Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-221081/5/Ga/La

Linz, 17.05.1995

VwSen-221081/5/Ga/La Linz, am 17. Mai 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung der M B, vertreten durch Dr. W U und Dr. A U, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 25. August 1994, Zl. Ge96/118/1992/Um, wegen Übertretungen von Arbeitnehmerschutzvorschriften, zu Recht erkannt:

I. In den Spruchpunkten 1., 3., 5. bis 8. und 10. wird der Berufung Folge gegeben; in diesen Spruchpunkten wird das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und die Einstellung des Strafverfahrens verfügt. In den Spruchpunkten 2., 4., 9. und 11. wird die Berufung hingegen abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis in Schuld, Strafe und Kostenausspruch bestätigt; II. Die Berufungswerberin hat a) in den Spruchpunkten 1., 3., 5. bis 8. und 10. keinen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor der Strafbehörde zu leisten; b) in den Spruchpunkten 2., 4., 9. und 11. als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens 20 % der je verhängten Strafen, das sind zu 2. 600 S, zu 4. 1.000 S, zu 9.

600 S und zu 11. 600 S, zusammen 2.800 S, binnen 14 Tagen ab Zustellung dieses Erkenntnisses bei sonstiger Exekution zu leisten.

Rechtsgrundlage:

AVG: § 66 Abs.4.

VStG: § 24; § 19, § 21, § 51 Abs.1, § 51c, § 51d, § 51e Abs.2; § 64 Abs.2, § 65, § 66 Abs.1.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde als erwiesen angenommen und vorgeworfen: Die Berufungswerberin ist schuldig, sie habe gemäß § 9 Abs.1 VStG als zur Vertretung nach außen berufenes Organ in ihrer Stellung als handelsrechtliche Geschäftsführerin der B-BauGesellschaft m.b.H. in der Gemeinde Pischelsdorf verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten, daß von dieser Gesellschaft als Arbeitgeber im Zuge der Baustelle "Altbausanierung beim Gemeindeamt P", wie das Arbeitsinspektorat Vöcklabruck am 20. Mai 1992 festgestellt habe, in insgesamt elf Fällen Vorschriften des Arbeitnehmerschutzes, nämlich des Arbeitnehmerschutzgesetzes (ANSchG), der Bauarbeitenschutzverordnung (BArbSchV) und der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV), verletzt worden seien.

Wegen dieser, in elf getrennten Schuldsprüchen dargestellten Verwaltungsübertretungen, denen die Spruchteile gemäß § 44a Z2 und Z3 VStG je zugeordnet sind, wurden über die Berufungswerberin Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) in der Höhe zwischen 1.000 S und 5.000 S (zwölf Stunden bis sechzig Stunden) je kostenpflichtig verhängt, u.zw. zu 2.

3.000 S (36 Stunden), zu 4. 5.000 S (60 Stunden), zu 9.

3.000 S (36 Stunden) und zu 11. 3.000 S (36 Stunden).

2. Dagegen hat die rechtsfreundlich vertretene Beschuldigte eine das Straferkenntnis seinem ganzen Umfang nach anfechtende, teils die Taten bestreitende und teils die rechtliche Beurteilung rügende, die Aufhebung und Verfahrenseinstellung, hilfsweise die Anwendung des § 21 VStG bzw. die Herabsetzung der verhängten Geldstrafen auf "äußerstenfalls ein Zehntel" beantragende Berufung erhoben.

Die belangte Behörde hat ohne Gegenäußerung diese Berufung und zugleich den Strafakt am 28. September 1994 vorgelegt.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Strafakt der belangten Behörde zu Zl.

Ge96/118/1992. Weil daraus einerseits ersichtlich war, daß das angefochtene Straferkenntnis in einigen Spruchpunkten aufzuheben ist und andererseits der maßgebende Sachverhalt in den zu bestätigenden Spruchpunkten bereits ausreichend wie unten im einzelnen darzustellen sein wird - geklärt vorliegt, dieser Sachlage in der Berufung allerdings nur Bestreitungen ohne konkretes Tatsachenvorbringen entgegengestellt werden und im übrigen eine unrichtige rechtliche Beurteilung durch die belangte Behörde geltend gemacht wird, konnte aus diesen Gründen gemäß § 51e Abs.2 VStG von der Durchführung einer - von der Berufungswerberin auch nicht beantragten - öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

4. In der Sache selbst hat der unabhängige Verwaltungssenat zu den einzelnen Spruchpunkten erwogen:

Vorweg ist festzuhalten, daß es sich bei den Spruchpunkten 1. bis 11. in rechtlicher Hinsicht in Wahrheit um elf gesonderte Strafbescheide, ungeachtet ihrer Zusammenfassung in das Kleid eines Gesamtbescheides, handelt. Dies hätte in der Begründung des Straferkenntnisses entsprechenden Ausdruck finden müssen. Der Umstand, daß die Spruchpunkte (mit einer Ausnahme) in der Begründung ungegliedert abgehandelt werden, erschwert nicht nur die Verfahrensökonomie auf der Berufungsebene, sondern auch die unbehinderte Handhabung des Rechtsschutzes insbesondere für die Beschuldigtenpartei und ist - auch hinsichtlich der Strafbemessung - als Verstoß gegen die der Behörde aufgetragene Begründungspflicht gemäß §§ 58 Abs.2 und 60 AVG (iVm § 24 VStG) zu werten.

Zu 1.

Die belangte Behörde hat übersehen, daß die hier als nicht erstattet vorgeworfene Meldung der Baustelle gemäß der Gebotsnorm des § 5 Abs.1 BArbSchV spätestens am Tage des Arbeitsbeginnes zu erstatten gewesen wäre.

Daraus ist für die Tatzeit abzuleiten, daß eine Übertretung dieser Vorschrift bereits mit Ablauf des genannten Tages vollendet und zugleich beendet ist. Für die Tatbestandsmäßigkeit nicht mehr von Belang ist hingegen, daß auch in weiterer Folge eine solche Meldung nicht erstattet wird. Der Schuldspruch enthält keine Angaben, denen ausdrücklich oder doch eindeutig erschließbar der für die Tatzeit somit allein maßgebliche Tag des Arbeitsbeginnes entnommen werden könnte. Jedenfalls gibt diesbezüglich der in der Einleitung des Straferkenntnisses mit Geltung für alle Spruchpunkte angegebene Feststellungszeitpunkt nach den Umständen des Falles keine sichere Auskunft.

Im Ergebnis ist die Tatzeit nicht vorgeworfen und auch nicht rechtzeitig in Verfolgung gezogen worden, sodaß in diesem Spruchpunkt wegen fehlender Identität der Tat im Grunde des § 44a Z1 VStG mit Aufhebung vorzugehen und gleichzeitig gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG die Einstellung des Strafverfahrens zu verfügen war.

Zu 2.

Maßgebliches Tatbestandsmerkmal der Gebotsnorm des § 71 Abs.8 BArbSchV ist, daß die vom Dienstgeber zu veranlassende Betriebssicherheitsprüfung des Bauaufzuges durch eine fachkundige Person nach der (neuerlichen) Aufstellung des Aufzuges jedenfalls vor seiner Inbetriebnahme durchzuführen ist.

Was in diesem Zusammenhang 'Inbetriebnahme' meint, bestimmt die BArbSchV nicht ausdrücklich. Auf der Hand liegend wird darunter die erstmalige Benützung des Aufzuges in Erfüllung seines Verwendungszweckes zu verstehen sein.

Mit der belangten Behörde, die in der Begründung des Straferkenntnisses zu Recht auf die Aussagekraft des vom Arbeitsinspektorat angefertigten (und auch, wie aus der Rechtsmittelschrift selbst schlüssig hervorgeht, von der Berufungswerberin eingesehenen) Fotos verweist, hält der unabhängige Verwaltungssenat sowohl die Aufstellung als auch die Inbetriebnahme des Bauaufzuges für erwiesen. Diese Sachverhaltsannahme kann die Berufungswerberin mit der daher aktenwidrigen Behauptung, daß Beweisergebnisse nicht vorlägen, nicht erschüttern. In der Vernehmung am 16.

Dezember 1992 hat weiters die Berufungswerberin (durch ihren Vertreter) selbst angegeben, daß der Aufzug "erst am Tag der Überprüfung aufgestellt" worden ist. Daß der Aufzug an diesem Tag auch in Betrieb genommen worden ist, ist unzweifelhaft, weil auf dem betreffenden Foto klar erkennbar mit dem schon aufgestellten Aufzug eine Schiebetruhe und zwei Personen befördert werden und die Berufungswerberin selbst nicht behauptet, daß eine dieser beiden Personen die die Betriebssicherheitsprüfung gerade vornehmende fachkundige Person gewesen sei. Angesichts dieser Sachlage konnte in diesem Fall das Straferkenntnis in vertretbarer Weise vom Feststellungstag als Tattag ausgehen, weil im Zusammenhang gelesen dadurch hinlänglich konkret ausgedrückt wird, daß vor der an diesem Tag erfolgten Inbetriebnahme des Aufzugs die Prüfung nicht stattgefunden hat.

Der Schuldspruch war daher zu bestätigen.

Die Übertretung - vorliegend handelt es sich um ein Ungehorsamsdelikt - ist der Berufungswerberin auch als schuldhaft, nämlich wenigstens mit Fahrlässigkeit begangen zuzurechnen; sie hat fehlendes Verschulden in diesem Faktum schon nicht einmal behauptet und folglich zur Glaubhaftmachung ihrer Schuldlosigkeit im Sinne des § 5 Abs.1 zweiter Satz VStG auch nichts vorgebracht.

Zu 3.

Als verletzte Strafbestimmung ist diesem Faktum § 31 Abs.2 lit.j ANSchG zugrundegelegt. Danach ist der Arbeitgeber zu bestrafen, wenn er für die Instandhaltung, Prüfung und Reinigung ua. der Betriebseinrichtungen (das sind gemäß § 5 Abs.1 ANSchG auch Maschinen und Fördereinrichtungen) keine Sorge trägt. Gleichzeitig verweist die Strafbestimmung auf die eben dadurch zum Tatbestand erhobene Gebotsnorm des § 17 ANSchG.

Durch diese Verweisung ist jedoch (nicht nur der in diesem Fall nicht relevante Abs.1, sondern) auch der Abs.2 des § 17 leg.cit. von der Strafbestimmung erfaßt. Davon ausgehend aber hätte sich - auf den vorliegenden Fall angewendet - die Berufungswerberin dann strafbar gemacht, wenn sie die in § 17 Abs.2 ANSchG genannten Vormerke (betr. den Bauaufzug) entgegen der ausdrücklichen Anordnung den Organen der Arbeitsinspektion nicht zur Einsichtnahme vorgelegt hätte.

Mit diesem Tatbild ist allerdings die im Spruchpunkt 3.

angelastete Tat (womit etwas ganz anderes, nämlich daß Vormerke entgegen der - von der verweisenden Norm gar nicht erfaßten - Vorschrift des § 5 Abs.5 ANSchG nicht geführt worden seien, gemeint ist) nicht zu vereinbaren.

Eine Auswechslung der Tat durch die Berufungsbehörde, um vorliegend die Tatbestandsmäßigkeit aus dem Blickwinkel des Pflichtenkataloges des hier allein maßgeblichen § 17 ANSchG erstmals herzustellen, würde freilich die inhaltliche Änderung des Abspruchsgegenstandes bedeuten. Dies jedoch ist dem unabhängigen Verwaltungssenat wegen seiner Sachbindung verwehrt.

Im Ergebnis war das Straferkenntnis in diesem Spruchpunkt daher aufzuheben und gemäß § 45 Abs.1 Z1 zweiter Fall VStG die Einstellung zu verfügen.

Zu 4.

§ 68 Abs.4 BArbSchV normiert das Personenbeförderungsverbot für Vorrichtungen, die nur für den Transport von Lasten bestimmt sind.

Der Tatvorwurf unterstellt - nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates zu Recht - , daß der spruchgegenständliche, im § 71 BArbSchV geregelte "Bauaufzug" eine solche nur für den Lastentransport bestimmte Vorrichtung ist. Daß der namentlich bezeichnete Arbeitnehmer mit dem Bauaufzug am Feststellungstag mitfahrend angetroffen wurde, bestreitet die Berufungswerberin nicht. Daraus folgt für diesen Fall schlüssig, daß der Feststellungstag zugleich die Tatzeit angibt. Der von der Berufungswerberin eingewendete Grund für die Beförderung ist als Rechtfertigung der Übertretung ungeeignet, weil das Beförderungsverbot, wie die belangte Behörde zutreffend begründet, absolut angeordnet ist. Im übrigen wird, was die auch hier vorauszusetzen gewesene Inbetriebnahme des Bauaufzuges angeht, auf den zum Faktum 2.

festgestellten Sachverhalt verwiesen. Auch für die Erfüllung der subjektiven Tatseite gilt, weil hier gleichfalls ein Ungehorsamsdelikt vorliegt, das zu Faktum 2. Ausgeführte.

Der Schuldspruch war daher zu bestätigen.

Zu 5.

Gemäß § 32 Abs.1 BArbSchV sind Gerüste vor der jeweils erstmaligen Benützung durch einen fachkundigen Beauftragten des Aufstellers zu prüfen.

Demgemäß ist die Tatzeit einer Übertretung dieser Vorschrift, vergleichbar dem Delikt unter Faktum 1., spätestens mit dem Tag der erstmaligen Benützung bestimmt.

'Benützung' im Sinne dieser Vorschrift meint nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates jedenfalls Arbeiten, die nicht im überwiegenden Zusammenhang mit der Gerüstmontage stehen. Wenngleich das erkennende Mitglied nach Einsicht in die dem Straferkenntnis zugrundegelegt (und auch der Berufungswerberin bekannt) gewesenen, unbedenklichen Beweismittel mit der belangten Behörde überzeugt ist, daß die auf den vom Arbeitsinspektorat erstellten Fotos zu erkennenden Arbeitnehmer auf dem Gerüst keine Gerüstmontagearbeiten, sondern Bauarbeiten verrichten, ist weder dem Schuldspruch noch dem Akt insgesamt mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit zu entnehmen, daß der Kontrolltag zugleich auch der Tattag der erstmaligen (unbefugten) Benützung der Gerüste gewesen wäre.

Im Ergebnis fehlt auch diesem Faktum die Tatidentität durch Vorwurf einer bestimmten Tatzeit, sodaß im Grunde des § 44a Z1 VStG auf Aufhebung zu erkennen und gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG die Einstellung des Verfahrens zu verfügen war.

Zu 6.

Die hier als verletzt erkannte Gebotsnorm des § 46 Abs.13 zweiter Satz AAV trägt dem Arbeitgeber die Führung von Vormerken über bestimmte Prüfungen bei solchen Gerüsten, von denen Arbeitnehmer mehr als 2 m abstürzen können, auf.

Erfaßt sind zwei unterschiedliche Arten von Prüfungen: die zwingend nach der "Fertigstellung" (hier: die Aufstellung) des Gerüstes vorzunehmende Prüfung (§ 46 Abs.9 AAV) und die nur je nach Erfordernis, insbesondere nach längeren Arbeitsunterbrechungen, nach jedem Sturm etc. zielgerichtet auf Standsicherheit, Tragfähigkeit und Begehbarkeit des Gerüstes vorzunehmende Prüfung (§ 46 Abs.10 AAV).

Zur - nicht spezifizierenden - Spruchanlastung, keine Vormerke über die Prüfung des verwendeten Gerüstes geführt zu haben, wendet die Beschuldigte in der Berufungsschrift konkret nichts ein.

Die Akteneinsicht erweist, daß die belangte Behörde nicht für ermittlungsbedürftig hielt, auf welche Vormerke sich die Anzeige des Arbeitsinspektorats bezogen hat. Vielmehr muß aus der Formulierung des Schuldspruchs geschlossen werden, daß der Tatvorwurf beide Arten von Prüfungen bzw. Vormerken erfassen wollte. Die Bescheidbegründung gibt dazu keine Aufhellung. Damit aber übersieht das Straferkenntnis in diesem Spruchpunkt, daß die Berufungswerberin immerhin bei der Vernehmung am 16. Februar 1992 ein die unterschiedlichen Voraussetzungen der beiden von § 46 Abs.13 zweiter Satz AAV erfaßten Vormerke offenbar aufgreifendes Bestreitungsvorbringen erstattet hatte.

Diese Aktenlage ist aus folgendem Grund rechtlich belangvoll: Der objektive Tatbestand einer Verletzung der Vormerkführungspflicht nach Maßgabe des § 46 Abs.13 zweiter Satz AAV wird als Unterlassungsdelikt in der Gestalt eines Dauerdelikts verwirklicht, sodaß nicht nur die unterlassende Herbeiführung, sondern auch die Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Zustandes fortwirkend bis zur schließlichen Erfüllung der Gebotsnorm strafbar bleibt. Dies aber erfordert aus dem Blickwinkel des § 44a Z1 VStG wenigstens den Vorwuf des Beginns des Tatzeitraumes. Diesen Tatzeitbeginn vorliegend mit dem Feststellungstag gleichzusetzen (vgl. VwGH 4.2.1993, 92/18/0427), scheidet im Berufungsfall im Zweifel zugunsten der Berufungswerberin allerdings deswegen aus, weil schon nicht mit Sicherheit feststeht, ob überhaupt beide Arten bzw. welche von beiden Arten der Vormerkführungspflicht, die zu je unterschiedlichen Zeitpunkten ausgelöst werden können, verletzt sein soll(en). Ist aber das Substrat der Pflichtverletzung zweifelhaft, ist dadurch auch die sichere Fixierung des Beginns der deliktischen Unterlassung(en) gehindert.

Zusammenfassend sind im Ergebnis für dieses Faktum die Tatumstände nicht so genau umschrieben, daß die Tat unverwechselbar feststünde. Es war daher die Aufhebung auszusprechen und gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG die Einstellung des Verfahrens zu verfügen.

Zu 7.

Die für dieses Faktum maßgebliche Gebotsnorm des § 46 Abs.11 AAV trifft unter dem Gesichtspunkt des Arbeitnehmerschutzes Anordnungen für das sichere Erreichen von Arbeitsplätzen auf Gerüsten.

Die Tatbestandsmäßigkeit ist daher nur erfüllt, wenn sich der Vorwurf der nicht sicheren Erreichbarkeit nicht auf Gerüstlagen schlechthin, sondern auf das wesentliche Tatbestandsmerkmal "Arbeitsplätze" bezieht. Diesem Konkretisierungserfordernis entspricht der Tatvorwurf in diesem Faktum zwar nicht ausdrücklich, aber immerhin in noch vertretbarer Weise dadurch, daß der Vorwurf hinsichtlich Gerüstlagen "des verwendeten Gerüstes" erhoben wird. Dieses für die Tatbestandsmäßigkeit in diesem Fall somit entscheidende Sachverhaltselement hat jedoch die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 20. November 1992 (als erste Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs.2 VStG) noch nicht enthalten. Andere taugliche Verfolgungshandlungen sind innerhalb der sechsmonatigen Verjährungsfrist nicht gesetzt worden.

Deshalb war dieses Faktum schon zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Straferkenntnisses der Verjährung anheim gefallen, sodaß auch diesbezüglich die Aufhebung auszusprechen und gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG die Einstellung des Verfahrens zu verfügen war.

Zu 8.

Für Betriebsmittel, somit auch für Gerüste, trägt die hier zugrundegelegte Gebotsnorm des § 5 Abs.1 ANSchG dem Arbeitgeber auf, daß diese dem Stand der Technik entsprechend derart ausgebildet oder sonst wirksam gesichert sein und auch so aufgestellt und verwendet werden müssen, daß ein möglichst wirksamer Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer erreicht wird. ... Von diesen Regeln abweichende Ausführungen sind jedoch zulässig, sofern zumindest der gleiche Schutz erreicht wird.

Die Tatanlastung bestreitend wendet die Berufungswerberin ein, daß sie eine geeignete Maßnahme zum Höhenausgleich, nämlich einen kräftigen Vierkantholzteil mit Keilen vorgenommen habe, weil eine derartige Unterlage wegen der konkreten Bodenverhältnisse erforderlich gewesen sei und weil die von der belangten Behörde (beispielhaft) angesprochene Schraubenspindel keinerlei ordnungsgemäße Gründung des Gerüstes bewirkt hätte.

Dieses Vorbringen führt die Berufung in diesem Faktum schon deswegen zum Erfolg, weil der spruchgemäße Tatvorwurf bezogen auf wesentliche Tatbestandsmerkmale des § 5 Abs.1 ANSchG gänzlich unkonkretisiert geblieben ist. Der Vorwurf, den Ausgleich von Höhenunterschieden durch ungeeignete Maßnahmen vorgenommen zu haben, hätte mit dem Vorwurf verbunden werden müssen, daß deswegen (arg.: "derart" in § 5 Abs.1 ANSchG) kein ausreichender Schutz des Lebens und der Gesundheit der das Gerüst benützenden Arbeitnehmer erreicht worden ist und hätte - wegen des Bestreitungsvorbringens anläßlich der Vernehmung am 16. Dezember 1992 - auch vorwerfen müssen, daß mit der von der Berufungswerberin eingewendeten abweichenden Ausführung der zumindest gleiche Schutz nicht erreicht werden konnte.

Auch in diesem Faktum war der Schuldspruch im Grunde des § 44a Z1 VStG wegen Unbestimmtheit des Tatvorwurfs aufzuheben und gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG die Einstellung zu verfügen.

Zu 9.

Der hier von der belangten Behörde als verletzte Verwaltungsvorschrift angegebene § 46 Abs.6 AAV verlangt für Gerüstbeläge über Gewässern oder mit Absturzhöhe von mehr als 2 m die Sicherung nicht nur mit Brust- und Fußwehren, sondern auch mit dazwischen angebrachten Mittelwehren, so zwar, daß der lichte Abstand zwischen jeweils zwei Teilen der Umwehrung nicht mehr als 0,4 m beträgt.

Aus dem Sinnzusammenhang des § 46 AAV ("Gerüste") geht insgesamt hervor, daß den darin angeordneten Sicherheitsstandards ein Gerüst jedenfalls dann zu entsprechen hat, wenn es "in Verwendung genommen wird" (vgl.

die Wortwahl in § 46 Abs.9 letzter Halbsatz leg.cit.). Daß in diesem Sinn das Gerüst an der gegenständlichen Baustelle zum Feststellungszeitpunkt von Arbeitnehmern verwendet wurde, steht schon nach der Aktenlage fest (vgl. oben "Zu 5."), hantiert doch die auf den Fotos abgebildete Person auf einer jedenfalls mehr als 2 m über dem Erdboden befindlichen - nicht mit Fuß- und Mittelwehren versehenen - Gerüstlage mit einem Wasserschlauch, der ersichtlich zur Befeuchtung des auf zwei Gebäudeseiten angeworfenen Verputzes benützt wird, was unzweifelhaft aus den Wasserspuren sowohl am Verputz als auch am Erdboden entlang beider Wandfüße zu ersehen ist. Daß diese Person ein Arbeitnehmer ist, hat die Berufungswerberin nicht bestritten.

Auf einem der - von der Berufungswerberin eingesehenen Fotos ist zu erkennen, wie der Arbeitnehmer auf der Gerüstlage mit dem Wasserschlauch in den von ihm mitgeführten Handeimer spritzt. Es erweist sich daher die Darstellung, wonach die "mit den Wiederherstellungsarbeiten beauftragte Arbeitskraft ... einen Eimer mit Montageteilen und Werkzeug mit(hatte)", als eine an Mutwillen grenzende, grob aktenwidrige Behauptung.

Dieser Schuldspruch war zu bestätigen. Was die Erfüllung der subjektiven Tatseite anbelangt, wird auf die bezüglichen Ausführungen unter Faktum 2. verwiesen.

Zu 10.

Die belangte Behörde stützt den Tatvorwurf - es seien zum Feststellungszeitpunkt die Enden der (schon vom Faktum 9.

allgemein erfaßten) Gerüstlagen nicht mit Absturzsicherungen versehen gewesen - gleichfalls auf § 46 Abs.6 AAV. Diese Vorschrift regelt jedoch für 'Enden' von Gerüstbelägen keine besondere Absturzsicherung. Vielmehr muß die in dieser Vorschrift festgelegte Sicherung mittels Brust-, Fuß- und Mittelwehren als auch für die 'Enden' geltend verstanden werden.

Ausgehend davon beurteilt der unabhängige Verwaltungssenat den deliktischen Erfolg (Unrechtsgehalt) der unter diesem Faktum angelasteten, den Arbeitnehmerschutz verletzenden Unterlassung als bereits vom Tatvorwurf gemäß Faktum 9.

miterfaßt, sodaß eine dergestalt gesonderte Anlastung sich als Verstoß gegen das Verbot der Doppelbestrafung auswirkt.

Aus diesem Grund war der Schuldspruch aufzuheben und gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG, weil insoweit Umstände vorliegen, die die - nochmalige - Bestrafung der Berufungswerberin in dieser Sache ausschließen, die Einstellung des Verfahrens zu verfügen.

Zu 11.

Gemäß § 39 Abs.5 BArbSchV müssen im Innern von Bauten Stiegen und Stiegenläufe, solange das vorschriftsmäßige Geländer nicht angebracht ist, mit einem provisorischen Geländer versehen sein.

Bezogen auf die wesentlichen Merkmale erfüllt der spruchgemäße Tatvorwurf, es seien die Stiegenläufe ... nicht mit einem provisorischen Geländer versehen gewesen, das objektive Tatbild. Keine Bedenken bestehen, als Tatzeit in diesem Fall den Feststellungstag zugrundezulegen.

Die Berufungswerberin bestreitet den - somit erwiesenen Sachverhalt des im Innern des Baustellengebäudes nicht angebracht gewesenen provisorischen Geländers ausdrücklich nicht. Sie bringt jedoch rechtfertigend vor, daß an diesem Tag ein schwerer Bauteil mit "montiertem Provisorialteil" habe transportiert werden müssen. Ein Antrag gemäß § 90 BArbSchV, nach welcher Bestimmung von der Behörde nach Anhörung des Arbeitsinspektorats gleichwertige andere Vorkehrungen oder Abweichungen von dieser Verordnung zugelassen werden können, sei - so die Berufungswerberin "zur Problemlösung nicht geeignet" gewesen. Auch sei infolge der von ihr gewählten Vorgangsweise das Verletzungsrisiko im Ergebnis niedriger gewesen. Insgesamt könne ihr daher weder schuldhaftes Handeln noch Mißachtung der Schutzpflichten vorgeworfen werden.

Mit diesem Vorbringen verkennt die Berufungswerberin die Rechtslage, die die Beachtung von Arbeitnehmerschutzvorschriften nicht in ihr abwägendes Belieben stellt und die Verbindlichkeit der Schutzvorschriften auch nicht mit Blick auf die "baubetriebliche Praxis" relativiert, einerseits.

Andererseits haben schon Arbeitsinspektorat und belangte Behörde zutreffend auf die Möglichkeiten gemäß § 90 BArbSchV hingewiesen.

Hinsichtlich der subjektiven Tatseite - auch vorliegend handelt es sich um ein Ungehorsamsdelikt - gelingt der Berufungswerberin mit ihren Ausführungen nicht iSd § 5 Abs.1 zweiter Satz VStG die Glaubhaftmachung, daß sie an der Einhaltung der Schutzvorschrift kein Verschulden trifft.

Dazu hätte sie nämlich initiativ ua. darzulegen gehabt, aus welchen Gründen ihr - trotz sorgfältiger und vorausschauender Bauplanung, die ihr im Hinblick auf ihre Fachkundigkeit zumutbar abverlangt werden kann - eine rechtzeitige Antragstellung iSd § 90 leg.cit. (zB mit geeigneten Hinweisen auf eine dringliche Erledigung) nicht möglich gewesen sein soll.

Auch sind die Hinweise auf "in der betrieblichen Praxis eben Tag für Tag und unvorbereitet (auftretende) Situationen", weil zu allgemein, für ihre Entlastung ungeeignet.

Gleiches gilt für den Hinweis auf "das Verletzungsrisiko, (das) ungleich höher gewesen (wäre)", sodaß damit eine entschuldigende Notstandssituation iSd § 6 VStG von vornherein nicht begründet werden kann.

Zusammenfassend war der Schuldspruch zu diesem Faktum zu bestätigen.

Zur Strafbemessung 5.1. Die Berufungswerberin hält die von der Behörde ausgemessenen Geldstrafen für weit überhöht, ist der Auffassung, daß die Strafhöhen zu den einzelnen Fakten "auch offenbar völlig willkürlich" festgelegt seien und hält im Vergleich mit den Strafhöhen, "wie sie beispielsweise für gravierende Übertretungen der StVO oder des KFG verhängt werden, durch die vorliegend verhängten Strafen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit für vollkommen mißachtet.

Es seien daher die Strafhöhen um eine Zehnerpotenz überhöht angesetzt. Auch habe die Strafbehörde im Zuge des Ermittlungsverfahrens keine Erhebungen über die persönlichen Verhältnisse veranlaßt und stelle, gemessen an dem von der Behörde geschätzten Einkommen, eine Strafhöhe von insgesamt mehr als zwei Monatsgehältern eine ungerechtfertigte Härte dar.

5.2. Dieses Vorbringen ist nur teilweise berechtigt. So trifft zu, daß aus dem Strafakt und im besonderen aus der Niederschrift über die Vernehmung des in Vertretung einschreitenden Sohnes der Berufungswerberin vom 16.

Dezember 1992 keinerlei Ermittlungsbemühungen der belangten Behörde zu den persönlichen Verhältnissen der Beschuldigten hervorgehen. Im Hinblick darauf darf auch dem einschreitenden Vertreter nicht, wie es die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses tut, zum Vorwurf gemacht werden, daß er solche Verhältnisse anläßlich dieser Vernehmung nicht bekanntgegeben habe. Gegen die von der Strafbehörde schließlich auf Grund einer freilich der Berufungswerberin vorher nicht bekanntgegebenen - Schätzung zugrundegelegten Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse (monatliches Nettoeinkommen 15.000 S, kein Vermögen, keine Sorgepflichten) hat die Berufungswerberin in der Rechtsmittelschrift allerdings nichts vorgebracht, sodaß im Ergebnis der Verfahrensfehler unwesentlich geblieben ist und der unabhängige Verwaltungssenat keinen Anlaß hat, an der Sachlichkeit dieser Schätzung zu zweifeln.

Daß die belangte Behörde strafbemessend den Unrechtsgehalt der Taten gar nicht oder rechtswidrig bewertet hätte, wendet die Berufungswerberin ebensowenig ein, wie sie auch gegen die Schuldangemessenheit der Strafen konkret nichts vorbringt. Im übrigen jedoch hat die belangte Behörde bei ihrer unter Bedachtnahme auf den gesetzlichen Strafrahmen zu treffenden Ermessensentscheidung die weiteren Kriterien des § 19 VStG beachtet. Insbesondere ist die Abwägung der Milderungsgründe gegen die Erschwerungsgründe in der Begründung des Straferkenntnisses nachvollziehbar dargestellt. Fand schon die belangte Behörde keine Milderungsgründe zu berücksichtigen, so hat auch die Berufungswerberin diesbezüglich nichts eingewendet und lag dem unabhängigen Verwaltungssenat auch kein Anlaß vor, solche Gründe von sich aus aufzugreifen. Auf der anderen Seite hat die Berufungswerberin die von der belangten Behörde berücksichtigten Erschwerungsgründe (einschlägige Verwaltungsvorstrafe; gehäufte Verstöße gegen dasselbe geschützte Rechtsgut) unbestritten gelassen. Schon der zuletzt genannte Erschwerungsgrund, aber auch die insgesamt aus Berufung und Aktenlage hervorleuchtende Uneinsichtigkeit der Beschuldigten verhindern im übrigen die hilfsweise, jedoch ohne nähere Begründung begehrte Anwendung des § 21 VStG.

5.3. Aus allen diesen Gründen kann von einer leichtfertigen (zB VfSlg 6155) oder das Ermessen exzessiv ausübenden (zB VfSlg 4480) Straffestsetzung keine Rede sein und ist daher der Vorwurf einer "offenbar völlig willkürlichen" Vorgangsweise der Strafbehörde als ungerechtfertigte Übertreibung zu bewerten.

Ausgehend von diesem, somit im wesentlichen gesetzmäßigen Strafbemessungsverfahren ist aber auch nicht zu erkennen, daß Geldstrafen, deren höchste mit einem Zehntel des Strafrahmens noch immer im untersten Bereich der gesetzlichen Möglichkeiten festgesetzt wurde, "weit überhöht" sein sollen.

Schließlich war dem Vorwurf einer Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit schon deswegen nicht nachzugehen, weil dieser Vorwurf rechtsirrig von einer (alleinigen) Betrachtung der Gesamtsumme aller zu den Einzelübertretungen verhängten Geldstrafen ausgeht und insoweit das für das Verwaltungsstrafverfahren kennzeichnende Kumulationsprinzip gemäß § 22 VStG übersieht. Daß aber die im Berufungsfall zweifellos rechtmäßige Anwendung des Kumulationsprinzips im Ergebnis zu einer die Verhältnismäßigkeit verletzenden und daher gleichheitswidrigen Gesamtstrafhöhe geführt hätte, ist auszuschließen.

5.4. Zusammenfassend sind die in den bestätigten Schuldsprüchen verhängten Geldstrafen - auch mit ihrem abgestuften, im unterschiedlichen Unrechtsgehalt begründeten Ausmaß - tat- und schuldangemessen. Die Bezahlung dieser Strafen ist der Berufungswerberin nach der Aktenlage auch zumutbar. Gegen die Höhe der festgesetzten Ersatzfreiheitsstrafen hat die Berufungswerberin nichts vorgebracht; auch der unabhängige Verwaltungssenat hegt dagegen keine Bedenken.

6. Auf der Kostenseite bewirkt diese Entscheidung, daß der Berufungswerberin der gemäß § 64 Abs.2 VStG 20%ige Beitrag zum Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat nur hinsichtlich der bestätigten Schuld- und Strafaussprüche aufzuerlegen ist (vgl. VwGH 30.8.1991, 91/09/0022); ebenso ist der Wegfall des Kostenbeitrags zum Verfahren vor der Strafbehörde in den Spruchpunkten 1., 3., 5. bis 8. und 10.

gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Gallnbrunner

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