Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-221117/10/Le/La

Linz, 29.03.1995

VwSen-221117/10/Le/La Linz, am 29. März 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Leitgeb über die Berufung des J K, R, M, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. W S , S , gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft vom 5.10.1994, Zl. Ge96/68/1992/Um, wegen Verwaltungsübertretungen nach der Gewerbeordnung 1994, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Strafverfahren eingestellt.

Es entfallen jegliche Beiträge zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 AVG, BGBl.Nr. 51/1991 idgF, iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und Z2, 51 Abs.1, 51c und 51e Abs.1; § 66 Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52/1991 idgF.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft B vom 5.10.1994, Ge96/68/1992/Um, wurde Herr J K wegen Übertretungen des § 366 Abs.1 Z1 iVm § 124 Z11 und § 366 Abs.1 Z1 iVm § 94 Z37 GewO 1994 mit einer Geldstrafe von jeweils 2.000 S, insgesamt also 4.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 2 x 2 Tage) bestraft; weiters wurde ihm aufgetragen, einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 400 S zu leisten.

Im einzelnen wurde ihm vorgeworfen, im Zeitraum von August 1991 bis Mai 1992 gewerbsmäßig Fenster, Türen und Fensterbänke im eigenen Namen verkauft und somit das Handelsgewerbe gemäß § 124 Z11 GewO 1994 ausgeübt zu haben, obwohl er nicht im Besitz der hiefür erforderlichen Gewerbeberechtigung gewesen sei.

Weiters wurde ihm vorgeworfen, zumindest im selben Zeitraum gewerbsmäßig den Einbau von Fenstern und Türen durchgeführt und somit das Gewerbe eines Tischlers gemäß § 74 Z37 GewO 1994 ausgeübt zu haben, obwohl er nicht im Besitz der hiefür erforderlichen Gewerbeberechtigung war.

1.2. In der Begründung dazu wurde dargelegt, daß die gegenständlichen Verwaltungsübertretungen durch die Anzeigen des GPK M vom 25.3.1992, 27.5.1992 und 8.7.1992 als erwiesen anzusehen wären. Weiters bezog sich die Erstbehörde auf mehrere Ablichtungen von Rechnungen und Anboten, die sich auf den Verkauf von Fenstern, Rolläden, Fensterbänken und Türen beziehen, wobei auf mehreren Rechnungen auch das Entgelt für die Montage der Fenster und Türen ausgewiesen sei.

Zur Rechtfertigung des Beschuldigten, der die ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen bestritt, weil er der Meinung gewesen sei, daß er auf Grund der bestehenden Gewerbeberechtigungen auch zur Montage der Fenster und Türen berechtigt sei, wenn Rolläden und Fenster gleichzeitig montiert würden, bzw. daß er berechtigt sei zum Handel mit Fenstern und Türen, wenn der überwiegende Teil der Einheit auf den Sonnenschutz (Rolläden) entfalle, stellte die Erstbehörde folgendes fest:

Im Zeitpunkt der vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen sei der Beschuldigte Inhaber folgender Gewerbeberechtigungen gewesen:

1. "Tapezierer- und Bettwarenerzeugerhandwerk, beschränkt auf den Zusammenbau von vorgefertigten Elementen für Jalousien und Rolläden inklusive Montage, 2. Privatgeschäftsvermittlung, beschränkt auf die Vermittlung von Fenstern, Türen und Isoliermaterial sowie Fensterbänken, 3. Abdichten von Fenstern und Türen unter Ausschluß jeder an einen Befähigungsnachweis gebundenen Tätigkeit." Die Erstbehörde zog daraus den Schluß, daß er weder zum Handel mit Fenstern, Türen und Fensterbänken noch zum Einbau von Fenstern und Türen berechtigt sei.

Hinsichtlich der vom Beschuldigten ins Treffen geführten Rechtsauskunft eines Beamten der Gewerbebehörde der Bezirkshauptmannschaft führte die Erstbehörde aus, daß sie den namentlich bezeichneten Beamten als Zeugen einvernommen hätte und er die Erteilung einer solchen Rechtsauskunft in Abrede gestellt habe.

Schließlich wurden noch die für die Strafbemessung maßgeblichen Gründe dargelegt.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 20.10.1994, mit der beantragt wird, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben.

In der Begründung führt der Berufungswerber (im folgenden kurz Bw.) aus, daß er die angelasteten Übertretungen der Gewerbeordnung nicht begangen habe. Auf Grund der vorhandenen Gewerbescheine sei er berechtigt, Türen, Fenster und Fensterbänke mit PU-Schaum zu versehen. Von einer Montage der Fenster und Türen könne daher keine Rede sein, weil er diese nur entsprechend den Maßen eingepaßt hätte.

Diese Tätigkeit erfülle aber nicht den Tatbestand Handel mit Fenster, Türen und Fensterstöcken.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau legte die Berufung sowie den bezughabenden Verwaltungsakt vor; von der Möglichkeit der Erlassung einer Berufungsvorentscheidung machte sie keinen Gebrauch.

4. Auf Grund des gesetzlichen Auftrages des § 51e Abs.1 VStG führte der unabhängige Verwaltungssenat am 28.3.1995 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, zu der wohl der Rechtsvertreter des Bw. erschien, nicht jedoch ein Vertreter der belangten Behörde.

Bei dieser öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde festgestellt, daß zwar Tathandlungen der vorgeworfenen Art gesetzt wurden, daß aber hinsichtlich des Tatzeitraumes August 1991 bis 28. März 1992 bereits Strafbarkeitsverjährung eingetreten ist. Hinsichtlich des übrigen Tatzeitraumes (29. März 1992 bis Mai 1992) konnten keine Tathandlungen festgestellt werden. Die von der Erstbehörde in der Begründung ihres Straferkenntnisses angeführte Anzeige des GPK Mauerkirchen vom 8. Juli 1992 bezog sich auf Tathandlungen, die am 3. Juni bzw. am 26.

Juni 1992, also außerhalb des vorgeworfenen Tatzeitraumes, gesetzt worden waren.

5. Hierüber hat der O.ö. Verwaltungssenat erwogen:

5.1. Gemäß § 51 Abs.1 VStG steht dem Beschuldigten das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat zu, in dessen Sprengel nach dem Ausspruch der Behörde erster Instanz die Tat begangen wurde.

Auf Grund der Strafhöhe von unter 10.000 S war gemäß § 51c VStG die Zuständigkeit des Einzelmitgliedes gegeben.

5.2. Zum Tatzeitraum August 1991 bis 28. März 1992:

Gemäß § 45 Abs.1 Z2 hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn 2. der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen; § 31 Abs.3 VStG bestimmt, daß dann, wenn seit Abschluß der strafbaren Tätigkeit drei Jahre vergangen sind, ein Straferkenntnis nicht mehr gefällt werden darf.

Der Beginn des Laufes der Verjährungsfrist hängt vom einzelnen Tatbild ab. Bei Begehungsdelikten, bei denen ein bestimmtes aktives Tun mit Strafe bedroht ist, beginnt diese Frist mit dem Abschluß der strafbaren Handlung (Hauer-Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, Seite 867).

Bei der unbefugten Ausübung eines Gewerbes handelt es sich um ein solches Begehungsdelikt. Im konkreten Fall begann daher jeweils nach dem erfolgten Handeln mit Fenstern und Türen (Vertragsabschluß bzw. Lieferung) bzw. nach der erfolgten Montage der Fenster und Türen die Frist des § 31 Abs.3 VStG zu laufen. Diese Zeitpunkte wurden - wie noch weiter unten näher zu zeigen sein wird - von der Erstbehörde nicht näher erhoben.

Lediglich bei fortgesetzten Delikten beginnt der Lauf dieser Frist erst ab dem Unterbleiben weiterer Begehungsakte. Von einem fortgesetzten Delikt spricht man dann, wenn eine Reihe von Einzelhandlungen vermöge der Gleichartigkeit der Begehungsform, der Ähnlichkeit der äußeren Begleitumstände und der zeitlichen Kontinuität zu einer Einheit zusammentreten. Alle Einzelhandlungen werden von einem einheitlichen Entschluß des Täters, sich fortgesetzt in bestimmter Weise rechtswidrig zu verhalten, erfaßt und bilden solcherart zusammen nicht nur eine (einzige) strafbare Handlung, sondern es ist auch die Verjährungsfrist für dieses eine Delikt - unabhängig davon, wann die strafbare Tätigkeit begonnen hat - erst von dem Zeitpunkt an zu berechnen, an dem diese abgeschlossen worden ist (Hauer-Leukauf, aaO, Seite 877).

Dazu ist daher ein zeitlicher Zusammenhang erforderlich, der nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes im Bereich von wenigen Tagen bis maximal drei Wochen angesiedelt ist.

Die Erstbehörde, die in der Begründung ihres Straferkenntnisses im übrigen auf die Problematik des fortgesetzten Deliktes gar nicht eingegangen ist, hat wiederum ohne diese Umstände in der Begründung ihres Straferkenntnisses näher zu erwähnen - auf Grund der Anzeigen des GPK M vom 25. März 1992, 17. Mai 1992 und 8.

Juli 1992 folgende Tathandlungen angenommen:

September bzw. November 1991 (Angebot bzw. Lieferschein):

Verkauf von Fenstern an J G in B ; die Montage der Fenster erfolgte möglicherweise durch eine andere Firma.

Jänner 1992: Verkauf und Montage von Fenstern und Türen bei der Feuerwehrzeugstätte in M , beim Klubheim der Gemeinde M für den Stockschützenverein sowie beim Tennisklub.

26. Jänner 1992: Verkauf von Kunststoffenstern und Türen an J R .

3. Juni 1992: Montage einer Balkontür und eines Fensters bei Herrn Ing. P in B.

26. Juni 1992: Montage von Fenstern durch eine unbekannte Firma bei Herrn J G in B .

Auf Grund dieser einzelnen Tathandlungen, die in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses nicht einmal in dieser Deutlichkeit angeführt wurden, geht hervor, daß zwischen den einzelnen Tathandlungen (außer jenen vom Jänner 1992) Zeiträume von wesentlich mehr als drei Wochen liegen, weshalb von einem fortgesetzten Delikt nicht mehr gesprochen werden kann.

Das bedeutet, daß die Verjährungsfrist des § 31 Abs.3 VStG jeweils vom Abschluß des jeweiligen Begehungsdeliktes an zu rechnen ist, sodaß die Tathandlungen vom September bzw.

November 1991 sowie vom Jänner 1992 jedenfalls durch Zeitablauf verjährt sind.

5.3. Zum Tatzeitraum 29. März 1992 bis Mai 1992:

Für diesen Zeitraum wurden von der Erstbehörde keinerlei Tathandlungen angeführt. In der Anzeige des GPK M wurde unter "lit.a Darstellung der Tat" zwar ausgesprochen, daß Herr J K verdächtigt sei, im Mai 1992 bei Johann Gatterbauer und Ing. K P in B den Handel, Verkauf und die Montage von Fenstern und Türen durchgeführt zu haben, doch findet sich unter "lit.b Beweismittel" der nähere Hinweis, daß bei J G am 26. Juni 1992 8 Stück Kunststoffenster und bei Herrn Ing.

K P am 3. Juni 1992 eine Balkontür und ein Fenster montiert worden seien.

Damit steht jedoch fest, daß diese Handlungen außerhalb des im angefochtenen Straferkenntnis vorgeworfenen Tatzeitraumes zeitlich anzusiedeln sind, weshalb sie zur Begründung des vorliegenden Straferkenntnisses nicht herangezogen werden können.

5.4. Zusammenfassend ist daher festzustellen, daß das in erster Instanz durchgeführte Ermittlungsverfahren derart mangelhaft geblieben ist, daß die vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen nicht einmal ansatzweise bewiesen wurden.

Der unabhängige Verwaltungssenat sieht sich einmal mehr veranlaßt darauf hinzuweisen, daß es nicht Sache des unabhängigen Verwaltungssenates ist, anstelle der Bezirksverwaltungsbehörde das Ermittlungsverfahren zu führen und entsprechende Beweise für den Tatvorwurf herbeizuschaffen. Die unabhängigen Verwaltungssenate sind vielmehr durch die verfassungsgesetzliche Anordnung des Art.

129 B-VG dazu berufen, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zu kontrollieren. Den Bezirksverwaltungsbehörden als Verwaltungsstrafbehörden obliegt es dagegen, den wahren Sachverhalt nach den Grundsätzen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens iSd §§ 37 bis 39 AVG festzustellen.

5.5. Wenn ein Strafverfahren eingestellt wird, so sind gemäß § 66 Abs.1 VStG die Kosten des Verfahrens von der Behörde zu tragen. Demgemäß war der Verfahrenskostenausspruch der Erstbehörde zu beheben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. L e i t g e b

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