Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-220983/15/Ga/La

Linz, 24.05.1996

VwSen-220983/15/Ga/La Linz, am 24. Mai 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des K... E..., vertreten durch Dres. T..., L... und G..., Rechtsanwälte in L..., gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 5. Mai 1994, GZ. 502-32/Kn/We/14/93h, wegen Übertretung von Arbeitnehmerschutzvorschriften, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung und durch öffentliche Verkündung am 26. April 1996 zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Strafverfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage:

AVG: § 66 Abs.4.

VStG: § 24; § 45 Abs.1 Z2, § 51 Abs.1, § 51c, § 51d, § 51e Abs.2; § 66 Abs.1.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe in der Höhe von 10.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: drei Tage) kostenpflichtig verhängt, weil er schuldig sei, es als gemäß § 9 VStG verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer der K... E... S...

Ges.m.b.H. in L... zu vertreten zu haben, daß auf einer von dieser Gesellschaft betriebenen, näher bezeichneten Baustelle am 10. Mai 1993 insgesamt vier Arbeitnehmer dieser Gesellschaft bei einer Traufenhöhe von ca. 5,5 bis 6 m und einer Dachneigung von ca. 35 o in einer gegen § 44 Abs.1 und Abs.2 der Bauarbeitenschutzverordnung (BArbSchV) verstoßenden Weise, nämlich ohne daß ein Schutzgerüst oder Schutzblenden vorhanden gewesen seien, mit dem Abdecken der alten Dachfläche von der Dachfläche aus beschäftigt worden seien.

2. Begründend ist die belangte Behörde davon ausgegangen, daß die Tatbestandsmäßigkeit des angelasteten Sachverhalts erwiesen sei und schuldseitig habe zugrundegelegt werden müssen, daß der Beschuldigte nicht alle erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen getroffen habe, um die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften zu gewährleisten; ihm sei ein Verschulden iSd § 31 Abs.5 des Arbeitnehmerschutzgesetzes (ANSchG) nachgewiesen worden.

3. Auf Grund der gegen dieses Straferkenntnis gerichteten, die Aufhebung und Verfahrenseinstellung, allenfalls die Durchführung eines ergänzenden Beweisverfahrens, hilfsweise die Anwendung des § 21 VStG oder die schuldangemessene Herabsetzung der Strafe beantragenden Berufung ist weder der dem Schuldspruch zugrundegelegte Sachverhalt noch das als verwirklicht angenommene Tatbild strittig. In Wahrheit bekämpft der Berufungswerber nur die ihm zugesonnene verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit. Diesbezüglich ist vorweg beachtlich, daß der Berufungswerber als Arbeitgeber für diese Baustelle einen Bevollmächtigten wirksam bestellt hatte und dieser für die hier in Rede stehende Übertretung rechtskräftig bestraft wurde (Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 5. Mai 1994, Zl. 502-32/Kn/We/14/93f; auf Grund der nur gegen die Höhe der Strafe erhobenen Berufung wurde diese mit h. Erkenntnis vom 21.12.1994, VwSen220984/10/Ga/La, auf 6.000 S herabgesetzt).

4.1. Vor allem zur Klärung der Verantwortlichkeit des Berufungswerbers wurde für den 26. April 1996 eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Ladung der Verfahrensparteien anberaumt und an diesem Tag in Anwesenheit des Rechtsfreundes des Berufungswerbers und der Vertreterin der belangten Behörde durchgeführt. Der zusätzlich persönlich geladene Berufungswerber war nicht erschienen; gleichfalls nicht vertreten war die Amtspartei (Arbeitsinspektorat für den 9. Aufsichtsbezirk Linz).

Der Vorarbeiter M... B... wurde als Zeuge geladen und im Zuge der Verhandlung förmlich vernommen.

4.2. Auf Grund des Beweisverfahrens wird als maßgebender Sachverhalt für diese Entscheidung festgestellt:

- Der im Schuldspruch des angefochtenen Straferkenntnisses umschriebene Vorfall und dessen Tatbestandsmäßigkeit sind unstrittig und erwiesen.

- Für die Einhaltung jedenfalls der technischen Arbeitnehmerschutzvorschriften auf der gegenständlichen Baustelle war zur Tatzeit der Vorarbeiter M... B... als verwaltungsstrafrechtlich verantwortlicher Bevollmächtigter iSd § 31 Abs.2 ANSchG bestellt; in dieser Eigenschaft wurde er für die in Rede stehende Verwaltungsübertretung bestraft; die über ihn verhängte Geldstrafe wurde von ihm bezahlt. Seit etwa 15 Jahren schon ist M... B... Vorarbeiter in diesem Betrieb und nahezu ebenso lange war er bei den jeweiligen Baustellen immer wieder Bevollmächtigter. In dieser Stellung war ihm auch klar, daß er als Bevollmächtigter bei Verstößen gegen den Arbeitnehmerschutz verwaltungsstrafrechtlich einstehen muß; das galt auch so für die gegenständliche Baustelle, die erst am Tattag eingerichtet wurde.

- Die Kontrolle der Baustellen wurde regelmäßig durch den Berufungswerber selbst oder gemeinsam mit einem weiteren Mitarbeiter (Herr H...) oder von diesem Mitarbeiter alleine durchgeführt; in dieser Weise wurden die Baustellen besucht und auch kontrolliert, ob hinsichtlich des Arbeitnehmerschutzes "alles in Ordnung ist"; wenn dabei einmal ein Fehler festgestellt wurde, und das ist mitunter schon vorgekommen, dann wurde M... B... als Vorarbeiter zur Rede gestellt und hatte den Fehler zu beheben. Außerdem ist durch den "Chef" selbst klargestellt gewesen, daß der Bevollmächtigte, wenn einmal eine Strafe verhängt werden sollte, diese selber zu zahlen hat; darüber hinausgehende innerbetriebliche Konsequenzen sind in diesem Zusammenhang nicht vorgesehen gewesen.

- Im Betrieb hat es regelmäßig Aushänge über Schutzvorschriften gegeben, so auch darüber, daß ab einer bestimmten Traufenhöhe ein Schutzgitter zu verwenden ist.

- Jeder dafür in Frage kommende Mitarbeiter im Unternehmen hat seinen eigenen Sicherheitskoffer mit der persönlichen Sicherheitsausrüstung zur Verwendung erhalten.

- Kleinere Baustellen, das sind solche, die nicht länger als zwei Tage gedauert haben, wurden in der angegebenen Weise einmal besucht; größere Baustellen, das sind solche, die länger als eine Woche gedauert haben, wurden regelmäßig mindestens zweimal die Woche besucht.

- Das Schutzgitter hätte ohne weiteres angebracht werden können; auch mit Gurt und Sicherungsseil hätten sich die Arbeiter sichern können. Die Sicherung wurde dennoch unterlassen, weil der Vorarbeiter damit rechnete, daß dadurch das Hinunterwerfen der Schindeln in den Container erleichtert und die Dachfläche schneller abgedeckt sein würde.

- Am Morgen des Tattages fand im Betrieb eine Besprechung zwischen dem Berufungswerber und dem Bevollmächtigten statt. Im Zuge dieser Besprechung hat der Berufungswerber die einzurichtende Baustelle erläutert und die Weisung erteilt, daß das "Sicherheitszeug" mitgenommen und auch verwendet werden müsse; auch kündigte der Berufungswerber im Zuge dieser Besprechung an, daß er noch am Vormittag selber die Baustelle kontrollieren komme. Tatsächlich wurden die Sicherheitsgurte, Sicherheitsseile und das Schutzgitter im Auto zur Baustelle mitgenommen.

Der Zeuge schien mit ausreichendem Erinnerungsvermögen ausgestattet und vermittelte einen bedächtigen, unbeeinflußten und in seinen Antworten sicheren Eindruck; Widersprüchlichkeiten in den wesentlichen Punkten seiner Aussage wurden nicht entdeckt, sodaß gegen seine Glaubwürdigkeit keinerlei Umstände, auch nicht das nach wie vor aufrechte Beschäftigungsverhältnis zum Berufungswerber, sprechen. Im Ergebnis ist das erkennende Mitglied von der Wahrheit und Richtigkeit der Zeugenangaben überzeugt.

Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

5.1. Für ein Zuwiderhandeln iSd § 31 Abs.2 lit.p ANSchG gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften ist der Arbeitgeber bzw. im Fall von juristischen Personen das in § 9 Abs.1 VStG genannte Organ neben dem Bevollmächtigten dann gemäß § 31 Abs.5 ANSchG strafbar, wenn die Übertretung mit seinem Wissen begangen wurde, oder wenn die AG/das Organ bei der nach den Verhältnissen möglichen eigenen Beaufsichtigung des Betriebes oder bei der Auswahl oder der Beaufsichtigung der Bevollmächtigten es an der erforderlichen Sorgfalt hat fehlen lassen.

Vor diesem Hintergrund beurteilt der unabhängige Verwaltungssenat den festgestellten Sachverhalt mit dem Ergebnis, daß die Strafbarkeit des Berufungswerbers in diesem Fall zu verneinen ist.

Die Übertretung wurde ohne sein Wissen begangen; er hat hiezu auch keinen Auftrag gegeben und das Verhalten auch nicht bloß geduldet. Die unter den gegebenen Verhältnissen eigene Beaufsichtigung seines Betriebes wird als gerade noch ausreichend bewertet. So hat er nicht nur Anordnungen erteilt und die zu beachtenden Schutzvorschriften durch Aushang im Betrieb hinreichend bekannt gemacht; auch die erforderlichen und geeigneten Schutzausrüstungen waren funktionsfähig vorhanden. Ebenso war sichergestellt und durchgeführt, daß diese Ausrüstungen von der Arbeitspartie zur Baustelle mitgenommen werden. Auch am Vorfallstag konnte der Berufungswerber darauf vertrauen, daß die Sicherheitsausrüstung für die Arbeiten an Ort und Stelle nutzbar gemacht und insbesondere im Hinblick auf die Eigenheit der in Rede stehenden Baustelle auch das Schutzgitter angebracht werden wird. Die Anordnung zur Beachtung von Schutzvorschriften wurde nicht bloß generell, etwa durch Aushang, gegeben, sondern erteilte der Berufungswerber dem Bevollmächtigten am Vorfallstag unmittelbar vor Neueinrichtung der konkreten Baustelle vor der Wegfahrt der Arbeitspartie die Weisung zur Absicherung der Arbeitsstelle.

Auch seine eigene Information über die Befolgung der Anordnungen war noch hinreichend durch regelmäßige Stichproben (durch ihn allein oder mitunter auch zusammen mit einem weiteren Mitarbeiter oder durch diesen allein) sowie durch telefonische Rückmeldung über aktuelle Vorfälle auf der Baustelle gewährleistet. Am Tattag hat der Berufungswerber noch im Betrieb, vor der Wegfahrt der Arbeitspartie, angekündigt, daß er im Verlauf des Vormittags diese Baustelle kontrollieren werde. Diese angekündigte und erschließbar auch beabsichtigte - Kontrollmaßnahme war nach objektiven Kriterien für die voraussichtlich bloß kurze Dauer der gegenständlichen Abdeckarbeit angemessen und lebensnah.

Der Berufungswerber konnte auch darauf vertrauen, mit Manfred Becker einen in Summe verläßlichen und gewissen haften Mitarbeiter, der seit 15 Jahren im Betrieb als Vorarbeiter tätig ist und während dieser Zeit einschlägig verwaltungsstrafrechtlich nicht belangt wurde, bestellt zu haben und somit auch darauf, daß seine zu Beginn des Arbeitstages speziell für diese Baustelle gegebene Anordnung - wie auch bisher regelmäßig in solchen Arbeitssituationen - vom Bevollmächtigten dann an Ort und Stelle befolgt werde. Dies auch deshalb, weil dem Bevollmächtigten durch eine diesbezügliche Festlegung durch den Berufungswerber klar gewesen ist, daß er im Falle einer Übertretung die Verwaltungsstrafe werde aus eigener Tasche bezahlen müssen.

5.2. Insgesamt hat der Berufungswerber ein zwar nicht vollkommenes, sondern verbesserungsfähiges, aber unter den konkreten betrieblichen Gegebenheiten und unter den vorhersehbaren Verhältnissen immerhin gerade noch ausreichendes Maßnahmensystem, das die Einhaltung der gesetzlichen Schutzvorschriften mit gutem Grund erwarten ließ, vorgekehrt gehabt.

Daß der Bevollmächtigte dann dennoch und im Wissen der bevorstehenden, vom Berufungswerber extra angekündigten Baustellenkontrolle die Arbeiten ohne Sicherheitseinrichtungen vornehmen ließ, ist durch reumütig eingestandene "eigene Schuld" des Bevollmächtigten zu erklären. Nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates liegt dieser Verstoß gegen die Sicherungspflicht noch innerhalb des Fehlerkalküls einer ausreichend wahrgenommenen Kontrollsorgfalt und hätte daher auch ein noch wirksamer eingerichtetes Kontrollsystem das Fehlverhalten des Bevollmächtigten, der hiefür zur Verantwortung gezogen wurde und der sein Zuwiderhandeln gebüßt hat, mit großer Wahrscheinlichkeit nicht verhindern können.

5.3. Aus allen diesen Gründen war daher das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren gleichzeitig einzustellen, weil der Berufungswerber, wie hervorkam, für die Verwaltungsübertretung nicht strafbar ist.

6. Mit diesem Verfahrensergebnis entfällt die Kostenpflicht des Berufungswerbers (die Aufhebung bewirkt zugleich auch den Wegfall des strafbehördlichen Kostenausspruchs; Beiträge zu den Kosten des Berufungsverfahrens waren nicht aufzuerlegen).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Gallnbrunner

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