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des Landes Oberösterreich
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VwSen-221013/12/Le/La

Linz, 05.12.1994

VwSen-221013/12/Le/La Linz, am 5. Dezember 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 9. Kammer (Vorsitzender: Dr. Bleier; Berichter: Dr. Leitgeb; Beisitzer: Mag. Kisch) über die Berufung des Herrn Dipl.-Ing. Dr. F L, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Landeshauptstadt Linz als Bezirksverwaltungsbehörde vom 6. Juni 1994, GZ 502-32/Kb/We/41/92g, wegen Übertretungen der Gewerbeordnung, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird, soweit sie sich gegen den Tatvorwurf 1 richtet, wonach der Ammoniakbehälter B1 alt der alten Harnstoffanlage konsenslos in die neue Harnstoffanlage eingebunden worden sei, Folge gegeben; diesbezüglich wird das Straferkenntnis behoben und das Strafverfahren eingestellt.

II. Die Berufung wird, soweit sie sich gegen den Tatvorwurf 2 richtet, wonach zwei zusätzliche Wärmetauscher (W30 und W19a) konsenslos errichtet worden wären, soweit sie sich gegen die Schuld richtet, als unbegründet abgewiesen.

III. Der Berufung gegen die verhängte Strafe von einheitlich 20.000 S wird Folge gegeben und der Strafausspruch des angefochtenen Straferkenntnisses aufgehoben.

IV. Es entfällt jeglicher Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z2, 51 Abs.1, 51c und 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG.

Zu II. und III.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z3, 51 Abs.1, 51c und 51e Abs.1 VStG.

Zu IV: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I. - III.:

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der nunmehrige Berufungswerber als gewerberechtlicher Geschäftsführer der C L GmbH in L.

und somit als gemäß § 370 Abs.2 GewO 1973 verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher zweier Verwaltungsübertretungen nach § 366 Abs.1 Z4 iVm § 81 und § 74 Abs.2 Z1 Gewerbeordnung 1973, BGBl.Nr. 50/1974 idgF mit einer Geldstrafe in Höhe von 20.000 S bestraft; gleichzeitig wurde für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe die Ersatzfreiheitsstrafe mit fünf Tagen festgesetzt.

Es wurde ihm vorgeworfen, zumindest in der Zeit vom 6.7.1992 bis 22.1.1993 die mit Bescheid vom 13.7.1976, GZ 601/0-628/75, gewerbebehördlich genehmigte Betriebsanlage in der Form einer Harnstoffanlage (neu) nach Durchführung gem.

§ 81 iVm § 74 Abs.2 Z1 Gewerbeordnung genehmigungspflichtiger Änderungen betrieben zu haben, ohne daß die hiefür erforderliche rechtskräftige Betriebsanlagenänderungsgenehmigung vorgelegen wäre, obwohl diese Änderungen geeignet wären, das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, zu gefährden, da das Lager und somit das Gefährdungspotential an Ammoniak dadurch wesentlich vergrößert worden sei. Folgende Änderungen wären durchgeführt worden:

1) 1 Ammoniakbehälter der alten Harnstoffanlage, B1 alt, wurde in die neue Harnstoffanlage eingebunden; 2) 2 zusätzliche Wärmetauscher (W30 und W19a) wurden errichtet.

1.2. In der Begründung wurde folgendes ausgeführt:

Mit Eingabe vom 14.1.1992 beantragte die C L GmbH die Erteilung einer gewerbebehördlichen Genehmigung der Änderung der mit Bescheid vom 4.7.1976 gewerbebehördlich genehmigten Harnstoffanlage (neu) auf dem Werksgelände der ÖMV Chemie.

Die Behörde forderte daraufhin eine Sicherheitsanalyse und einen Maßnahmenplan an, worauf die C L mitteilte, daß für die gegenständliche Änderung der Anlage eine Sicherheitsanalyse nicht erforderlich sei, da die sicherheitstechnisch bedeutsamen Teile der Anlage von der Änderung nicht betroffen seien und die Änderung keinen Einfluß auf die Gefahrengeneigtheit der Anlage habe. Mit Schreiben vom 18.5.1992 wurde sodann das Ansuchen vom 14.1.1992 zurückgezogen, was damit begründet wurde, daß durch die Änderung der Harnstoffanlage keine der in § 74 Abs.2 Gewerbeordnung umschriebenen Interessen berührt würden und die Änderungen vielmehr die Wirkung hätten, daß gegenüber dem bisherigen Zustand der Anlage Belastungen der Umwelt verringert würden.

Anläßlich eines Ortsaugenscheines am 1.7.1992 wurde von einem Amtssachverständigen festgestellt, daß die neuen Wärmetauscher W30 und W19a bereits montiert, verrohrt und betriebsbereit waren und der aus der alten Harnstoffproduktionsanlage stammende Ammoniakbehälter B1 alt in die Harnstoffgroßanlage Bau 431 (neu) integriert wurde.

Im Amtsbericht vom 6.7.1992 wurde vom Amtssachverständigen festgestellt, daß die Errichtung der zusätzlichen Wärmetauscher sowie die Einbindung des alten Ammoniakbehälters in die neue Harnstoffgroßanlage bewilligungspflichtige Änderungen iSd § 81 Gewerbeordnung darstellen.

Über Vorhalt dieses Beweisergebnisses brachte die C L GmbH vor, daß der Einbau der Wärmetauscher nicht genehmigungspflichtig sei und hinsichtlich des Ammoniakbehälters kein konsensloser Betrieb vorliege, da dieser mit Bescheid vom 12.6.1957 gewerbebehördlich genehmigt worden sei und seither unverändert betrieben werde.

Das Baurechtsamt nahm dazu mit Schreiben vom 9.9.1992 Stellung. Demnach sei der Ammoniakbehälter zwar im Jahre 1957 als Teil der alten Harnstoffanlage gewerbebehördlich genehmigt worden, doch sei etwa 1976 diese Anlage stillgelegt und durch die neue größere Harnstoffanlage ersetzt worden. Der Behälter B1 sei Bestandteil der neuen Harnstoffanlage, weil er in einem technisch-funktionellen Zusammenhang zur Anlage stehe. Die Tatsache, daß der B1 alt seit 1957 ununterbrochen in Betrieb sei und den gemäß der Österreichischen Dampfkesselverordnung vorgeschriebenen wiederkehrenden Überprüfungen unterzogen werde, ändere nichts daran, daß der gewerbliche Konsens mit Stillegung der Altanlage erloschen sei. Wenn Teile von Altanlagen in Neuanlagen oder anderen Anlagen weiter verwendet würden, sei unabhängig von der Erfüllung der für diese Anlagenteile gültigen gesetzlichen Bestimmungen neuerlich ein gewerbebehördlicher Konsens für diese gewerberechtlich erloschenen Anlagenteile zu erwirken.

Dazu brachte die C L Ges.m.b.H. in ihrer Stellungnahme vom 18.9.1992 vor, daß sie nach wie vor überzeugt sei, daß der Einbau der Wärmetauscher in die Harnstoffanlage nicht gewerbebehördlich genehmigungspflichtig sei und die gewerbebehördliche Genehmigung für den Behälter B1 alt nach wie vor aufrecht sei.

Daraufhin wurde mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 22.1.1993 gegen den Beschuldigten das Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet.

In seiner Eingabe vom 23.2.1993 brachte der Beschuldigte im wesentlichen vor, daß es außer Zweifel stehe und vom Baurechtsamt mit dem Schreiben vom 9.9.1992 bestätigt worden sei, daß der Behälter B1 alt am 12.6.1957 gewerbebehördlich genehmigt worden sei. Ein Erlöschen dieser Genehmigung gem.

§ 80 Abs.1 Gewerbeordnung liege nicht vor, da der B1 alt 1976 nicht außer Betrieb genommen worden sei. Dieser Behälter habe der alten Harnstoffanlage als NH3-Pumpenvorlage und zur Inertentspannung gedient, er sei räumlich getrennt, östlich der alten Harnstoffanlage jenseits der Straße am Rande des späteren Bauplatzes der neuen Harnstoffanlage situiert gewesen. Der B1 alt wäre als Infrastrukturanlage gemeinsam mit der Produktionsanlage zur Behördengenehmigung eingereicht und mit Bescheid genehmigt worden. Daraus könne man nicht ableiten, daß mit der Stillegung der Produktionsanlage auch die Genehmigung für die Infrastruktureinrichtung erloschen sei. Auch der Umstand, daß der Behälter nicht in den Unterlagen für die neue Harnstoffanlage aufscheine, spreche dafür, daß er nicht zu dieser gehöre. Weder bei den Behördenverhandlungen über die neue Harnstoffanlage noch bei den Überprüfungsverhandlungen in den Jahren 1984, 1988 und 1991 wäre der B1 alt beanstandet worden. Bei der Überprüfungsverhandlung vom 4.4.1991 sei bei der stichprobenartigen Überprüfung der Prüfbescheinigungen für Druckbehälter und Druckgefäße der B1 alt überprüft worden.

Es sei daher anzunehmen, daß eine allfällige Konsenslosigkeit in diesem Zusammenhang gerügt worden wäre.

Die normalerweise vorhandene Menge an Ammoniak in diesem Behälter entspreche etwa jener in den Zuleitungen und sei im Vergleich zu den Mengen in der neuen Harnstoffanlage als gering anzusehen. Das Gefährdungspotential sei daher sehr gering, werde jedoch in der für die Harnstoffanlage zu stellenden Sicherheitsanalyse berücksichtigt werden. Da die Genehmigung für den B1 alt aufrecht sei, liege kein konsensloser Betrieb und daher auch kein strafbares Verhalten vor.

Durch Einsichtnahme in das Rapportbuch der C L GmbH am 4.6.1993 stellte die Behörde fest, daß der Wärmetauscher W19a am 20.6.1992 und der Wärmetauscher W30 am 1.7.1992 in Betrieb gegangen waren.

Mit der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 8.6.1993 wurde die gegen den Beschuldigten im Spruch dargestellte Verwaltungsübertretung hinsichtlich der ohne rechtskräftige Betriebsanlagenänderungsgenehmigung durchgeführten Änderungen konkretisiert.

Mit der Eingabe vom 12.7.1993 nahm der Beschuldigte hiezu Stellung und brachte vor, daß keine Begründung enthalten sei, warum diese Errichtung strafbar sein solle.

Weiters wurde von der belangten Behörde noch eine Stellungnahme eines Amtssachverständigen zur Frage eingeholt, ob durch die Wärmetauscher in die Gesamtanlage sicherheitstechnisch eingegriffen werde. Dieser bestätigte den sicherheitstechnischen Eingriff und schloß daraus, daß es sich hiebei um eine genehmigungspflichtige Änderung handle. Im Falle einer brüdenseitigen Leckage bei Pumpen oder Dichtungen des W30 müsse nicht nur der W30, sondern das gesamte Mitteldrucksystem der Harnstoffanlage drucklos gemacht werden. Infolge der Erhöhung des Volumens des Mitteldruckteiles durch den W30 um ca. 26 % würden für das Drucklosmachen des Mitteldruckteiles entsprechend längere Zeiten benötigt.

Der Beschuldigte nahm dazu mit Schreiben vom 2.9.1993 Stellung und führte aus, daß es jedenfalls im Normalbetrieb durch die Wärmeintegration zu keinerlei Gefahrenerhöhung komme. Es verbleibe daher die Betrachtung des Gefahrenpotentials im Störfall. Bei der Sicherheitsanalyse wären die vom Amtssachverständigen aufgezählten Störungsmaßnahmen untersucht worden und es wäre bei jedem angenommenen Ereignis der Eintritt eines Störfalles und damit eine Gefährdung von Menschen durch die neuen Anlagenteile ausgeschlossen worden. Durch die Änderung der Anlage seien jedenfalls keine Gefährdungen verbunden; der behauptete "sicherheitstechnische Eingriff in die Gesamtanlage" könne eine Genehmigungspflicht nicht begründen. Die gegenständliche Änderung stelle sogar eine erhebliche Verbesserung dar, weil durch indirekte Kühlung eine Kontamination von Kühlwasser im Leckagefall in Zukunft ausgeschlossen würde.

Die Behörde befragte sodann Herrn Dr. G K, der als Umweltbeauftragter dem Beschuldigten in einer Stabsstelle zugeteilt ist, als Zeugen, wobei dieser angab, selbst die Zurückziehung des Antrages vom 14.1.1992 am 18.5.1992 verfaßt zu haben, ohne vorher mit dem Beschuldigten darüber zu sprechen. Der Beschuldigte wäre grundsätzlich in dieser Angelegenheit erst im nachhinein informiert worden, weil es sich um eine Routinesache gehandelt hätte, mit der der gewerberechtliche Geschäftsführer normalerweise nicht unmittelbar befaßt würde. Beim Genehmigungsansuchen für die neue Harnstoffanlage sei lediglich vergessen worden mitzuteilen, daß der alte Behälter B1 unverändert weiterbetrieben werde.

Der Behälter hätte sowohl in der alten wie auch in der neuen Harnstoffanlage die Funktion als Puffer, um das Ammoniaknetz nicht direkt zu belasten. Der Ersatz von einem Wärmetauscher durch zwei neue werde durch die damit verbundenen Anpassungen an den Stand der Technik und die damit verbundene größere Sicherheit nicht für genehmigungspflichtig gehalten.

Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens wurden dem Beschuldigten zur Kenntnis gebracht, worauf dieser ein Gutachten des Zivilingenieurs Dipl.-Ing. Dr. A S zur Frage der Veränderung des Gefahrenpotentials in der Harnstoffanlage durch die Wämreintegration vorlegte. Dieser kam zum Ergebnis, daß die Wärmeintegration eine geringfügige Änderung der Harnstoffanlage darstelle und die erfolgten Änderungen des Gefahrenpotentials in Hinblick auf die Gesamtanlage unbedeutend wären.

Der Amtssachverständige stellte dazu fest, daß sich aus fachlicher Sicht keine neuen Aspekte ergeben würden (was er dann im einzelnen begründete).

Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens wurden daraufhin dem Beschuldigten nochmals zur Kenntnis gebracht, der sich in seiner Stellungnahme wiederum auf das Gutachten des Dipl.-Ing. Dr. S bezog und weiters zur Verschuldensfrage vorbrachte, daß er erst durch die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 8.6.1993 von der gesamten Problematik erfahren habe. Den Schriftverkehr zuvor hätten seine Mitarbeiter und die Rechtsabteilung des Unternehmens geführt. Er sei nicht informiert worden, weil niemand Zweifel an der Richtigkeit dieser Auffassung gehabt hätte. Er wies weiters darauf hin, daß das Unternehmen am 7.12.1992 neuerlich um die Genehmigung angesucht hätte, wobei er allerdings darauf hinwies, daß das Unternehmen weiterhin die Ansicht vertrete, daß es sich nicht um eine genehmigungspflichtige Änderung handle. Am 27.4.1993 sei dann die Sicherheitsanalyse für die gesamte Harnstoffanlage vorgelegt worden. Über den Genehmigungsantrag vom 7.12.1992 sei noch nicht entschieden worden. Zusammenfassend bestritt der Beschuldigte, daß überhaupt ein strafbares Verhalten vorliege.

Für die belangte Behörde erschien der im Spruch dargestellte Sachverhalt auf Grund der Aktenlage sowie die Ergebnisse des durchgeführten Ermittlungsverfahrens als erwiesen.

Insbesonders sei vom Beschuldigten nicht bestritten worden, daß die durchgeführten Änderungen ohne Vorliegen einer rechtskräftigen Betriebsanlagengenehmigung betrieben worden wären.

In rechtlicher Würdigung verwies die belangte Behörde auf die §§ 74 Abs.2 Z1 und 81 GewO 1973 (wobei § 81 Abs.1 wörtlich zitiert wurde). Sodann stellte die Behörde die Erfüllung des objektiven Tatbestandes der zur Last gelegten Gesetzesbestimmungen fest, wobei kein Zweifel bestehe, daß die neuerrichteten zusätzlichen Wärmetauscher W30 und W 19a seit 20.6.1992 bzw. 1.7.1992 ohne gewerbebehördliche Genehmigung betrieben worden seien, obwohl eine Genehmigungspflicht gegeben wäre. Der nach wie vor in Betrieb stehende B1 alt scheine im Betriebsanlagengenehmigungsansuchen für die neue Harnstoffanlage nicht auf, weshalb infolge der Einbindung dieses Behälters in die neue Harnstoffgroßanlage das Lager von ca. 40 t auf 55 t vergrößert und dadurch eine die neue Harnstoffanlage verändernde Maßnahme gesetzt worden sei.

Diese Änderungen seien insgesamt geeignet, das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, zu gefährden, da das Lager und somit das Gefährdungspotential an Ammoniak dadurch wesentlich vergrößert worden sei.

Dem Beschuldigtenvorbringen, daß die gewerbebehördliche Genehmigung für den B1 alt nach wie vor aufrecht sei, wäre entgegenzuhalten, daß die Gesamtanlage und die in ihr vorzunehmenden Tätigkeiten den Gegenstand der damaligen behördlichen Genehmigung gebildet hätten, sodaß der gewerberechtliche Konsens mit der Stillegung der alten Harnstoffanlage für die gesamte Betriebsanlage erloschen sei.

Dem Beschuldigtenvorbringen, daß seitens der Gewerbebehörde bis dato keine Verständigung ergangen sei, daß die eingereichten Bewilligungsunterlagen unvollständig seien, wird entgegengehalten, daß es der Behörde im Verwaltungsstrafverfahren obliege, selbständig, nämlich unabhänigig von der rechtlichen Beurteilung der Anlagenänderung in einem Genehmigungsverfahren, zu prüfen, ob der Straftatbestand erfüllt sei.

Zur Schuldfrage führte die belangte Behörde aus, daß es sich im vorliegenden Fall um ein Ungehorsamsdelikt handle, zu dessen Begehung Fahrlässigkeit genüge. Der Beschuldigte hätte den Schuldentlastungsbeweis im Sinne des § 5 Abs.1 VStG nicht erbracht.

Der Umstand, daß der Beschuldigte erst am 8.6.1993 von der gegenständlichen Problematik erfahren habe, zeige, daß er es unterlassen habe, ein Kontrollsystem im Betrieb einzurichten, um die verantwortlichen Personen für die einzelnen Bereiche auch tatsächlich zu kontrollieren. Es sei Pflicht des Unternehmers, durch ein ausreichend dichtes und zulänglich organisiertes Netz von ihrerseits wieder überwachten Aufsichtsorganen dafür zu sorgen, daß die im Unternehmen zu beachtenden Vorschriften den Betroffenen nicht nur bekannt sind, sondern auch tatsächlich im Einzelfall eingehalten werden. Der Beschuldigte hätte die Verpflichtung gehabt, die beauftragten Personen zu überwachen und Maßnahmen nicht erst dann zu ergreifen, wenn die Gewerbebehörde die Nichteinhaltung der Gewerbeordnung beanstandet.

Auch die lange Dauer eines Bewilligungsverfahrens vermöge die Schuldhaftigkeit nicht zu beeinflussen, weshalb auch die subjektive Tatbestandsmäßigkeit als erwiesen anzusehen sei.

Die Strafhöhe begründete die belangte Behörde unter Hinweis auf § 19 Abs.1 und 2, wertete als strafmildernd die bisherige Unbescholtenheit und ging von einem monatlichen Nettoeinkommen von 45.000 S aus.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 29.6.1994, mit der beantragt wird, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und das Strafverfahren einzustellen. In der Begründung dazu wird darauf hingewiesen, daß es sich bei der sogenannten Wärmeintegration nicht um eine genehmigungspflichtige Änderung der Harnstoffanlage handle. Die Genehmigungspflicht sei weder im Ermittlungsverfahren noch in der Begründung des Bescheides gesetzesgemäß begründet worden. Die Aussage des Amtssachverständigen enthalte keine schlüssige und nachvollziehbare Gegenüberstellung der Gefährdung vor und nach der Änderung; die Aussage, daß eine genehmigungspflichtige Änderung vorliegt, betreffe eine Rechtsfrage, deren Beantwortung nicht dem Sachverständigen obliege. Auch die dazu abgegebene Bescheidbegründung enthalte keine Gegenüberstellung der Gefährdungen vor und nach der Änderung. Eine solche Gegenüberstellung und Bewertung der Gefahren enthalte jedoch das von ihm vorgelegte Gutachten des Zivilingenieurs Dr. S, das vom Amtssachverständigen als unerheblich beurteilt und auf das in der rechtlichen Beurteilung des Bescheides überhaupt nicht eingegangen worden sei.

Als Verfahrensmangel wird gerügt, daß die Behörde auf das Vorbringen in den Schreiben vom 19.6. und 31.7.1992 betreffend Gefährdungsüberlegungen im Störfall nicht eingegangen sei. Dabei hätte er hervorgehoben, daß der anzustellende Vergleich des Gefahrenpotentials vor und nach der Änderung die gesamte Harnstoffanlage einbeziehen müsse.

Es wäre auch nicht auf das Vorbringen vom 31.7.1992 eingegangen worden, daß zumindest hinsichtlich des W 30 ein Austausch iSd § 81 Abs.2 Z5 GewO vorliege und hätte weiters im Strafverfahren die bereits vorliegende Sicherheitsanalyse herangezogen werden müssen, aus der sich ergebe, daß im Störfall durch die Änderung keine Vergrößerung der Gefährdung möglich sei.

Hinsichtlich des Ammoniakbehälters B1 alt wird dem Straferkenntnis die Regelung des § 83 GewO ausdrücklich entgegengehalten, wonach auch die Auflassung von Teilen einer Betriebsanlage möglich sei. Daraus ergebe sich, daß der Konsens für den nicht aufgelassenen Teil der Betriebsanlage, also des B1 alt, aufrecht bleibe. Selbst wenn er also Bestandteil der alten Harnstoffanlage gewesen wäre, sei er mit dieser nicht aufgelassen worden und sei daher der Konsens nicht erloschen. Im übrigen sei nicht auf das Vorbringen eingegangen worden, daß der B1 alt nicht Bestandteil der Harnstoffanlage sei, sondern vielmehr dem Ammoniaknetz zuzuordnen sei.

Diese Überlegung werde noch durch die im Bescheid auf Seite 11 zitierte Entscheidung VwSlg. 12.759 A gestützt, nach der ein Wärmekraftwerk und das dazugehörige Wärmeleitungsnetz keine einheitliche Betriebsanlage wären. So sei wohl auch das zur Verteilung von Ammoniak im gesamten Werk dienende Netz nicht Bestandteil einer aus diesem Netz versorgten Anlage; die am 12.6.1957 erteilte gewerbebehördliche Genehmigung für den B 1 alt sei daher nach wie vor aufrecht.

Auch das Verschulden wird in Frage gestellt mit der Begründung, daß er als veranwortlicher gewerberechtlicher Geschäftsführer für die Einhaltung der betriebsanlagenrechtlichen Vorschriften in diesem Bereich den Betriebsleiter betraut habe, der von der Rechtsabteilung, vom Umweltschutzbeauftragten und vom sicherheitstechnischen Dienst unterstützt werde. Die dort tätigen Personen hätten große Erfahrung auf diesem Gebiet.

Eine regelmäßige Kontrolle erfolge dadurch, daß ihm die Beauftragten zu berichten hätten, wenn es Zweifelsfälle gibt. Im vorliegenden Fall habe es zunächst keine Zweifel gegeben, weil alle Beteiligten überzeugt waren, daß es sich bei der Wärmeintegration nicht um eine genehmigungspflichtige Änderung handle und daß beim B 1 alt der Konsens aufrecht sei.

Nach der Rechtsprechung des VwGH sei die Einhaltung der Vorschriften durch eine zweckentsprechende Kontrolle zu überwachen. Eine persönliche laufende Kontrolle aller Anlagenänderungen wäre im konkreten Fall sicher nicht zweckentsprechend gewesen, da diese zu keinem anderen Ergebnis geführt hätte, weil er sich auf Grund der größeren Erfahrung der Beauftragten sicher auf deren Beurteilung des Gefahrenpotentials und deren Auslegung der GewO verlassen hätte. Aufgrund der vor allem im gerichtlichen Fahrlässigkeitsstrafrecht entwickelten Lehre zum rechtmäßigen Alternativverhalten sei ihm daher kein Verschulden vorzuwerfen, weil es an der objektiven Zurechenbarkeit bzw. am Rechtswidrigkeitszusammenhang fehle.

Nachdem er von den gegenständlichen Vorwürfen erfahren hätte, hätte er sich nach eigener Prüfung ebenfalls der Rechtsansicht der von ihm beauftragten Experten im Unternehmen angeschlossen und er sei nach wie vor von deren Richtigkeit überzeugt. Selbst wenn sich diese Rechtsansicht als unrichtig herausstellen sollte, sei diese Ansicht in so schwierigen Auslegungsfragen des Betriebsanlagenrechtes sicher vertretbar. Diese Rechtsansicht gründe sich hinsichtlich der Wärmeintegration nicht zuletzt auf die Beurteilung der Gewerbebehörde in vergleichbaren Fällen. So wäre zB 1988 bei der Harnstoffanlage auf Grund des Amtsberichtes des damaligen Maschinenamtes vom 20.12.1988 im Zuge eines gewerbebehördlichen Überprüfungsverfahrens festgestellt worden, daß die Errichtung des NH3-Vorwärmers W 28, des Karbonatlaugevorwärmers W 29 und der Erweiterung der Brüdenwäsche keine genehmigungspflichtigen Änderungen darstellen.

Zum Vorwurf betreffend die Einbindung des B 1 alt bringt der Beschuldigte vor, daß die neue Harnstoffanlage seit 1976 unverändert gemeinsam mit dem B 1 alt betrieben wurde und dies durch die Gewerbebehörde trotz mehrmaliger Überprüfungen nie beanstandet worden sei. Unter Berücksichtigung dieser Umstände sei auch seine Rechtsansicht vertretbar.

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH liegt kein Verschulden vor, wenn sich der Verantwortliche in Kenntnis des Gesetzeswortlautes entsprechend einer durchaus vertretbaren, wenngleich in der Folge als unrichtig erkannten Rechtsansicht verhalten habe.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt sowie in die Verwaltungsakten des Magistrates Linz, Baurechtsamt, u.zw.

- 501/Gb-1132/75 betreffend "C L AG, Bau Harnstoffanlage", - den Akt GZ 671/1956 "C L AG, Bau Harnstoffanlage", - GZ 501/Gb-1132/75 "C L GmbH, Bau Harnstoffanlage, Dampfkessel, - 501/Gb-7008 "C L, Bau Austausch-Stripper" sowie die dazu vorliegenden Pläne und Projektunterlagen.

Weiters führte der unabhängige Verwaltungssenat am 29.11.1994 eine mündliche Verhandlung durch, bei der neben dem Beschuldigten und dem Vertreter der belangten Behörde auch zwei Zeugen, nämlich Herr Dr. G K und Herr Dipl.-Ing. P S als Zeugen einvernommen wurden.

Daraus ergibt sich, daß der von der Erstbehörde im Straferkenntnis angeführte Sachverhalt als erwiesen angesehen werden kann.

Ergänzend ergibt sich aus den Zeugenaussagen folgendes:

Der Ammoniakbehälter B1 alt wurde zusammen mit der alten Harnstoffanlage im Jahr 1957 bewilligt und im selben Jahr ausgeführt und überprüft. Seither steht er ständig in Verwendung, was auch aus den regelmäßigen Druckbehälterüberprüfungen ersichtlich und aktenkundig ist.

Der Behälter befindet sich in ca. 4 bis 5 m Höhe auf der Rohrbrücke und ist direkt an das werkseigene Ammoniaknetz angeschlossen. Seine Aufgabe ist es, das flüssige Ammoniak, das Gasbläschen enthält, zu entgasen, wobei in diesem Behälter das flüchtige Ammoniak sowie die Inertgase abgeleitet und in das werkseigene NH3-Gasleitungsnetz eingespeist werden. Von diesem Behälter B1 alt wird das Ammoniak in flüssiger Form in die Pumpe P15A/B eingeleitet, wo es auf ca. 15 bar Druck verdichtet und in den Behälter B1 neu gepumpt wird. Die Entgasung vor der Pumpe P15A/B ist deshalb erforderlich, da das Ammoniak aus dem Rohrleitungsnetz nicht unmittelbar verdichtet werden könnte:

durch Gasbläschen im Ammoniak würde die Pumpe keine entsprechende Förderleistung erbringen bzw. würden durch die Gasbläschen die Lager der Pumpe beschädigt werden. Deshalb ist die Entgasung im Behälter B1 unbedingt erforderlich.

In der Beschreibung der "neuen" Harnstoffanlage, deren Bewilligung am 22.12.1975 beantragt worden war, wird auch davon ausgegangen, daß Ammoniak in flüssiger Form in die Pumpe P15A/B eingeleitet wird.

Bereits im alten Verfahren in der Anlage, die 1957 bewilligt worden war, hatte der Behälter B1 alt die gleiche Funktion.

Auf Grund des Bestandes im Jahr 1975 und der beabsichtigten Weiterbenutzung war der Behälter B1 alt im damaligen Projekt nicht erwähnt worden. Tatsächlich war er jedoch von Anfang an in die Anlage eingebunden.

Zum Austausch der Wärmetauscher W19a und W30:

Aus den Zeugenaussagen sowie dem Beschuldigtenvorbringen geht hervor, daß es sich bei Ammoniak bzw. Harnstoff um sehr aggressive Materialien handelt, die auch die äußerst beständigen Werkstoffe, aus denen die Apparate und Leitungen der Harnstoffanlage bestehen, angreifen. Insbesonders im Wärmetauscher W6 wurden 1990 Korrosionsschäden und Ablagerungen festgestellt, deren Ursache vor allem darin gesehen wurde, daß die Kühlung in diesem Wärmetauscher mit zu großem Temperaturunterschied erfolgte. Um diesen Abkühlungsprozeß zu verlangsamen und dadurch Stockungen des Mediums und Ablagerungen im Kühlteil zu verhindern, sollte das System auf einen "milderen" Wärmetauscher umgestellt werden, bei dem kein derart großer Temperaturunterschied zwischen dem zu kühlenden Medium und der Kühlflüssigkeit besteht. Es wurde daher aus einer werkseigenen Anlage Kondensat in den neuen Wärmetauscher geführt, der dadurch aber auch vergrößert werden mußte, um denselben Kühleffekt zu erzielen. Dieses System der indirekten Kühlung entspricht dem heutigen Stand der Technik und wird in wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren vorgeschrieben. Der Vorteil dieses Systems liegt nicht nur in der Verhinderung der Ablagerungen und Stockungen des Mediums und damit einer geringeren Störfallanfälligkeit, sondern auch darin, daß im Störfall Ammoniak in den indirekten Kühlkreislauf entweicht und dort leicht gebunden werden könnte.

Der Zeuge Dr. K gab an, daß er anläßlich einer Besprechung am 15.5.1992 (über mehrere größere Projekte der C L GmbH) am Rande mit einem Amtssachverständigen das Problem besprochen habe, daß ein Genehmigungsverfahren für den Austausch der Wärmetauscher W30 und W19a infolge der langen Dauer der Erstellung der Sicherheitsanalyse nicht abgewartet werden könne, weil der Austausch gleichzeitig mit dem Einbau eines anderen Anlagenteiles zu erfolgen hätte.

Obwohl der Amtssachverständige damals gesagt hatte, daß infolge des Inkrafttretens der Störfallverordnung die Bewilligungsfreiheit für die Änderung der Anlage (analog zu einer Anlagenänderung im Jahr 1988) nicht unbedingt bejaht werden könne, hätte Herr Dr. K gesagt, daß wohl nicht so schnell ein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet würde.

Als daraufhin der Leiter des Amtes für Technik, Herr Dipl.-Ing. S, gemeint habe, daß Herr Dr. K sehr "reaktionsschnell und wendig" sei, habe der Zeuge Dr.

K das Ansuchen mit Schreiben vom 18.5.1992 zurückgezogen, was vom Berufungswerber zur Kenntnis genommen und damit gebilligt worden ist.

4. Hierüber hat der O.ö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Gemäß § 51 Abs.1 VStG steht dem Beschuldigten das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat zu, in dessen Sprengel nach dem Ausspruch der Behörde erster Instanz die Tat begangen wurde.

Demnach ergibt sich die Zuständigkeit des O.ö.

Verwaltungssenates.

Die unabhängigen Verwaltungssenate entscheiden über Berufungen durch Kammern, die aus drei Mitgliedern bestehen, wenn aber im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch eines ihrer Mitglieder (§ 51c VStG).

Da für die beiden Verwaltungsübertretungen eine einheitliche Verwaltungsstrafe in Höhe von 20.000 S verhängt wurde, ergibt sich die Zuständigkeit der Kammer.

4.2. Es war als Vorfrage des Verwaltungsstrafverfahrens festzustellen, ob die mit Bescheid vom 12.6.1957 ausgesprochene gewerbebehördliche Genehmigung der "alten" Harnstoffanlage, deren mitgenehmigter Bestandteil der Behälter B1 alt war, hinsichtlich des B1 alt noch aufrecht ist. Kein Zweifel bestand darüber, daß die alte Harnstoffanlage aufgelassen wurde und daher deren Konsens erloschen ist. Es war daher zu prüfen, ob der B1 alt ein untrennbarer Bestandteil dieser alten Harnstoffanlage war oder von dieser ohne weiteres getrennt werden konnte und ein eigenes rechtliches Schicksal haben konnte. Wenn er nämlich, wie der Berufungswerber behauptet hat, von Anfang an im Zuleitungssystem der "neuen" Harnstoffanlage eingebunden war und in seiner Funktion als Lagerbehälter für Ammoniak und für die Inertenentgasung immer Verwendung fand, so konnte er jedenfalls ein eigenes rechtliches Schicksal haben.

Die Einsicht in die Verwaltungsakten der Gewerbebehörde ergab, daß im Genehmigungsbescheid für die "alte" Harnstoffanlage vom 12.6.1957, insbesonders in den eingereichten Plänen, der Behälter B1 alt (damals noch als Behälter 4 bzw. NH3-Behälter bezeichnet) mitbewilligt wurde.

Im Genehmigungsbescheid für die "neue" Harnstoffanlage vom 13.7.1976 und auch in der Betriebsbewilligung für diese Anlage (Bescheid vom 5.6.1978) wurden keinerlei Anordnungen betreffend die alte Anlage getroffen. Insbesonders finden sich keinerlei Auflagen oder Anordnungen dergestalt, daß die "alte" Harnstoffanlage zur Gänze oder in Teilen aufgelassen würde oder aufgelassen werden müßte. Es fehlt überhaupt jeglicher Hinweis auf den B1 alt, weil das Projekt erst nach diesem Teil und vor der Pumpe P15A/B begann. Ein mittelbarer Hinweis auf diesen Behälter läßt sich jedoch aus der Projektbeschreibung für die "neue" Harnstoffanlage erschließen, wonach das "flüssige Ammoniak mittels einer Kreiselpumpe P-15 A/B in den Ammoniak-Sammelbehälter B-1 gefördert" wird: pumpfähiges flüssiges Ammoniak entsteht nämlich erst durch die Entgasung, die aber im B1 alt durchgeführt wird (der weiters erwähnte Behälter B-1 ist weder ident mit dem B1 alt noch dient er einem ähnlichen Zweck.

Bei der Projektierung und Einreichung dieser Anlage wurde offensichtlich auf den Behälter B1 alt "vergessen". Dieses "Vergessen" kann jedoch nicht nach 18 Jahren dem Beschuldigten zum Vorwurf gemacht werden, sondern hätte bei gehöriger Aufmerksamkeit schon zum Zeitpunkt der Errichtungsbewilligung bzw. der Betriebsbewilligung von der Behörde bereinigt werden müssen.

Tatsächlich aber wurde der Behälter B1 alt von Anfang an in die neue Anlage eingebunden, wie auch aus der Druckbehälterbescheinigung Ver.Nr.6549 hervorgeht: Demnach wurde dieser Behälter mit der Erzeugungsnummer 57.22.1.9215 und der Reg.Nr.2036 am 28.1.1957 im Rahmen der "Bauprüfung" und der "ersten Erprobung" erstmals geprüft. Die Betriebsprüfung erfolgte am 20.5.1958; seither wurde der Behälter bis hin zum 12.7.1994 ständig überprüft, insbesonders auch am 15.5.1973, am 9.11.1976, am 17.5.1977 und am 18.5.1977. Daraus geht hervor, daß der Kessel niemals abgemeldet war, sondern stets in Betrieb stand, insbesonders auch zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme der "neuen" Harnstoffanlage. Der Umstand, daß der Kessel zu Überprüfungs- bzw. Instandhaltungszwecken kurzzeitig (jeweils ca. 1 Tag) nicht in Betrieb stand, kann kein Erlöschen der Bewilligung bewirken.

Schließlich findet sich auch kein Aktenvorgang bezüglich einer eventuellen Auflassung der "alten" Harnstoffanlage bzw. des Behälters B1 alt. Dies wurde von der belangten Behörde im Vorlageschreiben vom 15.11.1994 bestätigt.

Zusätzlich ist darauf zu verweisen, daß in der Verhandlungsschrift des Magistrates der Landeshauptstadt Linz, Baurechtsamt, als Gewerbebehörde erster Instanz vom 4.4.1991 auf Seite 6 die stichprobenartige Überprüfung der überwachungspflichtigen Druckbehälter festgehalten wurde:

Dabei handelte es sich unter anderem um den "NH3-Lagerbehälter mit 20.000 l" und der Zahl 6549, sohin den B1 alt. Im unmittelbar darauffolgenden Gutachten wurde ausdrücklich festgehalten, daß genehmigungspflichtige Änderungen nicht vorgefunden werden konnten.

Aus dieser Aussage ist zu schließen, daß die Behörde zum damaligen Zeitpunkt von einem konsensgemäßen Betrieb der "neuen" Harnstoffanlage ausgegangen ist unter Einbindung des bestehenden Lagerbehälters B1 alt.

Die erkennende Behörde geht daher im vorliegenden Verwaltungsstrafverfahren nicht von einem konsenslosen Betrieb des Behälters B1 alt im Zusammenhang mit der bestehenden Harnstoffanlage aus, weil dieser Behälter mit Bescheid vom 12.6.1957 bewilligt wurde und diese Bewilligung weiterhin aufrecht ist, weil der Behälter weder faktisch außer Betrieb gesetzt noch durch bescheidmäßige Anordnung aufgelassen wurde.

Dadurch, daß mit dem Bescheid vom 5.6.1978 die Betriebsbewilligung erteilt wurde und auch zum damaligen Zeitpunkt das Ammoniak aus dem Leitungsnetz offensichtlich über diesen Behälter B1 alt in die Harnstoffanlage gelangte, hat die Behörde diesen Zustand (zu Recht oder nicht) akzeptiert, sodaß dem Beschuldigten ein konsensloser Betrieb dieses Behälters jedenfalls nicht vorgeworfen werden kann.

Was den zweiten Tatvorwurf betrifft, nämlich die konsenslose Errichtung zweier zusätzlicher Wärmetauscher (W30 und W19a) so geht aus dem vorgelegten Verwaltungsakt hervor, daß um deren Bewilligung seitens der C L GmbH ursprünglich angesucht wurde (Ansuchen vom 14.1.1992). Allerdings wurde dieses Ansuchen mit Schreiben vom 18.5.1992 wiederum zurückgezogen. Die Bezirksverwaltungsbehörde führte daraufhin am 1.7.1992 einen Ortsaugenschein durch, der auf Grund der dabei erhobenen Sachverständigenfeststellungen eine Bewilligungspflicht der Anlage ergab. Dies vor allem deshalb, da die Errichtung der beiden Wärmetauscher einen Eingriff in das "gefahrengeneigte System" darstelle, weil von diesen neu zu errichtenden technischen Einrichtungen Stoffe, die der Randnummer 3 (Ammoniaklösung größer 35M%) zuzuordnen sind, umschlossen werden.

Mit dem Schreiben des Baurechtsamtes vom 9.9.1992 wurde die C L Ges.m.b.H. darauf hingewiesen, daß eine Genehmigungspflicht besteht und weiters, daß im Zweifelsfalle ein Feststellungsbescheid gemäß § 358 Gewerbeordnung zu erwirken ist.

Es steht aus dem vorgelegten Verwaltungsakt fest, daß um einen Feststellungsbescheid nach dieser Gesetzesbestimmung nicht angesucht wurde, weshalb es auch für die erkennende Behörde in Übereinstimmung mit der belangten Behörde feststeht, daß eine Bewilligungspflicht dieser Änderungen alleine deshalb feststeht, da dies von der zuständigen Behörde dem Antragsteller unter ausführlicher Anführung der dafürsprechenden Gründe mitgeteilt wurde und von diesem kein Antrag auf Feststellung der Nichtgenehmigungspflicht nach § 358 Gewerbeordnung gestellt wurde.

Wenn der Beschuldigte in seiner Berufung darauf verweist, daß nach ständiger Rechtsprechung des VwGH kein Verschulden vorliege, wenn sich der Verantwortliche in Kenntnis des Gesetzeswortlautes entsprechend einer durchaus vertretbaren, wenngleich in der Folge als unrichtig erkannten Rechtsansicht verhalten habe, so ist ihm entgegenzuhalten, daß dieser Rechtsirrtum von ihm selbst verschuldet wurde.

Wie der VwGH in seinem Erkenntnis vom 30.11.1981, 81/17/0126, 0127, 0131 ausgeführt hat, muß insbesonders von einem Gewerbetreibenden verlangt werden, daß er über die Rechtsvorschriften, die er bei Ausübung seines Gewerbes zu beachten hat, ausreichend orientiert ist; er ist verpflichtet, sich über diese Vorschriften zu unterrichten.

Die irrige Gesetzesauslegung ist ein Rechtsirrtum, der nur entschuldigt, wenn er unverschuldet ist. Hat der Beschuldigte zwar objektiv rechtswidrig, jedoch auf Grund einer vertretbaren Auslegung gehandelt, hat die Behörde Ermittlungen darüber anzustellen, ob sich der Beschuldigte entsprechend der ihm obliegenden Sorgfaltspflicht ausreichend und nachweislich über die Richtigkeit seiner Rechtsansicht unterrichtet hat.

Im vorliegenden Fall hat zwar der Beschuldigte ein Gutachten eines Zivilingenieurs für Gas- und Feuerungstechnik eingeholt, doch ist dem entgegenzuhalten, daß im Gewerberecht die Besonderheit des § 358 besteht: Nach dieser Gesetzesstelle ist für den Fall, daß der Inhaber der Anlage die Voraussetzungen für die Genehmigungspflicht in Zweifel zieht, vorgesehen, daß auf Antrag des Inhabers der Anlage die Behörde die Anlage oder das Vorhaben zu prüfen und durch Bescheid festzustellen hat, ob die Errichtung und der Betrieb der Anlage der Genehmigung bedürfen. Auf diese Bestimmung wurde der Beschuldigte durch das Schreiben des Baurechtsamtes vom 9.9.1992 sogar ausdrücklich hingewiesen.

Dennoch hat der Beschuldigte um einen solchen Feststellungsbescheid nicht angesucht.

Aus der Aussage des Zeugen Dr. K geht deutlich hervor, daß die Gewerbebehörde von Anfang an von einer Bewilligungspflicht dieser Anlagenänderung ausgegangen ist.

Das zeigt sich auch deutlich aus dem vom Zeugen erwähnten Gespräch am 15.5.1994, wo der Amtssachverständige zum Ausdruck brachte, daß er von einer Bewilligungspflicht der Änderung ausgehe.

Umso unverständlicher ist die Zurückziehung dieses Ansuchens mit Schreiben vom 18.5.1992.

Als der Berufungswerber durch den Durchschlag dieses Schreibens von der Zurückziehung des Ansuchens erfahren hat, hätte er in Wahrnehmung seiner Kontrollfunktion die sofortige Neueinreichung des Ansuchens oder einen Antrag gemäß § 358 GewO veranlassen müssen.

Das Gutachten des Zivilingenieurs Dr. S, das erst zu einem späteren Zeitpunkt erstellt worden war, konnte an der rechtlichen Beurteilung der von der Gewerbebehörde angenommenen Bewilligungspflicht nichts ändern.

Damit aber steht fest, daß die Errichtung der zwei zusätzlichen Wärmetauscher (W30 und W19a) konsenslos erfolgte und diese Handlung dem Beschuldigten auch subjektiv vorzuwerfen ist.

Zur Aufhebung des Strafausspruches:

§ 22 VStG bestimmt, daß dann, wenn jemand durch verschiedene selbständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen hat oder eine Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen fällt, die Strafen nebeneinander zu verhängen sind.

Das bedeutet, daß für jedes Delikt eine eigene Strafe, somit nebeneinander mehrere Strafen zu verhängen sind, wenn mehrere Verwaltungsübertretungen begangen wurden. Dabei macht es keinen Unterschied, ob der Täter durch verschiedene Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen hat - sei es solcher gleicher oder verschiedener Art - (gleichartige oder ungleichartige Realkonkurrenz) oder durch ein und dieselbe Tat mehrere verschiedene Delikte verwirklicht wurden (Idealkonkurrenz) (Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, Seite 818).

Wenn trotz Vorliegens mehrerer Übertretungen eine einheitliche Strafe verhängt wird, so ist dem Beschuldigten durch die Nichtanwendung des § 22 VStG die Möglichkeit genommen, sich gegen die Verfolgung jedes einzelnen der ihm zur Last gelegten Delikte zur Wehr zu setzen (VwGH 16.12.1987, 87/02/0073; siehe Hauer-Leukauf, aaO Seite 821).

Mit seinem Erkenntnis vom 30.6.1994, Zl. 94/09/0049, hatte der Verwaltungsgerichtshof ein Erkenntnis eines unabhängigen Verwaltungssenates im wesentlichen mit der Begründung behoben, daß sich dem erstinstanzlichen Straferkenntnis auch nicht in Verbindung mit seiner Begründung entnehmen lasse, wie die verhängte Gesamtstrafe auf die damals zur Last gelegten beiden Verwaltungsübertretungen aufzuteilen sei, wobei er darauf hinwies, daß sich diese auch in bezug auf die Tatzeiten unterscheiden (im vorliegenden Fall ist jedenfalls ein gravierenderer Unterschied gegeben, da die vorgeworfene Einbindung eines alten Lagerbehälters in die Gesamtanlage jedenfalls einen ganz anderen Tatvorwurf darstellt als die zusätzliche konsenslose Einbindung zweier neuer Wärmetauscher). Nach den Ausführungen des VwGH gäbe es in diesem Zusammenhang keinen Maßstab, anhand dessen sich zweifelsfrei beurteilen lasse, ob die aufrechterhaltene eine Verwaltungsübertretung eine höhere Strafe bedingt hätte oder nicht. Diese Folge einer Fehlleistung der Behörde erster Instanz könne jedenfalls bei der im Beschwerdefall vorliegenden Fallkonstellation von der Berufungsbehörde nicht mehr korrigiert werden; sie habe in diesem Fall den Strafausspruch ersatzlos aufzuheben.

Aus diesen Ausführungen ist ersichtlich, daß bei der vorliegenden Fallkonstellation (ein Tatvorwurf war ersatzlos aufzuheben, der andere jedoch nicht) die Neufestsetzung eines Strafausspruches lediglich für die zweite Verwaltungsübertretung durch die Berufungsbehörde nicht zulässig ist.

Es war zwar wohl der Schuldspruch zu bestätigen, doch entfällt im vorliegenden Fall ein Strafausspruch.

Zu IV:

Wird ein Strafverfahren eingestellt oder eine verhängte Strafe infolge Berufung aufgehoben, so sind die Kosten des Verfahrens von der Behörde zu tragen (§ 66 Abs.1 VStG).

Da das Straferkenntnis im Tatvorwurf 1 behoben wurde und hinsichtlich des Tatvorwurfes 2 der Strafausspruch behoben wurde, entfällt somit ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. B l e i e r

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