Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-221006/5/Ga/La

Linz, 27.07.1994

VwSen-221006/5/Ga/La Linz, am 27. Juli 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des Arbeitsinspektorats für den 18. Aufsichtsbezirk in Vöcklabruck, Ferdinand-Öttl Straße 12, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 24. Mai 1994, Zl.

Ge96-55-1994, zu Recht erkannt:

Die Berufung wird gemäß § 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG sowie §§ 51 Abs.1, 51c und 51e VStG mit der Feststellung, daß der unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung über einen ausdrücklichen Berufungsantrag, wie ihn das einschreitende Arbeitsinspektorat gestellt hat, nicht zuständig ist, zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe:

1. Der unabhängige Verwaltungssenat ist auf Grund der ihm von der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn unter Anschluß des bezughabenden Aktenvorganges zur Entscheidung vorgelegten Berufung des bezeichneten Arbeitsinspektorats mit folgendem Sachverhalt konfrontiert:

Das Arbeitsinspektorat hat der Bezirkshauptmannschaft mit Schreiben vom 15. März 1994 eine von ihm im Zuge einer Kontrolle bei einem namentlich genannten Unternehmen festgestellte, angebliche Übertretung des § 27 iVm § 31 Abs.1 des Arbeitnehmerschutzgesetzes angezeigt und beantragt, gegen den verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen der involvierten Gesellschaft das Verwaltungsstrafverfahren durchzuführen und eine Geldstrafe in der Höhe von 3.000 S zu verhängen.

Die Anzeige bzw. dieser Antrag hat die Bezirkshauptmannschaft schließlich veranlaßt, den bekämpften Bescheid vom 24. Mai 1994 mit folgendem Spruch zu erlassen:

"Von der Einleitung eines Strafverfahrens wird abgesehen und die Einstellung verfügt, da die dem Beschuldigten, Herrn .... , zur Last gelegte Tat keine Verwaltungsübertretung bildet." Gegen diesen Bescheid hat das Arbeitsinspektorat unter Rückgriff auf § 11 Abs.3 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 ArbIG Berufung erhoben und dem angefochtenen Bescheid mit der Begründung, daß bestimmte materiellrechtliche Vorschriften nicht richtig ausgelegt worden seien, inhaltliche Rechtswidrigkeit vorgeworfen. Im Grunde dieses Vorwurfs stellt das Arbeitsinspektorat den ausdrücklichen "A n t r a g, der unabhängige Verwaltungssenat möge den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, daß gegen den Beschuldigten wegen der angezeigten Übertretung des Arbeitnehmerschutzgesetzes die in der Strafanzeige vom 15.3.1994 beantragte Strafe verhängt wird." 2. Zur Entscheidung über eine Berufung mit einem in dieser Ausdrücklichkeit formulierten Antrag ist jedoch der unabhängige Verwaltungssenat sachlich nicht zuständig.

2.1. So ist zunächst festzuhalten, daß das Arbeitsinspektorat mit seinem Berufungsantrag verkennt, was im Sinne des § 66 Abs.4 AVG Sache des bekämpften Bescheides ist. Abspruchsgegenstand ist ein rein verfahrensrechtlicher Inhalt, nämlich die in Normqualität geäußerte Erklärung, ein Strafverfahren nicht einleiten zu wollen und die Einstellung zu verfügen; darin allein kommt der Bescheidwille (vgl. Walter-Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht 5. A, Rz 384) der Strafbehörde zum Ausdruck. Bloß beigefügt ist die (eigentlich der Bescheidbegründung vorbehaltene) Erläuterung, daß die dem "Beschuldigten, Herrn .... , zur Last gelegte Tat" keine Verwaltungsübertretung bilde.

Nur dieser Spruchinhalt als Sache iSd § 66 Abs.4 AVG hätte als Gegenstand darauf gerichteter Berufungsanträge auf die Ebene einer dafür zuständigen Berufungsbehörde gehoben werden können.

2.2. Mit dem oben wiedergegebenen, ausdrücklich so formulierten und ausschließlich auf eine materielle Entscheidung zielenden Antrag (an dessen Vorgaben der unabhängige Verwaltungssenat gebunden ist; idS Rudolf Thienel, Das Verfahren der Verwaltungssenate, 2. A, 343) übergeht das Arbeitsinspektorat jedoch nicht nur den rein verfahrensrechtlichen Kern der Sache des bekämpften Bescheides, sondern sinnt dem unabhängigen Verwaltungssenat Aufgaben und Stellung einer erstinstanzlichen Strafverfolgungsbehörde zu.

Einen Schuldspruch jedoch, den, wie beantragt, der unabhängige Verwaltungssenat nach - ihm strikte gar nicht zugänglicher - originärer Einleitung des Verwaltungsstrafverfahrens wie eine Strafbehörde nach dem Inquisitionsprinzip erstmalig auszusprechen hätte, ist dem unabhängigen Verwaltungssenat aus verfassungsrechtlichen Gründen verwehrt.

Was nämlich schon diese Ebene anbelangt, ist zum einen auf § 6 Abs.1 MRK hinzuweisen, wonach der unabhängige Verwaltungssenat eingerichtet ist, um über die Stichhaltigkeit der gegen einen Beschuldigten erhobenen strafrechtlichen Anklage zu entscheiden. Eine strafrechtliche Anklage im Sinn dieser Verfassungsvorschrift liegt jedoch im Berufungsfall gerade nicht vor.

Zum anderen hat der Verfassungsgerichtshof in den Entscheidungsgründen zu seinem Erkenntnis vom 1. Oktober 1991, B 976/90-12, im Zusammenhang mit dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter ausgeführt (Seite 14): "Das genannte verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht wird nämlich auch dann verletzt, wenn die Berufungsbehörde in einer Angelegenheit entscheidet, die nicht Gegenstand der Entscheidung der Unterinstanz war (vgl. VfSlg. 5592/1967, 5822/1968, 6548/1971, 7641/1975, 8176/1977) bzw. wenn durch die Übergehung der zuständigen Behörde erster Instanz der gesetzlich vorgesehene Instanzenzug unvollständig geblieben ist und durch eine solche unzulässige Verkürzung des Instanzenzuges die Rechtsverfolgungsmöglichkeit behindert wird (VfSlg.

7508/1975, 8188/1977)." Diese in Zusammenhang mit einem dem Administrativrecht zuzuordnenden Beschwerdefall geäußerte Rechtsauffassung des Verfassungsgerichtshofes ist nach Meinung des unabhängigen Verwaltungssenates für die Beobachtung der Rechtschutzgarantien in Verwaltungsstrafverfahren mindestens in gleicher Intensität beachtlich.

3. Aus all diesen Gründen war unter Hinweis auf die sachliche Unzuständigkeit des unabhängigen Verwaltungs senates der Antrag des einschreitenden Arbeitsinspektorats, weil damit die Abänderung eines verfahrensrechtlichen Bescheides, der lediglich die Nichteinleitung eines förmlichen Verwaltungsstrafverfahrens verfügt, durch einen inhaltlichen, noch dazu verfassungswidrigen Akt begehrt wird, als unzulässig zurückzuweisen.

4.1. Bei diesem Ergebnis war weder auf die Begründung des Berufungsantrages noch auf offensichtliche Unstimmigkeiten im Spruch des bekämpften Bescheides (so etwa ist in der erläuternden Beifügung von einem "Beschuldigten" und von einer "zur Last gelegten Tat" die Rede, obgleich wegen der eben nicht stattgefundenen Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens im Rechtssinne weder von einem Beschuldigten noch von einer Tatanlastung die Rede sein kann) einzugehen.

4.2. Die spruchgemäße Zurückweisung erfolgt auch unbeschadet allfälliger weiterer Fragen, die sich im Zusammenhang mit dem bekämpften Bescheid ergeben könnten.

So kann dahingestellt bleiben, ob nicht die Rechtsmittelbelehrung des Bescheides vom 24. Mai 1994 an einer Rechtswidrigkeit deswegen leidet, weil dort der unabhängige Verwaltungssenat als Berufungsbehörde angegeben ist. Immerhin wäre unter Hinweis auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (Erk. vom 16. Oktober 1991, G 167/91, G 269/91) und die herrschende Literaturmeinung (Thienel, Verwaltungssenate, 202 ff; Kurt Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze II [1992], die dort auf Seite 443 wiedergegebene Rechtsmeinung des BKA) die Auffassung vertretbar, daß der unabhängige Verwaltungssenat im Grunde des Art. 129a Abs.1 Z1 B-VG und des § 51 Abs.1 VStG zur Entscheidung über Berufungen gegen verfahrensrechtliche Bescheide überhaupt nur insoweit zuständig sein kann, als es sich um solche verfahrensrechtliche Bescheide handelt, die in einem Verwaltungsstrafverfahren ergangen sind bzw. als solchen Bescheiden die Annexbasis eines schon konkretisierten Tatvorwurfs, zu dem Verfolgungshandlungen (§ 32 VStG) gegen einen konkreten Beschuldigten (bereits einmal wenigstens) unternommen wurden, zugrundeliegt. Gerade aber ein so konkretisierter Tatvorwurf kann im Berufungsfall schon deswegen nicht reklamiert werden, weil ein Verwaltungsstrafverfahren gar nicht eingeleitet worden ist.

Und schließlich scheint gerade deswegen - unabhängig von der weiteren Frage, ob die Nichteinleitung des Strafverfahrens in diesem Fall überhaupt in Bescheidform hätte ergehen dürfen - auch fraglich, ob vorliegend das Arbeitsinspektorat von dem ihm abstrakt zufolge § 11 Abs.1 und 2 iVm § 15 Abs.6 ArbIG eingeräumten Berufungsrecht aktuell Gebrauch machen durfte, ist doch dieses Berufungsrecht nur Ausfluß der dem Arbeitsinspektorat durch den Materiengesetzgeber - ausnahmsweise - verliehenen Parteistellung; diese wiederum kann jedoch nur in einem (eingeleiteten) Verfahren "zum Leben erwachen". Es darf nämlich dem einfachen Gesetzgeber verfassungskonform nicht zugesonnen werden, daß er im Wege der bezogenen Vorschriften die Amtspartei (mit ihren Parteirechten) für einen Zeitpunkt habe inaugurieren wollen, zu dem noch nicht einmal ein Beschuldigter (als "Hauptpartei" eines Verwaltungsstrafverfahrens) determiniert ist.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Gallnbrunner

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum