als vier Jahren erfordere. Dadurch könnte er naturgemäß der Verpflichtung zur Überprüfung der Einhaltung der Auflagen nicht nachkommen. Hinsichtlich des Kontrollsystems dürfe die Bestimmung des § 5 VStG nicht zu einer Erfolgshaftung führen. Wenn er sich nicht auf die bestens geschulten Fachabteilungen verlassen könnte, sondern sämtliche Kontrollen selbst durchführen müßte, dann könnte er sich mit einem konkreten Problem gar nicht auseinandersetzen.

Im erstinstanzlichen Verfahren sei weiters mangelhaft geblieben, daß die beantragten Zeugen hinsichtlich des innerbetrieblichen Kontrollsystems nicht einvernommen wurden. Dieses Kontrollsystem könnte nicht darin bestehen, daß er jede Einzelhandlung eines Mitarbeiters zu überprüfen habe, sondern könne nur in der stichprobenweisen Überprüfung wichtiger Vorgänge bestehen. Es dürfe angenommen werden, daß das gegenständliche Straferkenntnis, welches "für den Bürgermeister" ausgestellt wurde, auch nicht vom Herrn Bürgermeister der Landeshauptstadt L überprüft wurde. Derartiges wäre eben eine unzumutbare und auch praktisch gar nicht durchführbare Überspannung des Sorgfaltsmaßstabes.

3. Die Erstbehörde hat keine Berufungsvorentscheidung erlassen, sondern den Verwaltungsakt ohne Gegenäußerung zum Berufungsvorbringen vorgelegt.

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist in diesem Verwaltungsstrafverfahren gem. § 51 Abs.1 VStG als Berufungsbehörde zuständig und entscheidet gem. § 51c durch (nur) eines seiner Mitglieder, weil keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde. Der O.ö.

Verwaltungssenat hat über die - zulässige - Berufung nach Beweisaufnahme durch Einsicht in den Akt der belangten Behörde erwogen. Aus der Akteneinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat einen genügend geklärten Sachverhalt vorgefunden. Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens sind in der Begründung des Straferkenntnisses vollständig und mit dem Akteninhalt übereinstimmend so dargestellt, daß sich der unabhängige Verwaltungssenat ein klares und abschließendes Bild über die maßgebenden Sachverhaltselemente machen kann.

Weitere Beweise waren daher nicht mehr aufzunehmen.

Diesen Sachverhalt, der im übrigen vom Berufungswerber auch nicht bestritten wird, legt der unabhängige Verwaltungssenat seiner Entscheidung zugrunde.

4.1. Gemäß § 366 Abs.1 Z3 der Gewerbeordnung 1973 begeht eine Verwaltungsübertretung, wer eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage (§ 74) ohne die erforderliche Genehmigung errichtet oder betreibt.

Nach § 74 Abs.2 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind, (unter anderem) das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; ...

Im gegenständlichen Verfahren wurde die Bewilligungspflicht der Betriebsanlage allein aus diesem Grunde angenommen und der Tatvorwurf ausdrücklich auf diesen Gefährdungstatbestand beschränkt. Es ist daher im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen, ob allenfalls andere Bewilligungstatbestände des § 74 Abs.2 GewO verletzt worden sein könnten.

4.2. Hinsichtlich dieser Gefährdungsmöglichkeit und der damit verbundenen Bewilligungspflicht stützt sich das angefochtene Straferkenntnis auf einen Aktenvermerk des Amtes für Technik vom 7.6.1993, worin ausgeführt wird, daß die Genehmigungspflicht für die drei Stahlblechsilos mit zugehörigen Nebenanlagen durch die Notwendigkeit einer Beurteilung des Granulates und der Stäube hinsichtlich ihrer Zuordnung auf die Entzündbarkeit und des damit verbundenen Gefahrenpotentials (Gefährdung durch Explosion eines zündfähigen Staub-Luft-Gemisches) begründet sei. Die belangte Behörde zog daraus den Schluß, daß alleine die Tatsache, daß von einer Betriebsanlage abstrakt eine Gefährdung iSd § 74 Abs.2 Z1 GewO ausgehe, für das Vorliegen einer Genehmigungspflicht genüge. Zum Einwand des Beschuldigten im Zuge des Ermittlungsverfahrens, daß bereits mit Gutachten eines Amtssachverständigen vom 17.10.1991 festgestellt worden wäre, daß konkret keine Gefährdung vorliege, bemerkt die Erstbehörde lapidar, daß dieser Einwand ins Leere gehe, da es eben nicht auf die konkrete, sondern auf die abstrakte Gefährdung ankomme.

Sie zieht daraus den Schluß, daß ohne der nötigen gewerbebehördlichen Genehmigung eine solche Betriebsanlage daher nicht betrieben werden dürfe, auch wenn eine konkrete Gefährdung nicht gegeben sei.

4.3. Mit dieser - grundsätzlich zutreffenden - Rechtsmeinung verkennt die belangte Behörde jedoch die Besonderheiten des Anlaßfalles:

Aus den Sachverhaltsfeststellungen geht hervor, daß um die gewerbebehördliche Bewilligung der gegenständlichen Betriebsanlage am 6.6.1991 angesucht und daß am 17.10.1991 an Ort und Stelle eine mündliche Verhandlung durchgeführt wurde. Zu diesem Zeitpunkt war die Anlage bereits errichtet (siehe dazu Befund des baupolizeilichen Amtssachverständigen auf Seite 3 der Verhandlungsschrift:

"Situiert wurde die erweiterte Mahl- und Trocknungsanlage im Bereich der Hüttenbaustoffe ..."; "bemerkt wird, daß laut Angabe der Bunker 2 bereits ca. zur Jahreswende 1989/1990 und die Bunker 3, 4 von 1990 auf 1991 errichtet wurden ...").

Auch der gewerbetechnische Amtssachverständige bezog sich in seinem Befund neben den Einreichunterlagen auch auf die an Ort und Stelle vorgefundenen Gegebenheiten (Seite 7 der Verhandlungsschrift vom 17.10.1991). In seinem Gutachten kam er schlüssig und ausdrücklich zum Ergebnis, daß die Materialien (gemeint sind damit das LD- und Hochofengranulat bzw. die gleichartigen Stäube) "eindeutig als inert anzusehen sind", weshalb er die Explosionsgefahr ausschloß.

Der Beschuldigte hat in seiner Rechtfertigung vom 16.7.1993 auf dieses Gutachten hingewiesen, doch ist die belangte Behörde darauf nicht näher eingegangen.

Die nähere Betrachtung der zeitlichen Abfolge des Verwaltungsgeschehens ergibt folgendes Bild:

Zwischen 1989 und 1991 wurde die gegenständliche Betriebsanlage errichtet; am 6.6.1991 wurde um die gewerbebehördliche Genehmigung dafür angesucht und am 17.10.1991 wurde anläßlich der mündlichen Verhandlung vom gewerbetechnischen Amtssachverständigen festgestellt, daß auf Grund der verwendeten inerten Materialien ein zündbzw. explosionsfähiges Gemisch nicht entstehen könne.

Erst 1993 wurde das Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet, wobei lediglich auf Grund einer telefonischen Rücksprache mit einem Herrn Ing. K A ein Aktenvermerk (datiert mit 7.6.1993) darüber angelegt wurde, daß sich "die Genehmigungspflicht für die 3 Stahlblechsilos mit zugehörigen Nebenanlagen durch die Notwendigkeit einer Beurteilung des Granulates und der Stäube hinsichtlich ihrer Zuordnung auf die Entzündbarkeit und des damit verbundenen Gefahrenpotentials (Gefährdung durch Explosion eines zündfähigen Staub-Luft-Gemisches) (begründe)". Diese Aussage findet sich wörtlich in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses, weshalb sie einer näheren Betrachtung zu unterziehen ist:

Es wird mit dieser Aussage lediglich implizit die abstrakte Gefährdungsmöglichkeit dadurch angesprochen, daß die Beurteilung des Granulates und der Stäube hinsichtlich ihrer Entzündbarkeit notwendig sei. Damit wird aber nicht einmal die abstrakte Gefährdungsmöglichkeit dargestellt, sondern lediglich aufgezeigt, daß aus welchen Gründen immer (sie wurden ja nicht näher erläutert) - von einem Bediensteten der Verwaltungsbehörde es für notwendig erachtet wurde, diese Frage zu prüfen.

Aktenkundig hat sich weder Herr Ing. K A noch die belangte Behörde jedoch inhaltlich mit dem ausführlichen und schlüssigen Gutachten des gewerbetechnischen Amtssachverständigen vom 17.10.1991 auseinandergesetzt; die belangte Behörde hat vielmehr (ohne dieses Gutachten vom 17.10.1991 direkt zu nennen) allein auf Grund des Umstandes, daß eine Begutachtung stattfand, die abstrakte Bewilligungspflicht angenommen und diese Auffassung im Verwaltungsstrafverfahren umgesetzt.

Wenngleich es der Gewerbebehörde erster Instanz im Administrativverfahren unbenommen bleibt, auf Grund dieser Auffassung das Bewilligungsverfahren (antragsgemäß) durchzuführen, so sind bei der Durchführung des Verwaltungsstrafverfahrens andere Grundsätze zu beachten:

Zum Zeitpunkt der Errichtung der gegenständlichen Betriebsanlage in den Jahren 1989 bis 1991 wäre die Annahme einer abstrakten Gefährdungsmöglichkeit nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen gewesen; ein Verwaltungsstrafverfahren wegen konsensloser Errichtung einer Betriebsanlage wäre zu diesem Zeitpunkt zu Recht durchgeführt worden.

Im gegenständlichen Fall wurde jedoch der konsenslose Betrieb im Tatzeitraum vom 10.2.1992 bis 18.5.1993 inkriminiert. In dieser Zeitspanne stand aber bereits längst durch ein ordnungsgemäßes Gutachten eines gewerbetechnischen Amtssachverständigen fest, daß eben keine Gefährdung durch ein zündfähiges Staub-Luft-Gemisch besteht! Die Annahme einer abstrakten Gefährdungsmöglichkeit trotz Vorliegens eines konkret die Gefährdung ausschließenden Gutachtens steht aber in offenen Widerspruch zu den Denkgesetzen, aber auch zu den Tatbestandsmerkmalen der §§ 366 Abs.1 Z3 iVm 74 Abs.2 Z1 GewO und ist daher unzulässig. Wenn schon - wie im Anlaßfall - ein konkret die Gefährdung ausschließendes Gutachten vorliegt, so ist die Verwaltungsstrafbehörde verpflichtet, diesen Umstand auch entsprechend zu würdigen.

Seit dem Vorliegen der konkreten Begutachtung ist die abstrakte Gefährdungsmöglichkeit der gegenständlichen Betriebsanlage inhaltsleer geworden und konnte daher auch keine taugliche Grundlage mehr für ein Verwaltungsstrafverfahren bilden. Die Argumentation, daß die Notwendigkeit einer Beurteilung bereits die abstrakte Gefährdungsmöglichkeit und damit die Bewilligungspflicht der Betriebsanlage begründe, übersteigt jedenfalls die von Lehre und Judikatur (als Hilfsmittel) anerkannte abstrakte Gefährdungsmöglichkeit in unzulässiger Weise, weil hier (auch) auf Grund von nichtüberprüfbaren Kriterien und Ermessensspielräumen ein vom Gesetzgeber nicht vorgesehener Bewilligungstatbestand eingeführt werden würde.

4.4. Bei dieser Rechtslage war spruchgemäß zu entscheiden.

Auf Grund der Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens aus den oben angeführten Gründen war auf die subjektive Tatseite nicht näher einzugehen.

Zu II.:

Wird ein Strafverfahren eingestellt oder eine verhängte Strafe infolge Berufung aufgehoben, so sind die Kosten des Verfahrens von der Behörde zu tragen (§ 66 Abs.1 VStG).

Da das Straferkenntnis behoben wurde, entfällt somit ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. L e i t g e b

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