Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-221110/11/Ga/La

Linz, 16.04.1997

VwSen-221110/11/Ga/La               Linz, am 16. April 1997 DVR.0690392                                                          

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des Ing. F A, vertreten durch Dr. F G, Rechtsanwalt in W, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshaupt-mannschaft Linz-Land vom 21. September 1994, Zl. Ge96-179-1994/Tr, wegen Übertretung von Arbeitnehmerschutzvorschriften, zu Recht erkannt:

I. Zum Faktum 1. wird der Berufung stattgegeben; diesbezüglich wird das angefochtene Straferkenntnis in Schuld, Strafe und Kostenausspruch aufgehoben und das Strafverfahren eingestellt.

II. Zu den Fakten 2. und 3. wird die Berufung abgewiesen; diesbezüglich wird das angefochtene Straferkenntnis in Schuld, Strafe und Kostenausspruch mit der Maßgabe bestätigt, daß a) die Einleitung zu den Schuldsprüchen wie folgt zu lauten hat: "Sie sind als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Ing. A Gesellschaft m.b.H., Sitz in N, I, in Ihrer Eigenschaft als deren handelsrechtlicher Geschäftsführer verantwortlich, daß der Arbeitnehmer dieser Gesellschaft F K auf der Baustelle "Musikschule" in N am 18. April 1994 mit der Durchführung von Arbeiten auf einem Montagegerüst in einer Höhe von ca. 4 m über dem Boden beschäftigt wurde, wobei", und b) der zu Faktum 2. als verletzt angegebene § 33 Abs.7 des Arbeitnehmerschutzgesetzes (ANSchG) als im Spruchteil gemäß § 44a Z3 VStG ('Norm, nach der die Strafe verhängt wird') angeführt gilt.

III. Der Berufungswerber hat als Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem unabhängigen Verwaltungssenat zu Faktum 2. 600 S und zu Faktum 3. 400 S zu leisten.

Rechtsgrundlage: AVG: § 66 Abs.4. VStG: § 24; § 45 Abs.1 Z1 (zu I.), § 51 Abs.1, § 51c, § 51e Abs.1 und 2; §§ 64 ff.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber schuldig gesprochen, er habe als für die Baustelle in N, M, verantwortlicher Bevollmächtigter gemäß § 31 Abs.2 ANSchG des Arbeitgebers Ing. A H Gesellschaft m.b.H. mit dem Sitz in N, I, zu vertreten, daß am 18. April 1994 auf der angegebenen Baustelle, wie von einem Organ des Arbeitsinspektorates Linz anläßlich einer Kontrolle festgestellt wurde, "1.  der Arbeitnehmer F K mit der Durchführung von Arbeiten in einer Höhe von ca. 4 m über dem Boden auf einem Montagegerüst - welches auf einem galerieartigen Verbindungsgang des 1. Obergeschosses aufgestellt war und wo als Gerüstbauteil für die Auflage des aus einer Schaltafel bestehenden Gerüstbelages ein einfaches altes, offensichtlich nicht mehr zur Gänze gesundes Kantholz von ca. 3 m Länge mit einer Stärke von 6 x 12 cm, welches flach, zwischen dem Metallmontagegerüst und einer Fensternische aufgelegt war, verwendet wurde - beschäftigt wurde, wobei (wie sich später herausstellte) das o.a. Kantholz keine ausreichende Tragfähigkeit aufwies"; dadurch sei § 46 Abs.1 und Abs.2 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV) iVm § 100 AAV iVm § 31 Abs.2 lit.p ANSchG verletzt worden und sei über ihn wegen dieser Verwaltungsübertretung eine Geldstrafe in der Höhe von 10.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 96 Stunden) kosten pflichtig zu verhängen gewesen; "2.  das o.a. Montagegerüst (mögliche Absturzhöhe ca.   4 m) nicht mit Brust- und Fußwehren ausgestattet wurde, obwohl gemäß § 19 Abs.4 erster Satz Bauarbeitenschutz verordnung Gerüstlagen in einer Höhe von mehr als zwei Metern über dem Erd- oder Geschoßboden dort, wo Absturz gefahr besteht, mit Brustwehren und mit Fußwehren zu versehen sind"; dadurch sei § 19 Abs.4 der Bauarbeitenschutzverordnung (BArbSchV) iVm § 31 Abs.2 lit.p iVm § 33 Abs.1 lit.a Z12 und § 33 Abs.7 ANSchG verletzt worden und sei über ihn gemäß    á§ 31 Abs.2 ANSchG wegen dieser Verwaltungsübertretung eine Geldstrafe in der Höhe von 3.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 30 Stunden) kostenpflichtig zu verhängen gewesen; "3.  das o.a. Montagegerüst (mögliche Absturzhöhe ca.    4 m) nicht mit Mittelwehren ausgestattet wurde, obwohl gemäß᧠46 Abs.6 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung Gerüstbeläge, von denen Arbeitnehmer mehr als 2 m abstürzen können, mit Brust- und Fußwehren gesichert sein müssen und zwischen Brust- und Fußwehr eine Mittelwehr angebracht sein muß"; dadurch sei § 46 Abs.6 iVm § 100 AAV iVm § 31 Abs.2 lit.p ANSchG verletzt worden und sei über ihn gemäß § 31 Abs.2 ANSchG wegen dieser Verwaltungsübertretung eine Geldstrafe in der Höhe von 2.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 18 Stunden) kostenpflichtig zu verhängen gewesen.

2. Begründend verweist die belangte Behörde zu allen drei Fakten auf die Anzeige des Arbeitsinspektorats Linz (AI) und darauf, daß das Strafverfahren, weil sich der Berufungswerber zu der an ihn ergangenen Aufforderung zur Rechtfertigung verschwiegen habe, ohne seine Anhörung habe durchgeführt werden müssen. In der Sache wird ausgeführt, daß von dem unter Diensteid stehenden Organ des AI anläßlich einer Baustellenkontrolle am 18. April 1994 der im Schuldspruch angeführte Sachverhalt wahrgenommen worden sei. Von der vorgefundenen Situation auf der Baustelle habe das Überprüfungsorgan Beweisfotos angefertigt. Durch die ungesicherten Arbeiten auf dem mangelhaft errichteten Gerüst, die auch zu einem schweren Arbeitsunfall geführt hätten, seien, weil an der Richtigkeit der Wahrnehmungen des Arbeitsinspektorats nicht zu zweifeln gewesen sei, die dem Berufungswerber zur Last gelegten Tatbestände verwirklicht worden. Verantwortlich für die Übertretungen sei der Berufungs werber als Bevollmächtigter nach § 31 Abs.2 ANSchG und habe sich der Arbeitsunfall vom 18. April 1994 in seinem Haftungsbereich ereignet. Schuldseitig habe der Berufungswerber für die Verwaltungsübertretungen, die alle Ungehorsamsdelikte seien, mit Fahrlässigkeit einzustehen, weil er die ihm obgelegene Kontrollsorgfalt nicht ausreichend wahrgenommen bzw für die hervorgekommenen Kontrollmängel keine die Schuldvermutung widerlegende Rechtfertigung angegeben habe. Zur Straffestsetzung stellt die belangte Behörde die Anwendung der Kriterien des § 19 VStG dar und hat dabei als straferschwerend den durch die mangelnden Schutzeinrichtungen bewirkten schweren Arbeitsunfall berücksichtigt.

3. Dagegen richtet sich die vorliegende Berufung. Tatseitig wird nur gegen das Faktum 1. eingewendet. Die Strafbemessung wird in allen drei Fakten nicht bekämpft. Der Berufungswerber bestreitet jedoch - allerdings nicht aus der Stellung eines (schlicht) Bevollmächtigten, sondern aus der Sicht des bevollmächtigenden Arbeitgebers - sein Verschulden und reklamiert für sich die Anwendung des § 31 Abs.5 ANSchG. Er sei seinen Kontroll- und Überwachungspflichten aus reichend nachgekommen. Zum Beweis hiefür beantragt er die zeugenschaftliche Vernehmung des Ing. E A, weiters die Vernehmung des E D und seine eigene Vernehmung.

4. Noch vor Berufungsvorlage unterzog die belangte Behörde das zu diesem Verfahren anlaßgebende Unfallopfer dem Zeugenbeweis und ergänzte die Aktenlage auch durch eine Stellungnahme des E D (gegen den wegen desselben Vorfalls gleichfalls das ordentliche Verfahren eingeleitet worden war). In der Folge nahm die belangte Behörde von einer Berufungsvorentscheidung jedoch Abstand und legte die Berufung zugleich mit dem insoweit ergänzten Strafakt vor.

5. Der unabhängige Verwaltungssenat gewährte der Amtspartei rechtliches Gehör zum Inhalt der Berufung; dem Rechtsfreund des Berufungswerbers wurde Akteneinsicht ermöglicht. Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den Strafakt und in die über Aufforderung des unabhängigen Verwaltungssenates vom AI vorgelegten, zur Beweissicherung am Tattag an Ort und Stelle angefertigten Fotos. Aus dieser Aktenlage - unter Einbeziehung des Sachvorbringens des Berufungswerbers und der Amtspartei - erwies sich die Tatfrage als vollständig geklärt und einer abschließenden Beurteilung zugänglich. Weitere Beweise waren nicht aufzunehmen (unten 8.5.). Die Entscheidungsgrundlage für die Beurteilung der Verantwortlichkeit des Berufungswerbers wurde durch Einholung eines Firmenbuchauszuges und einer Stellungnahme des Berufungswerbers ergänzt. Weil somit insgesamt diese Aktenlage die Beurteilung der Verantwortlichkeit des Berufungswerbers sowie der Tat- und der Schuldfrage ermöglicht, im übrigen nur Rechtsfragen zu klären waren, zu den Fakten 2. und 3. keine Geldstrafen über 3.000 S verhängt wurden und auch keine der Verfahrens parteien ein ausdrückliches Verhandlungsverlangen erhob, konnte eine öffentliche mündliche Verhandlung unterbleiben.

Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

6. Zur Verantwortlichkeit des Berufungswerbers Durch die ergänzenden Erhebungen hat sich die Annahme der belangten Behörde, der Berufungswerber habe vorliegend als (schlicht) Bevollmächtigter iSd (hier noch anzuwendenden) § 31 Abs.2 ANSchG für die Taten einzustehen, als unrichtig herausgestellt. Nunmehr unstrittig ist der Berufungswerber - und war schon zur Tatzeit - handelsrecht licher Geschäftsführer der genannten Gesellschaft. Aus dieser seiner Eigenschaft, somit für den Arbeitgeber ist der Berufungswerber iSd § 9 Abs.1 VStG für den Vorfall grundsätzlich verantwortlich. Entgegen der Rechtsansicht des Berufungswerbers (in seiner Stellungnahme vom 10. Mai 1995) ist dadurch, daß er im angefochtenen Straferkenntnis (und übereinstimmend in der ersten Verfolgungshandlung) verfehlterweise nur als "Bevollmächtigter" belangt wurde, weder Verfolgungsverjährung eingetreten noch ist der unabhängige Verwaltungssenat gehindert, den Schuldspruch hinsichtlich des Haftungsgrundes richtig zu stellen. Der Umstand nämlich, ob der Beschuldigte die Tat in der Eigenschaft als Arbeitgeber, als zur Vertretung nach außen Berufener, als gewerberechtlicher Geschäftsführer, als verantwortlicher Beauftragter oder als Bevollmächtigter zu verantworten hat, ist nach der ständigen Judikatur nicht Sachverhaltselement der ihm angelasteten Tat, sondern ein die Frage der Verantwortlichkeit der von Anfang an als Beschuldigter angesprochenen Person betreffendes Merkmal (vgl VwGH 30.1.1996, 95/11/0087; ua).

Der Berufungswerber war auch im konkreten Fall nicht, wie von ihm eingewendet, im Grunde des § 31 Abs.5 ANSchG von der Arbeitgeber-Haftung befreit, weil der von ihm als Bevollmächtigter eingewendete E D diese Stellung im Rechtssinne schon nicht besaß. Selbst wenn zuträfe, daßáErnst Dürnberger die "unmittelbare Baustellenbetreuung" übertragen bekommen hätte und auch "ausdrücklich angewiesen" gewesen wäre, auf die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften auf dieser Baustelle genauestens zu achten, folgt daraus noch nicht, daß er auch mit einer - für die Stellung als 'Bevollmächtigter' iSd § 31 Abs.2 ANSchG jedoch unerläßlichen - Anordnungs- und Entscheidungsbefugnis zur Durchsetzung der ihm übertragenen Aufgabe bzw zur Hintanhaltung von Zuwiderhandlungen ausgestattet gewesen ist. Eine solche Ausstattung mit entsprechenden Machtbefugnissen ist im Beschwerdefall durch nichts belegt. Weder hat der Berufungswerber ein entsprechendes Vorbringen erstattet noch E D in seiner schriftlichen Rechtfertigung vom 21. Oktober 1994 diesbezüglich etwas angegeben. In dieser Rechtfertigung bringt E D im wesentlichen nur vor, daß er Baustellen prinzipiell kontrolliere und hinsichtlich der konkreten Baustelle Anweisungen gegeben habe, diese jedoch vom involvierten (verunglückten), als verläßlich geltenden Arbeitnehmer F K nicht eingehalten worden seien. Dem steht die Aussage des als Zeugen - unter Wahrheitspflicht - förmlich vernommenen F K (Niederschrift vom 21. Oktober 1994) gegenüber, der wörtlich angegeben hat: "Herr Ing. F A und Herr D kommen gelegentlich auf die jeweiligen Baustellen, um zu überprüfen, ob alles in Ordnung ist. Die Zuweisung der Baustellen erhalte ich von Herrn Ing. F A. Sollten disziplinäre Maßnahmen notwendig werden, so ist meiner Meinung nach ausschließlich Herr Ing. F A befugt. Herr D kann derartige Angelegenheiten soweit mir bekannt ist, nur an Herrn Ing. F A weiterleiten." Von diesen Angaben hat der Berufungswerber durch Akteneinsicht am 30. November 1994 Kenntnis erlangt, ihnen jedoch nicht widersprochen. Das erkennende Mitglied des unabhängigen Verwaltungssenates hat keinen Grund, an der Glaubwürdigkeit des Zeugen zu zweifeln und stehen die Angaben auch nicht in Widerspruch zur sonstigen Aussage. Aus diesen Angaben ist der Schlußá zulässig, daß E D keine entsprechende Anordnungs- und Entscheidungsbefugnis hatte; diese Schlußfolgerung ist mit dem übrigen Akteninhalt vereinbar. Im Ergebnis war der Berufungswerber als Arbeitgeber iSd § 9 Abs.1 VStG für den Vorfall allein verantwortlich und ist auch sein Verschulden daher nur nach § 5 Abs.1 VStG zu prüfen.

7. Zum Faktum 1.

Zur Tatseite gibt der Berufungswerber zu (Seite 5 oben), daß ein nicht vorschriftsgemäßes Gerüst errichtet wurde. Er wendet jedoch ein, daß eine allfällige nicht ausreichende Tragfähigkeit des zur Auflage verwendeten Kantholzes nicht, jedenfalls nicht mit wirtschaftlich zumutbaren Maßnahmen, erkennbar gewesen sei. Dieser Einwand hält vor der Aktenlage nicht stand. Insgesamt besteht kein Zweifel, daß die vorschrifts widrige Konstruktion - über zwei von vornherein ungenügend dimensionierte (6 x 12 cm), flach aufgelegte, 3 m lange Kanthölzer wurden quer zwei Schaltafeln gelegt (Zeuge K: "eine provisorische Gerüstverlängerung") - deswegen mit dem Arbeitnehmer abgestürzt ist, weil sich in einem der Kanthölzer (es wurde dem auf der Baustelle vorhandenen Bauholz entnommen!) ein größerer Ast befunden hatte und der Pfosten an dieser Stelle dem Gewicht nicht standhalten konnte und daher im Moment der Belastung durch den Arbeitnehmer brach.

Zwar gibt Zeuge K an, daß der abgebrochene Pfosten verschmutzt gewesen sei und er daher nicht habe sehen können, daß "sich darin ein größerer Ast befand, welcher vermutlich das Abbrechen mitverursacht hat." Diese Angabe bewertet der unabhängige Verwaltungssenat als Ergebnis einer durch das Unfallerlebnis (mit schweren Verletzungsfolgen) erklärbaren Erinnerungsschwäche. Diese Angabe wird nämlich durch das vom Arbeitsinspektorat angefertigte Beweisfoto klar widerlegt. Darauf ist ausreichend deutlich - genau an der etwa zur halben Länge schräg über die Breitseite des Pfostens verlaufenden Bruchlinie - ein etwa 4 cm großer Ast zu erkennen. Von einer Verschmutzung, die das Erkennen des Astes verhindert hätte, kann keine Rede sein. Dafür, daßádieser Pfosten nach dem Absturz und vor der Fotoaufnahme gereinigt worden wäre, liegt nicht der geringste Hinweis vor. In der rechtlichen Beurteilung dieses als maßgebend festzustellenden Sachverhalts folgt daraus für die h. Entscheidung:

7.1. Gemäß § 31 Abs.2 lit.p ANSchG begehen Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die den Vorschriften der auf Grund des § 24 dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen zuwiderhandeln, eine Verwaltungsübertretung und sind, sofern die Tat nicht nach anderen Gesetzen strenger zu bestrafen ist, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafen bis zu 50.000 S zu ahnden. Zufolge der in dieser Gesetzesstelle enthaltenen Subsidiaritätsklausel darf eine Bestrafung der davon erfaßten Verwaltungsübertretungen nur dann erfolgen, wenn die zugrundeliegenden Taten nicht gleichzeitig einen mit strengerer Strafe bedrohten Tatbestand nach anderen Gesetzen erfüllen. Als solche strengeren anderen Gesetze kommen auch Vorschriften des Justizstrafrechtes in Betracht.

7.2. Die schon in der Anzeige des Arbeitsinspektorats aufgezeigten konkreten Umstände haben im Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat eine eindeutige Bestätigung erfahren (nämlich: völlig vorschriftswidrig, dh unsachgemäßáerrichtetes Gerüst, dessen tragende Teile unterdimensioniert waren und aus altem Bauholz von der Baustelle entnommen wurden, wovon einer der beiden Unterlagspfosten, die beide flach aufgelegt wurden, etwa zur halben Länge einen für jeden durchschnittlich aufmerksamen Menschen deutlich erkennbaren größeren Ast aufgewiesen hatte). Weil aber durch diese Umstände in ihrem Zusammenspiel schon ab der ersten vollen Belastung dieses "Gerüstes" mit dem Gewicht des Arbeitnehmers eine besonders ausgeprägte Gefährlichkeit hervorgerufen wurde, steht hier ein Anwendungsfall der Subsidiaritätsklausel des § 31 Abs.2 ANSchG fest. Unabhängig davon nämlich, ob der Vorfall zu einer Anzeige an die Strafverfolgungsbehörde geführt hat oder nicht, vertritt der unabhängige Verwaltungssenat die Auffassung, daß der unter Faktum 1. zu prüfen gewesene Lebenssachverhalt den Tatbestand einer Gefährdung der körperlichen Sicherheit gemäß § 89 StGB objektiv erfüllt. So wurde die Tat - Zuwiderhandeln des Arbeitgebers gegen das ihm auferlegte Gebot, Gefahren für Leib und Leben der von ihm auf dieser Baustelle beschäftigten Arbeitnehmer abzuwenden; als sogen. "Garant" hat der Arbeitgeber gegen die ihn treffende persönliche Erfolgsabwendungspflicht verstoßen - unter besonders gefährlichen Verhältnissen begangen. Aus der ex-ante-Sicht eines objektiven Beobachters hätte der Beschuldigte nämlich erkennen müssen, daß auf einer Baustelle dieser Art die dort eingesetzten Arbeitnehmer der Verlockung des herumliegenden Bauholzes und vorhandener Schaltafeln und der trügerischen Hoffnung auf Zeitgewinn durch unbillige Arbeitserleichterung erliegen und dann ein derart gefährliches Provisorium errichten könnten, wodurch sie sich einer außergewöhnlich hohen Unfallwahrscheinlich keit aussetzen würden - dies jedoch als Folge insbesondere des Unterlassens geeigneter Maßnahmen des Arbeitgebers (innerhalb eines entsprechenden, effizient gehandhabten Kontrollsystems; unten 8.4.), um vorbeugend die Arbeitnehmer vor der Mißachtung von Anweisungen zurückschrecken zu lassen. Im Berufungsfall war die mit dieser qualifizierten Gefährlichkeit verbundene Zuwiderhandlung auch kausal für die Herbeiführung der konkreten Gefährdung bzw Unfall verletzung des Arbeitnehmers F K. Daß der Arbeitnehmer durch seinen Leichtsinn möglicherweise konkludent in seine Gefährdung mehr oder minder selbst eingewilligt hat, berührt zwar die Frage nach einem Rechtfertigungsgrund, ist aber für die Anwendung der Subsidiaritätsklausel ohne Belang (zu all dem: KIENAPFEL, Grundriß des österreichischen Strafrechts, BT I, 3. A, § 89 RN 10f; zur Garantenstellung des schutzpflichtigen Arbeitgebers: LEUKAUF/ STEININGER, Komm, 3.A, § 2 RN 14f).

7.3. Die Verwaltungsübertretung gemäß Faktum 1. ist durch § 89 StGB mit einer strengeren Strafe bedroht, weil für dieses Gefährdungsdelikt - anders als im Verwaltungsstraftatbestand gemäß § 31 Abs.2 ANSchG - auch eine primäre Freiheitsstrafe angedroht ist.

7.4. Sind aber aus allen diesen Gründen die Voraus setzungen für das Wirksamwerden der Subsidiaritätsklausel für die dem Berufungswerber unter 1. angelastete Tat erfüllt, war im Ergebnis dem Rechtsmittel insoweit Erfolg beschieden und war das angefochtene Straferkenntnis in diesem Umfang aufzuheben. Gleichzeitig war im Grunde des    § 45 Abs.1 Z1 zweiter Fall VStG die Einstellung des Verfahrens zu verfügen.

8. Zu den Fakten 2. und 3.

8.1. Den jeweils zugrunde gelegten Sachverhalt und die Annahme der Tatbestandsmäßigkeit läßt der Berufungswerber gänzlich unbekämpft. Im Gegenteil, er gibt, was sinngemäßáauch auf diese Fakten zu beziehen ist, die Errichtung eines nicht vorschriftsgemäßen Gerüstes zu. Auch im Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat ist nichts hervorgekommen, was gegen die vom angefochtenen Straferkenntnis in diesen Punkten angenommene Verwirklichung der objektiven Tatseite spräche.

8.2. Der Berufungswerber bestreitet aber sein Verschulden und bringt begründend vor, daß er, weil er wegen der Unternehmensgröße nicht selbst alle Tätigkeiten ver richten und alle Einzelheiten auf den Baustellen persönlich regeln könne, sich bei der Abwicklung und Überwachung der Baustellen leitender Mitarbeiter des Unternehmens bediene. Gegenständlich sei dies E D, der die Funktion eines Werkmeisters ausübe, gewesen. Mit diesem verläßlichen, fachkundigen und langgedienten Mitarbeiter führe er tägliche fachliche Besprechungen mit Erörterung der Sicherheitsfragen, auch erhalte Herr D Anweisungen, zumal in Sicherheitsfragen. Er selbst kontrolliere die Baustellen - laufend gäbe es mindestens 15 verschiedene - in der Weise, daß er jede dieser Baustellen zumindest ein- bis zweimal besuche.

8.3. Vorliegend hat der Berufungswerber in den Fakten 2. und 3. für Ungehorsamsdelikte iSd § 5 Abs.1 zweiter Satz VStG einzustehen (oben 6.). Daraus folgt für diesen Fall, daß der Berufungswerber als Täter mit der grundsätzlich widerlegbaren, jedoch eben nur von ihm zu widerlegenden Vermutung seines Verschuldens in der Form fahrlässigen Verhaltens konfrontiert ist. Bei gegebener Tatbestands mäßigkeit hätte daher der Berufungswerber, weil Anhaltspunkte, die an seinem Verschulden zweifeln lassen, nicht hervorgekommen sind (vgl VfGH 20.6.1994, B 1908/93-10 uwZ), der gesetzlichen Schuldvermutung durch eigenes initiatives Tatsachenvorbringen entgegenzuwirken gehabt.

8.4. Diese Widerlegung ist dem Berufungswerber, weil somit von der Vollständigkeit seines Tatsachenvorbringens zum Kontrollsystem auszugehen ist (vgl VwGH 27.2.1996, 94/04/0214), jedoch schon behauptungsmäßig nicht gelungen. Im Zusammenhang mit dem nach § 5 Abs.1 zweiter Satz VStG von einem Unternehmer, einem Arbeitgeber oder ebenso von einem nach § 9 Abs.1 VStG für eine juristische Person strafrechtlich Verantwortlichen anzuwendenden Sorgfaltsmaßstab, ist es ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, daß die im Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung - auch schon bei mittleren Betrieben - es zwar nicht zuläßt, daß sich der strafrechtlich Verantwortliche aller Belange und Angelegenheiten selbst persönlich annimmt, es muß ihm vielmehr zugebilligt werden, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf das Setzen von möglichen und zumutbaren Maßnahmen zu beschränken, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der Rechtsvorschriften mit gutem Grund erwarten lassen (vgl etwa VwGH 19.5.1994, 93/17/0332; ua). Nach dieser Rechtsprechung reicht allerdings die bloße Erteilung von Weisungen und das Abhalten von (regelmäßigen) Besprechungen nicht aus; vielmehr ist entscheidend, ob auch eine wirksame Kontrolle der erteilten Weisungen erfolgte. Dies gilt insbesondere dann, wenn, wie hier, der Arbeitgeber bzw das verantwortliche Organ die Ursache der Übertretung in einer weisungswidrigen Eigenmacht involvierter Arbeitnehmer sieht. Wie dieses Kontrollsystem zur Sicherstellung der Befolgung erteilter Weisungen im Interesse des Arbeitnehmer schutzes in seinem Betrieb eingerichtet ist, beschreibt der Berufungswerber nicht konkret. Er beruft sich nur pauschal auf "laufende Kontrollen", ohne Art und Inhalt dieser Kontrollen konkret darzustellen, und darauf, daß er jede Baustelle zumindest ein- bis zweimal besuche, wobei diese Zahl der Kontrollbesuche offenbar unabhängig von der Dauer einer Baustelle gehandhabt wird.

Aus diesen Ausführungen geht schon nicht hervor, daß und wie die unverzügliche und verläßliche Information des Berufungswerbers über Sicherheitsmängel auf Baustellen organisiert gewesen wäre, so daß der Berufungswerber erfor derlichenfalls hätte raschest reagieren können. Beruft sich zudem, wie hier, der Arbeitgeber bzw das für ihn verantwortliche Organ auf die weisungswidrige Eigenmacht eines Arbeitnehmers bzw daß er dessen Leichtsinn nicht habe vorhersehen und verhindern können, dann hätte er zwecks Glaubhaftmachung der Einrichtung eines der Eigenmacht bzw dem Leichtsinn wirksam begegnenden Kontrollsystems im Detail insbesondere darzustellen gehabt, daß er die Arbeits bedingungen und Entlohnungsmethoden so gestaltet und solche disziplinäre Maßnahmen angedroht und durchgeführt hat, um damit für die Arbeitnehmer keinen Anreiz zur Verletzung der Schutzvorschriften zu geben - auch dann nicht, wenn sich Arbeitnehmer auf der Baustelle unkontrolliert bzw unbeobachtet wähnen und in einem solchen Moment gegen die zu ihrem eigenen Schutz bestehende Vorschriften verstoßen wollten.

8.5. Darin aber, daß der Berufungswerber, wie aus allen diesen Gründen zu folgern ist, hinsichtlich des in seinem konkreten Betrieb erforderlichen, effizienten Kontroll systems nicht das bei Ausnutzung aller ihm tatsächlich und rechtlich zur Verfügung stehenden Mittel Mögliche und Zumutbare vorgekehrt hat, liegt der haftungsauslösende Sorgfaltsmangel in diesem Fall. Zusammenfassend hat daher der Berufungswerber für die in Rede stehenden Übertretungen mit Fahrlässigkeitsschuld einzustehen und waren aus allen diesen Gründen die Schuldsprüche zu bestätigen. Gleichzeitig war die Richtigstellung der Spruchteile gemäß § 44a Z2 und Z3 VStG vorzunehmen.

8.6. Vom beantragten Zeugenbeweis des weiteren handelsrechtlichen Geschäftsführers der involvierten Gesellschaft war Abstand zu nehmen, weil der eigentliche Tatsachverhalt unstrittig ist und die Verantwortlichkeit des Berufungswerbers auch ohne dieses Beweismittel erschöpfend geklärt werden konnte. Zur Verschuldensfrage waren die weiteren beantragten Einvernahmen schon deswegen nicht zielführend, weil es diesbezüglich auf das eigene initiative Vorbringen des Berufungswerbers zur Glaubhaftmachung seiner Schuldlosigkeit gemäß § 5 Abs.1 zweiter Satz VStG ankommt.

8.7. Zur Strafbemessung und zur Strafhöhe bringt der Berufungswerber nichts vor. Insbesondere tut er nicht dar, daß und aus welchen Gründen die belangte Behörde die für die Strafbemessung in den Fakten 2. und 3. maßgeblichen Kriterien des § 19 VStG ermessensmißbräuchlich gehandhabt haben könnte. Angesichts der in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses nachvollziehbar dargestellten, nicht als rechtswidrig zu erkennenden Erwägungen der belangten Behörde besteht auch für den unabhängigen Verwaltungssenat kein Grund zur Annahme, die verhängten und den hier vom Gesetz vorgegebenen Strafrahmen nur zu einem Sechzehntel (Faktum 2.) bzw einem Fünfundzwanzigstel (Faktum 3.) ausschöpfenden Geldstrafen seien in unangemessener Höhe festgesetzt worden. Auch die Höhe der Strafen war daher zu bestätigen.

8.8. Auf der Kostenseite bewirkt diese Entscheidung, daßádem Berufungswerber in den insoweit bestätigten Straf erkenntnissen gemäß Faktum 2. und 3. der gesetzlich bestimmte Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen war.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichts hof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Mag. Gallnbrunner

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