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VwSen-221068/18/Gu/Atz

Linz, 06.02.1995

VwSen-221068/18/Gu/Atz Linz, am 6. Februar 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Hans GUSCHLBAUER über die Berufung des Ing. P P, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. K K, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 28.7.1994, Ge-96/360/1993/Tr, wegen Übertretung des Arbeitnehmerschutzgesetzes, nach der am 13.12.1994 und 20.1.1995 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:

Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis wird bestätigt.

Der Rechtsmittelwerber hat als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens den Betrag von 2.000 S binnen 14 Tagen nach Zustellung der Entscheidung an den O.ö.

Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG, § 31 Abs.2 AnSchG, § 7 Abs.1 der Bauarbeitenschutzverordnung, § 16, § 19, § 64 Abs.1 und 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat den Rechtsmittelwerber mit dem angefochtenen Straferkenntnis schuldig erkannt, es als gemäß § 31 Abs.2 Arbeitnehmerschutzgesetz verantwortlicher Bevollmächtigter (Abteilungsleiter) für die Baustelle in W, des Arbeitgebers "F" Metall- und Glasverarbeitungstechnik GesmbH., H, vertreten zu müssen, daß am 16. Juni 1993 auf der Baustelle in W, die Arbeitnehmer O und O auf dem Dach dieses Gebäudes bei der Deckenöffnung über dem Stiegenhaus (ca. 6 x 3 m) mit der Montage von Metallprofilen beschäftigt wurden, wobei an dieser Arbeitsstelle ein Absturz von ca. 12 m vom Dachgeschoß ins zweite Obergeschoß möglich gewesen sei, jedoch keine Einrichtungen, wie Brustwehren, Arbeitsgerüste oder Fangnetze angebracht gewesen seien, die geeignet gewesen wären, ein Abstürzen der Arbeitnehmer zu verhindern bzw. ein Weiterfallen hintanzuhalten, obwohl gemäß § 7 Abs.1 der Bauarbeitenschutzverordnung an allen Arbeitsstellen, an denen Absturzgefahr besteht, Einrichtungen anzubringen sind, die geeignet sind, ein Abstürzen der Dienstnehmer zu verhindern oder ein Weiterfallen hintanzuhalten, wie Arbeitsgerüste, Brustwehren oder Fangnetze; bei Arbeiten an besonders gefährlichen Stellen müssen die Dienstnehmer überdies angeseilt sein, das gleiche gilt für das Anbringen oder Entfernen von Schutzeinrichtungen an besonders gefährlichen Stellen.

Wegen Verletzung des § 7 Abs.1 der Bauarbeitenschutzverordnung iVm § 31 Abs.2 lit.p, § 33 Abs.1 lit.a Z12 und § 33 Abs.7 Arbeitnehmerschutzgesetz wurde ihm in Anwendung des § 31 Abs.2 leg.cit. eine Geldstrafe von 10.000 S (im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen) und ein Verfahrenskostenbeitrag von 1.000 S auferlegt.

In seiner rechtzeitig dagegen erhobenen Berufung macht der rechtsfreundlich vertretene Beschuldigte geltend, daß er wie bereits in seiner Stellungnahme vom 18.10.1993 und 2.11.1993 im Verfahren vorgebracht, in der Funktion eines Montageleiters 15 - 20 Baustellen in ganz Österreich mit 14 Montagetrupps zu betreuen habe und es ihm aus diesem Grunde gänzlich unmöglich sei, gleichzeitig an jeder Baustelle anwesend zu sein, um jeden Arbeitnehmer auf die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften zu überprüfen. Für jeden Montagetrupp sei ohnedies ein verantwortlicher Vorarbeiter bestellt.

Dreimal jährlich fänden im Betrieb interne Montageschulungen statt, bei denen die Vorarbeiter in den geltenden Schutzvorschriften unterwiesen würden. Diese Vorarbeiter besäßen bei Abwesenheit des Beschuldigten Weisungsbefugnis in bezug auf die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen an die ihnen unterstellten Arbeitnehmer.

Vor Ort seien die Vorarbeiter für die konkrete und permanente Umsetzung der Arbeitnehmerschutzvorschriften verantwortlich.

Bei den auf der Baustelle angetroffenen Arbeitnehmern habe es sich um zwei langjährig im Betrieb beschäftigte Dienstnehmer gehandelt, welche langjährig eigenverantwortlich als Vorarbeiter Baustellen geleitet hätten.

Die erste Instanz habe diesbezüglich keine Erörterungen im angefochtenen Straferkenntnis getroffen und habe nicht dargetan, wie das lückenlose Kontrollsystem und "die entsprechenden Maßnahmen" aussehen sollten, damit dem Beschuldigten die Glaubhaftmachung seiner Unschuld gelänge.

Die Ausführungen im angefochtenen Straferkenntnis seien rein erfolgsorientiert. Hingewiesen wird, daß sämtliche Montagebusse mit den erforderlichen Sicherheitseinrichtungen ausgestattet sind.

Im übrigen würden die Baustellen regelmäßig vom Beschuldigten in kürzeren Abständen aufgesucht und die Arbeitnehmer auf die Einhaltung der Schutzbestimmungen hingewiesen.

Permanent hinter jeden Monteur zu stehen, wäre bei weitem überspannt. Der Beschuldigte sei langjährig als Montageleiter tätig. Nachdem er als unbescholten anzusehen sei, spreche dies dafür, daß er seine Sorgfaltspflicht ernst nehme.

Aus all diesen Gründen beantragt er, allenfalls nach Beweiswiederholung die Einstellung des Verfahrens, hilfsweise die Milderung der verhängten Geldstrafe auf ein angemessenes Maß.

Aufgrund der Berufung wurde am 13. Dezember 1994, fortgesetzt am 20. Jänner 1995, die öffentliche mündliche Verhandlung in Gegenwart des Beschuldigten und seines rechtsfreundlichen Vertreters, sowie eines Vertreters des Arbeitsinspektorates durchgeführt, in deren Rahmen dem Beschuldigten Gelegenheit zur Rechtfertigung gegeben und die Zeugen Mag. W M, M O und M O vernommen.

Demnach steht folgender Sachverhalt fest:

Der Beschuldigte hat von der Geschäftsführung der "F" Metall- und Glasverarbeitungstechnik GesmbH. mit dem Sitz in Hörsching die Bevollmächtigung erhalten und übernommen, als Montageleiter all das zur Arbeitssicherheit auf den Baustellen ERFORDERLICHE wahrzunehmen. So ist ihm insbesondere die Beschaffung aller Sicherheitseinrichtungen und Geräte und die Schulung des Personals nach jeder Richtung hin übertragen. In diesem Rahmen finden eine Schulung des Montagepersonals in Zusammenarbeit mit der A und weitere drei Schulungen der Vorarbeiter statt.

Als Montageleiter ist dem Beschuldigten auch die Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen auf den meist gleichzeitig bestehenden 14 - 15 Baustellen übertragen.

Letztere Tatsache bringt es mit sich, daß er diese Montagetrupps nicht täglich kontrollieren kann. Die Vorarbeiter sind beauftragt, größtes Augenmerk auf die Arbeitssicherheit zu halten und ist ihnen eingeschärft, daß sie auch Mitverantwortung tragen. Im gegenständlichen Fall war M O der Vorarbeiter.

Die Vorarbeiter hatten bei einer Sitzung vom Geschäftsführer, Herrn S, mitgeteilt bekommen, daß es (den Vorarbeitern) passieren kann, wenn sie nicht aufpaßten und sie etwas Unerlaubtes tun oder zu verantworten haben, die Strafe oder die Folgen zu tragen hätten, insbesondere wenn Folgen einhergehen und sie vom Gericht zur Verantwortung gezogen werden.

O verstand dies als sowohl strafrechtliche als auch zivilrechtliche Haftung, wobei vom Geschäftsführer weder die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung noch die gerichtliche Verantwortung ausdrücklich angesprochen wurde.

Am 16. Juni 1993 erschien auf der Baustelle W, ein Organ des Arbeitsinspektorates für Bauarbeiten Wien und traf die im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses umschriebenen Verhältnisse an, wodurch feststeht, daß der Vorarbeiter die damit auch der eigenen Sicherheit dienenden Vorkehrungen gegen Absturz nicht getroffen hatte.

Hiezu kam es, weil ein anderes Unternehmen über Nacht maßgebliche Teile des durchgehenden Gerüstbelages entfernt hatte und dieser daher beim Wiederaufbau bzw. Hochziehen des Gerüstes teilweise fehlte. Auch keine Netze waren vorhanden.

Die Baustelle diente für Arbeiten zur Verglasung eines Dachabschlußbereiches und dauerte ca. 3 - 4 Tage, wobei der Arbeitsinspektor am zweiten Tage Vormittag erschien. Der Beschuldigte war bis dahin nicht auf diesem Abschnitt erschienen, sondern war bei der unteren Etage eine Woche zuvor ein- bis zweimal auf der Baustelle.

Nach der Beanstandung besorgten die Arbeitnehmer Netze und brachten sie als Absturzsicherung an; die Montage einer mitgeführten, aber offenbar bei den Arbeiten hinderlichen Brustwehr unterblieb.

Was die Bestreitung der Schuldfrage anlangt, war folgendes rechtlich zu erwägen:

Gemäß § 31 Abs.2 des Arbeitnehmerschutzgesetzes begehen Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die den Vorschriften der auf grund des § 24 dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnung (um eine solche handelt es sich gemäß § 33 Abs.1 lit.a Z12 leg.cit. bei der Verordnung vom 10. November 1994, BGBl.Nr. 267 über Vorschriften zum Schutz des Lebens und der Gesundheit von Dienstnehmern bei Ausführung von Bauarbeiten, Bauneben- und Bauhilfsarbeiten), zuwiderhandeln, eine Verwaltungsübertretung und sind, sofern die Tat nicht nach anderen Gesetzen strenger zu bestrafen ist, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 50.000 S zu bestrafen.

Für eine Annahme, daß die Tat nach anderen Bestimmungen strenger zu bestrafen sei, ergab sich kein Anhaltspunkt.

Gemäß § 9 Abs.1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen - die "F" Metall- und Glasverarbeitungstechnik GesmbH. ist eine solche - sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Absatz 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

Die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten wurde nicht dargetan.

§ 31 Abs.2 Einleitungssatz Arbeitnehmerschutzgesetz enthält eine besondere Bestimmung - derzufolge auch Bevollmächtigte, für deren Verantwortungsübertragung nicht die förmlichen Bestimmungen des § 9 Abs.2 und 4 VStG gelten - für Übertretungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes verwaltungsstrafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen sind.

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt - dies trifft den gegenständlichen Fall - zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Die in Rede stehende Strafbestimmung des Arbeitnehmerschutzgesetzes knüpft an keinen Erfolg an.

§ 31 Abs.2 lit.p AnSchG ist ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt.

Im Ergebnis ist in der Zusammenschau der vorhin getroffenen Sachverhaltsfeststellungen dem Beschuldigten die Glaubhaftmachung seiner Unschuld nicht gelungen.

Der Vorarbeiter M O, der einerseits vom handelsrechtlichen Geschäftsführer nur einen vagen Verantwortungsbereich, was die Haftung anlangt, zugewiesen bekommen hatte (gerichtlich kann bei einem Gefährdungsdelikt seine Verantwortlichkeit tatsächlich greifen), konnte, da er seinen eigenen Schutz mißachtete, nicht gleichzeitig Bevollmächtigter sein, der verwaltungsstrafrechtlich für die Sicherheitsbestimmungen einstehen müsse, zumal die Haftung eines Bevollmächtigten namens des Arbeitgebers ihn nicht gleichzeitig als schutzbedürftiger Arbeitnehmer treffen kann.

Der Beschuldigte hat das neue aufgezogene Gerüst nicht gesehen und daher auch keine konkreten Anordnungen getroffen.

Zutreffend hat der Beschuldigte bemerkt, daß er nicht gleichzeitig (dh. nicht in der erforderlichen Dichte) die 15 Montagetrupps beaufsichtigen kann.

Eine Person allein, auch wenn sie in Vorarbeitern Erfüllungsgehilfen besitzen, vermag bei derart vielen Baustellen nicht entsprechend häufige Kontrollen der Arbeitssicherheit zu bewältigen. Daß sich der Beschuldigte dies zumutete, bedeutete für ihn die Einlaßfahrlässigkeit, für die er nunmehr einzustehen hat.

Was die Strafbemessung anlangt, so wird auf die ausführlichen und zutreffenden Ausführungen der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses verwiesen.

Die Bestätigung des Straferkenntnisses brachte mit sich, daß der erfolglose Berufungswerber einen Beitrag von 20 % der bestätigten Geldstrafe als Kostenbeitrag für das Berufungsverfahren zu leisten hat (§ 64 Abs.1 und 2 VStG).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Guschlbauer

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