Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-221163/23/Ga/La

Linz, 30.11.1995

VwSen-221163/23/Ga/La Linz, am 30. November 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des R. F., vertreten durch Dr. K. F., Rechtsanwalt in ....., ............., gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt ...... vom 5.

Dezember 1994, Zl. MA2-Ge-4051-1993 Ste, wegen Übertretung der Bauarbeitenschutzverordnung (BArbSchV), nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 7. November 1995 durch öffentliche Verkündung am 28. November 1995 zu Recht erkannt:

I. Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß - der zweite Satz des Schuldspruchs wie folgt zu lauten hat: "Im unmittelbaren Arbeitsbereich auf dem Dach befanden sich mehrere Öffnungen im Ausmaß von jeweils mindestens 80 cm x 12 m, durch welche ein Absturz jederzeit möglich war."; - das Zitat des § 33 Abs.7 ANSchG in den als verletzt angegebenen Rechtsvorschriften (§ 44a Z2 VStG) zu entfallen hat; - als Strafnorm (§ 44a Z3 VStG) anzuführen ist: "§ 31 Abs.2 lit.p iVm § 33 Abs.7 ANSchG".

II. Der Berufungswerber hat als Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem unabhängigen Verwaltungssenat 20 % der verhängten Strafe, ds 2.000 S, binnen 14 Tagen ab Zustellung dieses Erkenntnisses bei sonstiger Exekution zu leisten.

Rechtsgrundlage:

AVG: § 66 Abs.4.

VStG: § 24; § 19, § 44a, § 51 Abs.1, § 51c, § 51d, § 51e Abs.1, § 51g, § 51i; § 64.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber wie folgt schuldig erkannt:

"Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma R. Ges.mbH. & Co KG., ....., ............., zu vertreten, daß am 8.3.1993 um 09.45 Uhr auf der Baustelle ........... Vertriebsges.mbH., ............., ............, fünf Arbeitnehmer Ihrer Firma mit dem Verlegen von 12,1 m langen und 0,84 m breiten Trapezblechtafeln auf 40 cm breiten Betonträgern der Hallenkonstruktion in einer Absturzhöhe von 6 m beschäftigt wurden, wobei keinerlei Absturzsicherungen verwendet wurden. Im mittelbaren Arbeitsbereich befanden sich vier Lichtkuppelöffnungen (Ausmaß: 1 m x 24 m) sowie eine Öffnung von 1,8 m x 24 m, durch welche ein Absturz jederzeit möglich gewesen wäre. Für die fünf Arbeitnehmer waren auf der Baustelle lediglich ein Höhensicherungsgerät, ein Seilkürzer und ein Sicherungsseil vorhanden." Dadurch habe er den § 7 Abs.1 und § 43 Abs.1 BArbSchV iVm § 31 Abs.2 lit.p, § 33 Abs.1 lit.a Z12 und § 33 Abs.7 des Arbeitnehmerschutzgesetzes (ANSchG) verletzt und sei gemäß § 31 Abs.2 lit.p ANSchG mit einer Geldstrafe in der Höhe von 10.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: drei Tage) kostenpflichtig zu bestrafen gewesen.

1.2. Begründend verweist die belangte Behörde auf die dieses Verwaltungsstrafverfahren auslösende Anzeige des Arbeitsinspektorates vom 12. März 1993 und hält nach Aufzäh lung der im Ermittlungsverfahren aufgenommenen Beweise die Tatbestandsmäßigkeit für gegeben. Was die Schuldseite angeht, ist die belangte Behörde vor dem Hintergrund des von ihr erschließbar zugrundegelegten Ungehorsamsdeliktes und der hiezu ergangenen Judikatur zur Auffassung gelangt, daß dem Berufungswerber mit dem von ihm dargestellten Kontrollsystem die Glaubhaftmachung seiner Schuldlosigkeit an der von ihm in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer der involvierten Gesellschaft zu verantwortenden Übertretung nicht gelungen sei.

Strafbemessend verweist die belangte Behörde abstrakt auf bestimmte Kriterien des § 19 VStG und gibt an, daß für die Festsetzung der Geldstrafe die Vermögens-, Einkommensund Familienverhältnisse des Beschuldigten berücksichtigt worden seien.

2.1. Mit der gegen dieses Straferkenntnis erhobenen, von der belangten Behörde zugleich mit dem Strafakt, ohne Gegenäußerung, vorgelegten Berufung beantragt der Beschuldigte die Aufhebung und Verfahrenseinstellung, hilfsweise die Durchführung mehrerer Beweise, somit erschließbar die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung.

Hiezu bringt er mit näherer Begründung vor, daß das angefochtene Straferkenntnis an einem mangelhaft geführten Verfahren und an inhaltlicher Rechtswidrigkeit leide. So wendet er ein, daß seinen Beweisanträgen nicht Folge geleistet worden sei, daß die Arbeitnehmer die bereits fertig eingedeckten Dachteile als Arbeitsbühne für die weiteren Dachdeckerarbeiten verwendet hätten und dadurch einen wesentlich höheren Sicherheitsgrad genossen hätten, als dies durch ein allfälliges schmales Gerüst möglich gewesen wäre. Jedenfalls verfehlt sei die Auffassung, daß ihm der Entlastungsbeweis gemäß § 5 Abs.1 VStG nicht gelungen sei; die belangte Behörde habe nämlich die von ihm angebotenen Beweise nicht aufgenommen. In diesem Zusammenhang macht er auch geltend, daß das angefochtene Straferkenntnis mangelhaft begründet sei. Überdies liege auch Verfolgungsverjährung vor. Zu dem von ihm gehandhabten Kontrollsystem zur Gewährleistung der Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften führt er aus, daß in seinem Betrieb die Arbeitnehmer ständig belehrt und angewiesen worden seien, daß durch ihn selbst bzw. den zuständigen Bauleitern immer wieder Stichprobenkontrollen der Baustellen vorgenommen würden und darüber hinaus auch den Mitarbeitern für den Fall der Nichteinhaltung von Sicherheitsbestimmungen Sanktionen angedroht worden seien. Auch der jeweilige Vorarbeiter an der Baustelle sei striktest angewiesen worden, auf die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften peinlichst zu achten. Insgesamt habe daher der Beschuldigte alle nur erdenklichen und ihm auch zumutbaren Maßnahmen getroffen und ein dicht gewobenes Kontroll- und Überprüfungssystem eingerichtet, das ein gefahrloses Verlegen des Daches gewährleisten solle und insbesondere darauf abgestellt sei, den einschlägigen Sicherheitsbestimmungen zu genügen, woraus hervorgehe, daß er den Entlastungsbeweis iSd § 5 Abs.1 VStG sehr wohl erbracht habe. Davon abgesehen habe er als Nichtjurist guten Glaubens annehmen können, in der Person des J. G. einen verantwortlichen Beauftragten wirksam bestellt zu haben und liege deswegen, weil von ihm die Kenntnis der diesbezüglich speziellen Judikatur nicht verlangt werden könne, zumindest ein entschuldbarer Rechtsirrtum vor.

2.2. Das zur Berufung angehörte Arbeitsinspektorat hat seine Auffassung bekräftigt, wonach auf der gegenständlichen Baustelle zum Kontrollzeitpunkt sehr wohl Absturzgefahr bestanden habe und hiezu ua. ausgeführt:

"Weiters waren, wie bereits in der Anzeige festgestellt, für fünf Arbeitnehmer lediglich ein Höhensicherungsgerät, ein Seilkürzer und ein Sicherheitsseil vorhanden. Dies bedeutet, daß sich vier Arbeitnehmer überhaupt nicht sichern konnten." 3.1. Im Hinblick auf die ausdrückliche Bestreitung hat der unabhängige Verwaltungssenat eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Ladung der Verfahrensparteien und der Zeugen am 7. November 1995 - gemäß § 51e Abs.5 VStG gemeinsam mit der denselben Berufungswerber betreffenden Verhandlung zu VwSen-221162-1995 - anberaumt und durchgeführt. Von den Parteien ist die belangte Behörde ferngeblieben und war die Beschuldigtenpartei durch ihren Rechtsfreund vertreten. Die Zeugen Dipl.-Ing. T. und J. G. wurden förmlich vernommen; auf die Vernehmung des Zeugen M. Raaher haben die Parteien einvernehmlich verzichtet und der Zeuge H. S. ist entschuldigt nicht erschienen.

3.2. Eingangs der Verhandlung wurden der bisherige Verfahrensgang und die Verfahrensgrundlage anhand des zu Zl. MA2-Ge-4051-1993/Ste vorgelegten Strafaktes sowie der Berufung dargestellt.

Unter Einbeziehung dieser Aktenlage stellt der unabhängige Verwaltungssenat auf Grund des Beweisverfahrens und unter Hinweis auf § 51i VStG - sowohl der Zeuge Dipl.-Ing. T. als auch der Zeuge G. schienen bei ihrer Vernehmung hinsichtlich der wesentlichen Sachverhalte aus einer noch wachen Erinnerung zu schöpfen und machten, jeder für seinen Wahrnehmungsbereich, einen sicheren, unbeeinflußten und daher insgesamt glaubwürdigen Eindruck folgenden maßgebenden SACHVERHALT fest:

Bei der im Schuldspruch bezeichneten Baustelle, auf der die involvierte Gesellschaft ca. 8 bis 10 Wochen beschäftigt war, handelt es sich um einen Zubau in Betonträgerkonstruktion, auf die ein aus einzelnen Trapezblechen (im Ausmaß von je 12 m x 0,84 m) bestehendes Flachdach im Ausmaß von ca. 1.500 bis 2.000 m2 zu verlegen war. Die Absturzhöhe vom Dach betrug etwa 6 m. Bei den zum Kontrollzeitpunkt schon verlegt gewesenen Trapezblechen hat es sich um die untere Dachhaut gehandelt; irgendwelche Abstandhalter oder sonstige Leisten waren nicht angebracht. Über die ganze Dachfläche mehr oder minder verteilt gab es Öffnungen, zum Teil für noch einzufügende Lichtkuppeln, zum Teil deswegen, weil an diesen Stellen die Profile eben noch nicht verlegt gewesen sind. Die exakten Ausmaße dieser Öffnungen konnten nicht mehr festgestellt werden; sie waren jedenfalls nicht schmäler als 80 cm und jeweils mindestens 12 m lang. An den vier Traufenkanten befand sich eine rundlaufende, aus Betonfertigteilen gefertigte Attika mit einer Höhe von ca. 40 bis 50 cm. Unter den Dachöffnungen waren weder Fangnetze noch Fanggerüste oder dergleichen Sicherheitseinrichtungen angebracht. Auf dem Dach waren mehrere Arbeitnehmer der involvierten Gesellschaft mit den Verlegearbeiten beschäftigt; keiner dieser Arbeitnehmer trug Sicherheitsgurte und Sicherungsseile und waren auch in anderer Weise nicht persönlich gesichert. Im Bereich der Baustelle befand sich in einem Koffer eine noch originalverpackte Standardausrüstung für den Personenschutz, bestehend aus Höhensicherungsgerät, Sicherungsseil, Sicherungsgeschirr und Seilkürzer.

Der Bauleiter dieser Baustelle, J. G., war am Kontrolltag selbst nicht auf der Baustelle; die örtlichen Verhältnisse und die Dachkonstruktion waren ihm jedoch vollauf vertraut. Etwa nur einmal pro Woche hat er die Baustelle kontrolliert. Außer ihm hat die Baustelle eigentlich sonst niemand, auch nicht der Geschäftsführer, kontrolliert; jedenfalls kann er sich an keine solche Kontrolle erinnern.

Weil er sich für die Sicherheit seiner Leute in gewisser Weise verantwortlich fühlte, hat er den eingeteilten Arbeitern zu Beginn der Baustelle auch die Weisung erteilt:

"Nehmt's Gurte und Sicherheitsseile mit und sichert Euch damit." Jedenfalls sei ihm bewußt gewesen, daß er auch für die Sicherheit der unter seiner Bauleitung werkenden Arbeitnehmer verantwortlich ist. Dies, obwohl ihm in der Firma eigentlich niemand besondere Anweisungen für seine Verantwortung, auch die Sicherung der Arbeiter wahrzunehmen, gegeben hat. Im Falle der Zuwiderhandlung eines Mitarbeiters haben sich seine Kompetenzen darauf beschränkt, dem Betreffenden ins Gewissen zu reden. Wenn der Geschäftsführer längere Zeit, etwa durch Urlaub, abwesend war, konnte er Arbeitnehmer aufnehmen, obgleich die letzte Entscheidung beim Geschäftsführer selbst lag. Kündigungen konnte er nicht aussprechen. Daß auf einen Verstoß gegen Sicherheitsvorkehrungen ihm oder anderen gegenüber in der Firma Sanktionen, zB Lohnkürzungen oder ähnliches, angedroht oder ausgesprochen worden wären, ist ihm nicht in Erinnerung.

Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 7 Abs.1 erster Satz BArbSchV sind an allen Arbeitsstellen, an denen Absturzgefahr besteht, Einrichtungen anzubringen, die geeignet sind, ein Abstürzen der Dienstnehmer zu verhindern oder ein Weiterfallen hintanzuhalten, wie Arbeitsgerüste, Brustwehren, Schutzgerüste oder Fangnetze.

§ 7 Abs.2 BArbSchV sieht vor, daß die Anbringung der in Abs.1 vorgesehenen Schutzeinrichtungen unterbleiben kann, wenn der hiefür erforderliche Aufwand unverhältnismäßig hoch ist gegenüber dem Aufwand für die durchzuführende Arbeit. In solchen Fällen sind die Dienstnehmer durch Anseilen gegen Absturz zu sichern.

Gemäß § 43 Abs.1 BArbSchV dürfen Arbeiten auf Dächern, wie Dachdecker-, Spengler-, Bauglaser- oder Anstreicherarbeiten sowie Arbeiten an Blitzschutzanlagen erst nach Durchführung von Sicherheitsmaßnahmen, die ein Abstürzen von Menschen, Materialien und Geräten hintanzuhalten geeignet sind, begonnen werden.

4.2. Im vorliegenden Fall hat sich der Beschuldigte weder im Verfahren vor der belangten Behörde noch in seiner Berufungsschrift auf das negative Tatbestandsmerkmal des § 7 Abs.2 BArbSchV berufen noch ist ein entsprechendes Vorbringen nach der Aktenlage offenkundig (vgl. VwGH 30.9.1993, 93/18/0239). Zu Recht hat daher auch das angefochtene Straferkenntnis diese Ausnahmevorschrift der Tatanlastung nicht zugrundegelegt.

Der Berufungswerber ist mit dem angefochtenen Straferkenntnis, wenngleich im Spruchteil gemäß § 44a Z3 VStG irreführenderweise von "Verwaltungsübertretungen" die Rede ist, nur wegen einer einzigen Verwaltungsübertretung bestraft worden. Von einem verständigen Leser des Bescheidspruchs kann daher das Bindewort "und" zwischen den als verletzt angeführten Rechtsvorschriften nur als Floskel in der Bedeutung von "iVm" verstanden werden. Hinsichtlich dieser somit allein vorgeworfenen Übertretung nach § 7 Abs.1 iVm § 43 Abs.1 BArbSchV stellt die Tatumschreibung im Schuldspruch wesentlich darauf ab, daß keinerlei "Absturzsicherungen" verwendet wurden. Eine solche Umschreibung der erforderlichen, aber nicht vorhanden gewesenen Sicherungseinrichtungen ist nach der einschlägigen Judikatur (vgl. neuerlich VwGH 93/18/0239; mit Hinweisen auf die Vorjudikatur) aus dem Blickwinkel des Konkretisierungsgebotes des § 44a Z1 VStG ausreichend. Ebenso ist das Tatbestandsmerkmal der Absturzgefahr hinreichend konkret dadurch umschrieben, daß der Spruch die Absturzhöhe von 6 m und die im Arbeitsbereich vorhanden gewesenen Öffnungen (gemeint: in der Dachhaut), durch die ein Absturz jederzeit möglich gewesen wäre (gemeint: gewesen ist), anführt.

Daß aber auf dieser Baustelle tatsächlich Absturzgefahr iSd Tatbildes für die beschäftigt gewesenen Arbeitnehmer bestanden hat, ist nach dem Ergebnis des Beweisverfahrens nicht bestreitbar. Diese Absturzgefahr wurde auch durch die Attika nicht gebannt, weil wegen ihrer geringen Höhe insbesondere auch für einen rückwärts gehenden Arbeitnehmer die Gefahr des Darüberstolperns nicht ausgeschlossen war.

Ebenso erwiesen ist, daß die beschäftigt gewesenen Arbeitnehmer im Zuge ihrer Verrichtungen beim Verlegen der Trapezbleche unweigerlich an die Absturzkanten der mehreren, über die ganze Konstruktion verteilten Öffnungen geraten mußten, daß weiters diese Öffnungen groß genug für das Hindurchstürzen eines Menschen waren und schließlich, daß unterhalb dieser Öffnungen weder technische Sicherungseinrichtungen vorhanden noch die Arbeitnehmer selbst mit Personenschutz ausgerüstet waren. Unter diesen Umständen kann von einer Qualität der schon "fertig" eingedeckten Dachteile als "Arbeitsbühne" keine Rede sein.

Aus allen diesen Gründen steht daher die Tatbestandsmäßigkeit des Verstoßes gegen die bezeichneten Schutznormen fest.

4.3. Der Berufungswerber hat die Übertretung als handelsrechtlicher Geschäftsführer der involvierten Gesellschaft, somit als Arbeitgeber auch zu verantworten.

Ihm ist die Tat, wie die belangte Behörde schon zutreffend ausgeführt hat, als schuldhaft begangen vorzuwerfen.

Gegenständlich handelt es sich um ein Ungehorsamsdelikt und ist der Berufungswerber daher schon durch den objektiven Tatbestand belastet; seine Schuld ist gemäß § 5 Abs.1 zweiter Satz VStG bis zur Glaubhaftmachung des Gegenteils durch ihn selbst - und weil auch Anhaltspunkte, die an seinem Verschulden zweifeln lassen, nicht vorliegen - von Gesetzes wegen anzunehmen. Dies folgt daraus, daß zur Tatzeit, wie aus der Aktenlage ersichtlich und vom Berufungswerber zugestanden, ein verantwortlicher Beauftragter iSd § 9 Abs.2 und Abs.4 VStG wirksam noch nicht bestellt gewesen ist.

Es ist aber auch der für die Baustelle als Bauleiter eingesetzte J. G. entgegen der Auffassung des Berufungswerbers kein (schlicht) Bevollmächtigter iSd § 31 Abs.2 ANSchG gewesen und war daher die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit des Berufungswerbers nicht im Lichte des § 31 Abs.5 ANSchG zu prüfen. Wie im Beweisverfahren hervorgekommen ist, war nämlich J. G. nicht mit einer entsprechenden Anordnungs- und Entscheidungsbefugnis nach der Judikatur (vgl das in der h. Entscheidung v.

21.11.1995, VwSen-220668, zit. Erk. VwGH 17.12.1992, 92/18/0393, mit Hinweis auf Erk. 12.6.1992, 90/19/0464; ua) eine Wesensvoraussetzung für die Bestellung als Bevollmächtigter - ausgestattet.

Abgesehen davon, würde selbst die Annahme einer derartigen Bestellung der Berufung nicht zum Erfolg verhelfen: nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH wäre der Berufungswerber aus dem Blickwinkel der Verschuldensregelung des § 31 Abs.5 VStG nur dann von seiner Verantwortlichkeit befreit, wenn er es - unter anderem - bei der Beaufsichtigung des Bevollmächtigten nicht an der erforderlichen Sorgfalt hätte fehlen lassen. Dieses subjektive Tatelement der ungenügenden Beaufsichtigung des Bauleiters als - angeblicher - Bevollmächtigter, ist vorliegend jedoch erfüllt, weil, wie hervorgekommen ist, der Berufungswerber diese Baustelle, die mehr als acht Wochen in Anspruch genommen hat, gar nicht kontrolliert hat. Dies schließt der unabhängige Verwaltungssenat daraus, daß ein solcher Kontrollgang dem Bauleiter nicht in Erinnerung bzw.

nicht aufgefallen ist. Im Hinblick auf die Dauer der Baustelle hätte sie der Berufungswerber jedoch mehrere Male zu kontrollieren gehabt und hätten nach der Erfahrung des täglichen Lebens zumindest einige dieser Kontrollgänge dem Bauleiter auffallen oder sonst zur Kenntnis gelangen und in Erinnerung bleiben müssen. Daß der Berufungswerber statt Kontrollgängen auf der Baustelle andere wirksame Maßnahmen zur Beaufsichtigung des (angeblichen) Bevollmächtigten eingerichtet und gehandhabt hätte, ist im Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat hingegen nicht hervorgekommen.

Bei diesem Ergebnis kann auf sich beruhen, daß auch die von der Judikatur herausgearbeiteten (und von der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides zutreffend dargestellten) weiteren Kriterien für ein wirksames Kontrollsystem, das die Entlastung des Arbeitgebers hätte bewirken können, entgegen den Angaben des Berufungswerbers nicht, jedenfalls nicht mit der erforderlichen Effizienz vorgekehrt waren. Hätte der Berufungswerber ein solches Kontrollsystem aber durchschlagend eingerichtet gehabt, dann hätte er nach den Umständen dieses Falles auch wahrnehmen müssen, daß der an der Baustelle eingesetzte Bauleiter pro Woche nur einen Kontrollgang absolvierte und damit die regelmäßige Einhaltung von Schutzvorschriften durch die beschäftigt gewesenen Arbeiter zweifellos nicht gewährleisten konnte.

4.4. Das Vorbringen des Berufungswerbers, mit der er die nach seiner Meinung in diesem Fall bereits eingetretene Verfolgungsverjährung zu begründen versucht, hat die Aktenlage gegen sich. Danach ist festzustellen, daß gegen ihn als Beschuldigten mit der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 20. April 1993 gegenständlich eine zur Unterbrechung der Verjährung taugliche Verfolgungshandlung gesetzt wurde. Die in dieser Verfolgungshandlung angelastete Tat stimmt in allen wesentlichen Sachverhaltselementen mit der Tat des Schuldspruchs überein. Daraus geht auch hervor, daß die in der Anlastung näher beschriebenen, für den Absturz geeigneten Öffnungen sich im "unmittelbaren" Arbeitsbereich befanden und die Wortwahl im Schuldspruch ("mittelbaren" Arbeitsbereich) somit auf einem bloßen Schreibfehler, dessen Richtigstellung gleichzeitig zu verfügen war, beruht.

Auch der vom Berufungswerber eingewendete Rechtsirrtum liegt hier nicht vor. Nach der Judikatur des VwGH kann ein Rechtsirrtum nur entschuldigen, wenn er erwiesenermaßen unverschuldet ist (vgl. etwa VwGH 12.8.1994, 94/02/0226).

Vorliegend jedoch ist davon auszugehen, daß ein für die betriebliche Praxis hinreichend aktualisiertes und gesichertes Wissen um die Rechtslage betreffend die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten regelmäßig zum Kenntnisstand einer sorgfältigen Geschäftsführung im Verkehrskreis des Berufungswerbers gehört. Im Fall von Zweifeln oder von Rechtsunsicherheit hätte sich der Berufungswerber daher einschlägig, zB bei der Interessensvertretung oder bei der Behörde informieren und den allfälligen Nachweis unrichtiger Rechtsauskünfte erbringen müssen (vgl. VwGH 15.12.1994, 94/09/0092).

Der in der Berufungsverhandlung vom Rechtsfreund des Berufungswerbers beantragte Zeugenbeweis (Einvernahme des W.

G. zum Beweis dafür, daß zum Vorfallszeitpunkt Absturzgefahr in keiner Weise bestand, sondern die Arbeiten durchwegs im bereits verlegten Dachbereich stattgefunden haben) war abzuweisen, weil, wie dargelegt (oben 3.2.), schon durch die Einvernahmen der Zeugen Dipl.-Ing. T. und J. G. einwandfrei nachgewiesen ist, daß an der Baustelle Absturzgefahr bestand.

5. Die Höhe der verhängten Strafe und die bei der Strafbemessung maßgebend gewesenen Erwägungen der belangten Behörde blieben unbekämpft.

Daß die belangte Behörde bei ihrer Ermessensentscheidung zur Strafhöhe nicht grundsätzlich nach den Kriterien des § 19 Abs.1 und Abs.2 VStG vorgegangen wäre, hat die Berufungsverhandlung nicht entdeckt. Offensichtlich auch sind - entgegen § 60 AVG (iVm § 24 VStG) verschweigt sich die Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses diesbezüglich - weder Milderungs- und Erschwerungsgründe gewertet worden. Daß dennoch Milderungsgründe zu berücksichtigen gewesen wären, hat der Berufungswerber nicht vorgebracht; solche Gründe waren nach der Sachlage auch vom unabhängigen Verwaltungssenat nicht aufzugreifen. Aus dem Strafakt ersichtlich ist, daß der Berufungswerber über die der Strafbemessung zugrundegelegten persönlichen Verhältnisse (monatl. Nettoeinkommen 31.000 S; Einfamilienhaus; keine Sorgepflichten) Kenntnis hatte. Auch diese Verhältnisse blieben unbekämpft.

Den vorliegend verwirklichten Unrechtsgehalt wertet der unabhängige Verwaltungssenat als beträchtlich deswegen, weil infolge der Gegebenheiten auf der Baustelle die Absturzgefahr als akut hoch eingeschätzt werden muß und zudem mehrere Arbeitnehmer dieser Gefahr ausgesetzt waren.

Im Ergebnis kann der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden, wenn sie die Geldstrafe in der Höhe eines Fünftels der Höchststrafe, und somit noch im unteren Bereich, festgesetzt hat. Der unabhängige Verwaltungssenat hält diese Strafe für tat- und schuldangemessen; nach der Aktenlage und den Verfahrensergebnissen ist ihre Bezahlung dem Täter zuzumuten.

6. Die im übrigen verfügte Präzisierung bzw. Korrektur des Bescheidspruchs (auch der Spruchteile gemäß § 44a Z2 und Z3 VStG) bedeutet keine unzulässige Erweiterung des Abspruchsgegenstandes und ist durch das Ergebnis des Beweisverfahrens bzw. die Richtigstellungspflicht des unabhängigen Verwaltungssenates begründet.

Die Verkündungstagsatzung ist vor Schluß der Verhandlung einvernehmlich auf den 28. November 1995 festgesetzt worden.

Zusammenfassend war aus allen diesen Gründen die Berufung abzuweisen und das angefochtene Straferkenntnis in Schuld und Strafe zu bestätigen.

7. Auf der Kostenseite bewirkt diese Entscheidung, daß dem Beschuldigten der Beitrag zum Berufungsverfahren in der gesetzlich vorgesehenen Höhe aufzuerlegen war.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilage Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Gallnbrunner

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