Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-221099/13/Le/La

Linz, 31.03.1995

VwSen-221099/13/Le/La Linz, am 31. März 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Manfred Leitgeb über die Berufung des W K, vertreten durch Rechtsanwalt Dr.W B, gegen das Straferkenntnis des Magistrates Salzburg als Bezirksverwaltungsbehörde vom 18.4.1994, Zl. 1/06/25061/94/007, wegen Übertretung der Gewerbeordnung 1973, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird, soweit sie sich gegen die Schuld richtet, keine Folge gegeben; der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses wird jedoch wie folgt ergänzt:

Nach den Worten: "... durch einen Beauftragten Bestellungen" wird folgender Satzteil eingefügt: "für Haushaltswaren (Kochgeschirr und Bettzeug)".

Der Berufung wird jedoch, soweit sie sich gegen die Strafe richtet, Folge gegeben und die verhängte Geldstrafe auf 1.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe auf 9,5 Stunden) herabgesetzt.

II. Es entfällt ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG iVm §§ 19, 24, 51 Abs.1, 51c und 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52 idgF.

Zu II.: § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.:

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Beschuldigte einer Verwaltungsübertretung nach § 367 Z19 iVm § 59 Abs.2 Gewerbeordnung 1973 für schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe in Höhe von 10.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe von vier Tagen) verhängt. Es wurde ihm vorgeworfen, es als gewerberechtlicher Geschäftsführer der Firma R - Rund um den Haushalt - Haushaltsgeräte Ges.m.b.H., die im Besitz einer Gewerbeberechtigung zur Ausübung des Handelsgewerbes am Standort S, sei, verantworten zu haben, daß am 18.1.1994 im Rahmen einer Werbeveranstaltung im Gasthaus M in B G durch einen Beauftragten Bestellungen von den Privatpersonen C P und G P an seine Firma zur Weiterleitung an diese entgegengenommen wurden, obwohl diese Art der Entgegennahme von Bestellungen unzulässig sei.

1.2. In der Begründung wurde nach einer wörtlichen Wiedergabe der Zeugenaussagen der Frau C P sowie der Frau G P und der Rechtfertigung des Beschuldigten die Rechtslage nach § 59 Abs.2 zweiter Satz sowie § 367 Z19 GewO 1973 festgehalten. Daraufhin wurde festgestellt, daß die gegenständliche Warenpräsentation von einem Beauftragten am im Spruch angeführten Ort für die Firma R - Rund um den Haushalt - am 18.1.1994 durchgeführt worden sei. Dem Akt würden Kopien von ausgefüllten Bestellkarten an die gegenständliche Firma, datiert mit 18.1.1994 (P G) und 18.1.1993 (P C) beiliegen. Weiters wurde festgestellt, daß die Datierung "1993" offensichtlich ein Schreibfehler wäre. Bei beiden Bestellerinnen handle es sich um Privatpersonen bzw.

Kundinnen iSd Konsumentenschutzgesetzes.

Die entscheidende Behörde sah es als erwiesen an, daß die Bestellungen, nämlich die der Firma zuzumittelnden Bestellkarten, von einem Dritten (dem Warenpräsentator) im Anschluß an die Präsentation zur Weiterleitung an die Firma R entgegengenommen worden waren, wobei folgende Gründe maßgeblich wären:

Die Bestellkarten der Firma R bestehen aus einem gelben, einem blauen und einem roten Durchschreibblatt, denen die eigentliche, aus festerem Papier bestehende und grundsätzlich zum Postversand geeignete Bestellkarte nachgeheftet sei. Wenn nun die Zeuginnen angaben, das "Original" der Bestellkarte sei ihnen übergeben worden, handle es sich dabei um das erste Durchschreibblatt, da die zur Übermittlung an die Firma bestimmte Bestellkarte mittels Durchschreibevorgang ausgefüllt wurde.

Ergänzend führte die Erstbehörde aus, daß in dem Fall, daß die Bestellungen nicht an Ort und Stelle entgegengenommen worden wären, keine Veranlassung bei den Zeuginnen bestanden hätte, unter Einschaltung des Konsumentenschutzes wieder von den Bestellungen Abstand zu nehmen.

Hinsichtlich des Verschuldens nahm die Erstbehörde zumindest Fahrlässigkeit an, da es der Beschuldigte offensichtlich unterlassen habe, durch geeignete Maßnahmen die Annahme von Bestellungen durch den Warenpräsentanten im Zuge der Werbeveranstaltung zu verhindern.

Zur Strafbemessung führte die Erstbehörde aus, daß die Vermögens-, Einkommens- und Familienverhältnisse der Behörde nicht bekannt seien. Mildernd wäre die bisherige Unbescholtenheit gewertet worden sowie der Umstand, daß laut Zeugenaussagen ein Zwang zur Bestellung nicht ausgeübt worden sei. Im Hinblick auf die steigende Anzahl von einlaufenden Anzeigen gegen den Beschuldigten wegen der Entgegennahme von Bestellungen bei Warenpräsentationen hätte eine geringere Strafe schon aus spezialpräventiven Gründen nicht verhängt werden können.

In der Rechtsmittelbelehrung wurde angeführt, daß der Beschuldigte das Recht habe, gegen diesen Bescheid entweder beim Magistrat der Stadt Salzburg oder beim unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Salzburg eine Berufung einzubringen.

2. Mit der rechtzeitig beim unabhängigen Verwaltungssenat Salzburg eingebrachten Berufung vom 10.5.1994 bekämpft der Berufungswerber das angefochtene Straferkenntnis zur Gänze und beantragt, der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Erstinstanz zurückzuverweisen; in eventu, nach ergänzender Zeugeneinvernahme von C P und G P sowie M S das Verwaltungsstrafverfahren ersatzlos einzustellen.

In der Begründung dazu führt er an, daß eine Bestellung gegenüber der Firma R erst dann wirksam sei, wenn diese Bestellkarte im Postwege am Firmensitz des Unternehmens einlange. Erst mit dem Einlangen der Bestellkarte sei die rechtliche Qualifikation der Entgegennahme einer Bestellung gegeben. Aus den Zeugenaussagen sei jedenfalls nicht geklärt, ob Bestellkarten zur Weiterleitung an die Firma R übernommen worden seien. Der diesbezügliche Schluß der Erstbehörde könne in dieser Form ohne entsprechendes Beweisergebnis keinesfalls Deckung finden. Die Erstbehörde gehe ohne konkreten Anhaltspunkt einfach von Vermutungen aus, wenn sie als erwiesen ansehe, daß die Bestellungen der beiden Personen im Anschluß an die Präsentation zur Weiterleitung an die Firma R engegengenommen worden seien. Die beiden Zeuginnen wären überhaupt nicht befragt worden, ob sie die Bestellkarten selbst zur Post gegeben haben oder nicht. Nach der Geschäftsbedingungsformulierung in der Bestellkarte "Ich bestelle hiermit folgende Artikel und bestätige mit meiner Unterschrift, daß ich die Bestellkarte persönlich im Postweg übersende" hätte die Behörde erster Instanz, wenn sie dieser von den Zeuginnen unterfertigten Vertragsbedingung schon keinen Glauben beimessen wollte, zu erforschen gehabt, wer die für den Postweg vorgesehene Bestellkarte an sich genommen hat und ob sie überhaupt zur Post gegeben wurde bzw. im Postweg bei der Firma R eingelangt oder gar nicht eingelangt sei.

Ausdrücklich wurde gerügt, daß die Zeuginnen nochmals und ausführlich zum Sachverhalt zu befragen gewesen wären. So hätte die Zeugin P angegeben, daß sie in der Veranstaltung mit einem "Geschirrzettel" (rosa Farbe) zu dem Herrn gegangen sei und zu ihm gesagt hätte, daß sie keine Bestellung machen möchte, da sie erst mit ihrem Lebensgefährten Absprache halten möchte. Der Herr hätte ihr gesagt, daß dies keine Bestellung sei, er einige Tage zuwarten werde und sie ihn dann anrufen solle, ob ihr Lebensgefährte einverstanden sei, dann erst sei die Bestellung gültig. Damit finde der inkriminierte Tatbestand in dieser Zeugenaussage keine Deckung.

Wenn die Behörde erster Instanz in ihrer Sachverhaltsfeststellung davon ausgehe, daß die zur Übermittlung an die Firma bestimmte Bestellkarte von einem Dritten (dem Warenpräsentator) zur Weiterleitung entgegengenommen worden sei, so finde dies in der Zeugenaussage der beiden genannten Personen keine Deckung.

Die beiden Zeuginnen hätten durch ihre Unterschriftsleistung auf der Bestellkarte bestätigt, daß sie diese persönlich im Postweg übersenden wollen. Es wäre hier - da kein anderes Beweisergebnis dem entgegenstehe - zumindest im Zweifel davon auszugehen gewesen, daß die Zeuginnen die Bestellkarte persönlich zur Post gegeben haben; eine gegenteilige Aussage wäre von den Zeuginnen nicht getroffen worden.

Die Erstbehörde hätte sich beweismäßig auch überhaupt nicht damit auseinandergesetzt, daß nach Aussage der Zeuginnen eine rechtsgültige und verbindliche Bestellung gar nicht vorgenommen worden sei, sondern eine Bedingung, nämlich die Zustimmung des Lebensgefährten, zur Voraussetzung der Gültigkeit der Bestellung vereinbart worden sei. Es wäre im Verfahren erster Instanz weiters nicht geklärt worden, wer die Bestellung weitergeleitet hat, ob sie überhaupt weitergeleitet wurde bzw. ob sie bei der Firma R Ges.m.b.H. eingelangt sei, da dies nach den Geschäftsbedingungen Voraussetzung wäre, daß eine Bestellung überhaupt angenommen wird bzw. werden kann.

Der Verweis der Erstbehörde, daß für den Fall, daß die Bestellungen nicht an Ort und Stelle entgegengenommen worden wären, keine Veranlassung bei den Zeuginnen bestanden hätte, unter Einschaltung des Konsumentenschutzes wieder von der Bestellung Abstand zu nehmen, sei unlogisch: Die Zeuginnen hätten selbst angegeben, daß eine rechtsgültige Bestellung noch gar nicht vorgelegen hätte, von der Zustimmung einer dritten Person abhängig war und der Veranstaltungsdurchführende absprachegemäß hätte zuwarten sollen, bis sich die Zeuginnen telefonisch bei ihm melden.

Sie hätten somit keine Stornierung der Bestellung gegenüber der Firma R, sondern einfach eine telefonische Abstandnahme von einer Bestellung bei Herrn S vorzunehmen gehabt. Da er selbst nicht hätte feststellen bzw. nachweisen können, ob eine Bestellung tatsächlich entgegengenommen worden sei bzw. wer eine Bestellkarte zur Post gegeben hat, wäre die Erstbehörde verpflichtet gewesen, zu diesem Thema die Zeuginnen P und P als auch den die Veranstaltung durchführenden M S zeugenschaftlich zu den offenen Fragen zu vernehmen. Herr S sei im übrigen kein Angestellter der R Ges.m.b.H., sondern ein selbständiger Gewerbetreibender.

Sollte Herr S tatsächlich Bestellkarten selbst zur Weiterleitung im Postwege übernommen haben, so hätte er mit einem derartigen Verstoß gegen § 59 Abs.2 GewO 1973 keinesfalls rechnen müssen, da es mit Herrn Seikmann bis dato keinerlei Beanstandungen gegeben hätte.

3. Die Berufung wurde unmittelbar beim unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Salzburg eingebracht und von diesem mit Schreiben vom 18.5.1994 dem Magistrat Salzburg zur allfälligen Erlassung einer Berufungsvorentscheidung bzw.

Aktenvorlage übermittelt.

Mit Schreiben des unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark (!) vom 5.10.1994 wurde der gegenständliche Akt sowie die Berufung dem unabhängigen Verwaltungssenat für das Land Oberösterreich zuständigkeitshalber übermittelt.

Der Magistrat der Landeshauptstadt Salzburg hat keine Berufungsvorentscheidung erlassen.

4. Zur Klärung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes führte der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich am 30.3.1995 im Marktgemeindeamt B G eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Rechtsvertreter des Berufungswerbers, Herr Rechtsanwalt Dr.

W B, sowie die Zeuginnen Frau C P und Frau G P sowie der Zeuge Herr M S teilnahmen. Die belangte Behörde ist der Verhandlung unentschuldigt ferngeblieben.

Aus der Befragung der Zeugen ergab sich folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt:

Am 18.1.1994 führte Herr M S für die Firma R - Rund um den Haushalt - Haushaltsgeräte Ges.m.b.H.

eine Werbeveranstaltung durch. Herr S war zu diesem Zeitpunkt freier Mitarbeiter dieser Gesellschaft. Er hatte keinen schriftlichen Werkvertrag. Die Entlohnung erfolgte auf Provisionsbasis, wobei die Höhe seiner Provision abhängig war vom Wert der einlangenden Bestellungen.

Herr S präsentierte die Waren, nämlich Geschirr, Haushaltsgeräte und Bettwäsche, und lud die Interessenten ein, am Ende der Veranstaltung zu ihm nach vor zu kommen.

Frau C P interessierte sich für eine Geschirrkombination und begab sich daher zu Herrn S, wo die Bestellkarte ausgefüllt wurde. Zuvor wies Frau P darauf hin, daß sie vor einer fixen Bestellung erst ihren Lebensgefährten um dessen Zustimmung fragen müsse, worauf vereinbart wurde, daß die Bestellkarte ausgefüllt und unterschrieben wird, diese Bestellung aber erst dann wirksam werde, wenn Frau P dem Herrn S telefonisch mitgeteilt hat, daß der Lebensgefährte zustimmt. Bei dem in der Bestellkarte genannten Artikel "Kombi Cuisimat Chrome de Luxe 11 tlg" handelte es sich um Kochgeschirr. Frau P gab bei ihrer Vernehmung an, daß sie weder die Rücknoch die Vorderseite der Bestellkarte gelesen hatte und insbesondere auch nicht zur Kenntnis genommen hatte, daß sie mit ihrer Unterschrift bestätigte, daß sie die Bestellkarte persönlich im Postweg übersende. Vielmehr ließ sie die Bestellkarte bei Herrn S zurück mit der Vereinbarung, daß die Bestellung erst dann wirksam werden solle, wenn sie ihm telefonisch von der Zustimmung des Lebensgefährten Mitteilung machte. Es war aber vereinbart, daß sie außer diesem Anruf nichts weiter tun müsse, um die Bestellung wirksam werden zu lassen.

Frau G P bestätigte als Zeugin im wesentlichen die Aussage ihrer künftigen Schwiegertochter C P.

In ihrem Falle war von vornherein klar, daß sie die Bestellung fix abgeben wollte. Auch sie hatte weder die Vorder- noch die Rückseite der Bestellkarte gelesen. Bei der zeugenschaftlichen Vernehmung gab sie an, daß mit der eigenhändigen Unterfertigung der Bestellkarte durch sie die Angelegenheit für sie erledigt gewesen wäre, insbesonders wäre ihr ebenfalls nicht gesagt worden, daß sie eine Bestellkarte in den Postkasten werfen müsse. Herr S hätte ihr vielmehr zugesagt, daß die Ware in zwei bis vier Wochen bei ihr einlangen werde.

Beide Zeuginnen gaben übereinstimmend an, daß Herr S keinerlei Zwang ausgeübt hätte, um sie zu den Bestellungen zu nötigen. Zur Befassung des Konsumentenschutzes der Arbeiterkammer Salzburg sei es deshalb gekommen, weil der Lebensgefährte von Frau C P (= der Sohn von Frau G P) der Bestellung nicht zugestimmt hätte und auch nicht darauf vertraut hätte, daß diese schriftliche Bestellung durch ein Telefonat storniert werden könnte. Frau P habe die Bestellung deshalb storniert, weil sie von der Konsumentenvertretung die Auskunft erhalten hätte, daß die Artikel viel zu teuer wären.

Herr M S gab als Zeuge an, daß er zu Beginn seiner Tätigkeit für die Firma R eingeschult worden wäre, allerdings wäre dies hauptsächlich ein Verkaufsseminar gewesen.

Zur Handhabung der Bestellkarten bestätigte der Zeuge S die Aussagen der Zeuginnen P und P insofern, als er zugab, diesen nicht erklärt zu haben, daß sie selbst die Bestellkarten in den Postkasten einwerfen müßten. Er hätte es so wie 100 andere gemacht, daß er selbst die Bestellkarten im Postwege an die Firma R übersandt hätte. Er gab auch zu, die Bestellkarten von den Zeuginnen übernommen zu haben, um sie an die Firma R weiterzuleiten, weil davon auch seine Provisionszahlung abhängig war. Ob er allerdings die gegenständlichen Bestellkarten der beiden Zeuginnen weitergeleitet hätte, konnte er nicht mehr sagen; er bezweifelte dies, da die Stornierung fristgerecht erfolgt sei.

Herr S gab weiters an, daß er für die Firma R ca.

zwei Jahre gearbeitet habe und in dieser Zeit bei einigen Werbeveranstaltungen ein Vertreter der Firma R anwesend gewesen sei. Es hätte sich dabei um den Schulungsleiter, Herrn F N gehandelt, der im Anschluß an die Veranstaltung mit ihm über eine Optimierung der Präsentation gesprochen hatte. Über die Art der Entgegennahme der Bestellungen wäre nicht gesprochen worden.

Nach der Einvernahme der oben genannten Zeugen beantragte der Rechtsvertreter des Bw. die Einvernahme zweier weiterer Zeugen, die jedoch abgelehnt wurde, da der Sachverhalt ausreichend geklärt erschien.

5. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

5.1. Dem Beschuldigten steht das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat zu, in dessen Sprengel nach dem Ausspruch der Behörde erster Instanz die Tat begangen wurde (§ 51 Abs.1 VStG).

Da im angefochtenen Straferkenntnis als Tatort das Gasthaus "M" in B G angeführt wird, ergibt sich die Zuständigkeit des Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich. Daran kann auch die unrichtige Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Straferkenntnisses, daß die Berufung (auch) beim unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Salzburg eingebracht werden kann, nichts ändern.

Gemäß § 51c VStG entscheiden die unabhängigen Verwaltungssenate über Berufungen durch Kammern, die aus drei Mitgliedern bestehen, wenn aber im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch eines ihrer Mitglieder.

Da im angefochtenen Straferkenntnis eine Geldstrafe in Höhe von 10.000 S verhängt wurde, entscheidet über diese Berufung das nach der Geschäftsverteilung zuständige Mitglied des unabhängigen Verwaltungssenates.

5.2. Zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Straferkenntnisses stand bereits die Gewerbeordnung 1994, BGBl.Nr.

194/1994, in Geltung; die Tat erfolgte jedoch noch vor Inkrafttreten dieser Wiederverlautbarung, sodaß für diese Verwaltungsübertretung noch die Gewerbeordnung 1973 in der Fassung der Novelle 1992 anzuwenden ist. Hinsichtlich der Tatbestandsmerkmale und des Strafrahmens ergeben sich jedoch keinerlei Unterschiede, sodaß davon auszugehen ist, daß das geltende Recht für den Beschuldigten nicht günstiger ist im Sinne des § 1 Abs.2 VStG.

§ 367 Z19 GewO 1973 (nunmehr Z20) hatte folgenden Wortlaut:

"Eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 30.000 S zu bestrafen ist, begeht, wer 19. die Bestimmungen über das Sammeln und die Entgegennahme von Bestellungen (§§ 54-59, 61, 115 Abs.3 und 4 und 240) oder die Bestimmungen der aufgrund der §§ 54 Abs.2 oder 57 Abs.2 erlassenen Verordnungen nicht einhält, wenn nicht der zweite oder dritte Tatbestand des § 368 Z6 gegeben ist;" ...

§ 59 Abs.2 bestimmt:

"In allen anderen als in den in Abs.1 genannten Fällen, insbesondere auf der Straße, ist die Entgegennahme von Bestellungen auf Waren von Privatpersonen unzulässig. Eine unzulässige Entgegennahme von Bestellungen liegt auch vor, wenn die während einer Werbeveranstaltung von den Veranstaltungsbesuchern ausgefüllten Bestellscheine von einem Dritten zur Weiterleitung an den Gewerbetreibenden übernommen werden." Feststeht im vorliegenden Fall, daß Herr M S als Vertreter der Firma R Rund um den Haushalt Haushaltsgeräte Ges.m.b.H. am 18.1.1994 in B G im Gasthaus "M" Produkte dieser Firma einem Publikum, bestehend aus Privatpersonen im Sinne des § 59 GewO, vorgeführt hat und daß er im Anschluß daran zumindest von Frau C P und Frau G P "Bestellkarten" für Haushaltswaren entgegengenommen hat. Im Falle von C P wurde vereinbart, daß Herr S noch einige Tage zuwarten werde, ob der Lebensgefährte von Frau P mit der Bestellung einverstanden sei, "dann erst sei die Bestellung gültig". Bei G P wurde die Bestellung nicht von einem späteren Ereignis abhängig gemacht, sodaß sie sofort und ohne Einschränkung entgegengenommen wurde.

Damit ist aber der vorgeworfene Tatbestand in objektiver Hinsicht erfüllt, weil alle Tatbestandsmerkmale verwirklicht wurden. Auch das Tatbestandsmerkmal des § 59 Abs.2 letzter Satz ist erfüllt, weil Herr S als Repräsentant der Firma R Bestellkarten entgegengenommen hat, um sie an die Firma R weiterzuleiten. Daran können die vom Berufungswerber vorgebrachten Argumente nichts ändern, weil es zur Verwirklichung des vorgeworfenen Tatbestandes nicht darauf ankommt, wann die Bestellung wirksam wird, sondern nur darauf, daß sie zur Weiterleitung entgegengenommen wird.

Daß diese Bestellungen von Herrn S zur Weiterleitung an den Berufungswerber als gewerberechtlichen Geschäftsführer der Firma R entgegengenommen wurden, liegt zwingend auf der Hand, weil Herr S als Repräsentant dieser Gesellschaft tätig wurde und er seine Tätigkeit zu Erwerbszwecken ausübte. Im Ermittlungsverfahren ist hervorgekommen, daß er auf Provisionsbasis gearbeitet hat, wobei die Höhe der Provision vom Wert der eingelangten Bestellungen abhängig war.

Es kann ihm daher nicht unterstellt werden, die Bestellkarten nur deshalb entgegengenommen zu haben, um sie für sich zu behalten. Er hat vielmehr anläßlich der mündlichen Verhandlung ausdrücklich erklärt, daß er die Bestellkarten entgegengenommen hat, um sie im Postweg an den Bw. weiterzuleiten. Zur Verwirklichung des objektiven Tatbestandes kommt es nicht mehr darauf an, ob er sie dann tatsächlich weitergeleitet hat.

5.3. Was die vom Bw. im Berufungsschriftsatz angezweifelten Aussagen der Zeuginnen angeht, ist auf folgendes zu verweisen:

Die bereits in der Rechtfertigung vorgebrachte und in der Berufung wiederholte Behauptung, daß die Bestellungen erst wirksam wären, wenn die Original-Bestellkarten postalisch einlangen, mag für den Bereich des Zivilrechtes zutreffen, für die Erfüllung der Tatbestandsmerkmale der angelasteten Verwaltungsübertretung ist dieser Umstand - weil dort nicht genannt - jedoch ohne Belang.

Zur Aussage der Zeugin C P, sie sei "mit einem Geschirrzettel (rosa Farbe) zu dem Herrn gegangen", behauptet der Bw., Frau P habe gar kein Geschirr bestellt; er schließt daraus, daß der inkriminierte Tatbestand in dieser Zeugenaussage keine Deckung finde.

Laut "Artikelbezeichnung" der Bestellkarte von Frau P scheint folgender Wortlaut auf: "Kombi Cuisimat + Chrome de Luxe 11 tlg". Nach der anläßlich der mündlichen Berufungsverhandlung abgegebenen Aussage der Zeugin P handelte es sich hiebei um Kochgeschirr. Damit ist aber der gegenteiligen Berufungsausführung der Boden entzogen.

Schließlich ist in der mündlichen Berufungsverhandlung aus allen Zeugenaussagen klar hervorgekommen, daß die Bestellungen vom Warenpräsentator der Firma R fix entgegengenommen wurden und die Kundinnen nach der Unterschriftsleistung keine weitere Handlung setzen mußten, um die bestellten Waren zu erhalten. Auch bei der Bestellung von Frau P handelte es sich um eine fixe Bestellung; diese sollte lediglich dann, wenn der Lebensgefährte nicht zustimmt, wieder rückgängig gemacht werden.

Zusammenfassend ist daher festzustellen, daß der objektive Tatbestand erfüllt ist.

5.4. Der Bw. hat anläßlich der mündlichen Berufungsverhandlung durch seinen Rechtsvertreter weiters vorgebracht, daß ihm kein Verschulden zur Last gelegt werden könne, weil er ständig nahezu 100 Mitarbeiter (angestellt bzw. frei) beschäftigt habe, die mit derartigen Werbepräsentationen betraut sind. Jeder Mitarbeiter werde eingeschult und dabei auch auf die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften, insbesonders das Verbot der Entgegennahme von Bestellung während der Werbeveranstaltungen hingewiesen. Er habe zur Überwachung der Einhaltung dieser Bestimmungen auch ein Kontrollsystem aufgebaut: unter seiner Leitung würden der Verkaufsleiter für Österreich, die Verkaufsleiter für die jeweiligen Bundesländer sowie die Verkaufsleiter für die einzelnen Bezirke die Aufgabe haben, die Werbeveranstaltungen sporadisch zu besuchen und die Präsentatoren zu überprüfen.

Eine weitergehende Kontrolle sei weder tatsächlich möglich noch zumutbar.

Dem ist entgegenzuhalten, daß der Aussage des unter Wahrheitspflicht einvernommenen Zeugen Matthias Seikmann zu entnehmen ist, daß er bezüglich der Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften bei diesen Werbeveranstaltungen kein einziges Mal überprüft worden ist.

Im Verlaufe seiner zweijährigen Tätigkeit für den Bw. wurde er zwar ein paar Mal während seiner Veranstaltungen vom Schulungsleiter besucht, doch hat dieser (offensichtlich seiner Aufgabe als "Schulungsleiter" gemäß) mit ihm lediglich die Optimierung der Warenpräsentation besprochen, nicht aber die Handhabung der Bestellkarten bzw. die Entgegennahme der Bestellungen. Der Zeuge S betonte weiters, daß der Bw. kein einziges Mal an einer seiner Veranstaltungen teilgenommen hätte.

Damit steht aber fest, daß der Bw. in Wahrheit kein wirksames Kontrollsystem eingerichtet hat, weil es ansonsten nicht möglich wäre, daß ein Warenpräsentator zwei Jahre lang während seiner Tätigkeit nicht auf die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften kontrolliert worden ist.

Ein gemäß § 370 Abs.2 GewO bestellter gewerberechtlicher Geschäftsführer hat aber die Aufgabe, für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften Sorge zu tragen, mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsführers bzw. Kaufmanns.

Wenn er seine Aufgaben nicht selbst erfüllt, sondern sich bei der Ausübung der gewerblichen Tätigkeit Dritter bedient, so obliegt es ihm, als gemäß § 370 Abs.2 GewO verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen, seine Mitarbeiter nicht nur entsprechend zu belehren und zu unterweisen, sondern auch die Einhaltung seiner Anweisungen wirkungsvoll zu überprüfen. Für eine mangelnde Kontrolltätigkeit hat der gewerberechtliche Geschäftsführer jedenfalls verwaltungsstrafrechtlich einzustehen.

5.5. Die vorgenommene Ergänzung des Spruches war notwendig, um dem Konkretisierungsgebot des § 44a Z1 VStG zu entsprechen.

5.6. Zur Strafbemessung:

Die Erstbehörde wertete als mildernd die bisherige Unbescholtenheit des Beschuldigten sowie den Umstand, daß laut Zeugenaussage ein Zwang zur Bestellung nicht ausgeübt wurde.

Implizit wurde die steigende Anzahl von einlaufenden Anzeigen gegen den Beschuldigten wegen der Entgegennahme von Bestellungen bei Warenpräsentationen als straferschwerend gewertet, was sich daraus ergibt, daß nach dem Wortlaut des angefochtenen Erkenntnisses "eine geringere Strafe schon aus spezialpräventiven Gründen nicht verhängt" werden konnte.

Damit hat in Wahrheit die Erstbehörde Anzeigen als straferschwerend gewertet, obwohl in der österreichischen Rechtsordnung eine Unschuldsvermutung bis zur rechtskräftigen Verurteilung besteht. Bei der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses kommt man bei dieser Vorgangsweise zu dem kuriosen Ergebnis, daß einerseits die Unbescholtenheit als mildernd gewertet wird, andererseits Anzeigen als straferschwerend, obwohl bloße Anzeigen an der Unbescholtenheit nichts ändern.

Im Ermittlungsverfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat kam weiters hervor, daß die zur Last gelegte Verwaltungsübertretung keine nachteiligen Folgen nach sich gezogen hat, weil die Bestellungen letztlich nicht zustande gekommen sind und die beiden Kundinnen auch ind er weiteren Folge vom Bw. in keiner Weise zur Aufrechterhaltung der Bestellung bzw. zur Rückgängigmachung der Stornierungen gedrängt worden sind.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände erscheint die herabgesetzte Strafe sowohl schuldangemessen als auch dafür geeignet, den Bw. künftig von weiteren derartigen Verwaltungsübertretungen abzuhalten bzw. ein entsprechend wirksames Kontrollsystem aufzubauen.

Zu II.:

Gemäß § 64 Abs.2 VStG beträgt der Kostenbeitrag für das Verfahren erster Instanz 10 % der verhängten Strafe. Da die verhängte Strafe durch die Berufungsbehörde reduziert wurde, ist der Kostenbeitrag in Höhe von 10 % von der verringerten Strafe zu berechnen.

Gemäß § 65 VStG sind die Kosten des Berufungsverfahrens dem Berufungswerber nicht aufzuerlegen, wenn der Berufung auch nur teilweise Folge gegeben oder die Strafe abgeändert worden ist. Damit entfällt ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. L e i t g e b

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